1 - 2 Einleitung zur Rede über die letzten Dinge
1 Und als er aus dem Tempel heraustritt, sagt einer seiner Jünger zu ihm: Lehrer, siehe, was für Steine und was für Gebäude! 2 Und Jesus sprach zu ihm: Siehst du diese großen Gebäude? Hier wird nicht ein Stein auf dem anderen gelassen werden, der nicht abgebrochen wird.
In diesem Kapitel hält der Herr Jesus seine Rede über die letzten Dinge. In Übereinstimmung mit dem Charakter dieses Evangeliums spricht Er mit seinen Jüngern darüber in ihrer Eigenschaft als Diener. Dieses Kapitel enthält also auch Belehrungen für Diener in Zeiten großer Drangsal. Der Herr warnt seine Jünger und zeigt ihnen, wie sie dem Gericht entkommen können, das über das geliebte Volk kommt wegen seiner Sünden. Wenn die Zeit kommt, von der Er hier spricht, wird das der Beweis für die Wahrheit seiner Worte sein und zugleich eine Ermutigung für ihre Herzen.
Der Anlass für diese Rede über das, was am Ende der Zeiten geschehen wird, ist die Bemerkung eines seiner Jünger Ihm gegenüber bezüglich des Tempels. Als Er aus dem Tempel heraustritt, kehrt Er diesem sozusagen den Rücken zu. Er überlässt das ganze System sich selbst. Doch einer seiner Jünger dreht sich um, sieht die Größe des Tempels und rühmt ihn. Er sieht den Tempel als Haus Gottes und als Zentrum ihres Dienstes. Das gibt dem Herrn Gelegenheit, ihnen Gottes Gedanken über seine Wege mit seinem Volk und das Gericht über dessen geistlichen Zustand mitzuteilen. So können auch heute Kirchenbauten für das Auge prächtig und Gegenstände der Bewunderung sein, die besichtigt werden können, doch Gott wird all das richten. Wir sehen das im Fall des großen Babylons (Off 18,21).
Der Herr wiederholt die Bemerkung seines Jüngers teilweise als Frage. Er tut das, um sie in das einzubeziehen, was Er über den Tempel sagen wird. Dann sagt Er unumwunden, dass von all diesen beeindruckenden, für das Auge so prächtigen Gebäuden nichts ganz bleiben wird. Das ist für die Jünger ein Schock. Sie meinen immer noch, dass der Tempel der Beweis der Gegenwart Gottes unter seinem Volk ist und damit die Anerkennung des Volkes durch Gott. Sie sehen die Dinge immer noch von ihrem religiösen Blickwinkel aus, dass ihr Meister sein Reich aufrichten wird. Nur einige Jahrzehnte später wird das Gericht über diese Gebäude kommen.
3 - 4 Fragen über die Zukunft
3 Und als er auf dem Ölberg saß, dem Tempel gegenüber, fragten ihn Petrus und Jakobus und Johannes und Andreas für sich allein: 4 Sage uns, wann wird das sein, und was ist das Zeichen, wann dies alles vollendet werden soll?
Der Herr nimmt einen bedeutsamen Platz ein: auf dem Ölberg und gegenüber dem Tempel. Zweimal zwei Brüder fragen Ihn nach einer Erklärung. Vom Ölberg aus haben sie eine gute Sicht auf den Tempel. Der Herr sitzt wieder. Er ist in Ruhe und aus dieser Ruhe heraus gibt Er seinen Jüngern Antwort auf ihre Fragen und führt sie weiter in die Pläne Gottes über die Zukunft ein. Um Gottes Gedanken kennenzulernen, müssen wir, genau wie Er, an einem erhöhten Ort sein. Von dort aus sehen wir die Wirklichkeit, denn dort gibt Er prophetischen Unterricht.
