1 - 11 Die Ruhe Gottes
1 Fürchten wir uns nun, dass nicht etwa, da eine Verheißung, in seine Ruhe einzugehen, hinterlassen ist, jemand von euch scheine zurückgeblieben zu sein! 2 Denn auch uns ist eine gute Botschaft verkündigt worden, wie auch jenen; aber das Wort der Verkündigung nützte jenen nicht, weil es bei denen, die es hörten, nicht mit dem Glauben verbunden war. 3 Denn wir, die wir geglaubt haben, gehen in die Ruhe ein, wie er gesagt hat: „So schwor ich in meinem Zorn: Wenn sie in meine Ruhe eingehen werden!“, obwohl die Werke von Grundlegung der Welt an geworden waren. 4 Denn er hat irgendwo von dem siebten Tag so gesprochen: „Und Gott ruhte am siebten Tag von allen seinen Werken.“ 5 Und an dieser Stelle wiederum: „Wenn sie in meine Ruhe eingehen werden!“ 6 Weil nun übrig bleibt, dass einige in sie eingehen und die, denen zuerst die gute Botschaft verkündigt worden ist, des Ungehorsams wegen nicht eingegangen sind, 7 so bestimmt er wiederum einen gewissen Tag: „Heute“, in David nach so langer Zeit sagend, wie vorhin gesagt worden ist: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht.“ 8 Denn wenn Josua sie zur Ruhe gebracht hätte, so würde er danach nicht von einem anderen Tag geredet haben. 9 Also bleibt eine Sabbatruhe dem Volk Gottes übrig. 10 Denn wer in seine Ruhe eingegangen ist, der ist auch selbst zur Ruhe gelangt von seinen Werken, wie Gott von seinen eigenen. 11 Lasst uns nun Fleiß anwenden, in jene Ruhe einzugehen, damit nicht jemand nach demselben Beispiel des Ungehorsams falle.
V1. Dieses Kapitel beginnt mit dem auf den ersten Blick merkwürdigen Aufruf, sich zu fürchten. Aber „fürchten“ bedeutet hier nicht, dass du fortwährend in Angst und Verzweiflung lebst, ob du nach allem Ausharren wohl gerettet werden wirst. „Fürchten“ bedeutet nicht: Angst vor Gott haben, sondern: Angst vor dir selbst haben, vor deiner eigenen Schwachheit und deinem eigenen bösen Herzen.
Wenn du Gott fürchtest, wirst du die Warnungen zu Herzen nehmen, die Israel gegeben wurden, damit du ihnen nicht auf ihrem Weg des Unglaubens folgst. Wenn du die Warnungen jedoch nicht beachtest und im Selbstvertrauen meinst, dass du in eigener Kraft das Ende erreichen wirst, hast du kein Vertrauen auf Gott und lebst unabhängig von Ihm. In dem Fall kannst du dir vielleicht einbilden, dass die Verheißung, in Gottes Ruhe einzugehen, auch für dich gilt, aber die Realität wird sein, dass du zurückbleibst. Zurückbleiben heißt in der Wüste umkommen und die Ruhe nicht erreichen. Aber wenn du, um die Ruhe Gottes zu erreichen, all dein Vertrauen auf Gott setzt, wirst du seine Ruhe ohne jeden Zweifel erreichen. Misstrauen gegenüber dir selbst und Vertrauen auf Gott sind der Beweis, dass du neues Leben hast.
V2. Das neue Leben hast du empfangen, als du die gute Botschaft angenommen hast, die dir verkündigt wurde. Dasselbe gilt für die Leser des Briefes. Ihnen war die gute Botschaft (wörtlich steht dort: das Evangelium) durch den Sohn Gottes selbst verkündigt worden (Heb 1,1; 2,3).
Aber auch dem Volk Israel wurde einst die gute Botschaft gebracht. Du kannst dabei an zwei Ereignisse denken. Das eine ist die gute Botschaft ihrer Befreiung aus Ägypten. Die andere ist, dass sie in das Land Kanaan eingehen würden. Darin ist eine Anwendung für dich enthalten. Die gute Botschaft bedeutete für dich, dass du aus der Macht der Sünde befreit wurdest und die himmlischen Segnungen empfangen würdest.
Aber was auch immer die gute Botschaft beinhaltete, wenn kein Glaube damit verbunden war, würden die Hörer keinen Nutzen davon haben.
