1 - 3 Das Erbarmen über die Volksmenge
1 In jenen Tagen, als wieder eine große Volksmenge da war und sie nichts zu essen hatten, rief er die Jünger herzu und spricht zu ihnen: 2 Ich bin innerlich bewegt über die Volksmenge, denn schon drei Tage weilen sie bei mir und haben nichts zu essen; 3 und wenn ich sie hungrig nach Hause entlasse, werden sie auf dem Weg verschmachten; und einige von ihnen sind von weit her gekommen.
Nicht die Jünger kommen zum Herrn, um ihre Besorgtheit über die Volksmenge auszudrücken, sondern der Herr ergreift hier die Initiative (vgl. Mk 6,35). Er handelt hier aufgrund seiner eigenen liebevollen Gedanken. Nach der früheren Speisung ist dies ein zusätzlicher gnädiger Beweis, dass Er der Messias ist, der sein Volk mit Brot sättigt (Ps 132,15).
Bei der ersten Speisung (Mk 6,34–44) geht es um den Dienst der Jünger. Dort ist die Rede von 5000 Männern, fünf Broten und zwölf Handkörben; die ersten beiden Zahlen weisen auf Verantwortung hin. Hier geht es um Gottes Souveränität. Das sehen wir auch in den Zahlen „sieben“ (Vers 8) und „4000“ (Vers 9). Im ersten Fall geht es vor allem um Israel, was wir in der Zahl zwölf sehen. Hier geht es um die Erde, um alle Menschen, was wir in der Zahl vier sehen. Nach dem Brot für Israel (Mk 6,41–44) und dem Brot für die Hunde (die unreinen Heiden, Mk 7,28), sehen wir in dieser Begebenheit, dass es Brot für die Welt gibt (vgl. Joh 6,33).
Auch haben wir hier ein Zeugnis von der vollkommenen Gnade Gottes, angedeutet in der Zahl sieben, die Vollkommenheit symbolisiert. Zugleich sehen wir in dieser zweiten Speisung, dass die, die Ihm folgen, keinen Mangel haben werden.
Trotz seiner Verwerfung erweist der Herr weiterhin Gnade, denn sein Erbarmen ist göttlich. Er weiß genau, wie lange die Volksmenge bereits bei Ihm ist und dass sie nicht zu essen haben. Er zählt die Tage. Was Er von der Volkmenge sagt, gilt auch für Ihn selbst. Er ist ebenfalls die ganze Zeit ohne Essen, doch Er denkt an die Volksmenge.
Es erscheint seltsam, dass wir so lange beim Herrn sein können und doch nichts zu essen haben. Doch solche Gelegenheiten bewirkt Er, damit darin sein Erbarmen umso besser zum Vorschein kommt, wofür wir sonst kein Auge haben würden. Die drei Tage sprechen auch von seiner Auferstehung. Gott kann nur aufgrund des Todes und der Auferstehung seines Sohnes in Gnade mit der Welt handeln.
Der Herr weiß noch mehr von ihnen. Er kennt ihre begrenzten Kräfte und weiß auch, woher sie kommen und wohin sie müssen. Deshalb will Er für sie sorgen.
4 - 9 Die Speisung der Viertausend
4 Und seine Jünger antworteten ihm: Woher wird jemand diese hier in der Einöde mit Brot sättigen können? 5 Und er fragte sie: Wie viele Brote habt ihr? Sie aber sagten: Sieben. 6 Und er gebietet der Volksmenge, sich auf der Erde zu lagern. Und er nahm die sieben Brote, dankte und brach sie und gab sie seinen Jüngern, damit sie sie vorlegten; und sie legten sie der Volksmenge vor. 7 Und sie hatten einige kleine Fische; und als er sie gesegnet hatte, sagte er, sie sollten auch diese vorlegen. 8 Und sie aßen und wurden gesättigt; und sie hoben auf, was an Brocken übrig blieb, sieben Körbe voll. 9 Es waren aber ungefähr viertausend; und er entließ sie.
Die Jünger scheinen die frühere Erfahrung vergessen zu haben. So ergeht es auch uns oft. Wir wissen, wie oft der Herr Jesus uns schon aus schwierigen Situationen errettet hat, und dennoch haben wir Angst, dass wir in der folgenden umkommen könnten. Die Jünger haben noch nicht gelernt, die Situation entsprechend seiner Macht einzuschätzen und nicht entsprechend ihrer Macht.
Sie sprechen Ihn in einer Weise auf die Situation an, als wüsste Er nicht, dass in der Wüste keine Quellen sind. Sie werden erleben, dass Er eine Handvoll Körner zu einem Überfluss an Getreide machen wird (Ps 72,16).
