Einleitung
Davids Weg als Flüchtling beginnt. Er wird vogelfrei erklärt und wird von Saul gejagt. Sein Weg beginnt mit zwei Fehlern. Sein erster Fehler ist, dass er Ahimelech durch Täuschung mit in seine Sache einbezieht. Das Ergebnis ist, dass das ganze Geschlecht Ahimelechs ausgerottet wird. Sein zweiter Fehler ist, dass er zu Achis geht. Zugleich hat David auf seiner Flucht mehrere Psalmen geschrieben, die seine Gefühle ausdrücken. In diesen Psalmen kommt der Geist Christi zum Ausdruck.
1 David und Jonathan gehen auseinander
1 Und David machte sich auf und ging weg; Jonathan aber kam in die Stadt.
Nachdem David und Jonathan Abschied voneinander genommen haben, gehen sie jeder seinen eigenen Weg. Jonathan hat David alles gegeben. Er hat es für ihn mit seinem Vater aufgenommen. Er hat ihn geküsst. Er ist ihm jedoch nicht auf dem Weg der Verwerfung gefolgt. Sie gehen auseinander und werden einander erst auf der anderen Seite des Todes in ihrer innigen Verbundenheit wiedersehen. David geht dem Leiden entgegen und von dort auf den Thron. Jonathan geht nicht mit ihm in den Leiden und wird auch nicht mit ihm verherrlicht. Er geht zur Stadt zurück und wird mit seinem Vater auf dem Gebirge Gilboa fallen.
Wie wir auch über Jonathan denken mögen, er ist nicht mit David den Weg der Bedrückung und der Schmach gegangen. Er wird nicht unter den Helden Davids erwähnt, die ihm in seinen Leiden gefolgt sind und mit ihm in seiner Herrschaft verherrlicht werden.
Dennoch ist es gut, egal wie wir über Jonathan denken, zu bedenken, dass ein Vergleich zwischen Jonathan und den Männern, die bei David sind, nicht vollständig aufgeht. Jonathan hat eine andere Stellung. Wer hat übrigens eine Hingabe und Liebe zu David an den Tag gelegt wie er? David hat ihn nie gebeten, ihm zu folgen.
Vielleicht ist er in gewisser Hinsicht mit dem Mann zu vergleichen, der Dämonen austreibt, von dem Johannes zum Herrn sagt, dass sie – er und die anderen Jünger – es ihm verboten haben, weil er ihnen nicht folgt. Aber der Herr spricht den Mann gerecht und tadelt seine Jünger (Lk 9,49.50). In jedem Fall wird Jonathan seinem Vater sicher nicht geholfen haben bei dessen Jagd auf David.
2 - 7 David bei Ahimelech
2 Und David kam nach Nob, zu Ahimelech, dem Priester. Und Ahimelech kam David ängstlich entgegen und sprach zu ihm: Warum bist du allein, und niemand ist bei dir? 3 Und David sprach zum Priester Ahimelech: Der König hat mir eine Sache geboten; und er sprach zu mir: Niemand soll irgendwie von der Sache wissen, in der ich dich sende und die ich dir geboten habe! Und die Knaben habe ich an den und den Ort beschieden. 4 Und nun, was ist unter deiner Hand? Gib fünf Brote in meine Hand oder was sich vorfindet. 5 Und der Priester antwortete David und sprach: Es ist kein gewöhnliches Brot unter meiner Hand, sondern nur heiliges Brot ist da; wenn sich nur die Knaben der Frauen enthalten haben! 6 Und David antwortete dem Priester und sprach zu ihm: Ja, denn Frauen sind uns versagt seit gestern [und] vorgestern, als ich auszog; und die Gefäße der Knaben sind heilig. Und es ist einigermaßen gewöhnliches [Brot], und das umso mehr, als heute [neues] in den Gefäßen geheiligt wird. 7 Da gab ihm der Priester heiliges [Brot]; denn es war dort kein anderes Brot als nur das Schaubrot, das vor dem HERRN weggenommen worden war, um warmes Brot aufzulegen am Tag seiner Wegnahme.
David hat zuerst Schutz bei Samuel gehabt. Aber er war dort nicht sicher vor Saul. Auch sein Freund, Prinz Jonathan, hat ihm keinen dauerhaften Schutz bieten können. Jetzt, wo er wirklich ein Flüchtling ist, ohne jede Hilfe oder Schutz, geht er zum Priester Ahimelech nach Nob. Er tut das, um nach dem Willen Gottes zu fragen (1Sam 22,10). Bei dem Priester sind nämlich die Urim und die Tummim, um Gottes Willen zu erkennen.