V3. Um an dem Inhalt der guten Botschaft Anteil zu bekommen, ist Glaube notwendig. Das gilt für jeden, der hört. Nur dann gibt es ein Eingehen in die Ruhe. Der Nachdruck liegt darauf, dass nur die, die glauben, in die Ruhe eingehen werden. So wie Josua und Kaleb, die geglaubt haben, werden wir in die Ruhe eingehen. Solche, die nicht glauben, werden demnächst nicht eingehen, und das ist ebenso sicher wie dass die, die seinerzeit in der Wüste nicht glaubten, nicht in das Land eingingen.
Die Ruhe ist an sich nichts Neues. Die Ruhe, in die du eingehen wirst, gibt es schon seit dem Anfang. Das erste Mal, dass in der Bibel über Ruhe gesprochen wird, ist in Verbindung mit dem Ruhetag Gottes am siebten Tag, der auf die sechs Schöpfungstage folgte. An dieser Ruhe wollte Gott den Menschen teilhaben lassen. Aber die Sünde hat die Ruhe gestört. Dadurch ist es notwendig geworden, dass Gott erneut wirkte (Joh 5,17), um eine neue Ruhe geben und genießen zu können.
Gott kann da, wo Sünde vorhanden ist, nicht ruhen. Erst wenn der Fluch von der Schöpfung weggenommen ist, kann Er wieder in seinen Werken ruhen. Wenn es heißt, dass Gott von all seinen Werken ruhte, bedeutet das natürlich nicht, dass Er ermüdet war und Ruhe nötig hatte. Die Ruhe Gottes hat mit seinem Inneren zu tun: Es ist die Ruhe der inneren Genugtuung, mit der Er auf seine Werke schauen kann.
V4. Der Schreiber stützt seine Beweisführung mit einem Zitat aus 1. Mose 2. Gott hatte in seiner Schöpfung gewirkt und von seinen Werken ausgeruht, nachdem Er sie vollendet hatte (1Mo 2,2). So hat Er von Grundlegung der Welt an bewiesen, dass Er eine Ruhe besaß. Wie gesagt, ist durch den Sündenfall des Menschen die Ruhe Gottes beendet worden. Aber der Sohn Gottes hat für eine neue Ruhe gesorgt. Gott ruht in dem Werk, das sein Sohn auf dem Kreuz vollbracht hat. In diesem Werk ist auch Ruhe für jeden zu finden, der unter der Last seiner Sünden gebeugt geht (Mt 11,28). Durch dieses Werk kann Gott in seiner Liebe ruhen, was bald im Blick auf die gesamte Schöpfung so sein wird (Zeph 3,17).
V5. In diesem Vers zitiert der Schreiber noch einmal Psalm 95 (Ps 95,11). Seine ganze Beweisführung ist darauf ausgerichtet, seinen Lesern deutlich zu machen, dass es eine Ruhe Gottes gibt und dass Gott Menschen an dieser Ruhe teilhaben lassen will. Zugleich zeigt er deutlich, dass der Mensch nicht in die Ruhe Gottes eingegangen ist, weil er im Unglauben handelte.
V6. Er erinnert daran, dass die Ruhe noch immer erreichbar ist, aber auch, dass alle, die nicht glauben, niemals in sie eingehen werden. Als eine Art Zusammenfassung sagt er, dass einige – das sind die Gläubigen – in die Ruhe eingehen. Auch sagt er, dass diejenigen, denen während der Wüstenreise die gute Botschaft verkündigt wurde, Gott nicht geglaubt haben. Sie waren seinem Gebot ungehorsam und sind dadurch nicht in diese Ruhe eingegangen.
V7. Aber damit ist nicht das letzte Wort gesprochen. Gott bleibt in seiner Gnade tätig, um sein Volk an seiner Ruhe teilhaben zu lassen. Darum setzte Er aufs Neue einen gewissen Tag fest, und zwar in der Zeit Davids. Das ist „lange Zeit“ nach den Ereignissen der vierzigjährigen Wüstenreise.
Der Schreiber zitiert wieder Psalm 95. Darin ist der Aufruf an Israel enthalten, sich zu dem HERRN zu bekehren im Blick auf das Kommen Christi auf die Erde, um das Volk in die Ruhe zu bringen (Ps 95,7.8). In David, dem Mann nach seinem Herzen, bot Er dem Volk eine neue Gelegenheit, die Erfüllung seiner Verheißungen zu empfangen. Aber auch da ist die verheißene Ruhe nicht angebrochen. Selbst nicht unter Salomo, der „ein Mann der Ruhe“ war (1Chr 22,9).
