1 - 9 Ich komme, um deinen Willen, o Gott, zu tun
1 Denn da das Gesetz einen Schatten der zukünftigen Güter, nicht der Dinge Ebenbild selbst hat, so kann es niemals mit denselben Schlachtopfern, die sie alljährlich ununterbrochen darbringen, die Hinzunahenden vollkommen machen. 2 Denn würde sonst nicht ihre Darbringung aufgehört haben, weil die den Gottesdienst Ausübenden, einmal gereinigt, kein Gewissen von Sünden mehr gehabt hätten? 3 Doch in jenen Opfern ist alljährlich ein Erinnern an die Sünden; 4 denn unmöglich kann Blut von Stieren und Böcken Sünden wegnehmen. 5 Darum, als er in die Welt kommt, spricht er: „Schlachtopfer und Speisopfer hast du nicht gewollt, einen Leib aber hast du mir bereitet; 6 an Brandopfern und Opfern für die Sünde hast du kein Wohlgefallen gefunden. 7 Da sprach ich: Siehe, ich komme (in der Rolle des Buches steht von mir geschrieben), um deinen Willen, o Gott, zu tun.“ 8 Während er vorher sagt: „Schlachtopfer und Speisopfer und Brandopfer und Opfer für die Sünde hast du nicht gewollt noch Wohlgefallen daran gefunden“ (die nach dem Gesetz dargebracht werden), 9 sprach er dann: „Siehe, ich komme, um deinen Willen zu tun.“ (Er nimmt das Erste weg, damit er das Zweite aufrichte.)
V1. Das Wörtchen „Denn“ zeigt, dass der Schreiber seine Ausführung fortsetzt. Er vergleicht die vielen unvollkommenen Tieropfer früherer Zeit mit dem einen vollkommenen Opfer Christi. Er spricht über „das Gesetz“, weil das die Grundlage des ganzen von Gott eingerichteten Gottesdienstes für sein Volk Israel im Alten Testament ist. Von diesem ganzen Dienst sagt er, dass der „einen Schatten der zukünftigen Güter“ hat. Damit will er sagen, dass das Gesetz etwas über gute Dinge sagt, die Gottes Volk und die ganze Schöpfung in der Zukunft, im Friedensreich, genießen werden. Aber es ist nur ein Schatten davon, das heißt eine vage Wiedergabe. Dieser alttestamentliche Gottesdienst ist „nicht der Dinge Ebenbild selbst“. Ein Bild zeigt schon mehr von der Wirklichkeit als ein Schatten. Ein Bild ist eine naturgetreue Wiedergabe der Wirklichkeit. Und doch ist auch ein Bild nicht die Wirklichkeit. Das wird aus dem Folgenden deutlich.
Als Beweis deutet er erneut auf die Wiederholung der Schlachtopfer hin, die alljährlich am großen Versöhnungstag dargebracht wurden. Gerade ihre wiederholte Darbringung beweist, dass ein Opfer die, die Gott nahten, nicht vollkommen machte. Indem man immer wieder nur dieselben Schlachtopfer darbrachte, wurde man daran erinnert, dass Vergebung und Versöhnung notwendig waren. Gleichzeitig wurde dadurch jedoch deutlich, dass der ganze Dienst unvollkommen war. Es machte die, die den Gottesdienst ausübten, vor Gott nicht vollkommen. Die Opfer gaben dem Opfernden kein vollkommenes Gewissen im Blick auf die Vergebung seiner Sünden.
V2. Wenn ein Opfer gebracht worden wäre, durch das der Opfernde kein Gewissen von Sünden mehr gehabt hätte, wäre es danach nicht mehr nötig gewesen, noch ein weiteres Opfer darzubringen. Der ganze Opferdienst hätte dann seine Daseinsberechtigung verloren. Ein solches Opfer hätte dann ein vollkommenes Gewissen gegeben, das heißt ein Gewissen, das durch die Vergebung von den Sünden gereinigt ist. Die Folge wäre, dass keine Angst vor Gott mehr da wäre wegen irgendeiner Sünde.
V3. Doch was siehst du bei Israel? Dort siehst du, dass durch das alljährliche Darbringen dieser Opfer die Sünden beständig in Erinnerung gebracht werden. Von einem wirksamen Opfer ist keine Rede. Das macht die Lehre und die Praxis des Messopfers in der römischen Kirche so verwerflich. Im Messopfer wiederholt die diese Kirche immer wieder das Opfer. Ihre Anhänger bleiben bezüglich der Vergebung ihrer Sünden in Ungewissheit.
V4. Niemals konnte oder kann das Blut von Tieren oder ein Messopfer irgendetwas an der Schuld des Menschen machen. Es ist unmöglich, dass dadurch Sünden weggenommen werden. Das Wort „wegnehmen“ hat eine sehr starke Bedeutung. Es ist das vollständige Entfernen der Sünde, so dass sie nicht mehr vorhanden ist. Es ist ganz und gar verwerflich, diese Wirkung irgendeinem Opfer zuzuschreiben, das ein Mensch bringt.
V5. Du könntest jetzt fragen: Warum hat Gott dann seinem Volk die Opfer vorgeschrieben, was bedeutet das, oder welche Absicht hatte Er dabei? Die einzige Bedeutung der Tieropfer lag darin, auf das Opfer Christi hinzuweisen. Das kann man an der schönen Art und Weise sehen, wie der Schreiber in den Versen 5–7 den Übergang von den Tieropfern zu dem Opfer Christi beschreibt. Dazu gebraucht er einige Versen aus Psalm 40 (Ps 40,7–9). Der Schreiber, geleitet durch den Heiligen Geist, sagt hier etwas, was du in Psalm 40 nicht liest. Er erklärt, dass der Herr Jesus diese Verse ausgesprochen hat, und zwar kurz bevor Er Mensch wurde und in die Welt kam. Auch macht dieses Zitat deutlich, dass dieser Psalm in Wirklichkeit von dem Herrn Jesus handelt, obwohl David ihn gedichtet hat. Durch dieses Zitat erfährst du, was Christus zu Gott sagte, als Er es auf sich nahm, den Willen Gottes zu tun. Gleichzeitig hast du hier einen Beweis seiner Existenz, bevor Er Mensch wurde.
Obwohl der Name Christi nicht genannt wird, kann mit „er“ niemand anders gemeint sein. Denn Christus ist Mensch geworden und in die Welt gekommen. Er spricht zu Gott über die Schlachtopfer und Speisopfer, die unter dem alten Bund dargebracht wurden. Er sagt von ihnen, dass Gott sie nicht wollte. Das betrifft natürlich nicht Gottes Vorschrift, dass diese Opfer gebracht werden sollten, denn es war gerade sein Wille, dass sein Volk sie brachte. Aber Gott hat sie nicht gewollt oder sogar beabsichtigt in dem Sinn, dass diese Opfer wirklich Sünden wegnehmen konnten. Er konnte jedem Israeliten, der mit einem solchen Opfer (und mit aufrichtigem Herzen) kam, vergeben, weil Er in diesem Opfer Christus sah. Er selbst gab Christus als das wahre Opfer, indem Er Ihm einen Leib bereitete. Das bedeutet, dass Gott wollte, dass Christus Mensch wurde. Und welche Verpflichtung hat ein Mensch Gott gegenüber? Gehorsam zu sein.
