1 - 4 Ein Gelähmter wird zum Herrn gebracht
1 Und nach einigen Tagen ging er wieder nach Kapernaum hinein, und es wurde bekannt, dass er im Haus war. 2 Und sogleich versammelten sich viele, so dass selbst an der Tür kein Raum mehr war; und er redete zu ihnen das Wort. 3 Und sie kommen zu ihm und bringen einen Gelähmten, von vieren getragen. 4 Und da sie wegen der Volksmenge nicht an ihn herankommen konnten, deckten sie das Dach ab, wo er war; und als sie es aufgebrochen hatten, ließen sie das Bett hinab, auf dem der Gelähmte lag.
Die Geschichte des Gelähmten passt zu der des Aussätzigen im vorigen Kapitel. Sowohl der Aussatz als auch die Lähmung kennzeichnen den Menschen in seinem sündigen Zustand, wodurch er unfähig ist, zu dienen. Der Aussatz ist ein Bild der ausgebrochenen Sünde und in dem Gelähmten sehen wir Kraftlosigkeit, die Folge der Sünde (Röm 5,6.8). Beide Krankheiten machen es unmöglich, in die Gegenwart Gottes zu kommen. Dennoch kommen beide Kranken zum Herrn, und Er sorgt dafür, dass sie aus ihrer Situation befreit werden und dass sie Ihm dienen können.
Der Dienst des Herrn führt Ihn erneut nach Kapernaum. In seiner Gnade sucht Er den Menschen öfter als nur ein einziges Mal auf (vgl. Hiob 33,14), Er tut es aber sozusagen unbemerkt. Er hat sich ins Haus zurückgezogen und meidet noch immer die Öffentlichkeit. Es wird jedoch bekannt, dass Er im Haus ist. Sein Dienst ist bereits so bekannt, dass viele sich in dem Haus versammeln. Das Haus ist bis zur Tür mit Menschen gefüllt. Niemand kann mehr hinein. Und der Herr dient mit dem Wort. Er hat die Errettung jedes Einzelnen von ihnen im Blick. Darum bringt Er ihnen das Wort Gottes.
Jetzt wird ein Gelähmter zu Ihm gebracht. Dieser war nicht imstande, selbst zu Ihm zu kommen, aber er hat Freunde, die Ihn zum Herrn bringen. Sie tragen ihn, sie haben ihn als eine Last bei sich, die sie zum Herrn bringen wollen. Das dürfen auch wir mit anderen tun, die uns auf dem Herzen liegen.
Als die Freunde ihren gelähmten Freund zum Herrn bringen wollen, werden sie dabei gehindert. Es ist eine Menge da, die ihnen den Weg versperrt. Die Mengen sind oft ein Hindernis, um zum Herrn zu kommen. Nun hätte Er Platz schaffen können, so dass sie zum Ihm kommen konnten. Das tut Er jedoch nicht, weil sich zeigen soll, ob sie Glauben haben. Wenn Glaube da ist, findet dieser auch einen Ausweg.
Gott nimmt Hindernisse nicht weg, sondern gibt einen Weg, sie zu überwinden. Nur muss dann Glaube da sein. Hindernisse machen klar, ob Glaube da ist. Das sehen wir bei den Männern. Sie lassen sich nicht entmutigen, sondern steigen auf das Dach. Sie decken es ab, und zwar genau dort, „wo er war“. Sie lassen das Bett ihres Freundes durch die Öffnung nach unten, so dass er genau vor Ihm liegt.
Das Erste, was der Herr sieht, ist der Glaube der Freunde. Das veranlasst Ihn zu handeln. Er sieht einen Glauben, der alle Schwierigkeiten überwindet und durchhält. Dieses Ausharren des Glaubens wird durch das Empfinden der Not genährt und durch die Gewissheit, dass Kraft bei Ihm zu finden ist, der über allen Schwierigkeiten steht.