V8. Gott würde in David nicht von einem anderen Tag gesprochen haben, wenn Josua das Volk zur Ruhe gebracht hätte, als er das Land erobert hatte. Der Aufenthalt im Land hatte ihre Herzen nicht verändert. Sie waren genauso ungläubig und ungehorsam wie in der Wüste. Alle Segnungen des Landes machten nur umso deutlicher, wie wenig sie Gottes Vorkehrungen wertschätzten.
V9. Das alles bedeutet, dass die Ruhe für das Volk Gottes, die der Sabbat vorbildet, noch immer zukünftig ist. Das bedeutet auch, dass wir diese Ruhe nicht hier und jetzt erwarten dürfen, und noch weniger, dass wir sie hier und jetzt schon erreicht haben. Der Schreiber sagt nicht, wo diese Ruhe ist. Er lässt damit Raum für eine Ruhe im Himmel für ein himmlisches Volk und eine Ruhe auf der Erde für ein irdisches Volk. Nicht Mose, nicht Josua, nicht David und auch nicht Salomo, sondern der Herr Jesus wird diese wahre Ruhe anbrechen lassen und aufrechterhalten. Es ist eine Ruhe für das Volk Gottes.
Die Ruhe Gottes ist für alle entschlafenen Gläubigen, sowohl des Alten als auch des Neuen Testaments, im Himmel. Das ist nicht das Vaterhaus, sondern der Himmel, wie er sich über eine gereinigte Erde ausbreiten wird. Es ist die Situation des tausendjährigen Friedensreiches, wenn Christus Haupt über alles sein wird, was in den Himmeln und was auf der Erde ist (Eph 1,10). Der Herr Jesus ist Herr des Sabbats (Mk 2,28). Der Sabbat ist kein Bild von der Ruhe der Ewigkeit, sondern von der Ruhe des tausendjährigen Friedensreiches.
Das große Kennzeichen dieser Ruhe ist es, dass die Werke aufhören. Die Ruhe des Friedensreiches ist noch zukünftig, sowohl für das himmlische Volk Gottes, die Gemeinde, als auch für das irdische Volk Gottes, Israel.
V10. Aber es gibt auch ein Zur-Ruhe-Kommen von deinen Werken: wenn dein Leben des Glaubens auf der Erde beendet ist. Diese Ruhe ist das Teil aller, die im Glauben ausgeharrt haben und nicht durch Unglauben gefallen und umgekommen sind. Wer im Glauben stirbt, geht in die Ruhe Gottes ein und ruht von seinen Werken. Das wird mit der Ruhe verglichen, die Gott nach seinen Werken kannte. Diese Werke sind natürlich gut. Darum sind die Werke hier die des Gläubigen. Es sind Werke, die aus Glauben getan wurden und nicht, um die Errettung zu verdienen (Eph 2,9; Röm 4,5). Von diesen Werken kommt der Gläubige zur Ruhe, wenn er in die Ruhe Gottes eingeht, wenn er an das Ende seiner Pilgerreise gekommen ist.
V11. Um die Ruhe Gottes zu erreichen, musst du ausharren. Eine gegenwärtige, scheinbare Ruhe ist nicht die wahre Ruhe. Der Glaube der Hebräer war durch die fortwährende Prüfung schwach geworden, wodurch die zukünftige Ruhe immer mehr dem Blick entschwand. Dadurch standen sie in der Gefahr, das Leben des Glaubens mit einer scheinbaren Ruhe zu vertauschen, die sie sofort genießen konnten. Der Schreiber ruft deshalb dazu auf, Fleiß anzuwenden, in die verheißene, noch zukünftige Ruhe einzugehen.
Fleiß anwenden bedeutet, der Versuchung zu widerstehen, unter dem Druck der Umstände aufzugeben, welcher Art sie auch sein mögen. Dass ein Gläubiger Fleiß anwendet, bedeutet, dass er fortwährend sowohl sich selbst als auch die Umstände prüft. Als vollkommenen Prüfstein bekommst du dazu das Wort Gottes in die Hände (Vers 12). Anhand dieses Wortes kannst du überprüfen, ob möglicherweise verkehrte Gedanken oder Überlegungen in deinem Herzen vorhanden sind.