Der Ölberg liegt östlich von Jerusalem. Zwischen dem Ölberg und der Stadt verläuft als Trennung der Bach Kidron. Vom Ölberg kam die Eselin, die Ihn im Triumphzug unter dem Jubel der Menge nach Jerusalem brachte (Mk 11,1). Am Fuß des Ölbergs befindet sich auch der Garten Gethsemane. Vom Ölberg aus wird Er zum Himmel auffahren und wird vom Himmel aus dorthin zurückkehren (Apg 1,11; Sach 14,4).
Die vier Jünger fragen nach zwei Dingen. Sie fragen nach dem „Wann“ und nach „dem Zeichen“. Ihre Frage nach dem Zeichen beweist, dass sie sich immer noch wie echte Juden verhalten und wie echte Juden denken. Der Unterricht, der folgt, ist daher auch in erster Linie für sie als Juden gedacht. Doch der Herr beschreibt die Dinge so, dass sie auch auf uns anwendbar sind, und dann insbesondere auf uns als Diener, damit wir Ihm darin nachfolgen.
5 - 8 Gefahren der Verführung und gefährliche Umstände
5 Jesus aber fing an, zu ihnen zu sagen: Gebt Acht, dass euch niemand verführe! 6 Viele werden unter meinem Namen kommen und sagen: „Ich bin es!“, und sie werden viele verführen. 7 Wenn ihr aber von Kriegen und Kriegsgerüchten hören werdet, so erschreckt nicht. Dies muss geschehen, aber es ist noch nicht das Ende. 8 Denn Nation wird sich gegen Nation erheben und Königreich gegen Königreich. Es werden Erdbeben sein an verschiedenen Orten; es werden Hungersnöte sein. Dies ist der Anfang der Wehen.
Der Herr „fing an“, ihnen etwas zu sagen. Was Er sagt, ist kein abgerundetes Ganzes. Es ist Unterricht, der ihr Leben prägen soll und bei dem sie immer mehr lernen. Die einleitenden Worte seines Unterrichts sind eine Warnung. Sie zeigen, dass es Ihm nicht darum geht, ihre Neugierde zu befriedigen, sondern dass Er seine Worte auf ihr Herz und Gewissen anwenden will. Alle seine Hinweise und Warnungen gibt Er in diesem Evangelium im Hinblick auf ihren Dienst.
Er weist zuerst einmal darauf hin, dass die Zeit, wenn diese Dinge geschehen, eine Zeit großer Verführung sein wird. Viele werden sich als Messias ausgeben. Jeder der falschen Messiasse wird sagen, dass er es sei. Viele werden darauf hereinfallen. Diese falschen Messiasse werden ihren Erfolg dem Unglauben der Masse zu verdanken haben, die lieber der Lüge glaubt, als die Wahrheit zu erkennen und sich zu bekehren. Auch unsere Zeit ist eine sehr verführerische Zeit, in der Menschen dem christlichen Glauben abgeschworen haben, weil er ihnen durch religiöse Führer abgenommen wurde. Es ist eine Kluft entstanden, in die die Dämonen gern hineinschlüpfen, um sie mit ihren verführerischen Lehren zu füllen.
Außer der Gefahr der Verführung gibt es auch die Gefahr durch Umstände. Es wird Kriege geben. Ein Krieg ist ein Ausbruch von Gewalt zwischen Bevölkerungsgruppen, wobei Gewalt und Tod das Leben unerträglich machen. Ein Krieg ist oft von langer Dauer mit langwierigen Folgen. Ein Kriegsgerücht reicht bereits, um Angst einzuflößen. Der Herr sagt, dass sie deshalb nicht zu erschrecken brauchen, denn das gehört zur Endzeit, bedeutet aber nicht das Ende. So ängstigen auch heute Kriege die Menschen, aber Christen brauchen sich nicht zu ängstigen.
