1 - 6 Die Verwerfung des Herrn Jesus in Nazareth
1 Und er ging von dort weg und kommt in seine Vaterstadt, und seine Jünger folgen ihm. 2 Und als es Sabbat geworden war, fing er an, in der Synagoge zu lehren; und viele, die zuhörten, erstaunten und sprachen: Woher hat dieser das alles, und was ist das für eine Weisheit, die diesem gegeben ist, und solche Wunderwerke geschehen durch seine Hände? 3 Ist dieser nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und ein Bruder von Jakobus und Joses und Judas und Simon? Und sind nicht seine Schwestern hier bei uns? Und sie nahmen Anstoß an ihm. 4 Und Jesus sprach zu ihnen: Ein Prophet ist nicht ohne Ehre, außer in seiner Vaterstadt und unter seinen Verwandten und in seinem Haus. 5 Und er konnte dort kein Wunderwerk tun, außer dass er einigen Schwachen die Hände auflegte und sie heilte. 6 Und er verwunderte sich über ihren Unglauben. Und er zog durch die Dörfer ringsum und lehrte.
Der Herr Jesus verlässt das Haus des Jairus und geht nach Nazareth, der Stadt, in der Er aufgewachsen ist und wo Er so lange in ihrer Mitte war. Dort werden die Jünger weiteren Unterricht für Diener bekommen. Deswegen nimmt Er sie mit und sie folgen Ihm. Dieser erneute Unterricht fängt damit an, dass Er verworfen wird. Damit muss jeder Diener rechnen.
Am Sabbat geht Er in die Synagoge, an den Ort, wo üblicherweise Belehrungen aus den Schriften gegeben werden. In der Synagoge wird das Gesetz studiert und unterrichtet, doch das ist nur äußere Form. Das Herz bleibt davon unberührt. Gottesdienst bedeutet für die vielen Besucher der Synagoge nur Tradition mit Ritualen. Es geht um das, was die Väter gesagt haben. Das mögen viele gute Dinge gewesen sein, doch in der Praxis hat das einen größeren Stellenwert als die Schrift.
Der Herr kommt zum dritten Mal in die Synagoge. In Kapitel 1 haben wir einen Menschen mit einem unreinen Geist gesehen (Mk 1,23) und in Kapitel 3 einen Menschen mit einer verdorrten Hand (Mk 3,1). Beide waren durch ihren Zustand nicht in der Lage, zu dienen. Religion ohne „Wahrheit im Innern“ (Ps 51,8) macht unfähig zum Dienst.
Dieses Mal geht es um sein Wort. Er lehrt hier in der Synagoge. Seine Belehrung weckt Verwunderung bei den vielen, die Ihn hören. Sie fragen sich erstaunt, woher Er all seine Erkenntnis hat und wie es kommt, dass Er so weise ist und woher Er die Wunderwerke hat, die Er tut. Sie erfahren etwas Besonderes und können es benennen. Es bleibt jedoch bei einem erstaunten Fragen, ohne das Geheimnis wirklich erfahren zu wollen. Das ist heutzutage nicht anders.
Sie wissen genau, wer seine Verwandten sind. Und weil Er aus solch einer einfachen Familie kommt, kann Er für sie nichts Besonderes sein. Wenn Er sich nun doch ungewöhnlich verhält, muss das daran liegen, dass Er sich einbildet, etwas zu sein, was Er nicht ist. Darum nehmen sie Anstoß an Ihm, sie lehnen Ihn ab und verschließen sich damit dem Segen seiner Anwesenheit.
Dadurch wird deutlich, wie sehr der Herr als unauffälliger Mensch auf der Erde war. Er hat einfach als Zimmermann gearbeitet. Das entsprach nicht den Gedanken der Menschen, die meinen, dass heilige Menschen nicht arbeiten. Als kleiner Junge tat Er keine Wunder, wie Ihm die apokryphen Bücher das andichten. Bemerkenswert ist noch, dass sie Ihn „den Sohn der Maria“ nennen und nicht den Sohn Josephs, wie Kinder im Allgemeinen genannt werden.
Wir sehen hier, dass sogar die verachteten Einwohner Nazareths Anstoß an dem niedrigsten Herrn aller nehmen, der gleichzeitig der niedrigste Diener aller ist. Selbst die geringsten Personen der Menschheit sind nicht frei von demselben Geist der Welt, der den intelligentesten Geist erblinden lässt. Es war und ist zu viel für Fleisch und Blut, dass der wahre Erbe des Thrones Davids ein „Zimmermann“ sein soll.
Sie kennen Ihn als „den Zimmermann“. Das bedeutet, dass der Herr diese Arbeit von Joseph erlernt und ausgeführt hat. Das macht viel über die Periode klar, über die die Schrift nahezu schweigt, die Zeit seines Lebens auf der Erde bis zu seinem 30. Lebensjahr, als Er begann, durch das Land zu ziehen. Der Schöpfer von Himmel und Erde verwandte einen beträchtlichen Teil seines Lebens in dieser Welt in diesem einfachen, jedoch wunderschönen täglichen Handwerk.
Der Herr weiß, dass sie so über Ihn denken. Seine Schlussfolgerung ist – und das gilt für alle, die das Werk Gottes tun wollen: Jemand, der Gottes Wort in der direkten Umgebung und der engsten Verwandtschaft bringt, wird gerade dort nicht geschätzt. Ein Prophet bringt Gottes Wort zu den Herzen und Gewissen der Menschen. Das wird häufig eher von einem Fremden angenommen als von jemandem, den man gut kennt.
Durch ihren Unglauben wird die segnende Hand Gottes für sie gehindert. Er kann dort keine großen Werke tun. Er ist immer zum Dienen bereit, wird jedoch dort in der Ausübung seiner Liebe einschränkt, wo die Türen nicht geöffnet werden, um sich der Wirkung dieser Liebe auszusetzen. Es gibt dort keinen Nährboden für das Werk Gottes. Nur wo ein Bedürfnis ist, wirkt seine unermüdliche Liebe, ja, da muss sie wirken.
