1 - 6 Der Apostel und Hohepriester Jesus
1 Daher, heilige Brüder, Genossen der himmlischen Berufung, betrachtet den Apostel und Hohenpriester unseres Bekenntnisses, Jesus, 2 der treu ist dem, der ihn bestellt hat, wie es auch Mose war in seinem ganzen Haus. 3 Denn dieser ist größerer Herrlichkeit für würdig erachtet worden als Mose, insofern größere Ehre als das Haus der hat, der es bereitet hat. 4 Denn jedes Haus wird von jemand bereitet; der aber alles bereitet hat, ist Gott. 5 Und Mose zwar war treu als Diener in seinem ganzen Haus – zum Zeugnis von dem, was nachher geredet werden sollte –, 6 Christus aber als Sohn über sein Haus, dessen Haus wir sind, wenn wir nämlich die Freimütigkeit und den Ruhm der Hoffnung bis zum Ende standhaft festhalten.
V1. Mit dem ersten Wort „Daher“ schafft der Schreiber des Briefes eine enge Verbindung zwischen den beiden vorhergehenden Kapiteln und dem, was folgt. In den Hebräern 1 und 2 hat er auf großartige Weise den Lesern und also auch dir die Herrlichkeiten des Herrn Jesus vorgestellt. Weil Er so gewaltig erhaben und doch so nahe ist, daher musst du Ihn betrachten. Dadurch kannst du den Weg des Glaubens durch alle Versuchungen und Erprobungen hindurch weitergehen. Du wirst den Mut nicht aufgeben, wenn das Leben schwierig wird, denn du betrachtest Ihn, der über alles erhaben ist und dir vorangeht und hilft.
Sieh mal, wie du hier angesprochen wirst: „Heilige Brüder“. Weißt du noch, dass der Herr Jesus sich nicht schämt, die treuen Gläubigen „Brüder“ zu nennen (Heb 2,11b)? Du wirst sogar als ein „heiliger Bruder“ angeredet. Du bist einer von denen, die der Herr Jesus geheiligt und mit sich selbst verbunden hat (Heb 2,11a).
Und es hört noch nicht auf, denn du bist auch einer der „Genossen der himmlischen Berufung“. Israel hatte eine irdische Berufung und Hoffnung. Aber zusammen mit diesen jüdischen Christen nimmst du teil an einem neuen Vorrecht. Es geht um etwas, was du durch die Berufung Christi vom Himmel her bekommst. Daher ist dieses Vorrecht nicht auf die beschränkt, die durch die natürliche Geburt zum irdischen Volk Gottes gehören, sondern es gilt für alle, die durch den Glauben mit dem Herrn Jesus verbunden sind. Es ist eine Berufung vom Himmel her, das ist ihr Ursprung, von dort kommt die Berufung, und es ist eine Berufung zu himmlischer Herrlichkeit, das ist das Ziel der Berufung, dahin geht es (vgl. Phil 3,14; 2Tim 1,9).
Für die Erde bedeutet das: irdische Segnungen verlieren und dazu Verwerfung, Leiden und Schande erfahren. Das zeigt der Brief von Anfang bis Ende. Aber das ist keine Verschlechterung. Du und alle, die den Herrn Jesus betrachten, bekommen dafür etwas Besseres. Es ist so wie mit den vielen Gläubigen im Alten Testament, die wussten, dass sie zu Lebzeiten das Friedensreich nicht miterleben würden, die aber darüber nicht traurig waren. Sie hatten nämlich gelernt, nach einem besseren, das ist himmlischen Vaterland Ausschau zu halten.
Um das jedoch durchzuhalten, musst du deine ganze Aufmerksamkeit auf Jesus richten. Dieser Name öffnet eine Welt von Verwerfung einerseits und von Herrlichkeit andererseits. Immer wenn in der Bibel der Name Jesus ohne die Zufügung Herr oder Christus vorkommt, richtet Gott unsere Gedanken auf zwei Gesichtspunkte. Einerseits auf Ihn, wie Er einmal als der niedrige Mensch auf der Erde war und von Menschen verworfen wurde. Andererseits zeigt Gott uns, dass Er gerade diesen Menschen bei sich im Himmel verherrlicht hat und dass sich gerade in diesem Namen einmal jedes Knie beugen wird (Phil 2,10).
Von Ihm legst du bereits jetzt Zeugnis ab, weil du jetzt schon deine Knie vor Ihm gebeugt hast. Du bekennst Ihn vor den Menschen in deiner Umgebung. Aber was du in der Welt bekennst, musstest du zuerst im Heiligtum betrachten. Daher der Aufruf: „Betrachtet Jesus.“ Du siehst Ihn als den, der als Apostel von Gott zu seinem Volk gekommen ist, um ihnen Gottes Gedanken mitzuteilen. Du siehst Ihn auch als den, der für sein Volk zu Gott gegangen ist, um sie vor Gott zu vertreten. Als Apostel ist Er der wahre Mose, und als Hoherpriester ist Er der wahre Aaron.