Außer Verführung und Kriegen wird es auch Naturkatastrophen geben und auch kleinere Brandherde persönlicher Auseinandersetzungen von Menschen. All dieser Unfriede und das Elend sind die Ankündigung schlimmerer Dinge. Zweidrittel der Welt leiden an Hungersnot, und der Mangel an Nahrung wird stets drückender. Das sind alles direkte Folgen der Sünde. Und das ist erst der Anfang der Wehen.
9 - 13 Der Diener verfolgt
9 Ihr aber, gebt Acht auf euch selbst: Sie werden euch an Synedrien und an Synagogen überliefern; ihr werdet geschlagen und vor Statthalter und Könige gestellt werden um meinetwillen, ihnen zum Zeugnis; 10 und allen Nationen muss zuvor das Evangelium gepredigt werden. 11 Und wenn sie euch hinführen, um euch zu überliefern, so sorgt euch vorher nicht, was ihr reden sollt, sondern was irgend euch in jener Stunde gegeben wird, das redet. Denn nicht ihr seid die Redenden, sondern der Heilige Geist. 12 Und der Bruder wird den Bruder zum Tod überliefern und der Vater das Kind; und Kinder werden sich erheben gegen die Eltern und sie zu Tode bringen. 13 Und ihr werdet von allen gehasst werden um meines Namens willen. Wer aber ausharrt bis ans Ende, der wird errettet werden.
Die Verse 9–13 finden wir nur hier und nicht in der prophetischen Rede, die Matthäus (Matthäus 24 und 25) und Lukas (Lukas 21) aufgeschrieben haben. Nicht nur die Umstände sind für diese Zeit kennzeichnend, sondern auch das, was mit ihnen selbst geschehen wird. Der Hass der Menschen wird sich vor allem deshalb sie richten, weil sie dem Herrn Jesus nachfolgen und Ihm dienen. Sie werden Synedrien religiöser Systeme überliefert werden, um verhört zu werden. Die Verhörmethoden sind grausam und werden sogar in Synagogen stattfinden; das sind Gebäude, in denen das Wort Gottes Wort gelehrt wird.
Darüber hinaus werden weltliche Obrigkeiten von ihnen fordern, dass sie Stellung dazu nehmen, wer der Herrn Jesus ist. Es wird eine Gelegenheit sein, diese Obrigkeiten mit seinem Namen bekannt zu machen, denn dadurch wird das Evangelium auch an diese Orte gelangen. So hat Paulus vor dem jüdischen Rat gezeugt sowie vor Festus, vor Agrippa und sogar vor dem Kaiser. Auch ist das Evangelium in Straflägern erklungen – und erklingt dort noch immer –, wohin treue Zeugen verbannt wurden und noch immer werden. Bei diesem allem war und ist es wichtig, den Charakter von Wahrheit und Demut zu bewahren.
So wird das Evangelium seinen Weg finden, denn bevor das Ende kommt, muss es zuvor allen Völkern gepredigt werden. Gott will, dass seine Frohe Botschaft auch in den dunkelsten Zeiten oder vielleicht gerade dann, zu den Enden der Erde gebracht wird. Gott richtet niemals, ohne zuvor ein vollkommenes Zeugnis von dem Weg zur Rettung vor diesem Gericht zu geben. Es ist unser Auftrag, dies zu tun, da wir sehen, was in der Welt vor sich geht.
Der Herr hat eine große Ermutigung für seine Jünger. Wenn sie abgeführt werden, um verhört zu werden, brauchen sie sich keine Sorgen darüber zu machen, was sie sagen sollen. Er wird dafür sorgen, dass sie im richtigen Augenblick das Richtige sagen. Das wird Er durch den Heiligen Geist bewirken, der ihnen die Worte in den Mund legen wird.