5 - 12 Vergebung der Sünden und Heilung
5 Und als Jesus ihren Glauben sah, spricht er zu dem Gelähmten: Kind, deine Sünden sind vergeben. 6 Einige aber von den Schriftgelehrten saßen dort und überlegten in ihren Herzen: 7 Was redet dieser so? Er lästert. Wer kann Sünden vergeben als nur einer, Gott? 8 Und sogleich erkannte Jesus in seinem Geist, dass sie so bei sich überlegten, und spricht zu ihnen: Was überlegt ihr dies in euren Herzen? 9 Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Deine Sünden sind vergeben, oder zu sagen: Steh auf, nimm dein Bett auf und geh umher? 10 Damit ihr aber wisst, dass der Sohn des Menschen Gewalt hat, auf der Erde Sünden zu vergeben – spricht er zu dem Gelähmten: 11 Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett auf und geh in dein Haus. 12 Und er stand auf, nahm sogleich das Bett auf und ging hinaus vor allen, so dass alle außer sich gerieten und Gott verherrlichten und sagten: Niemals haben wir so etwas gesehen!
Die ersten Worte, die der Herr zu dem Gelähmten spricht, sind nicht: „Steh auf und geh“, sondern sind Worte der Vergebung von Sünden. Zunächst spricht Er ihn als „Kind“ an. Das zeugt von seiner Liebe. Auch der Gelähmte glaubt, doch seine wirklichen Probleme sind tiefgehender und betreffen nicht nur seinen Körper. Es scheint so, dass die Lähmung durch eine bestimmte Sünde verursacht wurde. Der Herr kennt die wirkliche Ursache aller Leiden und verabreicht ein Heilungsmittel: Vergebung von Sünden. Seine Worte müssen Balsam für die Seele des Gelähmten gewesen sein. Vergebung bedeutet, dass Gott die Sünden nicht mehr sieht und ihrer nicht einmal mehr gedenkt. Für Gott ist die Vergebung die Tür, durch die Er seinem „Kind“ alle Segnungen gibt.
Die Gegenwart und das Handeln des Herrn offenbaren nicht nur Glauben, sondern auch Unglauben. Die Schriftgelehrten, die anwesend sind, reagieren in ihren Herzen. Sie können in der Menge nicht gemeinsam überlegen, und doch haben sie alle denselben Gedanken. Sie hören etwas, was nicht in ihre Theologie passt, weil sie Ihn, der der Sohn Gottes ist, nicht erkennen. Sie urteilen zu Recht, dass nur Gott Sünden vergeben kann. Sie irren jedoch sehr, Ihn der Lästerung zu bezichtigen, weil sie nicht sehen, dass in diesem dienenden Sohn des Menschen Gott unter ihnen ist.
Jede Sünde ist immer eine Sünde gegen Gott, und daher ist vor allem Vergebung durch Ihn nötig. Aufgrund dieser Vergebung können Menschen auch einander die Sünden vergeben (Eph 4,32). Nur der Glaube sieht in dem Herrn Jesus Gott. Dass Er Gott der Sohn ist, zeigt sich auch daran, dass Er die Überlegungen ihrer Herzen kennt. Er sieht in das Herz des Gelähmten und sieht dessen Sünde. Bei den Freunden sieht Er Glauben, und bei den Schriftgelehrten sieht Er, was sie denken. Er ist das fleischgewordene Wort, vor dem alle Dinge bloß und aufgedeckt sind (Ps 94,11; 139,2; Heb 4,12.13).
Er spricht die Schriftgelehrten auf die Überlegungen ihrer Herzen an. Er beginnt keine Diskussion mit ihnen, sondern stellt Fragen und vollführt eine Tat, aus der deutlich wird, wer Er ist. Er fordert sie auf, zu beurteilen, was leichter ist: Sünden zu vergeben oder zu heilen. Für sie ist beides unmöglich, und für Gott ist beides möglich. Einer der Beweise für die Abtrünnigkeit der römisch-katholischen Kirche ist die Vermessenheit, die Macht zur Vergebung der Sünden zu beanspruchen und sie in der Praxis der Beichte auszuüben. In Worten kann die Vergebung zugesprochen werden, es sind jedoch anmaßende Worte ohne irgendeine Kraft.