Ahimelech wundert sich darüber, dass David allein ist. Es sind zwar andere bei ihm (Mk 2,26), aber das sind wahrscheinlich einige seiner Männer und keine Mitglieder des Hofes Sauls, die normalerweise mit ihm gingen, wenn er etwas für Saul tun sollte. Ahimelech weiß nicht, dass David auf der Flucht ist, und David schweigt auch darüber. Statt ehrlich zu sagen, dass er auf der Flucht vor Saul ist, erfindet er eine Geschichte über einen geheimen Auftrag von Saul. Er lügt dem Priester etwas vor. Sein Vertrauen auf den HERRN ist verschwunden und er lebt in Furcht vor Menschen. Das führt einen Menschen zu einem Handeln, wodurch Schmach auf den Namen des HERRN geworfen wird und anderen Böses getan wird. Er ist hier ein warnendes Beispiel für uns.
David bittet Ahimelech um zwei Dinge: Brot (Vers 4) und ein Schwert (Vers 9). Er hätte gerne fünf Brote. Ahimelech antwortet, dass nur „heiliges Brot“ da ist, das heißt die Schaubrote (Vers 7). Diese haben eine Woche auf dem goldenen Tisch im Heiligen gelegen und müssen durch neue Brote ersetzt werden. David darf sie für sich und seine Männer haben unter der Bedingung, dass die Männer sich ihrer Frauen enthalten haben.
David antwortet, dass die Männer drei Tage keinen Kontakt mit ihren Frauen hatten und dass die „Gefäße der Knaben heilig sind“. Die „Gefäße“ sind ihre Kleidung und andere persönliche Besitztümer. Auch sind sie nicht mit etwas Unreinem in Berührung gekommen (3Mo 13,58; 2Mo 19,10).
David zieht den Schluss, dass dieses Schaubrot, da es im Begriff steht, durch frisches Brot ersetzt zu werden, „einigermaßen gewöhnliches [Brot]“ ist. Das alte Brot hat seine Aufgabe vor dem Angesicht des HERRN erfüllt und kann nun verzehrt werden. Der Herr Jesus, der Sohn Davids, heißt diese Schlussfolgerung gut (Mt 12,3.4). Der Herr verweist auf diese Geschichte, weil sie treffend illustriert, was sein Volk zu diesem Zeitpunkt mit Ihm tut. Er zeigt mit der Anführung dieser Geschichte, dass das Halten von zeremoniellen Gebräuchen für Ihn keinen Wert hat, wenn der von Gott gesalbte König von seinem Volk verworfen wird.
8 Doeg
8 (Es war aber dort an jenem Tag ein Mann von den Knechten Sauls, der sich zurückgezogen vor dem HERRN aufhielt, sein Name war Doeg, der Edomiter; er war der Aufseher der Hirten Sauls.)
Nebenbei wird die Anwesenheit Doegs „an jenem Tag“ bemerkt. Doeg ist dabei, als David erscheint und hat möglicherweise sogar das ein oder andere gehört. Warum er bei der Stiftshütte ist, wird nicht erwähnt. Es scheint so, dass dieser Feind des Volkes Gottes nicht unreligiös ist. Es wird von ihm gesagt, dass er sich „zurückgezogen vor dem HERRN aufhielt“. Vielleicht hat er ein Gelübde abgelegt. Wenn das der Fall ist, ist seine Religiosität nicht anders als die von Saul. Er ist „ein Mann von den Knechten Sauls“. Er ist jedoch nicht nur irgendein Knecht. Saul hat ihm eine hohe Position gegeben, denn er ist der Aufseher seiner Hirten.
9 - 10 David bekommt das Schwert Goliaths
9 Und David sprach zu Ahimelech: Und ist hier nicht unter deiner Hand ein Speer oder ein Schwert? Denn weder mein Schwert noch meine Waffen habe ich zur Hand genommen, weil die Sache des Königs dringend war. 10 Und der Priester sprach: Das Schwert Goliaths, des Philisters, den du im Terebinthental erschlagen hast, siehe, es ist in ein Oberkleid gewickelt hinter dem Ephod; wenn du es dir nehmen willst, so nimm es, denn es ist kein anderes hier außer diesem. Und David sprach: Seinesgleichen gibt es nicht; gib es mir!
David will neben Brot auch eine Waffe haben. Als Erklärung für die Tatsache, dass er unbewaffnet ist, sagt er, dass die Sache des Königs dringend war. Hier lügt er wieder. Ein guter Kriegsmann wird sich auch nie ohne Waffe auf den Weg machen. Für uns ist hier die Lektion, dass es keine Entschuldigung gibt, wenn wir während der täglichen Beschäftigungen Gott und die geistliche Waffe seines Wortes nicht berücksichtigen. Gerade wenn bei einer Sache Eile geboten ist, ist es wichtig, von Gottes Leitung durch sein Wort und seinen Geist abhängig zu sein.
Ahimelech weist David auf die einzige Waffe hin, die er ihm geben kann, und das ist das Schwert Goliaths, wobei er bemerkt, dass dieser Philister von David erschlagen wurde. Er bietet David an, es mitzunehmen. Praktisch gesehen bedeutet das, dass David kein kleiner Junge ist. Sonst hätte er das große Schwert nicht händeln können. Auch als er gegen Goliath kämpfte, war er kein kleiner Junge. Da hat er schon dessen Schwert genommen und das Haupt des Philisters damit abgehauen (1Sam 17,51). Er hat es dann nicht bei sich behalten, sondern gewissermaßen dem HERRN geweiht. Darum liegt es jetzt bei Ahimelech, hinter dem Ephod.