Dadurch dass der Herr Jesus Mensch wurde, verpflichtete Er sich, den ganzen Willen Gottes zu tun. Wenn du dir den Text in Psalm 40 noch einmal anschaust, dann fällt dir wohl auf, dass dort steht: „Ohren hast du mir bereitet“ (Ps 40,7) Wörtlich heißt es im Hebräischen: „Ohren hast du mir gegraben“, und „graben“ bedeutet bereitet, um zu gehorchen. Der Heilige Geist hat jedoch, wie Er das öfter tut, die griechische Übersetzung (die Septuaginta) von Psalm 40,7–9 gebraucht. In der Septuaginta ist „Ohren hast du mir bereitet“ übersetzt mit „einen Leib aber hast du mir bereitet“. Weil das die wirkliche Bedeutung wiedergibt, zitiert der Heilige Geist das hier. Man kann sagen, dass dadurch das Ohr mit dem Leib gleichgesetzt wird. Du kennst vielleicht den Ausdruck „ganz Ohr sein“. Das war bei dem Herrn Jesus der Fall. Sein Leib war nichts als Bereitwilligkeit, damit zu tun, was Gott Ihm sagte. Das offene Ohr war das Mittel, durch das Er auf den Willen seines Gottes hörte, und der Leib war das Mittel, durch das dieser Wille ausgeführt wurde. Der Herr Jesus hat einen Leib angenommen und wird ihn niemals mehr aufgeben.
Es gibt noch zwei Texte, die vom „Ohr“ des Herrn Jesus handeln. Der eine Text spricht vom „Durchbohren“ des Ohres (2Mo 21,6), der andere vom „Öffnen“ des Ohres (Jes 50,4). In diesen drei Texten über das Ohr kannst du eine Reihenfolge in Bezug auf das Leben des Herrn auf der Erde sehen. Sie handeln von seinem Kommen in die Welt (Ps 40,7.8), von seinem Weg durch die Welt (jeden Morgen öffnete Er sein Ohr; Jes 50,4) und von seinem Hingehen aus der Welt (Er gab sich am Ende seines Lebens für die Seinen hin, um ihnen auf ewig zu dienen; 2Mo 21,6).
V6. Der Leib des Herrn Jesus ist also das wahre Schlachtopfer (o. Friedensopfer) und Speisopfer. Nachdem der Herr Jesus seine Zustimmung gegeben hat, Gottes Willen zu tun, spricht Er zu Gott über zwei weitere alttestamentliche Opfer: über das Brandopfer und das Sündopfer. Auch von ihnen sagt Er, dass Gott diese Opfer nicht gebrauchen konnte, um Sünden wegzunehmen. Er stellt fest, dass der ganze Opferdienst im Alten Testament keine Situation bewirken konnte, in der Gott den Menschen segnen konnte.
V7. Nachdem dies durch das völlige Versagen des Menschen deutlich geworden war, bot der Herr Jesus sich an, den Willen Gottes zu tun. Er tat das in der vollkommenen Kenntnis dessen, was im Alten Testament über Ihn geschrieben stand. Das Alte Testament spricht ja überall von Ihm und seinem Kommen auf die Erde (vgl. Mt 5,17; Lk 24,27). Er wusste, dass der Augenblick seines Kommens nun da war und dass der Zeitpunkt seines Kommens vollkommen mit der Zeit übereinstimmte, die Gott festgesetzt hatte (Gal 4,4). Es war nach dem Willen Gottes die Zeit, seinen Ratschluss, der in der Rolle des Buches enthalten war, auszuführen. Der Wille Gottes ist hier: seinem Volk Vergebung, Vollkommenheit und Zugang zum Heiligtum und schließlich den Eingang ins Friedensreich zu ermöglichen.
Obwohl sein Kommen im Ratschluss festlag, bietet Christus sich doch in vollkommener Freiheit an, alles zu erfüllen. Er erklärt, dass Er den Willen Gottes tun wird. Solch eine Aussage wäre im Mund jedes Menschen Prahlerei. Bei Ihm ist es Vollkommenheit. Was Er im Himmel erklärt, tut Er auf der Erde
V8. In diesem Vers erläutert der Schreiber das Zitat. Er wiederholt, was der Herr Jesus „vorher“ sagte, das heißt bei seinem Kommen in die Welt (Vers 5): dass Gottes Wille nicht durch Tieropfer oder Speisopfer erfüllt werden konnte, obwohl Gott selbst sie als Opfer eingesetzt hatte. Aber sie konnten keine Grundlage für Gottes Plan mit dem Menschen und der Schöpfung bilden.
V9. Darum ist es so gewaltig, dass ein „dann“ folgt mit der Zusage des Herrn Jesus: „Siehe, ich komme, um deinen Willen zu tun.“ Gottes Plan würde ausgeführt werden durch Ihn, der kommen und das vollkommene Opfer bringen würde. Und Er hat es getan!
Durch das, was Er getan hat, hat Er das Erste weggenommen und durch etwas anderes ersetzt. Das „Erste“ ist alles, was Gott im Alten Testament für sein Volk eingerichtet hatte. Alles hatte sich als unzureichend erwiesen. Als der Herr Jesus kam, nahm Er die Stelle dieses ganzen Gottesdienstes. Alles, was Gott in diesem Gottesdienst vom Menschen forderte, hat der Herr Jesus vollkommen ausgeführt und erfüllt. Er nimmt die Stelle all der Vorbilder ein, die Gott vorgeschrieben hatte, Er hat sie ersetzt. Der „Schattendienst“ hat der Wirklichkeit Platz gemacht, und also ist für den Schattendienst kein Raum mehr. Jede Grundlage für seine Existenz ist weggenommen.
Er hat jedoch nicht nur „das Erste“ weggenommen, Er hat auch „das Zweite“ aufgerichtet. Er hat auch den Grundsatz verändert, durch den der Mensch Gott nahen kann. Um Gott nahen zu können, forderte das Gesetz vollkommenen Gehorsam. Auf dieser Grundlage war es jedoch nicht möglich, zu Gott zu kommen. Jetzt, wo der Herr Jesus Gottes Willen vollkommen ausgeführt hat, ist Er die Grundlage unserer Beziehungen zu Gott. Durch Ihn als das neue und vollkommene Opfer gibt es einen neuen Bund mit einem neuen Priestertum, das Gott in einem neuen, himmlischen Heiligtum nahen kann.
Lies noch einmal Hebräer 10,1–9.
Frage oder Aufgabe: Welche Unterschiede siehst du zwischen den früheren Opfern und dem wahren Opfer?
10 - 18 Geheiligt durch den Willen Gottes, ein für alle Mal
10 Durch diesen Willen sind wir geheiligt durch das ein für alle Mal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi. 11 Und jeder Priester steht täglich da, verrichtet den Dienst und bringt oft dieselben Schlachtopfer dar, die niemals Sünden wegnehmen können. 12 Er aber, nachdem er ein Schlachtopfer für Sünden dargebracht hat, hat sich auf immerdar gesetzt zur Rechten Gottes, 13 fortan wartend, bis seine Feinde hingelegt sind als Schemel seiner Füße. 14 Denn mit einem Opfer hat er auf immerdar die vollkommen gemacht, die geheiligt werden. 15 Das bezeugt uns aber auch der Heilige Geist; denn nachdem er gesagt hat: 16 „Dies ist der Bund, den ich ihnen errichten werde nach jenen Tagen, spricht der Herr: Indem ich meine Gesetze in ihre Herzen gebe, werde ich sie auch auf ihren Sinn schreiben“; 17 und: „Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken.“ 18 Wo aber eine Vergebung derselben ist, da ist nicht mehr ein Opfer für die Sünde.
V10. Der Herr Jesus hat also den Willen Gottes vollständig erfüllt. Dadurch hat Er eine völlig neue Situation geschaffen. Durch das, was Er getan hat, hat Er das Alte, Unvollkommene durch sich selbst ersetzt. Er ist das Zentrum des Segens Gottes. Der Wille Gottes kann durch das, was Er getan hat, und durch das, was Er ist, ausgeführt werden. Und was ist dieser Wille hier? Gott wollte ein neues Priestergeschlecht haben, das Ihm in seiner heiligen Gegenwart nahen könnte. Dafür sorgte der Herr Jesus, indem Er Gottes Willen ausführte. Er entsprach all den heiligen Forderungen Gottes. Damit hat Er Gott eine gerechte Grundlage dafür bereitet, dass Er uns heiligte. Gott hat uns aufgrund des Opfers seines Sohnes für sich abgesondert. Die Auswirkung dieses Opfers ist für ewig. Darum ist auch unsere Heiligung „ein für alle Mal“, das heißt ununterbrochen, fortwährend, für ewig. In Übereinstimmung mit der kraftvollen Wirksamkeit dieses Opfers gehören wir Gott für ewig an.