Es ist auch für uns in jeder Bedrohung und Not wichtig, in die wir als Diener kommen können, uns dies bewusst zu machen. Der Heilige Geist will uns erfüllen, damit wir unserer Aufgabe, zu zeugen, erfüllen können (Apg 1,8; 4,31). Wir brauchen uns keine Strategie auszudenken oder etwas zu organisieren, um zu wissen, wie wir dem Feind widerstehen können. Wenn wir auf unsere eigene Einsicht oder unser eigenes Können vertrauen, ist die Niederlage für uns sicher. Wenn wir auf den Herrn vertrauen, wird Er den Sieg geben, auch wenn es uns das Leben kostet. Wir werden dieses Wunder des Redens durch den Heiligen Geist immer erfahren, wenn wir für den Herrn Jesus eintreten, wenn Er uns in Situationen bringt, in denen Er das von uns verlangt.
Jeder Dienst für den Herrn Jesus wird auch den Hass des menschlichen Herzens offenbaren. Dieser Hass wird so groß sein, dass sogar innerhalb der Familie keine Sicherheit mehr zu finden sein wird. Autorität verschwindet und Familienbande werden zerstört. Wo sonst der eine Bruder dem anderen hilft, wird dann der eine Bruder den anderen zum Tod überliefern. Wo ein Kind von Natur aus bei seinem Vater Schutz und Sicherheit findet, bleibt in der Zeit nichts mehr davon übrig, und ein Vater wird sein Kind überliefern, wenn er merkt, dass dieses Kind ein Jünger Christi ist.
Dass alle natürlichen Beziehungen erkaltet sind, zeigt sich auch in der Erhebung von Kindern gegen ihre Eltern und darin, dass sie sie zu Tode bringen. Kinder sollen ihre Eltern ehren und nicht gegen sie auftreten. Sie sind ohne natürliche Liebe (2Tim 3,1–4). Das ist das Folge des Egoismus, der in den Familien herrscht und wodurch die Lieblosigkeit immer mehr zunimmt. So ziehen Eltern ihre Kinder für den Tod auf, denn es gibt keine natürliche Liebe mehr. Kinder sterben durch emotionale Verwahrlosung, verursacht durch den Geltungsdrang der Eltern. Die Fundamente der Gesellschaft werden untergraben. Es geht alles schleichend, aber sicher.
Der Hass wird allgemein vorhanden sein, weil der Hass gegen den Herrn Jesus auch allgemein ist (Joh 15,18–21). Es kommt darauf an, dass wir uns davon nicht hindern lassen, sondern bis zum Ende ausharren. Bis ans Ende – das ist in erster Linie das Ende der großen Drangsal, über die der Herr anschließend spricht. Ausharren ist die vollkommene Frucht des Gehorsams (Jak 1,4). Wer ausharrt, wird errettet. Das heißt nicht, dass es von unserem eigenen Bemühen abhängt, ob wir errettet werden. Errettung kann nicht verdient werden, und wer aus Gnaden errettet ist, kann nicht verlorengehen. Es geht hier darum, dass das Ausharren der Beweis dafür ist, dass jemand den Herrn kennt, sich für Ihn entschieden hat und Ihm deshalb konsequent dient. Und wenn es einmal ein Versagen gibt, gibt es auch Bekenntnis und Wiederherstellung.
14 - 20 Der Gräuel der Verwüstung
14 Wenn ihr aber den Gräuel der Verwüstung stehen seht, wo er nicht sollte – wer es liest, beachte es –, dann sollen die, die in Judäa sind, in die Berge fliehen; 15 wer aber auf dem Dach ist, steige nicht in das Haus hinab und gehe nicht hinein, um etwas aus seinem Haus zu holen; 16 und wer auf dem Feld ist, kehre nicht zurück, um sein Oberkleid zu holen. 17 Wehe aber den Schwangeren und den Stillenden in jenen Tagen! 18 Betet aber, dass es nicht im Winter stattfinde; 19 denn jene Tage werden eine Drangsal sein, wie sie seit Anfang der Schöpfung, die Gott schuf, bis jetzt nicht gewesen ist und nicht wieder sein wird. 20 Und wenn nicht der Herr die Tage verkürzt hätte, so würde kein Fleisch errettet werden; aber um der Auserwählten willen, die er auserwählt hat, hat er die Tage verkürzt.