V2. Nach der Beschreibung seiner Ämter betont der Schreiber die Treue des Herrn Jesus. Wie wichtig ist doch Treue! Was bedeutet es schon, wenn jemand das höchste und einflussreichste Amt bekleidet, aber es nicht treu ausführt? Der Herr Jesus ist treu. Er ist Gott treu, der Ihn zum Apostel und Hohenpriester „in seinem Haus“ bestellt hat. Bei „seinem Haus“ kannst du an die Stiftshütte denken oder vielleicht auch an „das Haus Israel“, womit dann das Volk Gottes gemeint ist (Heb 8,8).
V3–4. Gott konnte von Mose bezeugen, dass er in Gottes Haus treu war (4Mo 12,7). Wenn es um Treue geht, gab es eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Mose und Christus, doch Christus übertrifft Mose bei weitem, so wie Er auch weit erhaben über die Engel ist, wie wir in den vorangegangenen Kapiteln gesehen haben. Denn nicht Mose war der Erbauer des Hauses, weder der Stiftshütte noch des Volkes Israel. Nicht Mose stand über dem Haus, er war ein Teil davon, während Christus der Erbauer des Hauses ist. Die Herrlichkeit des Erbauers kommt im Haus zum Ausdruck.
Der Schreiber hat einen einfachen Gedankengang. Wenn du ein Haus siehst, weißt du, dass ein Bauherr da sein muss. Der Bauherr ist Gott der Sohn. Er ist der Erbauer des Weltalls, der Stiftshütte, Israels und der Gemeinde. Als Bauherr ist Er der Ursprung all seiner Bauwerke. Er hat sie ausgedacht und ausgeführt (Heb 1,2; Joh 1,3; Kol 1,16) und wohnt darin. Christus ist über alles erhaben. Mose stand nur mit dem Haus Israel in Verbindung, aber der Herr Jesus steht mit allem in Verbindung, da gibt es keinerlei Beschränkung.
V5. In diesem Vers weist der Schreiber wieder auf die Treue Moses in dem ganzen Haus Gottes hin. Gott hatte dieses Haus entworfen, und Mose hatte Gottes Entwurf ausgeführt (Heb 8,5; 2Mo 25,9.40). Er war Gottes Diener in dessen Haus und dadurch Teil des Hauses. Sein Dienst bestand darin, dem Volk weiterzusagen, was Gott im Zelt zu ihm redete (2Mo 25,21.22).
V6. Und wieder wird zwischen Christus und Mose verglichen. In Vers 2 zeigte der Vergleich, dass es, was die Treue betraf, Übereinstimmung zwischen Christus und Mose gab. Aber wenn es um das Haus Gottes geht, zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen Christus und Mose. Mose war Diener, wenn auch ein geehrter Diener, in dem Haus, aber Christus ist Sohn über das Haus, das dazu noch sein Haus ist.
Und dann erklärt der Schreiber beinahe unerwartet die Bedeutung des Hauses des Sohnes. Bis hierher hast du beim Haus Gottes immer an die Stiftshütte gedacht. Und das zu Recht. Aber jetzt wird deutlich, dass mit dem Haus noch etwas anderes gemeint ist. Du liest nämlich: „… dessen Haus wir sind.“ Das heißt, dass die Gläubigen das Haus des Sohnes sind.
Das ist an sich kein neuer Gedanke. Paulus hat in seiner Bildersprache über die Gemeinde schon früher das Bild des Hauses gebraucht, um damit bestimmte Aspekte der Gemeinde Gottes aufzuzeigen (1Kor 3,16; Eph 2,21; 1Tim 3,15); so auch Petrus (1Pet 2,5). Das Haus als Bild von der Gemeinde legt den Nachdruck darauf, dass Gott in der Gemeinde wohnt und dass die Ordnung, die in dem Haus besteht, seine Ordnung ist.
Im Brief an die Hebräer wird das Volk Gottes nicht so sehr als die Gemeinde gesehen, sondern als eine Gemeinschaft von Fremden, die auf dem Weg zum verheißenen Segen sind. Zugleich wird diese Gemeinschaft als ein Volk von Priestern gesehen. Mit Letzerem hat das Haus Gottes zu tun. Das Haus Gottes ist ein Haus, in dem Priesterdienst stattfindet. Dort übt Christus seinen Priesterdienst aus und die Gläubigen als seine Nachahmer ebenfalls. Im Alten Testament siehst du, dass Aaron an der Spitze der priesterlichen Familie stand, an der Spitze des Dienstes, der im Haus Gottes, der Stiftshütte, ausgeübt wurde. Heute sind die Gläubigen die priesterliche Familie (1Pet 2,5), und an der Spitze steht der wahre Aaron, der Herr Jesus, als Sohn über sein Haus.