Das Opfer Christi war Gottes Wille. Gottes Wille war es auch, dass wir durch das Opfer Christi geheiligt würden. „Geheiligt“ heißt „gesondert hingestellt“, und das bedeutet hier, dass wir dazu fähig gemacht sind, in der Gegenwart Gottes zu verkehren, in seinem Heiligtum zu sein. Ist es nicht beeindruckend, dass im Blick darauf Gott dem Herrn Jesus einen Leib bereitet hat? Nur dadurch, dass der Herr Jesus einen Leib bekam, konnte Er sich selbst als „Opfer“ darbringen. Er nahm Bezug darauf, als Er bei der Einsetzung des Abendmahls von dem Brot sagte, nachdem Er es gebrochen hatte: „Dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird“ (Lk 22,19). Jedes Mal, wenn wir das Abendmahl feiern, dürfen wir auch daran denken.
V11. Wie ganz anders ging es da bei dem alttestamentlichen Gottesdienst zu und mit welch enttäuschenden Ergebnissen. In der Stiftshütte und im Tempel standen die Priester fortwährend am Altar. Sie übten ihren Dienst also stehend aus, und das weist darauf hin, dass ihr Dienst niemals beendet war. Ihnen war keine Ruhe von ihrem Werk vergönnt. Immer wieder mussten neue Opfer dargebracht werden: täglich, wöchentlich, monatlich, jährlich. Es war ein Zyklus von Opfern, der immer wiederholt wurde. Und dann noch die Opfer, die ein Israelit persönlich bringen musste, wenn er wieder gesündigt hatte.
Die Schlussfolgerung des Schreibers ist geradezu schockierend: Die Opfer können niemals Sünden wegnehmen. Mit dieser Schlussfolgerung macht er einen dicken Strich durch den ganzen jüdischen Gottesdienst. Derjenige seiner Leser, der diesem noch irgendeinen Wert beimessen würde, würde Gott sehr verunehren und sich selbst großen Schaden zufügen. Das gilt auch für dich und für mich. Aber du sollst damit auch gar nichts mehr zu tun haben wollen. Und das willst du auch gar nicht, wenn du dir einmal das Gegenteil dieses unzureichenden Gottesdienstes gut anschaust.
V12. Um dir das zu zeigen, stellt der Schreiber all diese Priester, die jeden Tag dieselben Opfer darbrachten, dem Priester gegenüber, der nur ein Opfer für die Sünden zu bringen brauchte. Und weil das ein vollkommen wirksames Opfer war, hat Er sich „auf immerdar“, das heißt bleibend, ununterbrochen, fortwährend, „gesetzt“. Darin kommt die vollkommene Ruhe zum Ausdruck, die die Folge seines Werkes ist. Christus braucht nicht mehr aufzustehen, um noch einmal ein solches Opfer zu bringen. Und wo sitzt Er? „Zur Rechten Gottes“. Darin kommt Gottes vollkommene Anerkennung und Annahme seines Werkes zum Ausdruck. Dass Er sich dort selbst gesetzt hat, zeigt die Herrlichkeit seiner Person. Er maßt sich diesen Platz nicht an, sondern Er weiß, dass Er vollkommen dem Willen Gottes entsprochen hat und darum dort sein kann. Gott hat Ihm diesen Platz gegeben (Ps 110,1).
V13. Und doch bleibt Christus nicht für immer sitzen. Von dem Augenblick an, wo Er sich gesetzt hat, und danach („fortan“) wartet Er darauf, dass Er noch einmal aufstehen wird. Wenn Er dann aufsteht, geschieht das nicht, um sich aufs Neue zu opfern, sondern um im Gericht die letzten und endgültigen Folgen seines Opferwerkes zu verwirklichen (Jes 33,10–12). Dasselbe hast du in den Schlussversen des vorigen Kapitels gesehen (Heb 9,26–28). Dort ist der Grund für sein zweites Erscheinen auch nicht, noch einmal für die Sünden zu sterben. Dort steht seine zweite Erscheinung in Verbindung mit der Errettung der Gläubigen. Hier steht sie in Verbindung mit der Unterwerfung seiner Feinde. Der Herr Jesus wartet darauf.
Der Schreiber beruft sich dazu wieder auf jenen beeindruckenden Vers aus dem Alten Testament, aus Psalm 110 (Ps 110,1). Dort liest du, wie Gott Christus die Verheißung gibt, dass seine Feinde als Schemel für seine Füße hingelegt werden sollen. Auf die Erfüllung dieser Verheißung wartet der Herr Jesus geduldig und mit Ausharren (2Thes 3,5; Off 3,10). Erst wenn Gottes Zeit da ist, wird Er aufstehen, nicht eher.
V14. Das Wörtchen „Denn“ in diesem Vers gibt den Grund an, warum Christus den Platz zur Rechten Gottes einnehmen konnte. Er hat nämlich „mit einem Opfer ... die vollkommen gemacht, die geheiligt werden“. Hier hast du das, was Gott wollte. Durch das Opfer Christi hat jeder Geheiligte ein vollkommenes Gewissen bekommen, ein Gewissen, das völlig frei ist von jeglicher Sündenlast und jeglicher Angst vor dem Gericht. Die Geheiligten sind es, die zum Dienst für Gott abgesondert wurden, den Priesterdienst im Heiligtum. Auf diesen Platz bist du gestellt, und zwar „auf immerdar“. Das heißt, dass es niemals einen Augenblick gibt, wo du als ein Geheiligter nicht in dem vollen Wert des Werkes Christi vor Gott stehst.
Vielleicht kommen bei dir gelegentlich noch Zweifel auf, ob du wirklich ein Kind Gottes bist. Du bist noch so oft von dir selbst enttäuscht. Lies dann diesen Vers und glaube, was dort steht. Zweifel werden nur durch den Glauben weggenommen, dass Gott das Werk des Herrn Jesus vollkommen angenommen hat, und durch das Zeugnis, das der Heilige Geist in der Schrift schwarz auf weiß davon gibt. Der Wert, den Christus und sein Werk für Gott haben, bestimmt, wie Gott jeden Menschen sieht, der seine Sünden bekannt und Christus als das Sühnopfer für seine Sünden angenommen hat. Dann hängt es nicht mehr von deinem Gefühl oder deiner Erkenntnis ab, sondern von deinem Glauben an Gott und an das, was Er über seinen Sohn gesagt hat. Wenn du nicht glaubst, was Gott hier in seinem Wort sagt, machst du Ihn zum Lügner (1Joh 5,10). Lass dir also nicht durch verkehrte Lehren – besonders von Christen, die das Gesetz als Lebensregel haben – die Sicherheit deiner Errettung nehmen. Wirf deinen Anker in Gottes Wort aus.
V15. Diesem Zeugnis, das Gott in seinem Wort gibt, wird das Zeugnis des Heiligen Geistes hinzugefügt, der auch von dem vollkommen vollbrachten Opfer und dessen Auswirkung zeugt. Dieses Zeugnis wirst du inwendig, in deinem Herzen, erfahren, wenn du dem Wort Gottes glaubst. Das Wort und der Geist stimmen immer vollkommen überein. Sowohl das Wort als auch der Geist weisen stets auf den Herrn Jesus und sein Werk hin. Das Wort kannst du lesen, der Heilige Geist gibt dir die innere Überzeugung, dass das, was du liest, die Wahrheit ist.