Der Gräuel der Verwüstung ist der Götze, der Verwüstung bewirkt (Dan 9,27; 11,31; 12,11). Der Herr bezieht sich hier auf das Bild des Tieres – ein Abbild vom Herrscher des wiederhergestellten Römischen Reiches –, das der Antichrist in den Tempel stellen wird und das jeder anbeten muss (2Thes 2,4; Off 13,12–15). Das ist der Anfang der großen Drangsal, die dreieinhalb Jahre dauern wird. Das Aufstellen des Götzen im Tempel ist für den treuen Juden das Zeichen, dass er fliehen muss. Die große Drangsal wird die Treuen offenbar machen. Das sind die, die sich warnen lassen, eine Warnung, die sie durch das Lesen des Wortes empfangen haben.
Der Herr macht darauf aufmerksam, dass es lebenswichtig ist, sein Wort mit Einsicht (also nicht der Form halber) zu lesen. Dadurch können wir der großen Verführung entkommen. Er sagt das, und wir müssen das beachten. So geht es mit jeder Verführung, die an den Diener herankommt. Die einzige Möglichkeit, nicht verführt zu werden, liegt darin, dass man das Wort Gottes liest und es ins Herz aufnimmt.
Die Verfolgung, die losbrechen wird, wird so plötzlich geschehen, dass man keinen Augenblick verlieren darf, indem man noch schnell etwas aus dem Haus holt, weil man es brauchen könnte. Wo immer jemand sich befindet – es kommt darauf an, so schnell wie möglich zu fliehen, selbst wenn man Kleidung zurücklässt, die vor der Kälte der Nacht schützt. Das Leben ist mehr als der Schutz vor der Kälte.
Der Herr denkt auch an die Gefährdeten. Diese Zeit wird besonders schwer für die Schwangeren und die Stillenden sein. Sie werden geschwächt sein und müssen doch schnell fliehen. Er denkt sogar an die Witterungsverhältnisse. Er fordert sie auf, dafür zu beten, dass diese Dinge nicht im Winter geschehen wegen der zusätzlichen Not, die das mit sich bringen würde. Sie dürfen beten, denn das Ohr Gottes ist offen für ihre Not, und Er gibt Rettung, indem Er ihnen durchhilft. Hier steht nicht dabei, was wir in Matthäus finden, dass sie auch dafür beten sollen, dass ihre Flucht nicht am Sabbat geschehen möge (Mt 24,20). Das zeigt, dass hier die Erfahrungen von Dienern im Vordergrund stehen.
Der Herr prophezeit eine bis dahin ungekannte Drangsal für diese Tage. Eine solche Drangsal hat es auf der Erde noch nie gegeben und wird es danach auch nie wieder geben. Wie groß muss diese Drangsal sein! Es ist die Zeit, die Jeremia „eine Zeit der Drangsal für Jakob“ nennt (Jer 30,7; Dan 12,1; Mt 24,21; Off 3,10). Es ist eine Zeit der Drangsal, die beispiellos ist.
Der Herr hat ihre Dauer jedoch festgelegt. Er hat das Maß, also die Begrenzung der Offenbarung des Gesetzlosen wegen seiner Auserwählten bestimmt. Die Drangsal wird auf 3½ Jahre beschränkt sein. Viele werden zwar umkommen, werden das Friedensreich jedoch nicht verpassen. Sie werden an (der letzten Phase) der ersten Auferstehung teilhaben (Off 20,4). Auch wird Er einen Überrest am Leben erhalten.
21 - 23 Warnung vor Verführern
21 Und dann, wenn jemand zu euch sagt: „Siehe, hier ist der Christus! Siehe dort!“, so glaubt es nicht. 22 Denn es werden falsche Christi und falsche Propheten aufstehen und werden Zeichen und Wunder tun, um wenn möglich die Auserwählten zu verführen. 23 Ihr aber gebt Acht! Siehe, ich habe euch alles vorhergesagt.