Die wenigen Kranken, die kommen, heilt Er. Es ist nicht so, dass Er versucht hat, Wunderwerke zu tun, und das nicht klappte. Nein, Er konnte wegen ihres Unglaubens keine Wunderwerke tun. Das ist anders als bei den Predigern heutzutage, die versuchen, Wunder zu tun, und bei Misserfolg dies dem Mangel an Glauben derer zuschreiben, die das Wunder erleben wollen.
In Matthäus 8 verwundert der Herr sich über den Glauben eines Heiden, der lediglich von Ihm gehört hatte (Mt 8,10). Hier verwundert Er sich über den Unglauben seiner Mitbewohner, die Ihn so lange erlebt hatten. Er wird jedoch nicht entmutigt. Es gibt noch andere Dörfer, wo Er sein Werk tun muss. Er verlässt Nazareth, um in den umliegenden Dörfern zu lehren. Der Unglaube verschließt sich dem Liebeserweis nur für sich selbst. Die Liebe sucht andere Wege. Der Herr setzt sein Werk anderswo fort.
7 - 13 Der Herr sendet die Zwölf aus
7 Und er ruft die Zwölf herzu; und er fing an, sie zu zwei und zwei auszusenden, und gab ihnen Gewalt über die unreinen Geister. 8 Und er gebot ihnen, nichts mitzunehmen auf den Weg als nur einen Stab; kein Brot, keine Tasche, kein Geld in den Gürtel, 9 sondern Sandalen untergebunden; und zieht nicht zwei Unterkleider an. 10 Und er sprach zu ihnen: Wo irgend ihr in ein Haus eintretet, dort bleibt, bis ihr von dort weggeht. 11 Und welcher Ort irgend euch nicht aufnimmt und wo sie euch nicht hören, von dort geht hinaus und schüttelt den Staub ab, der unter euren Füßen ist, ihnen zum Zeugnis. 12 Und sie gingen aus und predigten, dass sie Buße tun sollten; 13 und sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Schwache mit Öl und heilten sie.
In seiner Liebe zu den Elenden in seinem Volk weitet der Herr seinen Dienst aus, indem Er die Zwölf aussendet. Er ruft sie zuerst zu sich. Aus seiner Gegenwart heraus sendet Er sie aus. Sie ziehen nicht aufgrund eigener Initiative los. Erst nachdem Er den Auftrag erteilt hat, irgendwo hinzugehen, können sie gehen. Er stattet sie auch mit der nötigen Macht über den Widerstand aus, dem sie begegnen werden. Sie werden jeweils zu zweit ausgesandt, damit sie von Ihm zeugen. Er gibt ihnen auch Gewalt über die unreinen Geister. Er ist der Diener, aber Er ist auch Gott, denn das Verleihen von Gewalt kann nur durch jemanden geschehen, der Gott ist.
Sie brauchen nichts mitzunehmen als nur einen Stab, auf den sie sich beim Gehen stützen können. Der Ausgangspunkt ist: Vertrauen auf den mächtigen Schutz dessen, der sie gesandt hat, und dass es ihnen an nichts fehlen wird. Er ist der souveräne Herr. Alle Dinge stehen Ihm zur Verfügung.
Das Unterbinden von Sandalen bedeutet, dass sie viel werden laufen müssen. Um für den Herrn zu arbeiten, muss man sich einsetzen. In geistlicher Hinsicht bedeutet es, dass es für diese Arbeit notwendig ist, dass die Füße beschuht sind mit der Bereitschaft des Evangeliums des Friedens (Eph 6,15). Das bedeutet: Um eine Arbeit für den Herrn tun zu können, müssen wir selbst den Frieden des Evangeliums im Herzen haben und in unserem Leben zeigen, damit wir ihn auch dort weitergeben können, wohin Er uns sendet.
Sie brauchen keine zusätzliche Vorsorge gegen Kälte zu treffen. Es ist nicht nötig, zwei Unterkleider anzuziehen. Übermäßiger Luxus ist bei der Arbeit nur hinderlich. Dienst für den Herrn ist keine Urlaubsreise.
Er gibt klare Anweisungen zum Verbleib. Sie sollen nicht irgendwo Einkehr halten, kurz bleiben und dann wieder eine andere Unterkunft suchen. Solch ein Verhalten würde nicht von innerer Ruhe reden, sondern von Unruhe. Sie können in ein Haus eintreten und sollen dort bleiben, bis sie in eine andere Stadt gehen. Sie brauchen sich keine Sorgen über die Unterbringung machen. Wo der Herr ein Herz zubereitet hat, sie zu empfangen, dort können sie bleiben.
Wenn sich zeigt, dass sie irgendwo nicht willkommen sind und es kein Ohr gibt, das ihrer Predigt zuhört, sollen sie dort nicht länger bleiben. Sie sollen sogar den Staub dieser Stadt von den Füßen schütteln, damit sie nichts, nicht einmal den Staub, von dort mitnehmen. Das wird ein Zeugnis gegen diese Stadt sein, weil sie das Evangelium, das ihnen gebracht wird, abweisen.
Die Jünger tun, was der Herr sagt. Ihr erstes Werk besteht darin, die Menschen aufzurufen, sich zu bekehren. Bei ihrem Predigen machen sie auch Gebrauch von der Macht, die sie bekommen haben, Dämonen auszutreiben. Auch salben sie viele Kranke mit Öl, möglicherweise als Medizin, aber vielleicht noch mehr als symbolische Handlung, wodurch der Wert des Kranken als Person zum Ausdruck kommt. Wo Salbung im Neuen Testament geschieht, hat es nämlich oft die Bedeutung, jemanden zu ehren (Lk 7,38; Joh 12,3), während das Nicht-Salben als Unehre angesehen wird (Lk 7,46). Im Alten Testament wurden Priester, Könige und manchmal auch Propheten gesalbt.