V16. Das Zeugnis, das der Heilige Geist hier gibt, beruht auf dem Wort Gottes, und zwar aus dem Propheten Jeremia (Jer 31,33.34). Er bezeugt „uns“ – das sind in erster Linie die hebräischen Leser damals und das ist in zweiter Linie der Überrest in der Zukunft. Das Zitat aus Jeremia bezieht sich auf sie. In Hebräer 8 ist es schon einmal zur Sprache gekommen (Heb 8,10.12). Es ist gut, die Erläuterung dazu noch einmal zu lesen. In Hebräer 8 ging es vor allem um die Auswirkung des neuen Bundes im Friedensreich. Hier in Hebräer 10 soll das Zitat vor allem zeigen, dass unter dem neuen Bund ein Werk des Heiligen Geistes in den Herzen und im Denken der Gläubigen stattfindet.
Es ist schön, zu sehen, dass jede der drei Personen der Gottheit ihren eigenen Platz und Anteil hat, dich als Gläubigen vollkommen vor Gott hinzustellen. Gott ist der Ursprung deiner Errettung. Es war sein Wille, dich zu heiligen. Er konnte dich heiligen, weil sein Sohn das dazu notwendige Werk vollbracht hat. Von Gottes Willen und von dem Werk des Herrn Jesus hast du erfahren und Teil daran bekommen durch das Zeugnis des Heiligen Geistes in deinem Herzen. Man kann es auch so sagen: Die Sicherheit, dass Gott deiner Sünden und Gesetzlosigkeiten nie mehr gedenken wird, beruht auf dem unumstößlichen Willen Gottes, auf dem vollkommenen Opfer Christi und auf dem sicheren Zeugnis des Heiligen Geistes.
V17. Bevor Christus das Werk vollbracht hatte, wurde der Sünden wohl gedacht oder sie wurden in Erinnerung gebracht (Vers 3). Es gab ja früher kein Opfer, das die Sünden radikal austilgen konnte. Aber durch das Opfer Christi bestehen sie vor Gott nicht mehr. Wenn Gott der Sünden nicht mehr gedenkt, fehlt jede Notwendigkeit für ein neues Opfer.
V18. Dieser Vers ist die Schlussfolgerung aus der angeführten Prophezeiung aus Jeremia 31 (Jer 31,33.34) und aus der ganzen vorhergehenden Darlegung. Weil das eine Opfer Vergebung bewirkt hat, können keine anderen Opfer mehr dargebracht werden, um Vergebung zu bewirken. Was vergeben ist, benötigt kein Opfer für die Sünde mehr. Es ist keine einzige Sünde übriggeblieben, die noch Vergebung und also ein Opfer nötig hätte; alle Sünden sind schon getilgt. Damit verfällt jedes Existenzrecht des alttestamentlichen Opferdienstes. Es hat keinen Wert und keine Bedeutung mehr.
Lies noch einmal Hebräer 10,10–18.
Frage oder Aufgabe: Bist du ganz sicher, dass Gott dich durch Christus und sein Opfer ein für alle Mal geheiligt hat?
19 - 21 Gott nahen
19 Da wir nun, Brüder, Freimütigkeit haben zum Eintritt in das Heiligtum durch das Blut Jesu, 20 auf dem neuen und lebendigen Weg, den er uns eingeweiht hat durch den Vorhang hin, das ist sein Fleisch, 21 und einen großen Priester haben über das Haus Gottes,
In den vorhergehenden Versen und Kapiteln hat der Schreiber Belehrungen über die persönliche Herrlichkeit des Herrn Jesus und die Vollkommenheit seines Werkes gegeben. Er hat deutlich gemacht, dass durch Christus und sein Werk die Grundlage für einen neuen Bund gelegt ist. Der alte Bund hat nichts zur Vollendung gebracht. Aber durch Christus und das, was Er getan hat, wird Gott alle seine Verheißungen erfüllen.
V19. Nach dieser ausführlichen und tiefgehenden Belehrung kommt der Schreiber zur Praxis. Diese Reihenfolge findet man in den Briefen immer. Durch die Belehrung in diesem Brief ist klargeworden, dass du aufgrund der Vollkommenheit des Werkes Christi in Gottes Augen ohne Sünde bist. Auch ist deutlich geworden, dass Christus in das wahrhaftige Heiligtum eingegangen ist und dort zur Rechten Gottes sitzt, weil sein Werk vollbracht ist. Das bedeutet, dass auch du dadurch volle Freimütigkeit haben darfst, in das Heiligtum einzutreten.
Die Fragen bezüglich deiner Sünden sind gelöst – es gibt sie nicht mehr. Die Sünden sind Christus zugerechnet worden. Dass Er nun im Himmel ist, ist der Beweis dafür, dass deine Sünden für ewig ausgetilgt sind. Darum kannst du mit aller Freimütigkeit in der Gegenwart Gottes erscheinen, und zwar zu jeder Zeit, weil du für ewig kein Gewissen von Sünden mehr hast. Du ehrst den Herrn Jesus, wenn du mit Freimütigkeit eintrittst. Daran hat Gott Freude.
Das einzige Hindernis, das es jetzt noch gibt, ist Unglaube und dass du auf dich selbst schaust. Sicher wirst du noch viele Unvollkommenheiten bei dir feststellen. Die Frage ist jedoch nicht, wie du selbst dich siehst, sondern wie Gott dich sieht. Er sieht dich seit dem Augenblick, wo du deine Sünden bekannt hast, als vollkommen in Christus. Und wenn du jetzt doch noch einmal sündigst? Dann ist das nicht eine Sache zwischen dir und Gott, sondern zwischen dir und dem Vater. Der Herr Jesus wusste, dass du auch als Gläubiger diese Sünde begehen würdest. Für welche Sünden hat Er Gottes Gericht getragen? Nur für die Sünden, die du vor deiner Bekehrung getan hattest, oder auch für die Sünden, die du leider danach noch tun würdest? Als Er starb, hat Er dein ganzes Leben gesehen. Für alles, was darin nicht mit Gott übereinstimmte, hat Er das Gericht auf sich genommen.
Es geht in diesem Brief um den heiligen Gott und den sündigen Menschen und um das, was der Herr Jesus getan hat, um diesen Menschen fähig zu machen, in der Gegenwart Gottes zu sein. Schau darum auf Christus und auch auf Gott und sieh, wie Er das Werk Christi wertschätzt. Das Wissen, dass der Herr Jesus alle deine Sünden getragen hat, wird verhindern, dass du ein oberflächlicher Christ wirst. Gerade wenn dir bewusst ist, dass Er so viel für deine Sünden leiden musste, wirst du den Wunsch haben, nicht zu sündigen. Wenn das dennoch geschieht, betrifft das deine Beziehung zum Vater. Wegen der Sünde kannst du dich nicht an der Gemeinschaft mit dem Vater erfreuen. Darum musst du jede Sünde, sobald sie dir bewusst ist, bekennen. Dann wird die Gemeinschaft mit dem Vater wiederhergestellt.
Dieser Unterschied zwischen deinem Verhältnis zu Gott und deinem Verhältnis zum Vater ist sehr wichtig. Auf dein Verhältnis zum Vater werden wir tiefer eingehen, wenn wir zu den Briefen des Johannes kommen. Es reicht im Augenblick, dass du diesen Unterschied kennst. Es geht nun darum, dass du völlig damit übereinstimmst, wie Gott das vollkommene Werk seines Sohnes wertschätzt, durch das auch du für Gott vollkommen bist. Die Kraft des Wörtchens „nun“ (Vers 19) ergibt sich daher auch aus der Schlussfolgerung aus dem Vorhergehenden. Zugleich leitet es über zu dem praktischen Lebenswandel des Christen, der darauf folgt und aus der Gemeinschaft mit Gott im Heiligtum resultiert.
Im Alten Testament war ein freier Zugang ins Heiligtum unmöglich, ja geradezu undenkbar. Aber für die Gläubigen, die mit dem neuen Bund in Verbindung stehen, gibt es diesen freien Zugang in die Gegenwart Gottes. Du darfst freimütig in das geöffnete himmlische Heiligtum eintreten, um anzubeten.