Die Liebe kann niemals da ruhen, wo die Sünde regiert und Traurigkeit und Elend überall zu sehen sind. Das gilt für Gott und für den Gläubigen. Die Zeit kommt, wo Gott alle Tränen von den Augen abwischen wird. Dann bist du in seiner Ruhe.
Lies noch einmal Hebräer 4,1–11.
Frage oder Aufgabe: Wann gehst du in die Ruhe Gottes ein?
12 - 16 Drei „Hilfsmittel“
12 Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl der Gelenke als auch des Markes, und ein Beurteiler der Gedanken und Überlegungen des Herzens; 13 und kein Geschöpf ist vor ihm unsichtbar, sondern alles ist bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben. 14 Da wir nun einen großen Hohenpriester haben, der durch die Himmel gegangen ist, Jesus, den Sohn Gottes, so lasst uns das Bekenntnis festhalten; 15 denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht Mitleid zu haben vermag mit unseren Schwachheiten, sondern der in allem versucht worden ist in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde. 16 Lasst uns nun mit Freimütigkeit hinzutreten zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu rechtzeitiger Hilfe.
In diesem Abschnitt stellt der Heilige Geist dir drei „Hilfsmittel“ vor, an denen du eine enorme und auch unentbehrliche Stütze auf dem Weg zur Ruhe hast. Diese Mittel sind das Wort (Verse 12.13), der Herr Jesus als Hoherpriester (Verse 14.15) und der Thron der Gnade (Vers 16).
Suche dort und nur dort Hilfe, um jeden Widerstand zu überwinden (Ps 60,13). Das Wort wacht über dein Inneres und verurteilt die Sünde; der Hohepriester wacht über dich in Bezug auf die Umstände, in denen du dich befindest, Er hat Mitleid mit dir und hilft dir; zu dem Thron der Gnade Gottes darfst du immer genauso freimütig gehen wie zu dem Herrn Jesus. Du siehst, für alles ist gesorgt. So ist Gott zu seinem Volk.
V12. Wir schauen uns erst einmal das Wort an. In dem, was du hier über das Wort liest, treten drei Kennzeichen Gottes zutage: Leben, Kraft und Allwissenheit. Begehe niemals den Fehler, das Wort zu kritisieren, denn die Folgen sind fatal. Nicht du musst das Wort beurteilen, sondern das Wort muss dich beurteilen. Du kennst nämlich dein eigenes Herz nicht, Gott kennt es wohl (Jer 17,9). Durch das Wort lernst du dein Herz kennen. Wenn du das Wort liest, kommen Sünde und Unglaube ans Licht. Wenn dein Herz aufrichtig ist, hat dieses Urteil über die Wirkungen des Herzens großen Wert. (Lies nur einmal Psalm 139: Ps 139,1–24).
Das Wort Gottes ist „lebendig“, weil dieses Wort das Wort des lebendigen Gottes ist. Er gab Israel „lebendige Aussprüche“ (Apg 7,38). Das Wort ist auch „wirksam“. Es ist nicht so wie die hohlen Worte von Menschen, ohne Inhalt. Es wirkt „in euch, den Glaubenden“ (1Thes 2,13), aber es klagt auch an (Joh 5,45). Weiter ist es „schärfer als jedes zweischneidige Schwert“ (Off 1,16; Eph 6,17). Wenn man es gebraucht, vernichtet es, schneidet weg, was nicht dahin gehört, tötet, was nicht leben bleiben darf.
Es vernichtet nicht nur, es scheidet auch. So ist es „durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist“, das heißt, dass das Wort unterscheidet, was aus der Seele und was aus dem Geist hervorkommt. Die Seele steht mehr für Gefühle und Begierden, der Geist mehr für verborgene Überlegungen und Glauben oder Unglauben. Seele und Geist sind die beiden Teile der nichtmateriellen Natur des Menschen.
Das Wort macht auch den Unterschied zwischen den Gelenken und dem Mark offenbar, wobei „Gelenke“ mehr auf die äußeren Handlungen hinweist und „Mark“ mehr auf die innere Kraft dieser Handlungen. Die Sündhaftigkeit des menschlichen Herzens äußert sich durch die Glieder des Leibes, die durch „Gelenke und Mark“ funktionieren.
Seele und Geist einerseits und Gelenke und Mark andererseits stehen für den ganzen Menschen. Der Schreiber macht damit deutlich, dass kein einziger Aspekt des ganzen Menschen der Wirksamkeit des Wortes Gottes entkommt.