Dass die Jünger dies mit den Kranken tun, kann also bedeuten, dass gerade sie, die möglicherweise am Leben verzweifeln, durch diese Tat besonders ermutigt werden, dass sie für Gott doch wichtig sind. Sie sollten dadurch spüren, dass Gott sich doch um sie kümmert durch die Personen, die sie salben. Die Heilung, die darauf folgt, ist der Beweis dafür.
14 - 16 Herodes wird unruhig
14 Und der König Herodes hörte von ihm. (Denn sein Name war bekannt geworden; und sie sagten: Johannes der Täufer ist aus den Toten auferstanden, und darum wirken solche Kräfte in ihm. 15 Andere aber sagten: Es ist Elia. Andere aber sagten: Ein Prophet wie sonst einer der Propheten.) 16 Als aber Herodes es hörte, sagte er: Johannes, den ich enthauptet habe, dieser ist auferstanden.
Die Geschichte wird hier unterbrochen, um die Reaktion des Herodes auf die Werke der Jünger, die sie im Namen des Herrn tun, vorzustellen. Dadurch wird klargemacht, in was für einer Welt die Diener, die gerade vom Herrn Jesus ausgesandt wurden, ihren Dienst tun. Es ist eine Welt, in der böse Mächte das Sagen haben.
Herodes ist ein Instrument in der Hand Satans. Er steht auch unter der Macht seiner eigenen fleischlichen Lüste. Wir sehen in ihm, woraus die Welt besteht. Er hat auch ein Gewissen. Der Name des Herrn ist für den einen ein Segen und stellt für den anderen eine Bedrohung dar. Letzteres ist bei Herodes der Fall.
Als er den Namen hört, der durch die Arbeit der Jünger bekannt geworden ist, kommen allerlei Vermutungen auf. Es gibt Menschen, die die Wunderwerke, die der Herr tut, mit einem aus den Toten auferstandenen Johannes dem Täufer in Verbindung bringen. Andere hingegen meinen, dass Elia gekommen ist und wirkt. Wieder andere geben als Erklärung, dass es einfach wieder ein anderer Prophet ist, wie es schon so viele gegeben hat. Alle Vermutungen beruhen auf der Einbildung des Geistes von Menschen, die zwar irgendetwas gehört haben, jedoch noch nie selbst die Schrift untersucht haben, wie die Dinge sich verhalten.
Für Herodes steht allerdings fest, dass Johannes selbst am Werk ist. Für ihn kann es nicht anders sein, als dass Johannes der Täufer, den er enthauptet hat, auferweckt worden ist. Obwohl ein Scharfrichter Johannes enthauptet hat (Vers 27), weiß Herodes, dass er es in Wirklichkeit selbst getan hat, denn er war der Auftraggeber. Er konnte Johannes zum Schweigen bringen, nicht aber sein Gewissen, denn es redet.
17 - 20 Das Zeugnis des Johannes
17 Er, Herodes, hatte nämlich hingesandt und Johannes greifen und ihn im Gefängnis binden lassen wegen Herodias, der Frau seines Bruders Philippus, weil er sie geheiratet hatte. 18 Denn Johannes hatte Herodes gesagt: Es ist dir nicht erlaubt, die Frau deines Bruders zu haben. 19 Herodias aber trug es ihm nach und wollte ihn töten, und sie konnte nicht; 20 denn Herodes fürchtete Johannes, da er wusste, dass er ein gerechter und heiliger Mann war, und er verwahrte ihn; und wenn er ihn gehört hatte, so tat er vieles, und er hörte ihn gern.
Es hatte damit angefangen, dass Herodes Johannes hatte gefangen nehmen und ins Gefängnis setzen lassen. Das hatte er getan, um der Herodias zu Willen zu sein. Herodias war die Frau seines Bruders Philippus, doch Herodes hatte sie genommen und war mit ihr verheiratet. Seine neue Ehe änderte jedoch nichts daran, dass sie „die Frau seines Bruders Philippus“ war. Das war sie und das blieb sie. Johannes hatte Herodes auf seine unerlaubte Ehe angesprochen und ihm deutlich gesagt, dass das verkehrt war.
Das war nicht im Sinne der Herodias. Johannes war wegen der Verurteilung ihrer Ehe für sie jemand geworden, der aus ihrem Leben verschwinden musste. Nur hatte sie dazu nicht die Macht.
Gott hatte dafür gesorgt, dass Johannes Zugang zum Hof des Herodes bekommen hatte. Wir sehen hier ein Beispiel dafür, dass das Wort das Gewissen sogar an den Orten erreicht, wo wir es am wenigsten erwartet hätten. Auch sehen wir hier, dass ein Unbekehrter mit Ehrfurcht zuhören kann, wenn das Wort Gottes weitergegeben wird. Zugleich stellen wir fest, dass auch dann, wenn ein Mensch sich nicht bekehrt, das Gewissen wirksam bleibt.
Herodes hatte Respekt vor dem, was Johannes sagte, nicht zuletzt deshalb, weil Johannes auslebte, was er sagte. Herodes kannte ihn als einen gerechten und heiligen Mann. Aus einem Gefühl der Ehrfurcht heraus beschützte er Johannes, ohne etwas mit dem zu tun, was Johannes sagte, obwohl er davon angesprochen war und Johannes sogar gern hörte. Doch der Mann war zu sehr ein Gefangener seines unsittlichen und gottlosen Lebens und der vornehmen Stellung, die er einnahm. Es kostete ihn zu viel, das alles aufzugeben.