Ist damit nicht der Höhepunkt des Briefes erreicht? Das Heiligtum ist für „Brüder“ geöffnet (darin sind natürlich die Schwestern eingeschlossen), das sind alle, die mit dem Herrn Jesus verbunden sind und die Er „meine Brüder“ nennt. Du bist im Heiligtum, wenn du dich im Geist in der Gegenwart Gottes weißt und dich voller Liebe und Vertrauen der Gemeinschaft mit Christus erfreust. Du sagst Gott, was für Schönheiten du alle in dem Herrn Jesus entdeckt hast. Es geht nicht um die Worte, die du dabei gebrauchst, sondern ob dein Herz wirklich von Ihm erfüllt ist. Der Weg zu Gott ist durch das Blut Jesu für dich offen, so dass du darauf gehen kannst. Durch das Blut bist du gereinigt und ist auch der Weg zum Herzen Gottes gereinigt.
Ich hoffe von Herzen, dass du von dieser Freimütigkeit reichlich Gebrauch machst, indem du zu Gott ins Heiligtum gehst und mit Ihm über den Herrn Jesus sprichst. Es ist dein persönliches Vorrecht, das zu tun. In großen Teilen der Christenheit werden die einzelnen Gläubigen auf Abstand gehalten, weil andere da sind, die für sie „zu Gott nahen“. Das ist der Fall, wenn ein Pfarrer oder Priester im Namen der Gläubigen zu Gott spricht. Solche Gläubigen meinen dann, dass sie nur über einen Mittler zu Gott kommen können. In einem solchen Fall kehrt der Christ zu dem alttestamentlichen System zurück und verhält sich wie ein jüdischer Anbeter. Aber auch da, wo Gläubige dieses Vorrecht sehr wohl kennen, kann man in den Zusammenkünften doch zu viel Wert auf bestimmte Personen legen, die (ihrer Meinung nach) alles „viel besser ausdrücken können“ oder die (auch ihrer Meinung nach) die Bibel besser kennen.
Wenn du einer Gruppe von Gläubigen die Frage stellen würdest: „Wer von euch will in den Himmel kommen?“, dann denke ich, dass jeder die Hand heben würde. Aber frage einmal dieselbe Gruppe: „Wer von euch will jetzt in den Himmel gehen?“, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Stille eintritt und dass die Hände von nur wenigen nach oben gehen, nämlich von denen, die nicht mehr wissen, wie es im Leben weitergehen soll. Aber Gott lädt dich und jeden der Seinen ein, jetzt zu Ihm in das Heiligtum zu kommen und immer wieder zu kommen, sooft du nur willst.
V20. Du darfst eintreten „auf dem neuen und lebendigen Weg“. Das Wort „neu“ hat die Bedeutung von „gerade erst geöffnet“ und schließt in sich, dass der Charakter dieses Weges auch immer diese Bedeutung behält. Es ist ein Weg, der niemals alt wird, weil das Werk, durch das dieser Weg geöffnet wurde, niemals veraltet. Es ist auch ein lebendiger Weg, weil er mit dem Herrn Jesus verbunden ist, der das Leben ist. Es ist ein lebendiger Weg, doch nicht in dem Sinn, dass dieser Weg zum Leben führt, denn auf dem Weg gehen die, die das Leben schon besitzen. Das Kennzeichen dieses Weges ist Leben. Als Gläubiger darf ich diesen Weg in der Nachfolge dessen gehen, der lebt.
Wenn du dir diesen „Weg“ ins Heiligtum so vorstellst, wird dein Eintreten dort zu einem immer wieder frischen, neuen Erleben. Es lässt dich die Zeit vergessen, die zwischen dem Vollbringen des Werkes vor so vielen Jahrhunderten und heute verstrichen ist. Es wird ewig so sein, als ob Er soeben deine Sünden an seinem Leib auf dem Kreuz getragen hätte, als ob Er soeben gesagt hätte: „Es ist vollbracht.“ Gottes Auge bleibt für ewig auf seinen Sohn als ein Lamm gerichtet, das gerade geschlachtet wurde. Das ist die besondere Weise, wie Johannes das Lamm beschreibt, das er stehen sieht „wie geschlachtet“ (Off 5,6).
Diesen Weg hat der Herr Jesus „eingeweiht“. Wenn man etwas Neues in Gebrauch nimmt, dann weiht man es ein. Christus ist als Erster, als Vorläufer, aufgrund seines Blutes in das Heiligtum eingegangen. Aufgrund seines Blutes kannst auch du nun eintreten, und zwar „durch den Vorhang hin, das ist sein Fleisch“. Im Alten Testament wohnte Gott hinter dem Vorhang. Es war unmöglich, dass ein Israelit da jemals eintreten durfte. Nur Aaron durfte das, und dann auch nur einmal im Jahr. Doch Gott selbst hat gezeigt, dass der Weg zu Ihm frei ist, indem der Vorhang von oben (also von Ihm aus) nach unten zerriss (Mt 27,51). Durch das Fleisch Christi, das ist sein Leib, sind deine Sünden getilgt und ist der Weg ins Heiligtum für dich geöffnet worden.
V21. Und wenn du dann auf diesem geöffneten Weg ins Heiligtum eintrittst, triffst du dort „einen großen Priester“. Das ist niemand anders als der Herr Jesus. Er steht dir zur Verfügung, Er setzt sich für dich ein. Er ist der Hohepriester, doch so wird Er hier nicht vorgestellt. Als Hoherpriester ist Er der Vornehmste unter vielen Priestern. Indem Er jedoch als „großer Priester“ vorgestellt wird, fällt der Nachdruck darauf, dass es für Gott nur einen Priester gibt. Er ist „groß“ in der Herrlichkeit seiner Person und in der Herrlichkeit seines Dienstes im Heiligtum. Wenn du auch zu Gott nahen darfst, dann geschieht das doch nur in Ihm.
Er ist der große Priester „über das Haus Gottes“ (vgl. Heb 3,6). Damit ist sowohl das Heiligtum als auch die priesterliche Familie gemeint. Sein Dienst im Heiligtum ist vollkommen zur Ehre Gottes und wegen seiner Person angenehm für Gott. Auch der Dienst der priesterlichen Familie ist für Gott nur angenehm wegen seiner Person. Wie groß ist Er!
Lies noch einmal Hebräer 10,19–21.
Frage oder Aufgabe: Bist du oft im Heiligtum zu finden?
22 - 27 Ins Heiligtum eintreten
22 so lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen, in voller Gewissheit des Glaubens, die Herzen besprengt und so gereinigt vom bösen Gewissen und den Leib gewaschen mit reinem Wasser. 23 Lasst uns das Bekenntnis der Hoffnung unbeweglich festhalten (denn treu ist er, der die Verheißung gegeben hat); 24 und lasst uns aufeinander Acht haben zur Anreizung zur Liebe und zu guten Werken, 25 indem wir unser Zusammenkommen nicht versäumen, wie es bei einigen Sitte ist, sondern einander ermuntern, und das umso mehr, je mehr ihr den Tag näher kommen seht. 26 Denn wenn wir mit Willen sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, so bleibt kein Schlachtopfer für Sünden mehr übrig, 27 sondern ein gewisses furchtvolles Erwarten des Gerichts und der Eifer eines Feuers, das die Widersacher verzehren wird.
V22. Der Weg ins Heiligtum ist offen. Die Freimütigkeit, dort hineinzugehen, ist gegeben. Nun ermutigt der Schreiber dich, auch tatsächlich hinzuzutreten. Du hast aufgrund deiner christlichen Stellung Zugang ins Heiligtum. Mach daher von diesem Vorrecht auch wirklich Gebrauch. Damit du dich daran wirklich erfreuen kannst, weist der Schreiber dich noch auf ein paar Bedingungen hin, die mit dem Zutritt zu Gott im Heiligtum verbunden sind. Das tut er nicht, um dir doch noch die Freimütigkeit zu nehmen. Es geht eben nicht nur darum, dass du kommst, sondern auch wie du kommst.
