1 - 6 Die christliche Freiheit
1 Für die Freiheit hat Christus uns freigemacht; steht nun fest und lasst euch nicht wieder unter einem Joch der Knechtschaft halten. 2 Siehe, ich, Paulus, sage euch, dass, wenn ihr beschnitten werdet, Christus euch nichts nützen wird. 3 Ich bezeuge aber wiederum jedem Menschen, der beschnitten wird, dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist. 4 Ihr seid abgetrennt von Christus, so viele ihr im Gesetz gerechtfertigt werden wollt; ihr seid aus der Gnade gefallen. 5 Denn wir erwarten durch den Geist aus Glauben die Hoffnung der Gerechtigkeit. 6 Denn in Christus Jesus vermag weder Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe wirkt.
Paulus kann jetzt mit dem praktischen Teil seines Briefes beginnen. In den Kapiteln 1 und 2 hat er ein Stückchen Geschichte behandelt, und in den Kapiteln 3 und 4 ist er ausführlich auf die Lehre eingegangen, die die falschen Lehrer brachten. In den Schlusskapiteln bespricht er die praktische Auswirkung der Unterweisungen, die er in den vorigen Kapiteln gegeben hat.
V1. Als Übergang von der Lehre zur Praxis ist Vers 1 ausgezeichnet geeignet. Der Vers ist ein Abschluss des lehrmäßigen Teils und zugleich eine Einleitung zum praktischen Teil. Wenn du ihn an Kapitel 4 anschließen lässt, klingt er wie eine Schlussfolgerung. Der Gedanke ist dann, dass der Christ frei ist von allerlei Gesetzen, die ihn in Knechtschaft hielten. Dann steht das Negative mehr im Vordergrund, das, was weggetan ist.
Man kann Vers 1 aber auch als Einleitung zum folgenden Teil ansehen, und dann geht es vor allem um das positive Ziel, das Christus vor Augen stand, als Er uns freimachte, und das ist die Freiheit selbst. Er wollte uns in die gleiche Freiheit stellen, die auch Er selbst kannte. Das ist wahre Freiheit: frei zu sein wie Er. Seine Freiheit war es, den Willen seines Vaters zu vollbringen. Unsere Freiheit hat dasselbe Ziel: Das Verlangen, den Willen des Vaters zu tun. Der Herr Jesus hat diese Freiheit für uns auf dem Kreuz bewirkt. Durch dieses Werk hat Er uns jeder erdenklichen Form der Knechtschaft entzogen, ob es nun das Gesetz oder die Sünde betrifft. In Kapitel 3, wo ebenfalls über Freiheit gesprochen wird, liegt der Nachdruck auf dem Preis, den Er bezahlt hat (Gal 3,13). Hier liegt der Nachdruck auf der Freiheit. Wer einmal in den Genuss der Freiheit gekommen ist, ist töricht, wenn er sich selbst wieder unter ein Joch der Knechtschaft bringen lässt. Das Joch, über das der Heiland in Matthäus 11 spricht, ist eine völlig andere Art von Joch (Mt 11,29.30). Das ist das Joch, das von einem freiwilligen und mit Freude angenommenen Auftrag zeugt. Es ist auch ein sanftes Joch, das nicht drückt.
V2. Paulus ermahnt die Galater, in dieser durch Christus erworbenen Freiheit festzustehen. Die Gefahr war sehr groß, dass sie diese Freiheit preisgaben und doch wieder unter einem drückenden Joch landeten. Er legt sein volles apostolisches Gewicht in die Waagschale, wenn er sie mit Nachdruck vor den Konsequenzen warnt, falls sie sich weiter an die gesetzlichen Verpflichtungen halten sollten. Ein Blick auf Apostelgeschichte 15 macht klar, was auf dem Spiel stand (Apg 15,1–10). Die Beschneidung als Verpflichtung und Voraussetzung zur Errettung einzuführen, bedeutete eine Herabwürdigung des Werkes Christi. Die Beschneidung ist hier nicht ein chirurgischer Eingriff, sondern beinhaltet ein ganzes System der Errettung durch Werke. Wer sich unter das Gesetz stellt, bringt sich selbst in eine Stellung, in der man keinerlei Nutzen an Christus und seinem Werk hat. Unter dem Gesetz bist du von Christus abgetrennt, und wenn du von Christus abgetrennt bist, bist du von allen Segnungen abgetrennt.
V3. Wegen des Ernstes der Sache macht Paulus noch einmal deutlich darauf aufmerksam, und zwar für „jeden Menschen“. Es geht um eine Sache von allgemeiner Bedeutung, mit allgemeiner Gültigkeit, die nicht nur die Galater betraf. Die Fundamente des christlichen Glaubens wurden und werden angetastet. Es geht um alles oder nichts. Du kannst nicht sagen: Ich tu mein Teil, indem ich das Gesetz halte, und Christus tut sein Teil, indem er das tut, was ich nicht tun kann. Nein, Christus tat alles oder Er tat nichts. Wer das Gesetz halten will, ist verpflichtet, es vollständig zu halten. Dabei kannst du nicht selektiv vorgehen. Wieder betont Paulus die Unvereinbarkeit von Gesetz und Gnade.