Durch das Wörtchen „wenn“, das nun folgt, sieht es so aus, als ob das Vorhergehende nicht sicher wäre. Wie verhält sich das nun? Einerseits weißt du sicher, dass du als Gläubiger zu dem Haus des Sohnes gehörst. Andererseits scheint es, als ob durch das Wörtchen „wenn“ eine Bedingung daran geknüpft würde. Du bist Glied der Gemeinde, aber du musst doch bis zum Ende standhaft festhalten. Sonst fällst du ab. Steht es nicht so da? Ist das wirklich die Bedeutung?
Das ist wirklich nicht die Bedeutung. Wer einmal durch die Bekehrung und den Glauben ein Kind Gottes ist, ist es das für ewig. Lies die Worte des Herrn Jesus in Johannes 10 und stütze dich darauf (Joh 10,28–29). Das ist ein Wort des Herrn Jesus und also über jeden Zweifel erhaben. Es gibt keinen Abfall der Heiligen. Wer abfällt, beweist, dass er niemals ein Kind Gottes war. Das Wörtchen „wenn“ hat mit der Verantwortung zu tun, die jeder Bekenner hat. Du bist auch ein Bekenner, denn du bekennst den Herrn Jesus als deinen Herrn. Dasselbe gilt für mich.
Im Lauf der Zeit wird deutlich, ob jemand wirklich oder nur dem Namen nach ein Kind Gottes ist. Der Scheinchrist gibt früher oder später auf, der wahre Gläubige hält bis zum Ende standhaft fest. Damit wird kein Zweifel gesät, sondern jeder wird persönlich auf sein Bekenntnis angesprochen. Du hast den Auftrag, die Freimütigkeit und den Ruhm der Hoffnung festzuhalten. Wenn du nicht festhältst, geht es dir wie vielen Israeliten in der Wüste, die durch Unglauben nie das verheißene Land erreichten. Das wird in den folgenden Versen dargelegt.
Doch wenn dein Bekenntnis echt ist, wirst du festhalten, denn dann erbittest du dir von Gott die Kraft dazu. Du hältst dann an der Freimütigkeit fest, um von jemandem zu zeugen, den du nur durch Glauben sehen kannst. Du hältst auch den Ruhm der Hoffnung auf eine Zukunft fest, wenn Er zu sehen sein wird – in Macht und Majestät. Wenn du die Freimütigkeit und den Ruhm der Hoffnung festhältst, wirst du jeder Versuchung widerstehen, zu deinem früheren Leben zurückzukehren.
Lies noch einmal Hebräer 3,1–6.
Frage oder Aufgabe: Wie wird der Herr Jesus in diesem Abschnitt vorgestellt und warum?
7 - 13 Ermuntert euch selbst jeden Tag
7 Deshalb, wie der Heilige Geist spricht: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, 8 verhärtet eure Herzen nicht, wie in der Erbitterung, an dem Tag der Versuchung in der Wüste, 9 wo eure Väter mich versuchten, indem sie mich prüften, und sie sahen doch meine Werke vierzig Jahre. 10 Deshalb zürnte ich diesem Geschlecht und sprach: Allezeit gehen sie irre mit dem Herzen; aber sie haben meine Wege nicht erkannt. 11 So schwor ich in meinem Zorn: Wenn sie in meine Ruhe eingehen werden!“ 12 Gebt Acht, Brüder, dass nicht etwa in jemand von euch ein böses Herz des Unglaubens sei in dem Abfallen von dem lebendigen Gott, 13 sondern ermuntert euch selbst an jedem Tag, solange es „heute“ heißt, damit niemand von euch verhärtet werde durch Betrug der Sünde.
V7. Auch dieser Abschnitt beginnt mit einem „Deshalb“ (vgl. Vers 1) und schließt also wieder an das Vorhergehende an. Der Schreiber wird anhand von Beispielen aus dem Alten Testament zeigen, wie wichtig es ist, an dem festzuhalten, was er im zweiten Teil von Vers 6 genannt hat. Die Beispiele stammen aus der Wüstenreise Israels.