Wie verführerisch ist es, in dieser Zeit größter Not einen falschen Christus anzunehmen, um nur von der Not erlöst zu werden. Doch der Herr warnt davor, ihm zu glauben. Es geht nicht nur um die Wut Satans (des „brüllenden Löwen“; 1Pet 5,8), sondern auch um seine Listen (des „Engels des Lichts“ 2Kor 11,14). Alle, die die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, werden eine Beute solcher Verführer werden (2Thes 2,9). Und es wird in jenen Tagen viele geben.
Neben den falschen Christi wird es auch falsche Propheten geben, die mit eindrucksvollen Ansprachen und glänzenden Wortspielen die falschen Christi als den wahren Christus anpreisen. Sie werden nicht nur sagen, dass dies der Christus sei, sondern werden auch verführende Zeichen und Wunder vollführen, um ihre Behauptung zu untermauern. Es wird alles sehr echt aussehen, so dass eine enorme verführende Kraft davon ausgeht, um diese Person als den wahren Christus anzunehmen.
Der Herr warnt jedoch mit Nachdruck davor, sich verführen zu lassen. Wer gewarnt ist, ist vorbereitet. Er hat es zuvor gesagt. Das ist seine Liebe zu den Seinen. Er lässt uns nicht in Unwissenheit über das, was geschehen wird. Wir können also geöffnete Augen für die Verführungen haben, die kommen werden, und davor auf der Hut sein. Wenn wir uns als sehende Jünger doch noch verführen lassen, haben wir das der Tatsache zuzuschreiben, dass wir das Wort Gottes vergessen oder es in den Wind schlagen, denn darin ist uns alles im vorhergesagt. Das Wort ist unser einziger sicherer Führer, um bis zum Ende treu zu bleiben und auszuharren. Der Herr spricht als der Prophet Gottes, der durch Mose angekündigt wurde (5Mo 18,19).
24 - 27 Die Ankunft des Sohnes des Menschen
24 Aber in jenen Tagen, nach jener Drangsal, wird die Sonne verfinstert werden und der Mond seinen Schein nicht geben, 25 und die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte in den Himmeln werden erschüttert werden. 26 Und dann werden sie den Sohn des Menschen kommen sehen in Wolken mit großer Macht und Herrlichkeit. 27 Und dann wird er die Engel aussenden und seine Auserwählten versammeln von den vier Winden her, vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels.
Das Ende der Drangsal geht mit einem beeindruckenden Naturschauspiel einher. Es kann sein, dass das, was der Herr hier sagt, buchstäblich in Erfüllung geht. Es kann auch sein, dass Er hier eine totale Umwandlung und einen vollständigen Umsturz regierender Mächte beschreibt, wovon die Sonne und der Mond ein Bild sind. Die Sterne symbolisieren in diesem Fall niedrigere regierende Mächte als Sonne und Mond. Das ganze Weltall kommt in Bewegung. Auch im Himmel werden die bösen geistlichen Mächte, die dort so lange ihre Herrschaft ausgeübt haben, wanken.
In dem Augenblick, wo das Chaos vollständig ist, wird der Sohn des Menschen kommen, um Ordnung zu schaffen. Dann wird Er nicht mehr wie beim ersten Mal als hilfloses Baby kommen, sondern mit großer Macht und Herrlichkeit. Er wird aller Drangsal der Seinen Er ein Ende machen. Er wird jeden Widerstand niederschlagen. Er wird alle Ungerechtigkeit richten.
Er wird seine Engel gebrauchen, um seine Auserwählten von überall her zu versammeln und in das Land bringen, das Ihm gehört und das der Feind so umgekehrt hat. Das betrifft hier den Überrest der zehn Stämme, der in der Zerstreuung gewesen ist. Niemand seiner Auserwählten wird zurückbleiben.