Du wirst wohl zustimmen, dass man Gott im Allerheiligsten nicht in gleichgültiger Haltung nahen kann, ohne zu berücksichtigen, wer es ist, dem man naht. Zuerst einmal muss eine aufrichtige Gesinnung vorhanden sind, sowohl im Blick auf Gott als auch im Blick auf die Menschen. Um Gott auf eine Ihm wohlgefällige Weise zu nahen, musst du deine christliche Stellung kennen, sie im Herzen schätzen und dich daran erfreuen. Anders ausgedrückt: Du sollst dich über das freuen, was du in Christus geworden bist, und Ihm und Gott dafür dankbar sein. Du sollst „in voller Gewissheit des Glaubens“ kommen. Wenn du noch den geringsten Zweifel hast, ob dein Verhältnis zu Gott wohl in Ordnung ist, ist das für das Hinzutreten fatal.
Um Gott wirklich zu nahen, ist volle Gewissheit, völliges Vertrauen und Glaube notwendig. Volle Gewissheit des Glaubens ruht vollkommen in der Liebe Gottes. Bei dem Ausdruck „die Herzen besprengt und so gereinigt vom bösen Gewissen“ spielt der Schreiber auf die Einweihung der Priester an (2Mo 29,20; 3Mo 8,23.). Bei der Priesterweihe wurde vom Blut des Einweihungsopfers etwas auf das rechte Ohrläppchen, den rechten Daumen und die rechte große Zehe gestrichen. Dieses Bild zeigt, dass das Gehör (Ohr), das Handeln (Hand) und der Wandel (Fuß) gereinigt sein müssen, damit man vor Gott den Priesterdienst ausüben kann. Der Schreiber fasst hier Ohr, Hand und Fuß gleichsam im Herzen zusammen, weil das Herz das Zentrum des Menschen ist. Was du tust und wohin du gehst, kommt aus deinem Herzen hervor (Spr 4,23). Darum darf dein Herz nicht von einem bösen Gewissen geplagt sein, denn das zieht dich von Gott ab.
Durch das Besprengen mit dem Blut (Heb 12,24; 1Pet 1,2) ist dein Herz gereinigt und dein Gewissen vollkommen. Aber du musst immer wieder prüfen, ob das auch in der Praxis so ist. Und nicht nur das Herz ist gereinigt, sondern auch der Leib. Nicht nur dein Inneres muss mit Gott in Übereinstimmung sein, sondern auch deine äußere Beziehung zu Gott. Deshalb ist es nötig, dafür zu sorgen, dass das ständig so bleibt. Weil du ja durch die Welt gehst und dich dort aufhältst, wirst du immer wieder verunreinigt. Darum musst du täglich „mit Wasser durch das Wort“ gereinigt werden (Eph 5,26). Indem du in der Bibel liest, wirst du wieder rein.
V23. Die eben besprochenen Bedingungen haben mit deinem Nahen zu Gott zu tun. Aber du hast es auch mit der Welt zu tun, in der du lebst. Der Welt gegenüber ist es wichtig, dass du „das Bekenntnis der Hoffnung unbeweglich“ festhältst. Die Kraft dazu bekommst du im Heiligtum. Dort siehst du, dass Gott alle seine Verheißungen erfüllen wird, während du augenblicklich in der Welt noch gar nichts davon siehst. Aber im Heiligtum siehst du Christus, in dem alles, was Gott verheißen hat, „Ja und Amen“ ist (2Kor 1,20). Darum bewirkt das Eintreten ins Heiligtum eine große Ermutigung für dein Zeugnis in der Welt.
Um zu verhindern, dass du wankend wirst, gibt es kein besseres Mittel, als dich an die Treue Gottes zu erinnern: „Treu ist er, der die Verheißung gegeben hat.“ Deine Hoffnung gründet sich nicht auf dich selbst, sondern auf die Treue Gottes. Das gibt noch einmal Festigkeit!
V24. Es gibt noch einen weiteren Gesichtspunkt: Es geht nicht nur um dein eigenes Vertrauen auf Gott, du bist auch aufgerufen, auf andere zu achten, und andere werden aufgerufen, auf dich zu achten. Einander zu ermutigen, ist sehr wichtig. Um deine Geschwister schätzen und ermutigen zu können, musst du sie im Heiligtum sehen, in dem wahren Licht Christi. Das wird deinen Umgang mit ihnen bestimmen.
Ab und zu ein freundliches Wort ist wohl gut, aber nicht ausreichend. Da steht „zur Anreizung“. Darin klingen Einsatz und Anstrengung mit. Echte christliche Gemeinschaft im Heiligtum hat zur Folge, dass wir einander anreizen, Liebe füreinander zu empfinden und gute Werke zu tun, durch die der andere die Liebe auch tatsächlich erfährt (1Joh 3,18). Wir müssen uns gegenseitig zur Liebe ermutigen, denn Liebe ist die rechte christliche Gesinnung, und gute Werke sind ihre Früchte.
V25. Neben den persönlichen Kontakten – wobei du auf den anderen achtgibst und der andere auf dich – gibt es auch die Zusammenkünfte der Gemeinde. Dort ist Christus in der Mitte, um den Lobgesang anzustimmen. Der Schreiber ruft dazu auf, im Besuchen der Zusammenkünfte nicht säumig zu sein. Dort wird öffentlich und gemeinsam der Glaube bekannt. Wenn du das Zusammenkommen versäumst, kannst du zwar so tun, als würdest du das Bekenntnis persönlich festhalten, aber du vermeidest es, dich mit dem Volk Gottes öffentlich einszumachen in den Schwierigkeiten, die mit dem Bekennen des Glaubens vor der Welt verbunden sind.
Der Schreiber nennt noch einen zusätzlichen Beweggrund dafür, die Zusammenkünfte der Gemeinde nicht zu versäumen: Der Tag – das ist der Tag des Gerichts – kommt näher. Wird das Zusammenkommen versäumt, so ist das ein deutliches Zeichen, dass die Zuneigung zueinander abnimmt. Oft läuft das Versäumen darauf hinaus, dass man in die Welt oder zu einem weltlichen Gottesdienst zurückkehrt. Der Gedanke an den Tag des Gerichts muss auf dein Gewissen einwirken. Dieser Gedanke muss verhindern, dass Christen zur Welt zurückkehren, und bewirken, dass sie vor menschlichen Einflüssen oder der Menschenfurcht bewahrt werden.
Das Zusammenkommen als Gemeinde ist ganz besonders der Platz, wo wir erleben, wie wir einander unterstützen. Der Nachdruck liegt hier nicht auf dem, was wir in der Zusammenkunft empfangen, sondern auf dem, was wir dazu beitragen können. Die Leser werden an die Zusammenkünfte in der Anfangszeit der Gemeinde erinnert, worin sie früher verharrt hatten (Apg 2,42), nun aber in der Gefahr waren, nachlässig zu werden. Bei einigen war es zur Gewohnheit geworden, die Zusammenkünfte nicht mehr zu besuchen, ohne einen triftigen Grund dafür zu haben.
V26. Wenn das bewusst geschieht, aus Angst vor Schmach und Spott, bedeutet das, mit Willen zu sündigen. Das „Denn“ zu Beginn von Vers 26 zeigt die Verbindung zu den beiden vorausgehenden Kapiteln 9–10 und zu dem vorhergehenden Vers. Das unterstreicht die Bedeutung des Zusammenkommens. Wenn ein Christ die Zusammenkünfte versäumt, ist das nicht nur ein unwürdiges Verhalten, es ist auch gefährlich. Es bedeutet, eins der bedeutendsten Mittel der Auferbauung und des Trostes abzulehnen, wenn nicht gar zu verachten. Zugleich ist es Gleichgültigkeit gegenüber der Gemeinschaft der Heiligen.
Rückgang und schließlich Abfall beginnen oft mit dem Aufgeben des christlichen Zusammenkommens. Wer die Zusammenkunft der Gemeinde versäumt, ist nicht wirklich vom Herrn Jesus beeindruckt, der dort in der Mitte ist (Mt 18,20). Wenn du dazu bedenkst, dass Er auch gern in der Mitte seiner Erlösten ist, wirst du nicht ohne triftigen Grund eine Zusammenkunft versäumen. Wo Er zugegen ist, da schenkt Er immer neu seinen Segen und Wachstum.