Der Herr Jesus nennt sich selbst „der Sohn des Menschen“. Der Name spricht von seiner Verwerfung heutzutage und von seiner Herrlichkeit über die ganze Schöpfung in der Zukunft. Er hat Macht, auf der Erde Sünden zu vergeben. Sündenvergebung geschieht auf der Erde und nicht im Himmel. Sie geschieht auf der ganzen Erde und beschränkt sich nicht auf Israel.
Der Herr fügt seinem Machtwort zur Vergebung der Sünden das Machtwort zur Heilung hinzu. Wenn Er auf der Erde ist, gehören Vergebung und Heilung zusammen. Er ist Jahwe, „der da vergibt alle deine Ungerechtigkeit, der da heilt alle deine Krankheiten“ (Ps 103,3). Dann lässt Er den Mann das Bett aufnehmen, das ihn so lange getragen hat, und lässt ihn zu seinem Haus gehen. Dort darf er zeigen und erzählen, was der Herr an ihm getan hat.
Zugleich mit dem Auftrag bekommt er auch die Kraft, aufzustehen, und die Fähigkeit, diese Kraft zu gebrauchen. Er steht dann auch auf und geht hinaus. Erst lag er in äußerer Ruhe auf seinem Bett, war allerdings im Inneren unruhig. Jetzt ist er innerlich ruhig und äußerlich voller Aktivität. Er kann jetzt mit Ruhe im Herzen gehen und dienen. So soll es sein.
Die Menschen, die das alles gesehen haben, sind außer sich. Sie waren zu vielen zu dem Haus gekommen, wo Er war, weil sie von Ihm gehört hatten. Nun haben sie auch gesehen, wozu Er in der Lage ist. Sie verherrlichen Gott für dieses beispiellose Wunder. Jedes Wunder, durch das jemand in die Lage versetzt wird, zu dienen, ist ein Grund, Gott zu verherrlichen.
13 - 17 Der Herr beruft Levi
13 Und er ging wieder hinaus an den See, und die ganze Volksmenge kam zu ihm, und er lehrte sie. 14 Und als er vorüberging, sah er Levi, den Sohn des Alphäus, am Zollhaus sitzen, und er spricht zu ihm: Folge mir nach! Und er stand auf und folgte ihm nach. 15 Und es geschah, dass er in seinem Haus zu Tisch lag; und viele Zöllner und Sünder lagen zu Tisch mit Jesus und seinen Jüngern, denn es waren viele, und sie folgten ihm nach. 16 Und als die Schriftgelehrten und die Pharisäer ihn mit den Sündern und Zöllnern essen sahen, sprachen sie zu seinen Jüngern: Warum isst und trinkt er mit den Zöllnern und Sündern? 17 Und als Jesus es hörte, spricht er zu ihnen: Nicht die Starken brauchen einen Arzt, sondern die Kranken. Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder.
Der Herr geht wieder hinaus an den See. Im Matthäusevangelium ist der See ein Symbol für die Völker im Gegensatz zu Israel. Im Markusevangelium weist der See auf die enorme Ausdehnung seines Dienstes hin. Er lehrt in den Häusern und öffentlich (vgl. Apg 20,20). Das Arbeitsgebiet seines Dienstes ist nun die Öffentlichkeit. Am See kommt die ganze Volksmenge zu Ihm, und Er lehrt sie wieder. Seine Belehrungen sind eine Wohltat, wie Regen und Tau (5Mo 32,2) zur Erfrischung der Zuhörer. Seine Worte sind Geist und Leben (Joh 6,63), im Gegensatz zu den Belehrungen der Schriftgelehrten und Pharisäer, die nicht leben, was sie lehren, und die den Menschen schwere und schwer zu tragende Lasten auferlegen (Mt 23,3.4).