28 - 31 Das Gleichnis vom Feigenbaum
28 Von dem Feigenbaum aber lernt das Gleichnis: Wenn sein Zweig schon weich wird und die Blätter hervortreibt, so erkennt ihr, dass der Sommer nahe ist. 29 Ebenso auch ihr, wenn ihr dies geschehen seht, so erkennt, dass es nahe an der Tür ist. 30 Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles geschehen ist. 31 Der Himmel und die Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen.
Der Herr nimmt den Feigenbaum zum Vorbild. Der Feigenbaum ist ein Bild von Israel. So wie nach dem Winter der Zweig des Feigenbaums wieder weich wird und Blätter am Baum hervorkommen, so wird es auch mit dem Volk Israel geschehen. Das Volk wird durch den Geist wieder zum Leben erweckt (Hes 37,1–14). Die Zeit des Sommers weist auf die Zeit der herrlichen Regierung Christi hin. Wir sehen den Zweig schon weich werden und die Blätter hervortreiben.
Durch das, was mit Israel geschieht, können wir ablesen, wie spät es auf der prophetischen Uhr schon ist. Wir sehen, wie Israel seit 1948 wieder eine Nation ist. Der Zweig ist weich geworden und Blätter sind hervorgekommen, jedoch gibt es noch keine Frucht. Die Frucht kann erst entstehen, wenn der Geist in Israel zunächst Demütigung als Vorbote neuen Lebens bewirkt hat (Sach 12,10). Es existiert formell ein Staat, aber noch keine Abhängigkeit von Gott. Die folgt erst, wenn die Gemeinde aufgenommen ist und der Geist in das Volk kommt und den Überrest zum Leben erweckt. Die Blätter weisen auf diese Zeit voraus. Der Sommer ist noch nicht gekommen, steht jedoch nahe bevor.
Der Herr macht deutlich, dass alle von Ihm vorhergesagten Dinge unwiderruflich geschehen werden. Sie werden die Folgen zu spüren bekommen, die sie auf sich herabgerufen haben, als sie den Messias verwarfen. Dieses Geschlecht gibt es immer noch, es ist noch nicht vergangen. Es ist nicht die Zeit, dieses Geschlecht auszurotten, auch jetzt nicht. Der Herr wird bei seinem Kommen mit diesem Geschlecht abrechnen.
Er macht klar, dass die Erfüllung seiner Worte bei weitem sicherer ist als das Fortbestehen von Himmel und Erde. Himmel und Erde werden einmal aufhören zu existieren, nicht jedoch seine Worte. Wenn seine Worte erfüllt sind, sind sie nicht vergangen, sondern ihre Erfüllung zeigt bis in Ewigkeit den Wert seiner Worte.
32 - 37 Tag und Stunde unbekannt
32 Von jenem Tag aber oder der Stunde weiß niemand, weder die Engel im Himmel noch der Sohn, sondern nur der Vater. 33 Gebt Acht, wacht und betet; denn ihr wisst nicht, wann die Zeit ist. 34 Wie ein Mensch, der außer Landes reiste, sein Haus verließ und seinen Knechten die Gewalt gab, einem jeden sein Werk, und dem Türhüter einschärfte zu wachen. 35 Wacht also, denn ihr wisst nicht, wann der Herr des Hauses kommt, abends oder um Mitternacht oder um den Hahnenschrei oder frühmorgens; 36 damit er nicht, wenn er plötzlich kommt, euch schlafend finde. 37 Was ich aber euch sage, sage ich allen: Wacht!
Der Herr Jesus sagt als der wahre Diener und Prophet, der Gott auf der Erde dient, dass der genaue Zeitpunkt seines Kommens unbekannt ist. Als der ewige Gott weiß Er alles, doch als Diener unterwirft Er sich Gott und weiß nicht alles. Das ist für uns nicht zu begreifen, genauso wenig, wie wir verstehen können, dass Er an Weisheit und an Größe und an Gunst bei Gott und Menschen zunehmen konnte (Lk 2,52). Wenn wir es verstehen könnten, würden wir auch verstehen, was es bedeutet, dass Er zugleich wahrer Gott und wahrer Mensch ist. Das ist für uns jedoch unmöglich, denn dann würden wir Gott gleich sein. Die Tatsache, dass Er den Tag und Stunde nicht weiß, zeigt, wie wahrhaft Er Mensch ist.