Der Herr fragt sie nach ihrem Vorrat an Broten. Sie wissen, wie viel sie bei sich haben. Er fragt auch uns, wie viel wir haben. Wir können antworten, dass wir wohl etwas von Ihm wissen, als dem Brot des Lebens, aber dass wir damit nicht die Not anderer lindern können. Für Ihn reicht es jedoch immer aus, wenn wir es Ihm nur geben. Wir können das auch auf unser Geld und unser Fähigkeiten anwenden. Wenn wir Ihm das geben, kann Er etwas daraus machen, womit wir anderen dienen können.
Bevor Er Speise gibt, gebietet Er der Volksmenge, sich auf der Erde zu lagern. Speise, die Er gibt, muss in Ruhe gegessen werden können. Nachdem sie so sitzen, werden aller Augen auf Ihn gerichtet gewesen sein (Ps 145,14–17). Wo Er bei vielen zu Gast war, manchmal willkommen, manchmal nicht willkommen, ist Er hier nun der Gastgeber. So nimmt Er die sieben Brote und dankt dafür. Er bringt sie mit der Fülle des Himmels in Verbindung. Anschließend bricht Er die Brote, wodurch sie vermehrt werden, und gibt sie seinen Jüngern.
Die Jünger dürfen sie der Volksmenge vorsetzen als einen reich gedeckten Tisch. Es gibt keinen Mangel. Es gibt nicht nur Brot, sondern auch Fisch. Nachdem der Herr auch für den Fisch den Lobpreis ausgesprochen hat, dürfen die Jünger auch diesen der Volksmenge vorsetzen. Das Ergebnis ist, dass alle zu essen bekommen. Sie können essen, bis sie satt sind. Es gibt sogar so viel, dass sieben Körbe voll mit Brocken übrigbleiben.
Das wichtigste Ziel der Wiederholung dieses Wunders besteht darin, das unermüdliche Eingreifen der vollkommenen Macht Gottes in Liebe vorzustellen. Wir sehen das im zweimaligen Gebrauch der Zahl sieben. Normalerweise lässt sich ein Herrscher von seinen Untertanen bedienen; sie versorgen ihn mit dem, was er nötig hat. Hier ist ein Herrscher, der seinen Untertanen Speise gibt. Die Zahl 4000 weist auf die allgemeine Reichweite dieses Wunders hin. Vier ist die Zahl der Erde (vier Windrichtungen, vier Jahreszeiten). Gottes Gnade ist für jeden da.
Nachdem der Herr durch dieses Wunder die Volksmenge ausreichend mit Speise versorgt hat, schickt Er sie fort. Sie werden unterwegs nicht an Schwäche gelitten haben. Außerdem werden sie Stoff genug gehabt haben, um darüber zu reden und darüber nachzudenken, wer diese wunderbare Person wohl ist, die ihnen so viel Belehrung und Essen gegeben hat.
10 - 13 Die Bitte um ein Zeichen
10 Und sogleich stieg er mit seinen Jüngern in das Schiff und kam in das Gebiet von Dalmanuta. 11 Und die Pharisäer kamen heraus und fingen an, mit ihm zu streiten, indem sie ein Zeichen vom Himmel von ihm begehrten, um ihn zu versuchen. 12 Und in seinem Geist tief seufzend, spricht er: Was begehrt dieses Geschlecht ein Zeichen? Wahrlich, ich sage euch: Wenn diesem Geschlecht ein Zeichen gegeben werden wird! 13 Und er verließ sie, stieg wieder in das Schiff und fuhr an das jenseitige Ufer.
Sofort nach der Speisung steigt der Herr in das Schiff. Seine Jünger sind bei Ihm. So kommen sie in das nächste Gebiet seines Dienstes. Dort wartet allerdings keine notleidende Volksmenge auf Ihn, sondern dort stehen erklärte Gegner bereit, um mit Ihm zu streiten und Ihn zu versuchen.
Seine Gegner gehören zu der Gruppe der Pharisäer. Sie kommen zu Ihm und bestreiten seine Autorität, weil sie in Ihm eine Bedrohung ihrer eigenen Autorität sehen. Deshalb sind sie auch blind für die Wunder, die Er getan hat. Die Tatsache, dass sie Ihn um ein Zeichen bitten, zeigt, dass sie nicht ernsthaft über die bemerkenswerten Wunder nachgedacht haben, die Er schon getan hat. Dafür haben sie auch kein Herz. Sein ganzer Dienst und seine Person sind ja ein Zeichen aus dem Himmel!