21 - 29 Herodes enthauptet Johannes
21 Und als ein geeigneter Tag kam, als Herodes an seinem Geburtstag seinen Großen und den Obersten und den Vornehmsten von Galiläa ein Gastmahl gab 22 und ihre, der Herodias, Tochter hereinkam und tanzte, gefiel sie Herodes und denen, die mit zu Tisch lagen. Der König sprach zu dem Mädchen: Erbitte von mir, was irgend du willst, und ich werde es dir geben. 23 Und er schwor ihr: Was irgend du von mir erbittest, werde ich dir geben, bis zur Hälfte meines Reiches. 24 Und sie ging hinaus und sagte ihrer Mutter: Um was soll ich bitten? Diese aber sprach: Um das Haupt Johannes’ des Täufers. 25 Und sie ging sogleich mit Eile zu dem König hinein und bat und sagte: Ich will, dass du mir sofort auf einer Schale das Haupt Johannes’ des Täufers gibst. 26 Und der König wurde sehr betrübt; doch um der Eide und um derer willen, die mit zu Tisch lagen, wollte er sie nicht zurückweisen. 27 Und sogleich schickte der König einen Leibwächter und befahl, sein Haupt zu bringen. Und der ging hin und enthauptete ihn im Gefängnis. 28 Und er brachte sein Haupt auf einer Schale und gab es dem Mädchen, und das Mädchen gab es seiner Mutter. 29 Und als seine Jünger es hörten, kamen sie und hoben seinen Leichnam auf und legten ihn in eine Gruft.
Der Augenblick kommt, wo Herodes vor eine endgültige Wahl gestellt wird. Es kommt ein „geeigneter Tag“, das heißt ein für den Teufel geeigneter Tag. Unter der Zulassung Gottes lenkt der Teufel die Umstände so, dass wir bei Herodes sehen, was geschieht, wenn das Gewissen nicht in das Licht Gottes kommt. Dann bringt ein Mensch sogar die Person zu Tode, die er als einen Propheten anerkennt.
Wir begreifen nur in sehr geringem Maße die Macht dieses unreinen und raffinierten Widersachers, des Teufels. Es ist genau das Gegenteil von dem, was der Herr in Gnade unter seinen Jüngern wirkt. Er ist in ihrer Mitte nicht der Größte, sondern der Geringste und der Dienende.
Anlässlich seines eigenen Geburtstages gibt Herodes ein großes Fest. Um dem Fest zu seiner Ehre Glanz zu verleihen, hat er allerlei Würdenträger zu einer Mahlzeit eingeladen. Zu einem solchen Festessen gehört auch etwas, das die Lüste reizt. Diesen Erwartungen entspricht die Tochter der Herodias glänzend. Das Essen hatte die Erwartungen erfüllt, und das Auftreten der Tänzerin übertrifft die Erwartungen möglicherweise noch. Die Köche bekommen für ihre Leistungen nicht das zu hören, was das Mädchen zu hören bekommt.
In seinem grenzenlosen Hochmut sagt Herodes Dinge, die nur Gott vorbehalten sind. Herodes handelt nicht aus einer Anwandlung heraus, sondern ist völlig von seinen Begierden gefangen. Darum schwört er dem Mädchen, ihr das zu geben, um was sie bittet, und sei es die Hälfte seines Reiches. Das hat auch Ahasveros einmal zu einem Mädchen gesagt: zu Esther. Doch wie anders war ihre Antwort. Anstatt um das Königreich zu bitten, bat sie für das Leben ihres Volkes (Est 7,2.3); dieses Mädchen hingegen bittet um den Tod eines treuen Zeugen Gottes.
Das Kind weiß zunächst selbst nicht, was sie auf das Angebot von Herodes antworten soll, und fragt ihre Mutter. Diese hat schon so lange auf eine Möglichkeit gesonnen, Johannes zu töten, dass sie keine Sekunde nachzudenken braucht. Ihre Tochter soll um den Kopf Johannes̕ des Täufers bitten. Das Mädchen scheint von derselben Art wie die Mutter zu sein. Sofort und sogar mit Eile geht sie wieder hinein und verkündet, dass sie unverzüglich den Kopf Johannes̕ des Täufers haben will.
In einem Rausch der Sündhaftigkeit, während eines Gelages, wird Herodes in seine eigene Schwachheit verstrickt, um den Wunsch einer Person zu erfüllen, die genauso schlecht ist wie er selbst oder sogar noch schlechter. Er wird durch seine eigenen Worte in die Enge getrieben, so dass er aus Angst vor Gesichtsverlust angesichts all der hohen Gäste, nicht widerruft. Das ist das Ende des Gewissens eines natürlichen Menschen, der nicht mit einem Schuldbekenntnis im Licht Gottes erscheint. Herodes befiehlt etwas, wovon er sich vielleicht nie hat vorstellen können, dass er es je tun würde.
Doch er ist in seinen eigenen Begierden gefangen und kann nicht zurück; er will auch nicht zurück. Ein Tanz und das Verhindern eines Gesichtsverlusts sind für ihn wichtiger als das Leben des Propheten Gottes. Das war der Herrscher Israels. Er gibt Befehl, und Johannes wird enthauptet.
Das Haupt des Propheten wird dem Mädchen auf einer Schale übergeben, und sie gibt es ihrer Mutter. Unvorstellbar grausam ist die Szene, die dem Mädchen und ihrer Mutter die größte Genugtuung verschafft. Was für tiefverdorbene Wesen sind diese beiden Frauen. Doch zu solchen Gräueltaten kann jeder Mensch kommen, der Gott den Rücken zukehrt und sich gegen Ihn auflehnt, wenn ihm Gottes Gedanken mitgeteilt werden.
Die Jünger des Johannes erweisen ihrem Meister die letzte Ehre und legen seinen Leichnam in ein Grab. Dort wird er bis zur Auferstehung sein, denn das Begräbnis eines Gläubigen ist nicht sein Ende, sondern weist über das Grab hinaus auf etwas Neues, dessen Anfang die Auferstehung aus den Toten ist.