Nachdem Er die Volksmenge gelehrt hat, geht der Herr weiter. Er hat auch ein Auge für den Einzelnen. Er sieht Levi, das ist Matthäus, am Zollhaus sitzen. Hier sehen wir nicht einen Menschen, der zu Ihm kommt, wie der Aussätzige, oder einen Menschen, der zu Ihm gebracht wird, wie der Gelähmte, sondern einen Menschen, zu dem Er hingeht. Er kennt Matthäus und weiß, von wem er abstammt. Er weiß auch, was dieser Mann für Ihn übrig hat. Darum fordert Er Levi auf, Ihm nachzufolgen. Er sagt nur drei Worte: „Folge mir nach.“ Hier zeigt sich die gewaltige Anziehungskraft des Wortes, seines Wortes. Drei Worte reichen aus, damit Matthäus alles verlässt und seine ganze Zukunft mit Ihm verbindet.
Nach seiner Berufung zeigt Levi sofort etwas von dem Geist seines Meisters. Sein Dienst fängt direkt an, ohne Ausbildung. Er beginnt zu Hause, wo er eine Mahlzeit zubereitet. Er fängt gemäß Psalm 112 an zu leben (Ps 112,9), ohne dass erkennbar ist, dass er dazu einen Auftrag erhalten hat. Er übt Gastfreundschaft, zunächst gegenüber dem Herrn und seinen Jüngern, jedoch auch gegenüber seinen Kollegen und anderen Sündern, in der Hoffnung, dass auch sie Ihn finden, der sein Herz eingenommen hat. Sie alle sind Menschen, von denen wir lesen, dass sie Ihm folgten.
Die Schriftgelehrten und Pharisäer sind blind für die Herrlichkeit des Herrn Jesus. Für sie ist Er in keiner Weise anziehend. Sie kennen nur Kritik und sind seine Gegner, denn sie folgen Ihm nicht. Die Schriftgelehrten und Pharisäer beobachten all das, ohne dass sie Anteil haben an der Freudenmahlzeit, die Matthäus organisiert hat, weil Christus in sein Leben gekommen ist. Sie sind völlig gefühllos hinsichtlich der Gnade. Sie selbst wollen kein Teil daran haben und gönnen die Gnade auch den anderen nicht. Das ist immer das Kennzeichen einer gesetzlichen Person.
Zöllner und Sünder sind für sie verachtete Volksgruppen, während gerade das die Menschen sind, für die der Herr gekommen ist. Zwischen dem, was Ihn beschäftigt, und dem, was die religiösen Führer beseelt, gibt es einen enormen Abstand, eine tiefe Kluft. Sie äußern ihre Kritik an Ihm gegenüber seinen Jüngern. Der Herr Jesus hört, wie diese Leute an seine Jünger herantreten. Die Jünger brauchen nicht zu antworten. Das tut Er für sie.
Seine Antwort macht klar, in was für einem geistlichen Gesundheitszustand sich die Führer befinden. Sie halten sich selbst für gesund. Daher haben sie Ihn als Arzt nicht nötig. Die Sünder und Zöllner, mit denen Er isst, wissen, dass sie krank sind, dass sie Sünder sind und Rettung nötig haben. Die Führer halten sich selbst für gerecht. Für sie ist Er nicht gekommen.
18 - 22 Das Fasten
18 Und die Jünger des Johannes und die Pharisäer fasteten; und sie kommen und sagen zu ihm: Warum fasten die Jünger des Johannes und die Jünger der Pharisäer, deine Jünger aber fasten nicht? 19 Und Jesus sprach zu ihnen: Können etwa die Gefährten des Bräutigams fasten, während der Bräutigam bei ihnen ist? Solange sie den Bräutigam bei sich haben, können sie nicht fasten. 20 Es werden aber Tage kommen, da der Bräutigam von ihnen weggenommen sein wird, und dann, an jenem Tag, werden sie fasten. 21 Niemand näht einen Flicken von neuem Tuch auf ein altes Kleidungsstück; sonst reißt das Eingesetzte davon ab, das neue von dem alten, und der Riss wird schlimmer. 22 Und niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche; sonst zerreißt der Wein die Schläuche, und der Wein wird verschüttet, und die Schläuche verderben; sondern neuen Wein füllt man in neue Schläuche.