Das irdische Volk Gottes musste durch die Wüste reisen, um in das Gelobte Land zu kommen und dort die Ruhe Gottes und die Ruhe mit Ihm zu genießen. Die Wüstenreise ist ein Bild von der Reise des himmlischen Volkes Gottes durch die Welt. Sie hat als Ziel die Herrlichkeit bei dem Herrn Jesus. Mit diesem Weg des Glaubens durch die Welt sind allerlei Gefahren verbunden, durch die die Echtheit des Glaubens geprüft wird. Dieser Abschnitt beginnt in Hebräer 3,7 und geht bis Hebräer 4,13. Man kann ihn in drei Unterabschnitte einteilen:
a) Die Abgefallenen gehen nicht in die Ruhe ein (Hebräer 3,7–4,2)
b) Die Gläubigen gehen in die wahre Ruhe ein (Hebräer 4,3–10)
c) Die prüfende Kraft des Wortes Gottes (Hebräer 4,11–13)
Nach dem „Deshalb“ wird ein Zitat des Heiligen Geistes aus Psalm 95 angeführt und durch ein „Heute“ auf die Jetztzeit angewendet. In Psalm 95 ist es ein „Heute“ für Israel; aber in seiner Liebe wiederholt Gott dieses Wort bis zum Ende, das heißt bis zum Kommen des Herrn Jesus. Und was ist „heute“ wichtig? Auf seine Stimme zu hören. Egal, in welchem Augenblick du das liest oder hörst, es ist immer „heute“, und es ist immer der Augenblick, um auf Gottes Stimme zu hören.
Das Heilmittel und der Schutz vor allem Bösen ist das Wort Gottes. Es kann sein, dass nur wenige es hören, aber es ertönt noch immer für jeden unter den Hebräern, der Ohren hat zu hören. Die Stimme des Sohnes Gottes zu hören, ist kennzeichnend für die Schafe (Joh 10,27). Aller Segen hängt davon ab.
V8. Die Aufforderung lautet, das Herz nicht zu verhärten. Wer sein Herz verhärtet, den kann die Stimme Gottes nicht erreichen, und er wird auf dem Weg zu dem angekündigten Segen umkommen. Der Schreiber verdeutlicht anhand eines Beispiels seine ernste Aufforderung, auf die Stimme Gottes zu hören und sein Herz nicht zu verhärten. Er weist seine Leser und also auch dich auf ein Ereignis aus der Reise Israels durch die Wüste hin. Es geht eigentlich um zwei Ereignisse, wobei aber dasselbe böse Verhalten der Israeliten zum Ausdruck kommt.
Die Ereignisse findest du in 2. Mose 17, kurz nach dem Auszug (2Mo 17,1–7), und in 4. Mose 20, am Ende der Wüstenreise (4Mo 20,2–13). Sie fanden statt bei Massa und Meriba. Diese Namen nennt der Schreiber hier nicht buchstäblich, aber doch in ihrer Bedeutung. Meriba bedeutet nämlich „Widerspruch“, „Streit“, „Zwist“, „Unzufriedenheit“. Darin erkennst du „Erbitterung“. Massa bedeutet „Prüfung“, „Versuchung“.
Ihre Erbitterung entstand durch ihre Unzufriedenheit, dass kein Wasser da war. Daraus zogen sie den Schluss, dass Gott nicht ihr Glück, sondern ihr Unglück suchte. Ist das nicht eine Warnung für dich und mich? Reagieren auch wir unzufrieden und verbittert, wenn etwas fehlt, was wir für notwendig erachten? Ist die Gefahr dann nicht groß, dass wir anfangen, Gott zu versuchen, indem wir uns auflehnen und Ihn herausfordern, zu beweisen, dass Er auch für dich und mich ist?
V9. Der Heilige Geist zeigt, dass die Haltung Israels kein Zwischenfall war, sondern dass diese Haltung das Volk während der ganzen Wüstenreise kennzeichnete. Und das, während Gott vierzig Jahre lang gezeigt hatte, dass Er für sie war (5Mo 4,32–35). Er hatte sie befreit, geführt und versorgt, und doch waren sie Ihm gegenüber widerspenstig (vgl. 5Mo 6,16; 9,22; 33,8). Der größte Fehler, den du begehen kannst, ist der, dass du dich für besser hältst als sie. Es ist also wirklich wichtig, diese Warnungen zu Herzen zu nehmen.
V10. Wenn das Volk Gottes Fürsorge so beantwortet hat, ist es nicht verwunderlich, dass Gott diesem Geschlecht gezürnt hat. Gott zeigt auch, worin das Problem bei ihnen lag: Ihr Irregehen lag an ihrem sündigen Herzen. Weil ihr Herz immer von Gott abwich, verstanden sie nichts von seinen Wegen, das heißt von seinem Handeln, sowohl im Segen als auch im Gericht.