30 - 33 Die Apostel und viele kommen zum Herrn
30 Und die Apostel versammeln sich bei Jesus; und sie berichteten ihm alles, was sie getan und was sie gelehrt hatten. 31 Und er spricht zu ihnen: Kommt ihr selbst her an einen öden Ort für euch allein und ruht ein wenig aus. Denn es waren viele, die kamen und gingen, und sie fanden nicht einmal Zeit, um zu essen. 32 Und sie fuhren mit dem Schiff weg an einen öden Ort für sich allein; 33 und viele sahen sie abfahren und erkannten sie und liefen zu Fuß aus allen Städten dorthin zusammen und kamen ihnen zuvor.
Der Herr hat seine zwölf Jünger in Vers 7 ausgesandt. Hier kommen sie zu Ihm zurück, ohne dass sie dazu einen speziellen Befehl erhalten hätten. Sie werden Apostel genannt. Apostel bedeutet „Gesandte“. Sie kommen zu dem demütigen Diener zurück, um Ihm alles zu berichten, was sie getan und gelehrt haben. In ihrem Bericht beginnen sie mit ihren Taten. Danach erzählen sie Ihm, welche Belehrungen sie gegeben haben.
Es ist gut, dass sie zu ihrem Meister zurückkommen, um Ihm Bericht zu erstatten. Das ist beispielhaft für uns, dass wir, wenn wir etwas für den Herrn tun durften, Ihm Bericht erstatten. Doch lasst uns vom Beispiel der Jünger auch lernen, dass es uns nicht so sehr darum gehen sollte, was wir getan haben, sondern was wir an Belehrung von Ihm weitergegeben haben. Das kann mündlich geschehen, jedoch auch durch unser Vorbild. Wir sollten jede Woche in der Lage sein, zu sagen, was wir vom Herrn in der Schule Gottes gelernt haben, denn wir sind, solange wir leben, in der Schule. Als Paulus und Barnabas einen Bericht geben, erzählen sie alles, was Gott mit ihnen getan hatte (Apg 14,27; 15,4).
Der Herr ist ihnen gegenüber sehr aufmerksam. Er weiß auch, dass sie nach ihrem Dienst etwas Ruhe brauchen. Die vielen, die kommen und auch wieder gehen, haben die Segnungen des Dienstes der Apostel genossen. Dennoch hatten sie nicht wirklich Interesse am Herrn, denn sie blieben nicht. Solche Erfahrungen können besonders entmutigen. Das erfordert viel Energie, wobei das Ergebnis gering erscheint. Es gibt immer eine Fülle an Arbeit, die sie (und uns) so in Beschlag nehmen kann, dass nicht einmal Zeit zum Essen bleibt.
Der Herr hat aus seinen Dienern keine Maschinen gemacht, die immer weiterlaufen können. Er nimmt sie mit, damit sie bei Ihm sind, denn wirkliche Ruhe gibt es nur in seiner Gegenwart. Er erachtet es für nötig, dass seine Diener sich ab und zu von der Arbeit zurückziehen, damit sie mit Ihm allein sind. Dazu muss auch eine passende Umgebung gefunden werden. Der geeignete Ort ist nicht die Stadt mit all ihrem Lärm und Betrieb, sondern ein öder Ort, wo nichts ist, was die Sinne reizen könnte, und man sich in aller Ruhe und ungestört vom Herrn belehren lassen kann. Schließlich sagt Er, dass sie „ein wenig“ ausruhen sollen. Das Ziel ist nicht, sich vollständig von der Arbeit zurückzuziehen, sondern bei Ihm wieder die nötigen Kräfte für den folgenden Dienst zu sammeln.
Die Apostel folgen seinem Rat. Sie verlassen per Schiff das Arbeitsgebiet und die vielen, die kamen und gingen, um für sich allein einen öden Ort aufzusuchen. Doch die Ruhe beschränkt sich auf die Ruhe im Schiff. Die Menschen sehen den Herrn mit seinen Jüngern wegfahren. Sie sehen auch, wohin sie fahren. Der Herr lässt das Schiff nicht einen anderen Kurs nehmen, denn Er beschämt niemals geweckte Erwartungen. Die Menschen, die zu Ihm kommen wollen, beeilen sich so sehr, dass sie sogar früher an dem Ort sind, wo das Schiff an Land kommt, als das Schiff.
34 - 38 „Gebt ihr ihnen zu essen“
34 Und als er ausstieg, sah er eine große Volksmenge, und er wurde innerlich bewegt über sie, weil sie wie Schafe waren, die keinen Hirten haben. Und er fing an, sie vieles zu lehren. 35 Und als es schon spät geworden war, traten seine Jünger zu ihm und sagten: Der Ort ist öde, und es ist schon spät; 36 entlass sie, damit sie hingehen aufs Land und in die Dörfer ringsum und sich etwas zu essen kaufen. 37 Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen. Und sie sagen zu ihm: Sollen wir hingehen und für zweihundert Denare Brote kaufen und ihnen zu essen geben? 38 Er aber spricht zu ihnen: Wie viele Brote habt ihr? Geht hin, seht nach. Und als sie es erfahren hatten, sagen sie: Fünf, und zwei Fische.
Als der Herr aus dem Schiff steigt und die große Volksmenge sieht, kann Er nicht anders: Er ist innerlich bewegt über sie. Er sieht eine große Herde ohne Hirten. Ihre religiösen Führer sind keine Hirten, sondern Mietlinge, Diebe und Räuber. Sie machen sich überhaupt keine Sorge um die Herde, sondern wollen gerade von der Herde profitieren (Joh 10,8.12; Hes 34,2). Der Herr hingegen ist der gute Hirte (Joh 10,11).
In seinem Erbarmen fängt der Herr an, die große Volksmenge viele Dinge zu lehren. Menschen, die in Not sind, brauchen vor allem gesunde Belehrung für ihren Geist, noch mehr als gesunde Nahrung für ihren Körper, obwohl der Herr auch dieses Bedürfnis nicht vergisst.