Dass die Stunde bevorsteht, nahe an der Tür ist, heißt nicht, dass der Augenblick seines Kommens auch berechnet werden kann. Die begleitenden Umstände des Kommens des Sohnes des Menschen machen deutlich, dass Er in Kürze kommt, doch sein Erscheinen selbst wird mit der Geschwindigkeit eines Blitzes geschehen.
Noch einmal sagt Er, dass sie achtgeben und wachen sollen. Sie sollen wachen, d. h. bewusst wach sein und keine Ruhe in einer Welt finden, in der Er auch keine Ruhe finden kann. Es ist kein ängstliches Warten, sondern eine vertrauendes und hoffnungsvolles Warten. Darum fügt Er hinzu, dass sie beten sollen. Beten bedeutet, darauf zu vertrauen, dass Gott nichts aus der Hand gleitet.
Während sie so wachen und beten, gibt der Herr auch einen Auftrag. Es gibt für jeden Diener Arbeit zu tun. Er stellt sich selbst als ein Mensch vor, der sein Haus (das Haus Israels) verlässt und außer Landes reist (d. h. zurück in den Himmel), während Er denen, die zurückbleiben, Aufträge gibt. Bei seiner Rückkehr zum Himmel hat Er seinen Knechten Gewalt und jedem sein Werk (nicht: seine Gabe) gegeben. Das ist in Übereinstimmung mit diesem Evangelium, wo der Herr Jesus der Diener ist und seine Jünger lehrt, wie sie dienen sollen.
Nach seinem Weggehen ist sein eigener Dienst erfüllt und Er lässt ihn durch seine Sklaven fortführen. Hier ist nicht davon die Rede, dass Er ihnen Talente gibt, um Handel damit zu treiben (Mt 25,15), sondern hier hat jeder sein Werk als Knecht. Es geht um Dienst im Haus (für uns: das Haus Gottes, die Gemeinde), in der jeder Diener seinen Auftrag hat. Jeder von uns kann in dem Bereich, den der Herr gibt, mit Autorität auftreten, denn dazu hat Er seinen Knechten Gewalt gegeben.
Der Türhüter bekommt besonders eingeschärft, dass er wachen soll. Er soll darauf achten, dass in das Haus nichts Böses in Form von bösen Personen oder falscher Lehre hineinkommt. Der Herr betont die Wichtigkeit und Notwendigkeit des Wachens jedoch nicht nur im Blick auf das Verkehrte, das ins Haus kommen könnte, sondern auch im Blick auf sein Kommen als Herr des Hauses. Wie bereits bemerkt, können wir in diesem Haus sowohl ein Bild des Hauses Israel sehen als auch von der Christenheit.
Wie wird Er uns antreffen? Schlafend? Auch als Christen können wir in Schlaf fallen und sein Kommen aus den Augen verlieren. In Schlaf fallen bedeutet, dass wir den Ungläubigen gleichen, die Tote sind (Eph 5,14).
Er beendet seine Rede, indem Er in diesem kurzen Abschnitt (Verse 32–37) zum vierten Mal den Auftrag gibt, zu wachen. Über seine Jünger hinaus sagt Er es „zu allen“, ohne Ausnahme, also ausdrücklich auch zu uns. Das Herz muss zubereitet sein, Ihn zu empfangen. Wenn wir aufhören, auf sein Kommen zu warten, werden wir uns auf die Dinge der Erde konzentrieren. Dann haben wir den ersten Schritt auf dem Weg zum Verfall getan. Daher ist es lebenswichtig, zu wachen und Ihn zu erwarten.