Mose kannte Gottes Wege, denn Gott selbst hatte sie Mose mitgeteilt (Ps 103,7), weil er Ihn fürchtete und liebte. Damit du Gottes Wege kennst, ist es notwendig, Ihm dein Herz zu geben. Darum bittet Er (Spr 23,26). Wenn du Ihm dein Herz gibst, stellst du Ihm dein ganzes Leben zur Verfügung, damit Er es leiten kann. Dann gehst du auf seinem Weg, der zur Herrlichkeit führt.
V11. Wenn du dein Herz nicht auf Ihn richtest, sondern irregehst, wirst du niemals in Gottes Ruhe eingehen. Es ist für Gott unmöglich, jemanden in seine Ruhe eingehen zu lassen, der mit dem Herzen so irregeht, wie der Schreiber es hier von dem Volk berichtet (4Mo 14,31.32). Er schwört, dass Er das niemals zulassen wird. „Meine Ruhe“ ist Gottes Ruhe, wenn Er in der Mitte seines Volkes wohnen wird. Das ist das verheißene Land, wo das Volk in Frieden und Sicherheit wohnen wird, ohne Angst vor Feinden. Diese Ruhe wird erst im Friedensreich des Messias kommen, des großen Sohnes Davids.
V12. Mit einem „Gebt Acht, Brüder,“ wendet der Schreiber das Zitat dann auf die Leser an. Was mit denen geschehen ist, die Ägypten verlassen hatten, konnte auch mit einigen von ihnen geschehen. Der Schreiber hat eine mitfühlende Sorge für jeden seiner Leser. Er spricht sie alle als „Brüder“ an, und das bedeutet, dass der Schreiber sie als wirkliche Gläubige ansieht. Andererseits spricht er sie auf ihr Bekenntnis an, also als für ihre Taten verantwortlich.
Möglicherweise war in jemand von ihnen „ein böses Herz des Unglaubens“, ein Herz, das nicht auf Gott vertraute. Der Schreiber unterstellt nicht, dass in allen ein böses, ungläubiges Herz war. Er sagt: „… in jemand von euch“. Aber dadurch, dass er es so sagt, fühlt sich doch jeder angesprochen. Jeder muss sich selbst prüfen und fragen: „Ich doch nicht, Herr?“ (Mt 26,21.22).
Nur ein Ungläubiger hat ein böses, ungläubiges Herz. Wenn so jemand sich nicht doch noch wirklich zu Gott bekehrt, wird er von dem lebendigen Gott abfallen. Bei so jemandem erweist sich, dass er niemals ein Gläubiger war. Die Glaubensprüfung verrät ihn. Der wahre Gläubige hält trotz der Schwierigkeiten durch. Er weiß, dass er in sich keine Kraft zum Ausharren hat, aber dass bei Gott alle Kraft zu finden ist.
Der Scheingläubige wird unter dem Druck der Umstände abfallen. Er hat kein Vertrauen auf Gott, denn er hat kein Leben aus Gott, weil er niemals mit aufrichtiger Reue über seine Sünden zu Ihm gegangen ist. Doch er hat so getan, als ob, und sich der christlichen Gemeinschaft angeschlossen. Wenn jedoch die Stunde der Wahrheit kommt, fällt er von Gott ab.
Abfallen bedeutet, sich gegen Gott aufzulehnen und Ihm den Rücken zuzukehren, wenn die Rückschläge so groß werden, dass man es nicht länger aushält und Gott deswegen Vorwürfe macht. Die Wurzel des Bösen ist der Unglaube, und das Wesen des Unglaubens ist es, nicht darauf zu vertrauen, dass Gott alle Umstände in der Hand hat, dass Er niemals über Vermögen versucht und dass Er uns schließlich doch durch alle Schwierigkeiten hindurchbringen wird. Das Abfallen von dem lebendigen Gott geschieht bei den Hebräern durch eine Rückkehr zu einer toten, äußerlichen Religion (wozu der Tempeldienst geworden war), nachdem sie sich zu dem wahren Glauben des Christentums bekannt hatten. Außer Ihm, getrennt von Ihm, gibt es kein Leben.
V13. Nachdem der Schreiber über Selbstprüfung gesprochen hat, weist er nun darauf hin, dass die Hebräer auch einen Blick füreinander haben sollten: Sie sollten einander ermuntern oder ermahnen. Vielleicht findest du es nicht angenehm, ermahnt zu werden, und noch weniger angenehm, einen anderen zu ermahnen, aber es ist doch notwendig. Die Gefahr ist nämlich immer vorhanden, dass sich in jemandes Herz der Unglaube einschleicht, weil er in die Schlinge des Betruges der Sünde geraten ist.