Hier werden das Schwert und das Ephod miteinander verbunden. Das ist ein Vorbild auf die Beziehung, die es zwischen dem Wort Gottes und dem Dienst des Herrn Jesus als Hohepriester gibt. Dass es kein Schwert gibt, das dem Schwert Goliaths ebenbürtig ist, gilt im absoluten Sinn für das Wort Gottes, das „das Schwert des Geistes“ genannt wird (Eph 6,17).
11 - 16 David bei Achis
11 Und David machte sich auf und floh an diesem Tag vor Saul, und er kam zu Achis, dem König von Gat. 12 Und die Knechte Achis’ sprachen zu ihm: Ist das nicht David, der König des Landes? Haben sie nicht von diesem in den Reigen gesungen und gesprochen: „Saul hat seine Tausende erschlagen und David seine Zehntausende“? 13 Und David nahm sich diese Worte zu Herzen und fürchtete sich sehr vor Achis, dem König von Gat. 14 Und er verstellte seinen Verstand vor ihren Augen und tat unsinnig unter ihren Händen, und er kritzelte an die Flügel des Tores und ließ seinen Speichel auf seinen Bart herabfließen. 15 Da sprach Achis zu seinen Knechten: Siehe, ihr seht einen wahnsinnigen Mann; warum bringt ihr ihn zu mir? 16 Fehlt es mir an Wahnsinnigen, dass ihr diesen hergebracht habt, um sich bei mir wahnsinnig zu gebärden? Sollte der in mein Haus kommen?
David fühlt sich genötigt, sein Land zu verlassen, das Land, über das er nach Gottes Versprechen regieren wird. Er sucht seine Zuflucht bei Achis, dem König von Gat, einer Stadt der Philister. Saul wird ihn sicher nicht bei den größten Feinden Israels suchen. Außerdem wird Saul es nicht wagen, dort hinzukommen. Er wird jedoch von den Knechten Achis′ wiedererkannt. Sie nennen ihn sogar den „König des Landes“. Sie erzählen Achis, was über David gesungen wird. Dieses Lied wurde nach seinem Sieg über den Champion der Philister gesungen (1Sam 18,6.7).
Als David merkt, dass er erkannt worden ist, bekommt er Angst. Angst ist immer ein schlechter Ratgeber und ein Feind des Glaubens und der Liebe. Die vollkommene Liebe treibt ja die Furcht aus (1Joh 4,18). Ein Mensch wächst und erringt Siege in dem Maße, in dem er im Glauben die Angst überwindet. David lässt sich in dieser Zeit jedoch nicht durch seinen Glauben leiten. Er weiß, dass die Philister in ihm einen mächtigen Feind sehen, den sie durch sein Kommen einfach so in die Hände bekommen haben (Ps 56,1). Er weiß keine andere Lösung für dieses Problem, als sich wie ein Wahnsinniger zu verhalten. Er verhält sich wie jemand, der seinen Verstand verloren hat.
David fällt hier weit unter das Niveau eines Gläubigen. Das ist keine Kriegslist, sondern eine Verzweiflungstat. Ein Gläubiger, der sich bewusst wie ein Idiot verhält, gibt ein völlig falsches Vorbild ab. Er wirft Schande auf den Namen des Herrn. Lasst uns David aber nicht zu hart verurteilen. Wie oft haben wir uns bewusst anders verhalten aus Angst vor feindseligen Äußerungen der Welt und sind, gelinde gesagt, keine Zeugen für den Herrn Jesus gewesen?
Der Fall Davids ist groß. Sein Verhalten bewirkt, dass Abimelech ihn wegjagt (Ps 34,1). Sicher, er ist aus einer gefährlichen Situation entkommen, aber wie schmählich ist seine Rettung. Es gibt vieles, worüber man sich schämen könnte. Was bleibt, ist die Gnade Gottes.
Dass Gottes Gnade in dieser ganzen Geschichte auch eine Rolle spielt, zeigt sich in den zwei Psalmen, die während des Verbleibs bei Achis in Gat in seinem Herzen entstanden sind. [Abimelech und Achis sind zwei Namen für dieselbe Person. Abimelech ist der Titel des Fürsten der Philister (1Mo 20,2), so wie es der Pharao bei den Ägyptern ist. Achis ist sein eigener Name (1Sam 21,11).] In dem Ereignis, das hier beschrieben wird, sehen wir sein äußerliches Verhalten. In den beiden Psalmen sehen wir, was während dieser Ereignisse in seinem Herzen vor sich ging.
Psalm 56 zeigt, dass sein äußerliches Verhalten nicht die Sprache seines Herzens ist. Sein Herz wandte sich in diesen Umständen zum HERRN. Psalm 34 zeigt, was in seinem Herzen ist, als er Angst vor Achis hatte. Sein Herz ruft zu Gott und Er rettet ihn, denn er ist zerbrochenen Herzens und zerschlagenen Geistes.