Wenn jemand bekannt hatte, den Wert des einen Opfers zu kennen, und dieses Bekenntnis anschließend preisgab, gab es kein anderes Schlachtopfer mehr, zu dem er seine Zuflucht hätte nehmen können. „Mit Willen“ bedeutet freiwillig, eigenwillig und bewusst. Das steht im Gegensatz zur Unwissenheit. Es geht um bekennende Christen, die bewusst und willentlich in offener Rebellion gegen Gott sündigen. Es geht um Menschen, die „die Erkenntnis der Wahrheit“ empfangen haben, die also nicht nur einen flüchtigen Eindruck vom Christentum gewonnen hatten.
Solche Menschen hatten die Unterschiede zwischen dem alten und dem neuen Bund gut begriffen. Sie hatten den neuen Bund angenommen, waren aber doch wieder zu dem alten Bund zurückgekehrt, zu den Opfern, die keine Sünden wegnehmen konnten, wie wir zu Beginn dieses Kapitels gesehen haben. Solche Menschen offenbaren immer einen heftigeren Widerstand als Menschen, die unwissend sind. Sie fallen von dem einzigen wirksamen Werk Christi ab, geben mutwillig wieder der Sünde nach und sündigen aufs Neue gewohnheitsmäßig.
V27. Das Einzige, womit sie noch zu rechnen haben, ist ein „furchtvolles“ oder furchteinflößendes Gericht, das sich in einem heftigen Feuer offenbaren wird. Statt das Bekenntnis der Wahrheit unter Druck festzuhalten, sind sie zu Widersachern geworden. Wer die Erkenntnis der Wahrheit empfangen hat, sie aber aufgibt, nimmt den Charakter eines Widersachers an. So jemand ist kein Irrender. Ein Irrender ist jemand, der wiederhergestellt werden kann. Für einen erklärten Widersacher gibt es keine Hoffnung auf Wiederherstellung.
Lies noch einmal Hebräer 10,22–27.
Frage oder Aufgabe: In diesem Abschnitt steht eine Anzahl von Ermahnungen und Anreizen. Welche sind das? Sind solche dabei, die du besonders zu Herzen nehmen solltest?
28 - 39 Der Kommende wird kommen und nicht ausbleiben
28 Jemand, der das Gesetz Moses verworfen hat, stirbt ohne Barmherzigkeit auf die Aussage von zwei oder drei Zeugen; 29 wie viel schlimmerer Strafe, meint ihr, wird der wert geachtet werden, der den Sohn Gottes mit Füßen getreten und das Blut des Bundes, durch das er geheiligt worden ist, für gemein erachtet und den Geist der Gnade geschmäht hat? 30 Denn wir kennen den, der gesagt hat: „Mein ist die Rache, ich will vergelten“, [spricht der Herr]. Und wiederum: „Der Herr wird sein Volk richten.“ 31 Es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen! 32 Erinnert euch aber an die früheren Tage, in denen ihr, nachdem ihr erleuchtet worden wart, viel Kampf der Leiden erduldet habt; 33 indem ihr einerseits sowohl durch Schmähungen als auch Drangsale zur Schau gestellt wurdet, andererseits aber Genossen derer wurdet, die so einhergingen. 34 Denn ihr habt sowohl den Gefangenen Teilnahme bewiesen als auch den Raub eurer Güter mit Freuden aufgenommen, da ihr wisst, dass ihr für euch selbst einen besseren und bleibenden Besitz habt. 35 Werft nun eure Zuversicht nicht weg, die eine große Belohnung hat. 36 Denn ihr habt Ausharren nötig, damit ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung davontragt. 37 Denn noch eine ganz kleine Zeit, und „der Kommende wird kommen und nicht ausbleiben. 38 Der Gerechte aber wird aus Glauben leben“; und: „Wenn jemand sich zurückzieht, so hat meine Seele kein Wohlgefallen an ihm.“ 39 Wir aber sind nicht von denen, die sich zurückziehen zum Verderben, sondern von denen, die glauben zur Errettung der Seele.
V28. Wir haben nun einen Abschnitt vor uns, in dem aufs Neue vor dem Abfallen gewarnt wird. Die Folgen davon werden in abschreckender Weise vorgestellt. Es geht dabei nicht um eine Kleinigkeit! Es geht darum, dass jemand das einzige Opfer, das Gott in seinem Sohn gegeben hat, verwirft, und zwar nachdem er dieses Opfer zunächst angenommen hatte. Das ist nichts anderes als bewusste Auflehnung gegen Gott. Solche Auflehnung gegen Ihn – während man seinen Willen kennt – nahm und nimmt Gott sehr übel. Schau dir einmal das Gesetz Moses an. Jemand, der das verwarf, das heißt, es mit Füßen trat und verachtete (also nicht aus Versehen übertrat), starb ohne Barmherzigkeit. Allerdings mussten zwei oder drei Zeugen dieses Aufstands da sein (4Mo 15,30–36).
V29. Wenn Gott Rebellion unter dem alten Bund schon so bestrafte, um wie viel schwerer muss dann die Strafe für jemanden sein, der gegen den neuen Bund rebelliert. Die schwerere Strafe ist das ewige Gericht, während es im Alten Testament um ein zeitliches Gericht ging. Aber diese schwerere Strafe passt auch zu dem Ernst der Sünde. Es geht um nichts weniger als darum, den Sohn Gottes mit Füßen zu treten, den ewigen Sohn, und sein Werk zu verachten.
Man kann sagen, dass es bei der Übertretung des Gesetzes lediglich um Ungehorsam ging. Das war schon schlimm, aber noch schlimmer ist es, die Gnade Gottes und das, was Er in seinem Sohn getan hat, zu verachten. Es bedeutet, den ganzen Heilsplan Gottes mit einer Verachtung zu verwerfen, die keine Hoffnung auf eine Umkehr mehr zulässt. Wenn man etwas mit Füßen tritt, verachtet man es. So behandelt der Namenschrist den Sohn Gottes, wenn er Ihn – nachdem er Ihn zuerst als den Sohn Gottes anerkannt hat – später wieder gegen einen tastbaren Gottesdienst eintauscht. Es ist die größte Ablehnung, die Ihm widerfahren kann. Eine solche Behandlung lässt den Herrn Jesus als Lügner erschienen, und sein Werk wird als nutzlos abgestempelt.
Letzteres zeigt sich in der Ablehnung des Blutes des Bundes. Durch dieses Blut war der Bekenner geheiligt, das heißt äußerlich abgesondert. Es ist dieselbe Heiligung, die auch für den ungläubigen Mann gilt, dessen Frau zum Glauben gekommen ist (1Kor 7,14). Er bekannte, hinter dem Blut zu stehen wie alle Glieder der Gemeinschaft, der er sich angeschlossen hatte, aber er glaubte nicht an die Kraft des Blutes. In einem bestimmten Augenblick achtete er es für gemein (o. unrein). Es ist nicht verwunderlich, dass so jemand auch den Geist der Gnade schmäht. Der Heilige Geist hatte ihm bei seinem Eintritt ins Christentum Gnade erwiesen, indem Er ihn an seinem Werk in der Gemeinde teilnehmen ließ. Aber nun hat er die Gnade mit einer geringschätzigen Handbewegung beiseitegeschoben.
V30. Indem der Schreiber „wir“ sagt, zählt er sich zu denen, an die er schreibt. Er sieht das ganze Volk, sich selbst eingeschlossen, als Bekenner. Sie alle hatten dasselbe Bekenntnis. Aber die Gefahr bestand, dass einige darunter waren, für die das Bekenntnis nur eine Sache der Lippen und nicht des Herzens war. Im Blick auf sie spricht er ernste Worte. Er will ihr Gewissen ansprechen, so dass sie im Nachhinein die Wahrheit in ihr Herz aufnehmen und sich nicht zu einem Gottesdienst, den Gott verworfen hat, hinwenden, um dann in ihrer Sünde zu sterben.