Schließlich heißt es von dem Wort, dass es „die Gedanken und Überlegungen des Herzens“ beurteilt (vgl. 1Chr 28,9). Hier sind wir beim Innersten des Menschen angekommen, dem Zentrum, von wo aus Seele und Geist und Gelenke und Mark in ihren Wirkungen gesteuert werden. Aus dem Herzen kommt das hervor, was im Leben sichtbar wird. Darum musst du dein Herz mehr behüten als alles, was zu bewahren ist (Spr 4,23). Und dazu ist dir das Wort gegeben. Gebrauche es also!
V13. In diesem Vers geht der Schreiber unvermittelt vom Wort über auf Gott selbst. Was das Wort tut, das tut Gott. Diese Verbindung zwischen dem Wort, das an dich gerichtet wird, und Gott selbst ist sehr bemerkenswert. Das Wort kommt von Gott. Es ist gleichsam sein Auge, das auf dein Gewissen gerichtet ist und das dich in seine Gegenwart bringt. Gott legt alles in dir bloß.
Das tut Er nicht für sich, denn das hat Er nicht nötig. Für Ihn gibt es keine Geheimnisse, die Er lüften müsste. Alles ist vor seinen Augen bloß und aufgedeckt. Aber Er will deinen Blick dafür öffnen, dass du mit Ihm zu tun hast. Du gehst deinen Weg unter dem alles sehenden Auge des lebendigen Gottes. Wenn du dir dessen bewusst bist, wirst du im Selbstgericht alles wegtun, was dich hindern könnte, auf dem Weg des Glaubens auszuharren.
V14. Dann kommt der Schreiber auf sein Hauptthema zurück: der Hohepriester in den Himmeln (Heb 2,17; 3,1). Der Dienst des Herrn Jesus als Hoherpriester ist vielseitig. Darin kommt die Gnade Gottes auf großartige Weise zum Ausdruck. Denke allein schon an die Verbindung mit den beiden vorherigen Versen, die über das sprechen, was das Wort tut. Wenn das Wort aufdeckt, was alles schiefgehen kann, siehst du dann nicht deine Schwachheit und dein Unvermögen, durch eigene Kraft das Endziel zu erreichen?
Darum ist es ein großer Segen, dass du einen Hohenpriester und einen Gnadenthron hast. Der Herr Jesus übt sein Hohepriestertum im Himmel aus, wo Gott ist, um dir von dort aus zu helfen in Übereinstimmung damit, wer Gott ist. Er ist nicht nur in den Himmel eingegangen, sondern durch die Himmel gegangen. Er ist nicht nur in dem ersten oder zweiten Himmel geblieben, sondern in den dritten und höchsten Himmel eingegangen.
Aber Er ist nicht nur Hoherpriester, Er ist der Sohn Gottes. Um Hoherpriester werden zu können, hat der Herr Jesus einen beträchtlichen Weg zurückgelegt. Er ist Mensch geworden und hat auf der Erde gelitten und das Sühnungswerk vollbracht. Danach ist Er durch die Himmel gegangen, um seinen Platz auf dem Gnadenthron einzunehmen. Auch hat Gott Ihn als Sohn über sein Haus bestellt, und so kann Er nun Mitleid mit uns haben in unseren Schwachheiten. Wäre Er nicht der Sohn Gottes gewesen, hätte Er nicht unser Hoherpriester sein können. Nun jedoch kann Er uns als Mensch trösten, während Er uns als Sohn mit der vollkommenen Kenntnis Gottes bei Gott vertritt.
Er wird hier dann auch zu Recht der „große Hohepriester“ genannt, etwas, was niemals von irgendeinem Hohenpriester im Alten Testament gesagt worden ist. Immer wieder weist der Schreiber auf die Größe des Herrn Jesus hin. Hier ist Er groß in seinem Mitleid mit uns. Er ist „Jesus, der Sohn Gottes“. „Jesus“, der demütige Mensch auf der Erde in all unserer Bedrängnis, der als „der Sohn Gottes“ mit all den Seinen Mitleid haben kann.
Nachdem Er nun so vorgestellt worden ist, kommt erneut der Ansporn, das Bekenntnis festzuhalten, das heißt festzuhalten an Ihm, den du bekennst. Du bist auf der Reise zu Ihm, und dabei darfst du wissen, dass Er dir hilft.
V15. Und wer ist es, der dir hilft? Es ist jemand, der genau weiß, was du alles durchmachst, der dich darin versteht, weil Er selbst auch alles durchgemacht hat. Du darfst auf sein Mitgefühl rechnen.