Die Sünde betrügt immer. Die Sünde sieht immer anziehend aus, sonst würde man ja nicht auf sie hereinfallen. Aber wenn du die Sünde einmal begangen hast, merkst du ihre Bitterkeit. Wenn du dann nicht direkt zur Besinnung kommst, die Sünde bekennst und lässt, wird die Sünde ihr verhärtendes Werk tun. Lasst uns das nicht auf die leichte Schulter nehmen, sondern einander „jeden Tag“ ermahnen, das heißt, es muss eine Gewohnheit sein, einander zu ermahnen. Das bedeutet auch, dass wir als Gläubige jeden Tag Umgang miteinander haben müssen.
Leider hat, was das betrifft, der Individualismus unter den Gläubigen sehr zugenommen. Jeder ist mit seinen eigenen Dingen beschäftigt, und der Umgang der Gläubigen miteinander leidet darunter. Es ist dann auch nicht verwunderlich, dass einige vom Glauben abkommen, hoffentlich noch, ohne dass sie von dem lebendigen Gott abfallen. Es ist wichtig, sich umeinander zu kümmern und gegenseitig auf das geistliche Wohlbefinden zu achten. Wir dürfen diese Sorge nicht einigen „Geistlichen“ überlassen. Jeder Christ hat in Bezug auf den anderen diesen Auftrag, und wir müssen ihn „heute“ ausführen. Morgen kann es zu spät sein. Nach dem „Heute“ folgt das ewige Gericht.
Wer sich nicht warnen lässt, wird den Weg der Schmach des Christus verlassen und zu den betrügerischen schönen Ritualen einer greifbaren Religion mit irdischem Gewinn zurückkehren. Aber dahin zurückzukehren, bedeutet eine Rückkehr zu einer Religion ohne Vergebung, ohne Hoffnung, sogar ohne die Möglichkeit zur Bekehrung. Darum ist es so nötig, einander jeden Tag zu ermahnen.
Lies noch einmal Hebräer 3,7–13.
Frage oder Aufgabe: Durch welche Warnungen fühlst du dich angesprochen, und wie kannst du andere warnen?
14 - 19 Wenn wir nämlich …
14 Denn wir sind Genossen des Christus geworden, wenn wir nämlich den Anfang der Zuversicht bis zum Ende standhaft festhalten, 15 indem gesagt wird: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht, wie in der Erbitterung.“ 16 (Denn welche, als sie gehört hatten, haben ihn erbittert? Waren es aber nicht alle, die durch Mose aus Ägypten ausgezogen waren? 17 Welchen aber zürnte er vierzig Jahre? Nicht denen, die gesündigt hatten, deren Leiber in der Wüste fielen? 18 Welchen aber schwor er, dass sie nicht in seine Ruhe eingehen sollten, wenn nicht denen, die ungehorsam gewesen waren? 19 Und wir sehen, dass sie nicht eingehen konnten wegen des Unglaubens.)
Es ist gut, noch einmal darauf hinzuweisen, dass in diesem Brief alle angesprochen werden, die bekennen, zum Volk Gottes zu gehören. In erster Linie geht es um gläubige Hebräer, Juden, die zum Glauben an den Herrn Jesus als den von Gott gegebenen Messias gekommen sind. Sie sind vertraut mit den Prophezeiungen des Alten Testaments. Darin haben sie über das Kommen des Messias gelesen.
Als der Herr Jesus kam, glaubten sie an Ihn als den, der die Verheißungen Gottes an sein irdisches Volk erfüllte, zu dem sie gehörten. Aber der Herr Jesus wurde verworfen. Ihr Glaube wurde dadurch gewaltig auf die Probe gestellt. Sie sehen den Herrn Jesus nicht, aber Er ist doch da, nämlich im Himmel.
Selbst sind sie noch auf der Erde. Statt dass sie sich im Friedensreich befinden, das doch mit dem Kommen des Messias anbrechen sollte, werden sie von ihren ungläubigen Volksgenossen verspottet und verfolgt. Sie müssen lernen, dass die Erfüllung der Verheißungen aufgeschoben ist. Die Erfüllung ist sicher, nur ist noch ein Weg des Glaubens zurückzulegen, bis es so weit ist.
Hier siehst du eine Parallele zu der Wüstenreise, die das Volk seinerzeit von Ägypten nach Kanaan machte. Du ziehst mit Gottes Volk durch die Welt auf dem Weg zum verheißenen Segen der Ruhe. In diesem Brief wird die Welt als eine Wüste gesehen, als das Gebiet, wo der Glaube durch Versuchungen weltlicher und religiöser Verführungen erprobt wird.