Sie alle kannten Gott als den, der richtet. Niemand war darüber in Unkenntnis. Gottes Zorn schließt in sich, dass er jedem gerecht das zumisst, was ihm zukommt. Er wird auf gerechte Weise vergelten und richten.
V31. Wer von dem lebendigen Gott abfällt (Heb 3,12), wird einmal in die Hände des lebendigen Gottes fallen. Wie ganz anders sieht der Gläubige die Hände Gottes. Er vertraut sich ihnen gern an (2Sam 24,14), weil er darauf vertraut, dass Gott vollkommen gerecht und voller Liebe ist.
V32. Nach seinen strengen Ermahnungen ermutigt nun der Schreiber den Leser ab Vers 32 wieder. Er hat seine Befürchtung geäußert, der Einzelne könnte abfallen, aber für die große Gemeinschaft befürchtet er das nicht. Bei ihnen hat er Früchte des neuen Lebens gesehen. Daran erinnert er sie nun, indem er sie in Gedanken in frühere Tage mit zurücknimmt. Er spricht darüber, dass sie damals „erleuchtet“ waren. Damit meint er, dass sie entdeckt hatten, was das Christentum mehr enthielt als das Judentum. Da hatten sie das Neue angenommen. Den Kampf der Leiden, den das mit sich gebracht hatte, hatten sie geduldig ertragen. Leiden gehört einfach dazu, wenn man den Herrn Jesus annimmt. Der Gedanke, dass die Kirche durch einen weltweiten Vormarsch des Evangeliums alles für Christus in Besitz nehmen wird, hat gar keine Grundlage. Es ist gut, das immer zu bedenken.
V33. Der Schreiber spricht über zwei Arten von Leiden. Es gibt Leiden, die sie persönlich erfuhren, und Leiden, die sie erlebten, indem sie mit anderen mitlitten. Die Leiden, die sie selbst erfuhren, bestanden in Schmähungen und Drangsalen, die ihre ungläubigen Volksgenossen ihnen zufügten, die dann dastanden und sie angafften, als wären sie ein Schauspiel (vgl. 1Kor 4,9). Dieses Leiden war offensichtlich. Die andere Art, zu leiden, ist das Mitleiden mit anderen. Das erlebt man nicht am eigenen Leib, aber man fühlt es im Geist mit denen mit, die es wohl am eigenen Leib erfahren (Heb 13,13; Mt 25,36.39). Sie hatten solche, die wegen ihres Glaubens gefangen genommen worden waren, ermutigt, vielleicht auch besucht.
V34. Man hatte ihnen ihre Güter geraubt. Hasserfüllte Juden hatten sie geplündert oder beschlagnahmt. Aber sie hatten ihren Gütern nicht nachgetrauert. Im Gegenteil, sie hatten den Verlust mit Freuden aufgenommen. Wussten sie noch, wie das möglich war? Weil die Überzeugung bei ihnen lebendig war, dass sie etwas besaßen, was sie niemals verlieren konnten, nämlich „einen besseren und bleibenden Besitz“. Das ist ein Schatz in den Himmeln, an den Diebe nicht herankommen können (Mt 6,20; 1Pet 1,4). Wenn der Blick darauf gerichtet wird, gibt das Kraft, Mut und Ausharren, um den Weg des Glaubens bis zum Ende fortzusetzen. Das Leid, das sie erfuhren, kam einfach dadurch, weil sie den richtigen Weg gewählt hatten.
V35. Deshalb („nun“) sollten sie die Freimütigkeit, mit der sie diesen Weg gingen, nicht wegwerfen. Denn am Ende wartete die Belohnung: das ewige Erbe in der verheißenen Stadt.
V36. Es war – und das ist es auch für dich – eine Frage des Ausharrens. Fehlt das Ausharren, hat das den Abfall vom Glauben zur Folge. Ausharren bedeutet wörtlich „darunterbleiben“, das heißt unter den Umständen bleiben, in denen man ist, und nicht daraus weglaufen. Wenn du ausharrst, bekommst du Teil an der Verheißung: an dem Erbe. Dazu muss man den Willen Gottes tun. Jedes Mal, wenn in einem Brief über den „Willen Gottes“ gesprochen wird, steht das mit dem Inhalt des Briefes im Zusammenhang. Der Wille Gottes hat es hier mit dem Glauben an das Zeugnis zu tun, dass Jesus als der Messias kreuzigt wurde, gestorben und auferstanden ist und dass als Folge davon die Sünden weggetan sind.
Auch ist es sein Wille, dass du auf einen Hohenpriester im Himmel schaust, der zur Rechten Gottes ist, während du auf der Erde vielleicht Drangsal und Verfolgung durchleben musst. Es ist Gottes Wille, dass du darin ausharrst, bis du im Himmel bist.
V37. Und das wird nur noch kurze Zeit dauern, denn Christus kommt bald und wird alle Verheißungen erfüllen. Sein Opfer hat dich dazu fähig gemacht, an der Erfüllung der Verheißungen teilzuhaben. Du bist nicht sofort nach deiner Bekehrung in den Himmel aufgenommen worden, sondern du musst noch warten, damit der Glaube, den du bekennst, auf seine Echtheit geprüft wird. Der Herr kommt und wird nicht ausbleiben. Wenn das „Ausbleiben“ in deinem Leben in den Mittelpunkt rückt, wirst du dem Herrn untreu werden (Mt 24,48–50), und du erweist dich als ein böser Knecht.
V38. Um das zu verhindern, ist es nötig, aus Glauben zu leben. Der Schreiber zitiert hier zum dritten Mal im Neuen Testament einen Vers aus Habakuk (Hab 2,3.4). In jedem der drei Zitate liegt die Betonung anders. Im ersten Zitat liegt die Betonung auf „der Gerechte“ (Röm 1,17), im zweiten auf „Glauben“, im Gegensatz zum Gesetz, (Gal 3,11), und hier liegt die Betonung auf „leben“, im Gegensatz zu „umkommen in der Wüste“, „abfallen“. Solange der Erlöser noch nicht kommt, muss der Gerechte aus der Kraft seines Glaubens leben. Wer als Gerechter lebt, hat nichts zu fürchten und wird ausharren. Gott spricht hier von „mein Gerechter“. Dort klingt die Zuneigung durch, die Gott zu jedem hat, der in einer Welt, die gegen Ihn ist, aus dem Glauben an Ihn lebt.
V39. Ein Namensbekenner wird abfallen und von Gott verworfen werden. Er zieht sich vom Weg des Glaubens zurück und verlässt diesen Weg. Das kann zum Beispiel geschehen, wenn durch Menschenfurcht das notwendige Ausharren verschwindet. Es kann auch geschehen, wenn man das Wort Gottes nicht beachtet und nicht mehr nur auf den großen Hohenpriester schaut. An solchen Menschen hat Gott kein Wohlgefallen. Sie kehren zu den toten Werken zurück, von denen sie sich abgewandt hatten, als sie die Kraft des Blutes Christi bekannten. Im folgenden Kapitel wird Gott Menschen vorstellen, an denen Er Wohlgefallen hat.
Der Schreiber unterstellt nicht, dass seine Leser solche Untreuen sind, ebenso wenig wie er selbst, denn durch das „wir“ schließt er sich selbst wieder ein. Du gehörst doch sicher auch nicht zu denen, die sich zurückziehen, die aus Angst das Christentum aufgeben und so einem schrecklichen Gericht entgegengehen!? Ich nehme an, dass du zu denen gehörst, „die glauben zur Errettung der Seele“, das heißt, dass du im Glauben lebst und dadurch deine Seele bis zum Ende der Reise bewahrst.
Lies noch einmal Hebräer 10,28–39.
Frage oder Aufgabe: Hast du manchmal noch Angst, vom Glauben abzufallen, oder weißt du das von anderen? Was ist deine Antwort auf diese Angst?