Die Jünger sind Menschen ihrer Zeit und sie sind praktisch. Sie meinen, ihren Herrn darauf hinweisen zu müssen, dass das Ort öde ist und dass es schon spät geworden ist. Was ihnen fehlt, ist das Erbarmen, das Er hat. Ihr Rat ist, die Volksmenge wegzuschicken, denn dann könnten sie noch etwas zu essen kaufen. Spricht dieser Rat nicht auch von Sorge für die Menschen? Das könnte so aussehen, jedoch teilen sie nicht das Erbarmen des Herrn für die Volksmengen. Darüber hinaus fehlt ihnen auch der Glaube an einen Herrn, der auch die leiblichen Bedürfnisse stillen kann. Könnte Er wohl die Volksmenge wegschicken, nachdem Er ihren Geist erquickt hat, ohne dass Er sie auch körperlich erfrischt hat? Sie gleichen Ihm noch nicht, aber Er setzt seine Belehrungen fort. Deswegen bezieht Er sie mit ein.
Er tut ein Wunder, ohne dass die Volksmenge darum gebeten hat. Er antwortet auf die Not mit „gebt“ (vgl. 2Kön 4,42–44). Er ist immer der milde Geber. In dieses Geben bezieht Er seine Jünger mit ein. Er lehrt sie, mit Mitgefühl zu geben. So bereitet Er sie auf den Dienst vor. Es ist nicht nur Kraft erforderlich, um das Wort mit Vollmacht zu predigen, es ist auch Liebe erforderlich.
Sein Auftrag veranlasst die Jünger, ihren Geldvorrat zu zählen. Das ist das Einzige, woran sie denken können. Sie meinen, wenn der Herr sie um etwas bittet, sie müssten das aus eigenen Mitteln erfüllen. Doch Er bittet uns nie um etwas, ohne für das Erforderliche zu sorgen. Aus der Antwort der Jünger wird deutlich, wie wenig Glauben sie an die Hilfsquellen haben, die Ihm zur Verfügung stehen.
Glaube zeigt sich vor allem darin, dass wir wissen, wie wir von dem Gebrauch machen können, was in Christus ist, um einer Not zu begegnen, die in einem bestimmten Augenblick vor uns auftaucht. Der Glaube urteilt so: Je größer die Schwierigkeit ist, desto mehr bietet sie Christus die Gelegenheit, sich selbst zu offenbaren.
Nachdem sie Ihm gesagt haben, wie viel sie haben, stockt Er den Betrag nicht auf, so dass genug Geld da wäre, um Brote zu kaufen. Das hätte Er auch tun können. Nein, Er fragt sie, was sie an Broten haben, denn Er will, dass seine Jünger ihnen zu essen geben. Da müssen sie „nachsehen“. Sie sollen nachsehen, wie viele Brote sie haben. Nachdem sie das wissen, sagen sie es Ihm. Sie können sogar angeben, dass auch noch zwei Fische da sind. Er wird sie ebenfalls gebrauchen.
Der Herr gebraucht gern Dinge, die wir in unserer menschlichen Weisheit verachten würden. Die Frage ist nicht, was dies für so viele Menschen ist, die davon essen sollen, sondern was es für Ihn bedeutet. So hat auch Mose gelernt, dass der Herr das gebrauchen kann, was er hat (2Mo 4,2.3; vgl. 1Kön 17,10–16; 2Kön 4,2–6). Brot und Fisch sind Nahrung und beide sprechen vom Herrn Jesus. In der Anwendung geht es um das, was wir von Ihm gelernt haben. Manchmal geschieht das, indem wir das Netz auswerfen und damit Fische fangen, wie zum Beispiel beim Hören einer Predigt. Das bedeutet einfach einzusammeln. Um Brot zu bereiten, ist ein ganzer Prozess nötig. Genauso ist viel Arbeit erforderlich, um von Ihm zu lernen.
39 - 44 Der Herr speist die Fünftausend
39 Und er befahl ihnen, dass sie alle sich in Gruppen lagern ließen, auf dem grünen Gras. 40 Und sie lagerten sich in Abteilungen zu je hundert und je fünfzig. 41 Und er nahm die fünf Brote und die zwei Fische, blickte auf zum Himmel, segnete und brach die Brote und gab sie seinen Jüngern, damit sie sie ihnen vorlegten; und die zwei Fische verteilte er unter alle. 42 Und sie aßen alle und wurden gesättigt. 43 Und sie hoben an Brocken zwölf Handkörbe voll auf, und von den Fischen. 44 Und die, welche die Brote gegessen hatten, waren fünftausend Männer.
Der Herr gebietet (Er ist der Herr!) den Jüngern, dass sie die Volksmenge in Gruppen aufteilen. Es muss eine gewisse Ordnung hergestellt werden. Die Abteilungen oder Gruppen sollen sich auf das grüne Gras setzen. Das spricht von Ruhe, Frische und Überfluss. Das erinnert an Psalm 23, wo der Hirte die Schafe auf grüne Auen führt (Ps 23,2).
Man hat die Größe dieser Gruppen als einen Hinweis auf die Größe einer örtlichen Gemeinde aufgefasst. Wenn eine Gemeinde an einem Ort größer wird als hundert Personen, wird es schwierig, mit allen einen gewissen Kontakt zu haben. Die Gefahr ist dann groß, dass nicht alle dieselbe Fürsorge erfahren und dass manche übersehen werden.
Als der Herr das Brot und die Fische genommen hat, sieht Er auf zum Himmel. All sein Tun steht mit dem Himmel in Verbindung, dem Wohnort seines Vaters. Dies bestimmt seine Wunder und seine Worte. Hier bringt Er das Wenige mit der Fülle des Himmels in Verbindung. Dann segnet Er, das bedeutet, dass Er eine Danksagung Gott gegenüber ausspricht. Er bricht die Brote und die Fische, die sich in seinen gesegneten Händen zu großen Menge vervielfachen, die für alle ausreicht.