V14. Du bist einer der „Genossen des Christus“. Auch der Schreiber sieht sich so. Er spricht über „wir“. Aber dann folgt wieder das bedingte „wenn“ (vgl. Vers 6). Dadurch scheint es, als sei das doch nicht sicher, sondern es sei erst sicher, wenn du eine bestimmte Leistung erbracht hast, nämlich „den Anfang der Zuversicht bis zum Ende standhaft“ festgehalten hast.
Ich möchte noch einmal ganz deutlich sagen: Es ist ganz anders, es geht nicht um Leistung. Du musst wieder zwei Dinge gut unterscheiden: Einerseits ist jemand, der einmal durch die Bekehrung und den Glauben ein Kind Gottes geworden ist, für immer ein Kind Gottes. Ob jemand ein Kind Gottes ist, muss sich in seinem Leben erweisen: Darum wird andererseits durch Erprobung deutlich, ob jemand wirklich ein Kind Gottes ist. Einerseits ist jeder Gläubige ein „Genosse des Christus“; andererseits ist nicht jeder, der äußerlich zum Volk Gottes gehört, ein Gläubiger. Letzteres wird sich im Ausharren erweisen.
Obwohl Echtheit angenommen wird, ist es doch möglich, dass das Bekenntnis nur ein Lippenbekenntnis ist und kein Leben aus Gott vorhanden ist. Darum sind Schwierigkeiten der Test, ob der Bekenner echten Glauben hat. Bei einem wahrhaft Gläubigen sind Schwierigkeiten kein Hindernis für den Glauben, sondern gerade Anlässe, den Glauben zu beweisen. So jemand hat den Weg des Glaubens mit Vertrauen begonnen und wird damit fortfahren. Fehlt es an Glaubensvertrauen auf Gott, so kommen Zweifel an der Errettung. Dann ist nicht mehr das Bewusstsein seiner Liebe, seiner Macht und seines Interesses an uns vorhanden. Das Vertrauen ist verschwunden. Die Hoffnung auf die unsichtbaren Dinge und ihre Wertschätzung nehmen ab, während die Wertschätzung der sichtbaren Dinge wieder zunimmt.
Die Ermahnungen dienen dazu, dich in dem Vertrauen, das du besitzt, zu bewahren und dich darin ausharren zu lassen. Sie dienen nicht dazu, Furcht und Zweifel zum Schweigen zu bringen. Der Brief ist nicht an zweifelnde Christen gerichtet oder an Menschen, die noch kein vollkommenes Vertrauen auf Gott besitzen.
Weil ich weiß, dass junge Gläubige, aber sogar auch ältere Gläubige mit diesen Dingen zu kämpfen haben, bin ich hier noch einmal ausführlich darauf eingegangen. Ich hoffe, dass das mitgeholfen hat, die Beweisführung des Schreibers besser zu verstehen.
V15. Der Schreiber wiederholt (Verse 7.8) den Kern des Zitats aus Psalm 95, um dessen Kraft auf den Leser einwirken zu lassen. Die Gefahr, der die hebräischen Bekenner ausgesetzt waren (und wir in der Christenheit ausgesetzt sind), war dieselbe wie die bei ihren fernen Voreltern, als sie in der Wüste waren, auf der Reise ins verheißene Land. Um dieser Gefahr zu entgehen, ist es äußerst wichtig, auf die Stimme Gottes zu hören. Du hörst seine Stimme, wenn du sein Wort liest und wenn du in den Zusammenkünften bist, wo sein Wort verkündigt wird. Wenn du dann seinen Willen tust, wirst du davor bewahrt werden, dass dein Herz sich verhärtet und du bitter wirst.
V16. Um seinen Ermahnungen noch mehr Kraft zu verleihen, stellt der Schreiber in den Versen 16–18 drei Fragen. In diesen drei Fragen fasst er in drei großen Ereignissen der Vergangenheit die Geschichte des Volkes zusammen. Die erste Frage handelt vom Auszug, die zweite Frage verweist auf die Wüstenreise, die dritte Frage hat Bezug auf den Einzug in das verheißene Land. Sogar die Antwort auf diese Fragen gibt er in der Form sogenannter rhetorischer Fragen, das sind Fragen, in denen die Antwort schon enthalten ist. Indem er seine Belehrung in der Form von Fragen gibt, zwingt er seine Leser zum Nachdenken. Es geht nicht darum, verstandesmäßig die richtige Antwort zu geben, sondern es geht darum, dass die Frage im Herzen etwas bewirkt.
Die erste Frage zeigt, dass ein ganzes Volk durch die Sünde des Unglaubens befallen werden kann. Das betraf also nicht nur einen Einzelnen. Das ist die beschämende Antwort eines ganzen Volkes auf die Gunst des HERRN gegenüber Israel. Das betraf „alle“, die durch Mose aus Ägypten ausgezogen waren, also etwa 600.000 Männer mit ihren Familien (4Mo 1,46).