Obwohl der Herr gekommen ist und Johannes auf Ihn hingewiesen hat, hat Johannes doch immer noch Jünger. Sie hängen offensichtlich so an der Lehre des Johannes, dass sie diese nicht loslassen, um dem Herrn zu folgen. Die Tradition hat einen größeren Einfluss auf sie als die Gnade, die Christus zeigt. Das verbindet sie auch mit den Jüngern der Pharisäer. Äußerlichkeiten in den verschiedenen religiösen Richtungen unterscheiden nicht nur, sondern führen manchmal auch zusammen.
Sowohl die Jünger des Johannes als auch die der Pharisäer stellen daher fest, dass die Jünger des Herrn anders mit dem Fasten umgehen als sie. Was die Jünger des Herrn tun, passt nicht zu ihren Auffassungen über das Fasten. Sie stellen dem Herrn dazu Fragen. Das ist an sich eine gute Sache. Er erklärt den beiden Gruppen von Jüngern geduldig, aber auch deutlich den Unterschied.
Er stellt sich selbst als der Bräutigam vor. Er hat gerade mit Zöllnern und Sündern gegessen. Solche Mahlzeiten sind Freudenmahle für Ihn und seine Jünger. Er nennt seine Jünger „Gefährten des Bräutigams“. Solange Er bei ihnen ist, ist es ein Fest. Seine Gegenwart sorgt für Freude und Freiheit.
Die Bezeichnung „Gefährten des Bräutigams“ hat es mit Sohnschaft zu tun, denn das Wort bedeutet wörtlich „Söhne des Hochzeitssaals“. Söhne sind zum Wohlgefallen des Vaters (vgl. Eph 1,5). Sie erfreuen sich an Ihm, der der Bräutigam ist und der dient, um sich seine Frau zu erwerben. Über seine Frau wird nicht gesprochen, wohl aber über die „Söhne des Hochzeitssaals“. Sie teilen schon die Freude im Blick auf die Hochzeit, weil sie sich in der Gegenwart des Bräutigams befinden.
Der Herr weist auch auf die Zeit hin, wenn Er nicht mehr da sein wird. Er wird verworfen und getötet werden. Das wird große Trauer bei seinen Jüngern hervorrufen (Joh 16,19–22) und eine große Veränderung mit sich bringen. Die Veränderung bezieht sich nur auf seine Person, die von ihnen weggenommen werden wird. Seine Abwesenheit ist die Ursache großer Veränderungen im Dienst für Gott auf der Erde. Äußere religiöse Werke verlieren ihre Bedeutung. Man wird durch den „Geist Gottes“ dienen (Phil 3,3).
Im Beispiel von dem Flicken von neuem Tuch auf einem alten Kleidungsstück zeigt der Herr, dass die alten jüdischen Formen nicht mit der neuen Kraft des Evangeliums, das Er predigt, zu vereinen sind. Das Evangelium würde den Judaismus, mit dem sie es verbinden wollten, verderben. Die Jünger des Johannes und die Jünger der Pharisäer müssen sich entscheiden. Wenn sie bei dem Alten bleiben, haben sie kein Teil am Evangelium und der dazugehörigen Freude und Freiheit. Wenn sie das Neue wollen, müssen sie das Alte vollständig loslassen.
Der Herr fügt dem Vergleich vom Flicken und dem alten Kleid noch einen weiteren Vergleich hinzu. Beim Vergleich von dem Flicken und dem alten Kleid geht es mehr um die äußere Erscheinungsform beider Systeme. Das alte System ist voller äußerer Vorschriften, das neue zeigt die Gnade. Beim Vergleich vom jungen Wein in alten oder in neuen Schläuchen geht es um die innere Kraft des Neuen, des Jungen, der Frische, die mit dem Kommen des Herrn gekommen ist. Die neue göttliche Energie, die in Ihm zu sehen ist, kann nicht in den alten Formen der Pharisäer zur Entfaltung kommen.