Der Herr hat schon früher einmal wegen körperlicher Not geseufzt (Mk 7,34). Hier seufzt Er wegen der noch größeren geistlichen Not und Verblendung. Diese geistliche Not und Verblendung sind ein viel größeres Gebrechen als ein körperliches Leiden. Er seufzt, weil Er das unheilvolle Ergebnis ihres Unglaubens kennt (vgl. Hes 9,4). In seinem Geist empfindet Er die Folgen der Sünde (Joh 11,33; 13,21).
Der Herr tritt auch nicht in eine Diskussion ein. Einem Blinden, der schon so viel gesehen und doch nichts bemerkt hat, kannst du nichts klar machen. Er fragt sie, warum „dieses Geschlecht“, d. h. diese Art von Menschen, ein Zeichen haben möchte. Was für einen Nutzen hat ein Zeichen für einen Blinden, der das Zeichen gar nicht sehen kann? Deshalb bekommen sie nicht, um was sie bitten. Ihnen ein Zeichen zu geben, wäre Perlen vor die Säue zu werfen (Mt 7,6).
Die Volksmenge wollte zwar bei Ihm bleiben, doch der Herr schickte sie fort (Vers 9). Seine Gegner schickt Er nicht fort, sondern kehrt ihnen den Rücken zu. Sie brauchen nicht damit zu rechnen, dass Er auch nur in etwa ihrem Wunsch entgegenkommen wird. Er steigt wieder in das Schiff und fährt von dort weg, weg von den Pharisäern mit ihren verhärteten und blinden Herzen. Am anderen Ufer erwartet Ihn ein neues Werk: die Heilung eines Blinden (Verse 22–26). Gleichzeitig geht seine Arbeit auch an Bord weiter, indem Er seinen Jüngern Belehrung über Sauerteig gibt (Verse 14–21).
14 - 15 Der Sauerteig der Pharisäer und des Herodes
14 Und sie vergaßen, Brote mitzunehmen, und hatten nichts bei sich auf dem Schiff als nur ein Brot. 15 Und er gebot ihnen und sprach: Gebt Acht, hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und dem Sauerteig des Herodes.
Die Volksmenge von mehr als 4000 Personen hatte kein Brot, und der Herr hat sie gesättigt, indem Er die sieben Brote der Jünger gebrauchte. Nun scheinen die Jünger außer einem Brot nichts bei sich zu haben. Das ist nicht viel für dreizehn Personen. Die Frage ist, ob sie gelernt haben, was der Herr damit machen kann. Ist Er nicht bei ihnen auf dem Schiff?
Der Herr weiß, dass sie sich darüber Sorgen machen. Möglicherweise haben sie das viele Brot nur ausgeteilt und selbst nicht davon gegessen. Sie haben jedenfalls Hunger, doch der wird durch dieses eine Brot nicht gestillt. Das Austeilen geistlicher Nahrung bedeutet nicht immer, dass der eigene geistliche Hunger auch gestillt wird. Daher ist es erforderlich, selbst auch Speise zu sich zu nehmen. Manchmal ist jedoch so wenig Zeit da, selbst zu „essen“, dass das geistliche Leben schwächer wird. Der Herr weiß das.
Der Mangel an Brot und ihre Sorgen darüber geben Ihm Gelegenheit, sie zunächst eine andere Lektion zu lehren als die Lektion, dass Er aller Not entsprechen kann. Diese Lektion steht ebenfalls in Verbindung mit Brot, denn sie handelt von Sauerteig. Der Herr Jesus spricht vom Sauerteig der Pharisäer. Damit meint Er das Festhalten an äußeren religiösen Formen, welcher Art sie auch sein mögen, wodurch Gott und sein Christus beiseitegeschoben werden. Der Sauerteig der Pharisäer ist Heuchelei (Lk 12,1): Man stellt sich der Außenwelt fromm dar, während das Herz kalt und leer ist. Es gibt auch noch den Sauerteig des Herodes. Damit ist die weltliche Gesinnung gemeint, das Begehren von Dingen, die in dieser Zeit für einen guten Namen sorgen bzw. die Gleichförmigkeit mit der Welt bewirken.
Es geht also um Gesetzlichkeit und Gleichförmigkeit mit der Welt. Das sind zwei Extreme, die sich zugleich sehr ähnlich sind. Beide sind Böses. Gesetzlichkeit ist eine Form von Weltgleichförmigkeit. Es ist wichtig, die Lektion der geistlichen Gefahren zu lernen, die das Leben eines Dieners bedrohen und die seinen Dienst nutzlos oder sogar schädlich für andere machen.