Die Schwere dieser Sünde ist, dass sie sich gegen Gott erhoben, nachdem sie Gottes Stimme gehört hatten. Das macht sie viel verantwortlicher als die vielen, die in Sünde leben, ohne von Gott und Christus gehört zu haben. Darum ist der Götzendienst, den Christen durch die Verehrung von Maria, von Petrus und von Engeln ausüben, viel schlimmer als die Verehrung, die unwissende Heiden Göttern wie Zeus oder Venus entgegenbrachten.
V17. Die erste Frage handelte von der Haltung des Volkes gegenüber Gott. Die zweite Frage zeigt die Reaktion Gottes auf die Sünde des Volkes. Nicht nur dass das ganze Volk sündigte, sie taten das auch während der ganzen vierzig Jahre. Darum zürnte Gott ihnen diese ganze Zeit, weshalb die, die gesündigt hatten, das verheißene Land nicht erreichten. Ihre Leiber fielen in der Wüste. Gott strafte nicht wegen eines Ausrutschers, sondern wegen ihres hartnäckigen Beharrens in einer Haltung der Rebellion während dieser ganzen Zeit, als seine Fürsorge für sie überdeutlich war.
V18. Die dritte Frage zeigt, dass sie ihr Herz bis zum Äußersten verhärtet hatten. Selbst als sie an der Grenze des Landes standen, gingen sie wegen ihres Ungehorsams nicht in das Land. Ungehorsam ist für Gott nicht annehmbar. Er verabscheut ihn und richtet ihn. Er hat wegen dieses Bösen geschworen, dass sie nicht in seine Ruhe eingehen würden. Gott kann sich auf gar keine Weise mit Ungehorsam verbinden. Dieses ungehorsame oder ungläubige Volk in seine Ruhe einzuführen, wäre im Widerspruch zu seinem Wesen. Seine Ruhe ist nur für die, die in Ihm und in seinem Willen ruhen.
V19. Dieser Vers kannst du als eine Schlussfolgerung ansehen. Die Schlussfolgerung ist, dass Unglaube die Ursache dafür war, dass sie umkamen und nicht eingingen. Unglaube ist der Mangel an Vertrauen auf Gott, dass Er imstande war, sie dorthin zu bringen, und dass Er segnen wollte. Sie kannten Gott nicht. In ihren Augen handelte Er seltsam. Und doch hatte Gott zu ihnen geredet und ihnen seinen Willen und seinen Weg mitgeteilt. Aber wenn das Herz andere Dinge begehrt, als Gott durch Vertrauen zu ehren – das heißt, Ihm zu glauben –, wird der Segen nicht erreicht werden.
Es heißt hier nicht, dass Gott sie hinderte, sondern dass ihr eigener Unglaube es ihnen unmöglich machte, einzugehen. Sie waren dazu nicht in der Lage. Das unvermeidliche Ergebnis des Unglaubens ist, dass er nicht in Besitz nimmt, was dem Glauben vorbehalten ist. Unglaube schließt Vertrauen aus. Unglaube raubte der Wüstengeneration die Ruhe, die sie erwarten durften, nachdem sie aus Ägypten gezogen waren.
Unglaube wird gekennzeichnet durch die Haltung, Gott zu ignorieren oder zu vergessen, so zu tun, als existiere Er nicht, während Er immer gegenwärtig und voller Gnade ist. Der Unglaube macht Gott zum Lügner, statt zu jemandem, der in dem, was Er verheißt, die Wahrheit spricht. Der Unglaube macht Gott zu jemandem, der zu schwach ist, um seine Verheißungen zu erfüllen. Unglaube bedeutet, dass man Ihn für veränderlich hält und denkt, dass Er es sich in Bezug auf seine Verheißungen anders überlegt hat und also nicht der Unveränderliche ist. Der Unglaube zweifelt an seiner Treue gegenüber den Erwartungen, die Er durch seine Verheißungen weckt.
Ich hoffe, dass bei dir der Unglaube keine Chance bekommt, sich in deinem Herzen festzusetzen. Vielmehr hoffe ich, dass du Kaleb und Josua gleichst (4Mo 14,6–9). Gegenüber dem Unglauben ihrer zehn Spionskollegen und dem Unglauben des ganzen Volkes ehrten sie Gott, indem sie sein Wort für absolut wahr hielten, seine Macht für unendlich, sein Vornehmen für unveränderlich und seine Treue für so groß, dass Er die durch Ihn selbst geweckten Erwartungen auch erfüllt.
Lies noch einmal Hebräer 3,14–19.
Frage oder Aufgabe: Wodurch kannst du sicher sein, dass du in Gottes Ruhe eingehen wirst?