Er gebraucht die Jünger als Mittler. So wendet Er das Übel (den Vorschlag, die Volksmenge wegzuschicken) zum Guten. Er will ihnen zeigen, dass seine Liebe Wohlgefallen daran hat, durch menschliche Kanäle zu wirken. Nur das, was von Ihm redet und was von Ihm kommt, kann zu Nahrung werden. Wenn wir beständig von Ihm abhängig sind, können wir zum Segen für andere sein. Dann wissen wir, dass Er das Wenige, das wir haben, gebrauchen kann, um anderen damit zu dienen.
Die Volksmenge hat nicht nur etwas zu essen, sondern es ist reicht aus. Sie können bis zur Sättigung essen. Es bleiben sogar noch zwölf Körbe an Brocken übrig. Durch dieses Wunder gibt Er den Beweis, dass Er der Messias ist (Ps 132,15).
Überfluss führt beim Herrn niemals zur Verschwendung. Nichts wird von dem verschwendet, was Er zum Segen gegeben hat. Die Volksmenge darf genug haben, aber Er hat auch einen Segen für andere, die nichts haben. Der Überfluss dient dem Mangel anderer (vgl. 2Kor 8,14). Es ist nicht zufällig, dass zwölf Körbe voll übrigbleiben. Die Zahl Zwölf hat einen symbolische Bedeutung. Sie weist auf den Segen hin, den der Herr für das ganze Volk Gottes am Ende der Zeit hat.
Von diesen wenigen Broten und diesen paar kleinen Fischen hat eine Volksmenge von allein 5000 Männern gegessen. Das Wunder ist nicht zu leugnen. Er ist Emmanuel, Gott mit uns (Mt 1,23), Gott, der sein Volk im Segen besucht. Er bringt das Haus seines Vaters, wo es Brot in Überfluss gibt (Lk 15,17), zu dem bedürftigen Menschen.
45 - 52 Der Herr Jesus wandelt auf dem See
45 Und sogleich nötigte er seine Jünger, in das Schiff zu steigen und an das jenseitige Ufer nach Bethsaida vorauszufahren, während er die Volksmenge entlässt. 46 Und als er sie verabschiedet hatte, ging er hin auf den Berg, um zu beten. 47 Und als es Abend geworden war, war das Schiff mitten auf dem See und er allein auf dem Land. 48 Und als er sie beim Rudern Not leiden sah – denn der Wind war ihnen entgegen –, kommt er um die vierte Nachtwache zu ihnen, wandelnd auf dem See; und er wollte an ihnen vorübergehen. 49 Als sie ihn aber auf dem See wandeln sahen, meinten sie, es sei ein Gespenst, und schrien auf; 50 denn alle sahen ihn und wurden bestürzt. Er aber redete sogleich mit ihnen und spricht zu ihnen: Seid guten Mutes, ich bin es; fürchtet euch nicht! 51 Und er stieg zu ihnen in das Schiff, und der Wind legte sich. Und sie erstaunten sehr über die Maßen bei sich selbst und verwunderten sich; 52 denn sie waren durch die Brote nicht verständig geworden, sondern ihr Herz war verhärtet.
Nach dem Wunder der Speisung nötigt der Herr seine Jünger, in das Schiff zu steigen und schon ans andere Ufer zu fahren. Dass Er seine Jünger nötigen muss, zeigt, dass ihnen nicht der Sinn danach stand, ohne Ihn wegzugehen. Dadurch sollen sie lernen, was es bedeutet, von Ihm weggesandt zu werden, worum sie Ihn im Blick auf die Volksmenge gebeten hatten (Vers 35).
Für den Herrn war die Zeit gekommen, die Volksmenge wegzuschicken. Er hat sie aus dem Wort belehrt und mit Brot gesättigt. Er hat sich als der Messias erwiesen, doch sie haben Ihn nicht angenommen. Darum setzt Er (bildlich) das Volk für eine bestimmte Zeit beiseite. Auch mit seinen Jüngern hat Er scheinbar keine Verbindung. Er lässt sie allein. Das ist ein Bild der gegenwärtigen Zeit, wo Er nicht auf der Erde ist. Israel ist für eine Zeit verworfen, und Er selbst nimmt während dieser Zeit seinen Platz in der Höhe ein, um für die Seinen zu beten.
Während seiner Abwesenheit wird es Abend. Das Schiff ist mitten auf dem See, und der Herr ist auf dem Land. Er ist von den Jüngern im Schiff weit entfernt. So befinden auch wir uns in der Nacht der Welt. Die Jünger sehen Ihn nicht, doch Er sieht sie. Er sieht auch, dass sie in schwierigen Umständen sind. Er sieht ihre heftigen Anstrengungen, um mit der Situation fertig zu werden. Nachdem Er gebetet hat, kommt Er zur dunkelsten Zeit der Nacht zu ihnen. Es ist die vierte Nachtwache – die Nacht ist fast vorbei, zwischen drei und sechs Uhr.
Der Herr geht über den See, während die Jünger einen Kampf auf Leben und Tod führen. So steht Er über unseren Umständen. Er braucht nicht dagegen zu kämpfen, denn Er beherrscht die Umstände vollkommen und sie unterstehen seiner Autorität. Für Ihn bestehen diese Schwierigkeiten nicht. Er lässt sie im Leben der Seinen zu, damit sie lernen, Ihm zu vertrauen. Der Herr erlöst seine Jünger nicht sofort aus der Not. Er will an ihnen vorbeigehen, als würde Er ihre Not nicht bemerken. Er wird nicht vorbeigehen, doch indem Er sich so stellt, will Er sie etwas lehren.
Als die Jünger Ihn auf dem See gehen sehen, meinen sie, es sei ein Gespenst. Sie schreien vor Angst. Gläubige, die schwer auf die Probe gestellt werden, können den Blick auf den Herrn manchmal ganz verlieren und zu der Schlussfolgerung kommen, dass sie es mit dem Teufel zu tun haben. Wenn wir das hier bei den Jüngern sehen, brauchen wir das solchen Gläubigen nicht zu verübeln. Er nimmt es seinen Jüngern auch nicht übel.