Dass die Jünger diese Lektion nötig haben, zeigt sich an ihrer Reaktion. Sie haben vergessen, dass sie das eine Brot und den Herrn bei sich haben. Deswegen suchen sie die Lösung untereinander und nicht beim Herrn. Sie verknüpfen seine Belehrung mit ihren eigenen Bedürfnissen und begreifen die Warnungen nicht. Sie sehen diese Menschen als achtenswert an und sind deswegen nicht zu der radikalen Verurteilung bereit, die Er ausspricht.
Wir können von diesen Stolpersteinen und Listen nur in Christus befreit werden. Haben wir an dem einen Brot genug oder meinen wir, dass wir etwas vom Sauerteig der Pharisäer oder des Herodes hinzufügen müssen? Das können wir auf das Gemeindeleben anwenden. Die Gefahr besteht, dass wir nicht an dem einen Brot genug haben. Dann meinen wir, dass wir unseren Glauben an Ihn durch Gesetzlichkeit oder weltliche Formen beschützen müssen oder bereichern können. Wenn das geschieht, haben wir nicht aufgepasst und uns nicht vor dem Sauerteig der Pharisäer und des Herodes gehütet.
16 - 21 Belehrungen über den Sauerteig
16 Und sie überlegten miteinander und sprachen: Weil wir keine Brote haben. 17 Und als Jesus es erkannte, spricht er zu ihnen: Was überlegt ihr, weil ihr keine Brote habt? Begreift ihr noch nicht und versteht auch nicht? Habt ihr euer Herz verhärtet? 18 Augen habt ihr und seht nicht, und Ohren habt ihr und hört nicht? Und erinnert ihr euch nicht? 19 Als ich die fünf Brote für die fünftausend brach, wie viele Handkörbe voll Brocken habt ihr aufgehoben? Sie sagen zu ihm: Zwölf. – 20 Als aber die sieben für die viertausend, wie viele Körbe, mit Brocken gefüllt, habt ihr aufgehoben? Und sie sagen zu ihm: Sieben. 21 Und er sprach zu ihnen: Versteht ihr noch nicht?
Der Herr bemerkt, wie sie über seine Warnung nachdenken. Er stellt ihnen drei Fragen. Die erste Frage macht klar, dass Er mit seiner Warnung nicht an fehlende Brote dachte, sondern dass Er das fehlende Vertrauen auf Ihn bloßstellt. Mit der zweiten Frage wirft Er ihnen vor, dass sie sich der geistlichen Gefahren, die sie bedrohen, nicht bewusst sind und kein Verständnis für das haben, wovor Er sie gewarnt hat. Sie überdachten die Dinge nicht in dem Licht, wer Er ist, und kamen daher zu einer falschen Schlussfolgerung. Mit der dritten Frage weist Er auf die Ursache ihres Unverständnisses hin. Die Ursache ist ihr verhärtetes Herz. Sie haben noch nicht gelernt, völlig auf Ihn zu vertrauen, weil religiöser und weltlicher Status noch viel für sie bedeutet.
Sie haben zwar Augen, aber sehen nicht richtig, weil sie nicht so sehen, wie Er das tut. Sie sind nicht völlig blind, können aber auch nicht scharf sehen. Die Pharisäer und Herodes sind völlig blind, doch die Jünger können auch nicht richtig sehen, weil sie ebenso etwas von dem Sauerteig der Pharisäer und des Herodes haben. Sie machen keinen Gebrauch von ihrer geistlichen Befähigung, die Werke des Herrn, die sie gesehen haben, zu beurteilen. Daher beurteilen sie auch seine Worte falsch. Sie haben zwar Ohren, hören aber immer noch zu viel auf Menschen, die in religiösem Ansehen stehen.
Um sie wachzurütteln und ihr Herz zu erreichen, erinnert der Herr sie an die erste wunderbare Speisung. Er fragt sie danach, was übrigblieb. Daran können sie sich noch erinnern. Eine lebendige und genaue Erinnerung an das, was der Herr getan oder gesagt hat, ist ein wichtiger Faktor im geistlichen Leben. Dieses „Erinnern“ gebraucht Petrus in seinem zweiten Brief (2Pet 1,12.13.15; 3,1). Daher ist das Abendmahl ein Gedächtnismahl (1Kor 11,24.25). Siehe auch die beiden Gedächtnis-Psalmen 38 und 70 (Ps 38,1; 70,1).
Um sie die Lektion gut zu lehren, erinnert der Herr sie auch an die zweite wunderbare Speisung. Auch hier stellt Er die Frage, was übrigblieb. Auch daran können sie sich noch erinnern. Dann stellt Er die Frage, ob sie immer noch nicht verstehen. Auf diese letzte Frage kommt Er keine Antwort. Sie haben es durchaus verstanden. Der Herr gibt keine Antworten, Er stellt lediglich Fragen.