Das alte Kleid und die alten Schläuche stellen das alte jüdische Gewand vor. Es geht nicht darum, das Alte auszubessern, sondern darum, etwas Neues anzunehmen. Der Versuch, die neue Erscheinungsform und den Geist des Reiches Gottes mit der alten Methode des Judentums zu kombinieren, wird im Untergang von beidem enden. Eine Kombination bedeutet nicht die Wiederherstellung des Judentums, und sie degradiert das Christentum zu einem irdischen Gottesdienst.
Das ist auch genau das, was die Geschichte des Christentums gezeigt hat. Satan hat die alten jüdischen Einrichtungen mit christlichen Wahrheiten zu vermischen gewusst. In all seiner scheinbaren Herrlichkeit zeigt sich das in der römisch-katholischen Kirche. Doch auch in vielen protestantischen Kirchen und evangelikalen Gruppen werden immer mehr alttestamentliche Rituale zurückgeholt und eingeführt.
23 - 28 Am Sabbat Ähren pflücken
23 Und es geschah, dass er am Sabbat durch die Kornfelder ging; und seine Jünger fingen an, im Gehen die Ähren abzupflücken. 24 Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Siehe, warum tun sie am Sabbat, was nicht erlaubt ist? 25 Und er spricht zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er Mangel litt und ihn und die, die bei ihm waren, hungerte? 26 Wie er in das Haus Gottes ging zur Zeit Abjathars, des Hohenpriesters, und die Schaubrote aß (die niemand essen darf als nur die Priester) und auch denen davon gab, die bei ihm waren? 27 Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat wurde um des Menschen willen geschaffen und nicht der Mensch um des Sabbats willen; 28 also ist der Sohn des Menschen Herr auch des Sabbats.
Die Begebenheit in den Kornfeldern ist eine Illustration des Neuen, das zu bringen der Herr gekommen ist. Es gibt Freiheit, am Sabbat Ähren zu pflücken und zu essen. Der Herr ist dabei. Die Söhne des Hochzeitssaals haben die Freiheit, außerhalb der Grenzen des Gesetzes die Segnungen des Landes zu genießen.
Erneut lassen die Pharisäer sich hören, weil sie wieder etwas sehen, was nicht mit ihren Auffassungen vom Gesetz übereinstimmt. Darauf sind sie auch aus, dem spüren sie nach. Unermüdlich werden sie auf alles hinweisen, was im Gegensatz zu ihren Auffassungen ist, die zum alten Kleid und zu den alten Schläuchen gehören. Sie sprechen den Herrn auf das Verhalten seiner Jünger an.
Es ist klar, dass es kein Gebot gibt, das verbietet, am Sabbat vom Korn des Feldes zu essen, im Gegenteil (3Mo 23,22). Ihre Beanstandung beruht auf einem Gebot, das sie selbst gemacht haben. Gesetzlichkeit macht das Gesetz immer schwerer, als Gott gesagt hat. Sie fügt dem Gesetz Gottes menschliche Auffassungen hinzu, wobei man nur auf äußere Dinge achtet und daraus ein System macht. Das ist eine Gefahr, der der Mensch beständig ausgesetzt ist. Wer sich dessen schuldig macht, zeigt seine völlige Unwissenheit über Gott, der Gnade erweisen möchte.
In seiner Antwort bezieht der Herr sich auf ihre Schriftkenntnis. Die Geschichte, auf die Er hinweist, stammt aus der Zeit, als David, Gottes gesalbter König, noch verworfen und auf der Flucht vor Saul war. David hatte zu der Zeit Mangel und auch die, die bei ihm waren. Das ist genau das, was die Pharisäer nun in dem wahren David mit seinen Jüngern vor sich sehen. Auch sie leiden Hunger.
Die Pharisäer haben die Geschichte natürlich schon viele Male gelesen, sie haben sie jedoch noch nie richtig gelesen und daher auch nicht wirklich begriffen. Sie haben nie ihre wahre Bedeutung erkannt. Die wahre Bedeutung steht in der Person Christi vor ihnen, doch sie sind blind dafür, weil sie sich wie Saul verhalten.