Um Mitleid zu haben, ist es nicht notwendig, dass man im gleichen Augenblick fühlt, was der andere fühlt. Wenn man Schmerzen hat, kann man nicht an die Schmerzen eines anderen denken. Aber um Mitleid zu haben, muss man doch eine Natur haben, die einen befähigt, die Schmerzen des anderen zu empfinden.
So ist es bei Jesus, wenn Er sein Hohepriestertum ausübt. Er ist in jeder Hinsicht außerhalb des Bereiches von Schmerz und Prüfung. Aber Er ist Mensch, und Er hat nicht nur die menschliche Natur, in der Er seinerzeit Schmerz litt, sondern Er erfuhr die Prüfungen, die ein Gläubiger durchmachen muss, auf eine vollkommene Weise, so wie sie niemand von uns erlebt.
Er ist in allen Dingen versucht worden wie du, aber „ausgenommen die Sünde“. Das bedeutet nicht, „ohne zu sündigen“, sondern dass Er überhaupt keinen Anteil an der Sünde hatte. Er kannte die Sünde nicht (2Kor 5,21), in Ihm ist keine Sünde (1Joh 3,5). Satan fand nichts in Ihm (Joh 14,30) und Gott auch nicht (Ps 17,3), was auch nur irgendwie ein Anknüpfungspunkt für Sünde hätte sein können.
Sein Leiden wurde nicht durch Sünde verursacht (wie es bei uns der Fall sein kann) und führte Ihn auch nicht zur Sünde. Aber weil Er versucht wurde, kann Er völlig Mitleid mit dir haben. Er fühlt, was du fühlst, und kann dich dadurch verstehen und stützen. Mit deinen Sünden kann Er kein Mitleid haben. Wenn du gesündigt hast, ist Er der Sachwalter beim Vater (1Joh 2,1). Schwachheiten sind keine Sünden. Paulus rühmte sich seiner Schwachheiten (2Kor 12,9.10), niemals seiner Sünden.
V16. Wenn der Schreiber dir so die Herrlichkeit des großen Hohenpriesters vorgestellt hat, kann es nicht anders sein, als dass dein Herz voller Freimütigkeit ist, zu dem Thron der Gnade hinzuzutreten. Du kannst dir sagen: Ich darf mit Freimütigkeit hinzutreten, weil ich Gott frei in die Augen sehen kann, weil meine Sünden weggetan sind und auch, weil da der Hohepriester ist, der mit meinen Schwachheiten Mitleid haben kann.
Der Thron der Gnade erinnert an die Bundeslade im Zelt der Zusammenkunft. Gott wohnte zwischen den Cherubim auf dem Sühndeckel der Bundeslade. Dieser Thron war ein Gerichtsthron. Aber durch das Opfer Christi, der das Gericht getragen hat, ist das Blut auf die Bundeslade gesprengt, und dadurch ist der Gerichtsthron zu einem Gnadenthron geworden. Christus selbst ist von Gott als ein Sühnmittel dargestellt worden (Röm 3,25). Darum kannst du, ohne zu zögern, zu Gott hinzutreten. Das tust du, wenn du dich von Herzen direkt an Gott wendest und Ihm alles erzählst, was du auf dem Herzen hast.
Christus vertritt dich dort, und deshalb ist Gott dir wohlgesinnt. Du nimmst Zuflucht zu dem Thron der Gnade, weil du verstehst, dass du versagen wirst, wenn Gott dir nicht hilft. Dann empfängst du Barmherzigkeit – das ist Gottes Mitgefühl in deinen Umständen –, du wirst dir wieder seines Erbarmens und seines Schutzes bewusst. Du findest auch Gnade, du wirst dir wieder bewusst, dass du in der Gnade Gottes stehst (Röm 5,2).
Dieses Bewusstsein ist deine Hilfe zur rechten Zeit, in dem kritischen Augenblick, dem Augenblick, wo die Schwierigkeiten dir fast zu viel werden. Du siehst auf einmal wieder, dass Gott größer ist als die Schwierigkeiten und dass der Herr Jesus in den Schwierigkeiten bei dir ist.
Lies noch einmal Hebräer 4,12–16.
Frage oder Aufgabe: Denke noch einmal über die Mittel nach, die Gott dir zur Verfügung gestellt hat, und danke Ihm dafür. Bitte Ihn, dir zu helfen, reichlich Gebrauch davon zu machen.