22 - 26 Der Herr heilt einen Blinden
22 Und sie kommen nach Bethsaida; und sie bringen ihm einen Blinden und bitten ihn, dass er ihn anrühre. 23 Und er fasste den Blinden bei der Hand und führte ihn aus dem Dorf hinaus; und er tat Speichel in seine Augen, legte ihm die Hände auf und fragte ihn, ob er etwas sehe. 24 Und aufblickend sprach er: Ich erblicke die Menschen, denn ich sehe sie wie umhergehende Bäume. 25 Dann legte er wieder die Hände auf seine Augen, und er sah deutlich, und er war wiederhergestellt und sah alles klar. 26 Und er schickte ihn in sein Haus und sprach: Geh nicht in das Dorf.
Der Herr kommt mit seinen Jüngern nach Bethsaida. Da gibt es wieder Menschen, die sich um andere sorgen und jemand zum Herrn bringen (vgl. Mk 7,32). Sie flehen Ihn an, den Blinden anzurühren, weil sie wissen, dass die Berührung des Herrn Heilung bedeutet. Es ist Glauben an die Güte und Kraft des Heilands da. In der Art und Weise, wie der Herr den Blinden heilt, ist Unterricht für die Jünger enthalten, deren Augen auch nicht in Ordnung waren (Vers 18).
Genauso wie Er es vorher mit dem Tauben tat (Mk 7,33), nimmt Er auch den Blinden von der Volksmenge weg. Er ist nicht auf die Bewunderung der Menschen aus. Er möchte seinen Dienst in der Stille ausüben, ohne die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das ist wirklicher Dienst. Ein Wort hätte gereicht, doch Er, der Sohn Gottes, ist Diener und lässt sich vollständig auf die Sache ein wie jemand, der aufs Engste mit einbezogen ist.
Seine innere Kraft, die wir im Symbol des Speichels sehen, kommt auf die Augen des Blinden. Danach legt Er ihm die Hände auf. Anschließend erkundigt Er sich – obwohl er den Zustand des Blinden vollkommen kennt – ob er etwas sehen könne. Die Antwort des Mannes scheint darauf hinzudeuten, dass die Heilung erst teilweise geglückt ist. Allerdings kann hier keine Rede von einem halb gelungenen und einem halb misslungenen Wunder des Herrn sein. Hier ist es ein Wunder, das Er in Etappen ausführt. In Johannes 9 erfolgt die Heilung ohne Phasen (Joh 9,7). Er wirkt nach seinem Plan, um auch uns etwas zu lehren.
Hier lernen wir, dass in der geistlichen Entwicklung von jemand, der zum Glauben kommt, Menschen anfangs noch einen großen Raum einnehmen können. So ist es auch bei den Jüngern: Die Menschen, besonders die Pharisäer mit ihrem frommen Äußeren, nehmen noch einen zu großen Platz ein. Gesetzliche Menschen machen auf manche einen großen Eindruck. Wenn wir keine klare Sicht auf den Herrn haben, machen gesetzliche Menschen einen starken Eindruck auf uns. Wir beugen uns vor ihrer Autorität. Wir können auch vom Ansehen und der Ehrerweisung der Welt beeindruckt sein. In all diesen Fällen ist eine zweite Berührung erforderlich, bevor wir alle Dinge klar sehen.
Auch hier wird die Liebe des Herrn nicht müde durch ihre Trägheit und mangelnde Einsicht. Er handelt nach seinem eigenen Vorsatz und bewirkt, dass wir klar sehen. Alles, was uns beeindruckt, bewirkt, dass wir nicht scharf sehen können. Das liegt daran, dass Er, das eine Brot, nicht genug für uns ist. Für jemand, der nie sehen konnte, sind zwei Dinge nötig: erstens das Sehvermögen und zweitens die Fähigkeit, das erhaltene Sehvermögen zu gebrauchen.
In diesem Blinden sehen wir den Zustand der Jünger. Bevor der Herr ihnen sozusagen zum zweiten Mal die Hände auflegt, sehen sie aufgrund der jüdischen Gewohnheiten noch nicht alles klar. Ihr Blick auf seine Herrlichkeit ist getrübt. Das zweite Auflegen der Hände des Herrn sehen wir in der Ausgießung des Heiligen Geistes. Nachdem der Heilige Geist gekommen ist, sehen die Jünger alles scharf. Die Hände des Herrn vollenden immer das Werk, das Er angefangen hat (Phil 1,6).