Sollte es Gottes Absicht gewesen sein, durch seine Vorschriften seinen gesalbten König und die, die bei ihm waren, verhungern zu lassen? Dazu hat Gott seine Vorschriften nicht gegeben. Wenn Menschen sie eingehalten hätten, wäre diese Situation nie entstanden. Da sein gesalbter König nun verfolgt wurde, hatte ein äußeres Festhalten an Vorschriften für Ihn nicht den geringsten Wert.
Die Schaubrote, die das Volk Gottes in ihrer Einheit vor seinem Angesicht versinnbildlichen (3Mo 24,5–9), hatten diesen Wert für Ihn verloren, weil das Volk sich von Ihm abgewandt hatte. Diese Schaubrote hatten für Gott keine symbolische Bedeutung mehr. Wegen der Verwerfung seines gesalbten Königs beschränkte Gott das Essen der Schaubrote nicht mehr auf die Priester, sondern David und seine Männer durften es essen. Er war von Gott zu einem Dienst berufen, jedoch auf der Flucht. Er war heilig, und seine Männer waren es auch, deshalb konnten sie von diesem heiligen Brot essen (1Sam 21,1–6).
Auf dieselbe Weise muss der Sabbat betrachtet werden. Er war nicht als Mittel bestimmt, um das Leiden armer Menschen zu vergrößern. Er war als Segen beabsichtigt. Der Sabbat war nicht ein Tag, der über den Menschen herrschen sollte, sondern der zu seinem Wohl und zur Ruhe dienen sollte, damit er an diesem Tag seine Gedanken auf etwas richtete, was höher war als das Werk seiner Hände. Die Pharisäer hatten aus dem Sabbat ein Joch gemacht, wohingegen Gott ihn als Segen beabsichtigt hatte. Unter dem Gesetz sind an die Sabbatfeier Vorschriften gebunden. Doch der Herr bringt den Sabbat zu seiner ursprünglichen, wahren Bedeutung zurück.
Der Sabbat gründet sich auf zwei göttliche Wahrheiten: die Schöpfung und das Gesetz. Beide sind von großer Bedeutung für den Menschen und für Israel. Der Christ gehört jedoch zu keiner von beiden. Er ist nicht mit der alten Schöpfung verbunden, denn er ist eine neue Schöpfung, und er ist nicht mit dem irdischen Israel verbunden, sondern mit der himmlischen Gemeinde. Für die Christen ist daher der erste Tag der Woche der Gedenktag, denn an diesem Tag ist Christus aus dem Grab auferstanden und öffnete damit für den Christen die neue Welt mit ganz neuen Dingen.
Die Pharisäer, die die Bedeutung des Sabbats verfälscht hatten, lässt der Herr wissen, dass Er „Herr auch des Sabbats“ ist und nicht sie. Die Person Christi steht über allen Vorschriften. Der Name „Sohn des Menschen“ zeigt die Herrlichkeit seiner Person als der verworfene, leidende Mensch. Als solcher, und nicht nur als Gott, ist Er über den Sabbat erhaben: Er ist Herr des Sabbats. Das wird sichtbar werden, wenn der große Sabbat für die Schöpfung anbricht, wenn Er seine Herrschaft antritt, was bei der Einführung des tausendjährigen Friedensreiches der Fall sein wird. Dann wird sein Volk, alle, die Ihm angehören, daran teilhaben.
Die Frage ist, ob Gott in Gnade handeln und in Souveränität inmitten seines Volkes segnen kann. Muss Er sich der Autorität von Menschen unterwerfen, die sich seiner Güte widersetzen und in falscher Weise auf seinen Anordnungen bestehen? Oder kann Er in seiner eigenen Macht und Liebe als der, der über alles erhaben ist, Gutes tun? Sollte Gott sich von dem Menschen im Werk seiner Güte beschränken lassen, was in Wahrheit der neue Wein ist, den der Herr Jesus den Menschen bringt?