Wenn es ein Gespenst wäre, was sie ja meinten, hätten sie es mit der Macht des Bösen zu tun. Darüber hatten sie von Ihm die Gewalt bekommen (Vers 7). Sie können diese Gewalt jedoch nur gebrauchen, wenn sie in beständiger Abhängigkeit vom Herrn sind, und die fehlt ihnen hier.
Sie sehen Ihn zwar, doch statt ermutigt zu werden, erschrecken sie, denn sie erkennen Ihn nicht. Dann öffnet Er seinen Mund mit Worten der Ermutigung, der Sicherheit und des Trostes. Er spricht in erster Linie nicht „zu“ ihnen, sondern redet „mit“ ihnen. Er ist ihnen so nah, dass es zwischen Ihm und ihnen keine Distanz mehr gibt. Er ermutigt sie mit den Worten: „Seid guten Mutes.“ Er versichert ihnen, dass Er es ist. Er tröstet sie in Ihrer Angst, indem Er ihnen sagt, dass sie sich nicht zu fürchten brauchen.
Dann steigt Er zu ihnen ins Schiff. Die Folge ist, dass Ruhe einkehrt. So ist es auch im Leben des geprüften Gläubigen. Wenn der Herr zu ihm ins Herz kommt, legt sich der Wind, und mit Ihm kehrt auch Ruhe ein. Diese Ruhe verursacht großes Erstaunen.
Der Grund ihres Unglaubens und der Tatsache, dass sie Christus nicht erkennen, ist ihr verhärtetes Herz. Wer ein Werk oder Wunder des Herrn nicht beachtet, verhärtet damit sein Herz. Das gilt nicht nur für Ungläubige, für die es im Blick auf die Ewigkeit fatal ist (Heb 3,7–15), sondern das gilt auch für Gläubige, für die es im Blick auf die Ewigkeit nicht fatal ist, bei denen es aber, was das Glaubensleben auf der Erde betrifft, eine einschränkende Wirkung hat. Darum hat jeder Unterricht wieder neuen Unterricht nötig. Wir lernen nie aus, den Herrn wirklich zu kennen und Ihm zu vertrauen, denn unser Herz ist so oft verhärtet.
53 - 56 Heilungen in Genezareth
53 Und als sie ans Land hinübergefahren waren, kamen sie nach Genezareth und legten an. 54 Und als sie aus dem Schiff gestiegen waren, erkannten sie ihn sogleich 55 und liefen in jener ganzen Gegend umher und fingen an, die Leidenden auf den Betten umherzutragen, wo sie hörten, dass er sei. 56 Und wo irgend er eintrat in Dörfer oder in Städte oder in Gehöfte, legten sie die Kranken auf den Märkten hin und baten ihn, dass sie nur die Quaste seines Gewandes anrühren dürften; und so viele irgend ihn anrührten, wurden geheilt.
Der Herr hatte gesagt, dass die Jünger an das andere Ufer vorausfahren sollten (Vers 45). Dort kommen sie dann auch an. Sie sind ohne Ihn abgefahren und kommen mit Ihm an. Darüber hinaus sind sie um eine große Erfahrung reicher, sowohl hinsichtlich ihrer eigenen Ohnmacht als auch hinsichtlich seiner Allmacht und seiner Tröstung. Sie kommen nach Genezareth, legen dort an und gehen an Land. Der Herr ist in dieser Gegend bekannt. Als Er aus dem Schiff ausgestiegen ist, erkennen Ihn die Menschen sofort. Das wird auch durch das Zeugnis des Mannes geschehen sein, der durch Ihn von vielen Dämonen befreit worden war (Mk 5,20).
Die Gegenwart des Herrn bringt viele Menschen in Bewegung, die mit Leiden in ihrer direkten Umgebung zu tun haben. Diese Hilfeleistenden sehen nach, wo Not ist, und bringen die leidenden Menschen auf Betten zu Ihm. Wenn wir Menschen in Not zum Herrn bringen wollen, müssen wir sie erst auf ein Bett legen und sie dann zu Ihm bringen. Solchen Menschen darf nicht eine zusätzliche Bürde auferlegt werden, damit sie zu Ihm kommen können, denn das könnte ein Hindernis darstellen. Es ist wichtig, dass sie gerade auf eine ruhige Weise zu Ihm gebracht werden. Die Hilfeleistenden bitten Ihn nicht, zu ihnen zu kommen, sondern suchen Ihn auf.
Überall da, wo Menschen sind, die den Herrn brauchen, wirkt Er in Gnade. Er ist für alle gekommen. Es spielt keine Rolle, ob jemand in einer großen Stadt, in einem kleinen Dorf oder irgendwo abgelegen auf einem Fleckchen Erde wohnt. Er kommt überall hin und ist so für jeden erreichbar. Einst hat eine einzelne Frau sein Kleid angerührt und ist geheilt worden (Mk 5,28). Nun kommen viele mit der Bitte, Ihn anrühren zu dürfen, und sei es nur die Quaste seines Kleides. Das bedeutet, dass sie bereit sind, sich vor Ihm zu beugen. Diese Haltung hat immer Segen zur Folge. Alle, die Ihn anrühren, werden dann auch geheilt.
Unsere Verantwortung ist es, Seelen zum Herrn zu bringen. Es ist die Verantwortung notleidender Seelen, Ihn im Glauben anzurühren. Die Hilfsmittel, die Betten, die wir gebrauchen, strahlen die Ruhe aus, die diese Seelen für ihr Gewissen und ihre Seelen bei Ihm bekommen können (Mt 11,28.29). Dieser Abschnitt ist eine kurze Beschreibung von dem, was geschehen wird, wenn der Herr auf die Erde zurückkehrt.