Er schickt den geheilten Blinden mit einem Auftrag fort. Er soll nach Hause gehen, jedoch nicht ins Dorf. Seine Familie darf wissen, was der Herr an ihm getan hat, es soll aber in der weiteren Umgebung keine Sensation daraus werden. So hat Er für jeden einen Auftrag, den Er von seinen Sünden befreit hat.
27 - 30 Das Bekenntnis des Petrus
27 Und Jesus ging hinaus mit seinen Jüngern in die Dörfer von Cäsarea Philippi. Und auf dem Weg fragte er seine Jünger und sprach zu ihnen: Wer sagen die Menschen, dass ich sei? 28 Sie aber antworteten ihm und sagten: Johannes der Täufer; und andere: Elia; andere aber: Einer der Propheten. 29 Und er fragte sie: Ihr aber, wer sagt ihr, dass ich sei? Petrus antwortet und sagt zu ihm: Du bist der Christus. 30 Und er gebot ihnen ernstlich, dass sie niemand von ihm sagen sollten.
Der Herr ergreift wie immer die Initiative, um anderwärts hinzugehen, und seine Jünger folgen Ihm. Man hat errechnet, dass Er in den Jahren seines Umhergehens ungefähr 4000 km zurückgelegt hat. Diesen ganzen Weg durften seine Jünger mit Ihm gehen. Unterwegs haben sie viele Belehrungen von Ihm erhalten. So auch, als sie zu den Dörfern von Cäsarea Philippi unterwegs sind. Auf dem Weg dorthin hat Er eine Frage an sie. Er will wissen, was die Jünger gehört haben, was die Menschen über Ihn sagen.
Die Jünger sind hinsichtlich der gängigen Meinungen im Bilde. Sie nennen nur die schmeichelnden Meinungen. Sie kannten auch die Aussagen der Pharisäer, die Ihn einen Samariter und einen Lästerer nennen oder auch einen Fresser und Weinsäufer und dass Er einen Dämon habe. Diese Dinge zählen sie aber nicht auf. Dazu liebten sie den Herrn zu sehr. Andrerseits sehen wir, dass die Meinungen – welcher Art sie auch waren –, die sie Ihm erzählen, einen Mangel an Einsicht darüber erkennen lassen, wer Er wirklich ist. Das bedeutet nicht nur, Menschen als Bäume zu sehen, sondern vollständige Blindheit.
Wir können zwar wissen, wie andere über Christus denken, doch es ist vor allem wichtig, wer Er für uns persönlich ist (vgl. Hld 5,9). Können wir sehen oder sind wir auch noch (teilweise) blind? Das ist eine Frage an alle Jünger. Der Herr richtet die Frage auf eine Weise an sie, die kein Missverständnis zulässt. Die Antwort kommt aus dem Mund von Petrus. Sein Bekenntnis ist das des Glaubens an Ihn als der Christus, der Gesalbte, der Messias.
Für Petrus ist Er de Gesalbte für Israel, doch Gott versteht unter „Gesalbter“ mehr als nur den Messias für Israel. Für Gott ist Er der Auserwählte, mit dem Er ewige Ratschlüsse verbunden hat.
Die Zeit ist vorbei, Israel von den Rechten des Herrn Jesus als Messias zu überzeugen. Daher gebietet Er seinen Jüngern, dass sie Ihn dem Volk gegenüber nicht mehr als Messias vorstellen sollen. Er kündigt an, was zur Erfüllung der Ratschlüsse Gottes in Gnaden mit Ihm als dem Sohn des Menschen geschehen wird, nachdem Israel Ihn verworfen hat.
31 Erste Ankündigung von Leiden
31 Und er begann sie zu lehren, dass der Sohn des Menschen vieles leiden und verworfen werden müsse von den Ältesten und den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten und dass er getötet werden und nach drei Tagen auferstehen müsse.
Der Herr schließt sich dem Bekenntnis des Petrus nicht an, sondern lehrt sie etwas ganz anderes. Petrus meinte mit seinem Bekenntnis, dass er in Ihm den Messias Israels sieht, der zum Haupt der Völker gemacht werden und regieren wird. Das wird sicher so sein, doch Petrus vergisst etwas. Deshalb sagt der Herr unumwunden, was mit Ihm geschehen wird. Er spricht zum ersten Mal über seinen Tod. Seine Verwerfung wird vollständig sein. Er spricht jedoch auch von seiner Auferstehung.
In diesem Zusammenhang nennt Er sich selbst den „Sohn des Menschen“. Das bedeutet, dass Er wahrhaftig Mensch ist, jemand aus dem menschlichen Geschlecht. Er, der der ewige Gott ist, ist Mensch geworden. Er verbindet sich dadurch mit der ganzen Menschheit und nicht nur mit Israel. Auch ist Er der Sohn des Menschen geworden, um sterben zu können und anschließend in der Auferstehung eine große Ernte einbringen zu können (Joh 12,24).
32 - 33 Das, was der Menschen ist
32 Und er redete das Wort mit Offenheit. Und Petrus nahm ihn beiseite und fing an, ihn zu tadeln. 33 Er aber wandte sich um, und als er seine Jünger sah, tadelte er Petrus, und er sagt: Geh hinter mich, Satan! Denn du sinnst nicht auf das, was Gottes, sondern auf das, was der Menschen ist.
Der Herr hat seinen Freunden aus seinem Herzen heraus unverblümt mitgeteilt, was Ihm widerfahren würde. Damit ist Petrus nicht einverstanden. Er fängt an, Ihn zu tadeln. Wie konnte Er solche Dinge denken und sagen? Waren sie nicht da, um das zu verhindern!? Petrus reagiert so, weil ein verworfener Messias nicht in sein Denken passt. Er hat soeben noch ein großartiges Zeugnis über Ihn abgelegt. Und doch hat er die eigentliche Bedeutung nicht verstanden, und deshalb sehen wir bei ihm, dass das schönste Zeugnis nicht vor einem derartigen Ausrutscher bewahrt. Petrus betrachtet sich selbst als einen gewaltigen Baum (vgl. Vers 24), dass er sich so über den Herrn stellen kann, um Ihn zu tadeln.
Der Herr kehrt Petrus den Rücken zu. Er erkennt diese Äußerung als eine Äußerung Satans und tadelt daraufhin Petrus, der sich als Sprachrohr Satans hat gebrauchen lassen. Während Er Petrus tadelt, sieht Er die Jünger an, denn sie müssen alle verstehen, dass ohne das Kreuz kein Segen möglich ist.
Satan wird immer versuchen, den Herrn vom Weg des Gehorsams, das ist der Weg des Kreuzes, abzubringen. Er will Ihm Herrlichkeit anbieten, ohne dass Er dafür leiden muss. Doch Gottes Weg ist: durch Leiden zur Herrlichkeit. Zuerst muss das Leiden vonseiten der Menschen und um der Sünde willen vonseiten Gottes stattfinden, danach kann Herrlichkeit kommen. Erst muss alles weggetan werden, was Gott Unehre zugefügt hat, danach kann nach Gottes Gedanken regiert werden. Das ist eine besonders wichtige praktische Wahrheit.
Petrus erkennt durch die Belehrung Gottes, dass der Herr Jesus der Christus ist, doch den Gedanken an Verwerfung, Erniedrigung und Tod kann er nicht ertragen. Er wagt es sogar, den Herrn zu tadeln. Dahin kommt der Gläubige, der nicht versteht, dass gerade im Kreuz alle Herrlichkeit Gottes eingeschlossen ist. Die schlimmsten und gefährlichsten Instrumente Satans sind oft Gläubige, die die Schmach und Feindschaft der Welt fürchten.
Satan hat dem Herrn schon früher die Herrlichkeit ohne das Kreuz vorgestellt. Der Herr hat diesen Vorschlag damals schmählich abgewiesen (Mt 4,8–10). Hier liegt der Fallstrick, in den wir alle so leicht hineingeraten, nämlich das Verlangen, das eigene Ich zu schonen und einen einfachen Weg zu wählen, ohne den Weg des Kreuzes. Von Natur aus trachten wir lieber danach, der Schande, Verwerfung und Prüfung aus dem Weg zu gehen. Wir gehen lieber einen ruhigen, von Menschen anerkannten Pfad. Petrus verstand nicht, dass es keinen anderen Weg gab, um den Menschen zu befreien. Die entsprechende Einsicht fehlte ihm. Aus unserer Lebensweise und unseren Reaktionen auf Leiden zeigt sich, dass auch wir oft nicht verstehen, dass Gottes Weg zur Herrlichkeit nur über das Kreuz geht.
34 - 38 Bedingungen, dem Herrn zu folgen
34 Und als er die Volksmenge samt seinen Jüngern herzugerufen hatte, sprach er zu ihnen: Wenn jemand mir nachfolgen will, verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf und folge mir nach. 35 Denn wer irgend sein Leben erretten will, wird es verlieren; wer aber irgend sein Leben verlieren wird um meinet- und des Evangeliums willen, wird es erretten. 36 Denn was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und seine Seele einbüßt? 37 Denn was könnte ein Mensch als Lösegeld geben für seine Seele? 38 Denn wer irgend sich meiner und meiner Worte schämt unter diesem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht, dessen wird sich auch der Sohn des Menschen schämen, wenn er kommt in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln.
Der Weg zur Herrlichkeit ist für den Jünger kein anderer als der für seinen Meister: über das Kreuz. Dieses Wort redet der Herr nicht nur zu seinen Jüngern, sondern auch zu der Volksmenge. Das gilt nicht nur für die, die Ihm bereits nachfolgen, sondern auch für jeden, der Ihm nachfolgen will. Er macht der Volksmenge klar, was die Konsequenzen sind, wenn man Ihm nachfolgt.
Er beginnt mit der Selbstverleugnung, der Verleugnung der eigenen Interessen, die man verfolgt, der Errichtung eines eigenen Reiches, eines Gebietes, wo das Leben den eigenen Zielsetzungen entspricht. Es ist das Wegsehen von der eigenen Wichtigkeit. Dann muss auch das Kreuz aufgenommen werden. Das Kreuz bedeutet, sich unter die Schmach und Verwerfung seitens der Welt zu beugen. Das bringt es mit sich, wenn man dem verworfenen Jesus nachfolgt. Das Kreuz ist beispielsweise keine Krankheit, an der wir zu leiden haben. Eine Krankheit nehmen wir nicht auf uns, sondern sie überkommt uns. Das Kreuz aufnehmen ist eine freiwillige Sache. Wir können das tun, wir können es auch lassen.
Um dem Herrn Jesus nachzufolgen, müssen wir also zwei Dinge tun. Das eine ist, uns selbst zu verleugnen. Nach dem Urteil der Welt ist das negativ, denn die Welt ist auf Selbstverwirklichung aus und darauf dass man sich selbst behauptet. Das andere ist, das Kreuz aufzunehmen. Das ist aus Sicht der Welt ebenfalls negativ, denn sie will nur die schönen Dinge genießen. Leiden hat darin keinen Platz. Wenn wir für immer beim Herrn bleiben wollen, müssen wir Ihm folgen. Und wenn wir Ihm folgen wollen, wird uns auf dem Weg hinter Ihm her das begegnen, was Ihm begegnete.
In der Nachfolge Christi geht es ganz anders als in der Welt. Es gibt für einen Menschen nichts Wichtigeres als sein Leben. Wer alles dafür einsetzt, um es zu bewahren und es auf ein langes Dasein auf der Erde anlegt, wird sein Leben verlieren. So jemand hat nicht an Gott gedacht und an das Recht, das Er auf das Leben jedes Geschöpfes hat. Wer sein Leben in Verbindung mit Christus und der Verkündigung des Evangeliums besieht, hat verstanden, um was es geht. So jemand richtet sein Leben nicht für einen langen, angenehmen Aufenthalt auf der Erde ein, sondern folgt einem Heiland, der von der Welt verworfen wurde, weil Er das Evangelium predigte. Wer das Leben lebt, entspricht dem Ziel, das Gott mit dem Leben hat. Die Belohnung ist das Teilen der Herrlichkeit, in die der Herr Jesus schon eingegangen ist.
Die Frage, „Denn was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und seine Seele einbüßt?“, ist eine wichtige Frage für alle, die so viel wie möglich von den weltlichen Dingen genießen wollen. Auch wenn jemand die ganze Welt gewinnen würde, was würde es ihm für die Ewigkeit nützen, die Er in Einsamkeit, Pein und Finsternis zubringen muss? Pharisäer und Herodianer haben die Welt gewonnen, aber sie haben ihre Seele dabei eingebüßt.
Die Seele eines Menschen ist mit nichts zu vergleichen. Dennoch tauschen zahllose Menschen ihre Seele für ein bisschen irdischen oder weltlichen Genuss ein. Sie verkaufen ihre Seele dem Teufel für ein kleines bisschen Schein. Die Welt ist das System, das die Eigenliebe und das Fleisch nährt; alle Arten von Vergnügen werden dort benutzt, um sich ohne Gott zu amüsieren.
Alles wird bestimmt von der Haltung, die wir im Blick auf den Sohn des Menschen einnehmen. Das ist der Name seiner Verwerfung, aber auch seiner zukünftigen Herrlichkeit. Wer durch ein Gefühl der Beängstigung oder Scham nicht dazu kommt, den Herrn Jesus und seine Worte anzunehmen und von Ihm gegenüber einem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht zu zeugen, wird seine Herrlichkeit nicht teilen. So jemand möchte nicht das Missfallen seiner ehebrecherischen und sündigen Umgebung auf sich ziehen. Das bringt ihm eine zeitliche Anerkennung seitens seiner Umgebung, jedoch eine ewige Verwerfung durch den Herrn Jesus.