V4. Das Gesetz stellt Bedingungen. Die kann ein Mensch nicht erfüllen, daher verspielt er allen Segen, wenn er sich daran halten will. Auf diese Weise fällst du aus der Gnade. Das bedeutet nicht, dass es so etwas wie den Abfall von Heiligen gäbe. Was der Herr Jesus in Johannes 10 sagt, garantiert dafür (Joh 10,28.29). „Einmal ein Kind Gottes, immer ein Kind Gottes“. Doch aus der Gnade fallen bedeutet, dass der, der das Gesetz tun will, die Gnade loslässt.
V5. Nach seinen ernsten Warnungen zum Festhalten am Gesetz spricht Paulus über die Vorrechte, die mit der Gnade verbunden sind. Es geht in Vers 5 nicht um die Hoffnung auf die Gerechtigkeit. Dann würde dieser Vers eine Unsicherheit bedeuten, die die Folge davon ist, dass jemand die Gerechtigkeit aufgrund von Werken anstrebt. Nein, es geht um die Hoffnung der Gerechtigkeit. Jeder Gläubige besitzt Gerechtigkeit. Und mit dieser Gerechtigkeit ist Hoffnung verbunden. Diese Hoffnung ist auch wieder keine Unsicherheit, sondern die feste Sicherheit dessen, was kommt, was du erwartest. Verlangst du durch den Heiligen Geist, der in dir wohnt, nicht nach der Herrlichkeit Gottes?
Lies einmal, wie es in Römer 5 steht (Röm 5,2). Die Herrlichkeit Gottes ist der Ort, wohin der Herr Jesus nach seinem Tod und seiner Auferstehung bei seiner Himmelfahrt gegangen ist. Die Hoffnung der Gerechtigkeit ist die Erwartung des Augenblicks, wo wir die Herrlichkeit teilen, die Christus jetzt schon besitzt. So hat der Herr Jesus in Johannes 17 darüber zu seinem Vater gesprochen: „Vater, ich will, dass die, die du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, damit sie meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast“ (Joh 17,24). Dorthin werden wir kommen, wenn der Herr Jesus kommt, um uns zu holen (Phil 3,21).
V6. Das, was der Christ erwartet, steht in jeder Hinsicht im Gegensatz zu dem, was der Judaist erwartet. Judaisten erwarten, durch fleischliche Anstrengung das Gesetz halten zu können, um sich damit die Gerechtigkeit zu verdienen. Der Christ verlangt durch den Geist nach dem, was für ihn bereits verdient ist und was deshalb unzweifelhaft sicher sein Teil sein wird. Das hängt alles damit zusammen, „in Christus Jesus“ zu sein. Das ist die Stellung des Christen. Und ob du nun beschnitten oder unbeschnitten bist, das bedeutet für deine Stellung in Christus nichts. Wer in Christus ist, wird seinen Glauben nicht durch Werke des Gesetzes zeigen, sondern durch die Liebe. Die Liebe ist die treibende Kraft hinter den Taten, die im Glauben getan werden.
Lies noch einmal Galater 5,1–6.
Frage oder Aufgabe: Ist in deinem Leben als Christ noch (oder: wieder) die Rede von einem Joch der Knechtschaft, oder kannst du sagen, dass dein Glaube durch die Liebe wirkt?
7 - 15 Zur Freiheit berufen
7 Ihr lieft gut; wer hat euch aufgehalten, dass ihr der Wahrheit nicht gehorcht? 8 Die Überredung ist nicht von dem, der euch beruft. 9 Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig. 10 Ich habe Vertrauen zu euch im Herrn, dass ihr nicht anders gesinnt sein werdet; wer euch aber verwirrt, wird das Urteil tragen, wer er auch sei. 11 Ich aber, Brüder, wenn ich noch Beschneidung predige, was werde ich noch verfolgt? Dann ist ja das Ärgernis des Kreuzes weggetan. 12 Ich wollte, dass sie sich auch abschnitten, die euch aufwiegeln. 13 Denn ihr seid zur Freiheit berufen worden, Brüder; nur gebraucht nicht die Freiheit zu einem Anlass für das Fleisch, sondern durch die Liebe dient einander. 14 Denn das ganze Gesetz ist in einem Wort erfüllt, in dem: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ 15 Wenn ihr aber einander beißt und fresst, so seht zu, dass ihr nicht voneinander verzehrt werdet.
V7. Wenn Paulus sagt: „Ihr lieft gut“, hat er dabei einen Wettlauf vor Augen. Die Galater hatten beim Wettlauf einen guten Start gemacht. Sie hatten das Evangelium ohne jeden Vorbehalt angenommen. Doch nun lagen Hindernisse auf der Rennbahn, wodurch sie im Wettlauf aufgehalten wurden. Sie gehorchten der Wahrheit des Evangeliums nicht mehr.
V8. Sie hatten auf andere Stimmen gehört, statt weiterhin auf die Stimme Gottes zu hören, der sie durch das von Paulus gepredigte Evangelium berufen hatte. In der Berufung Gottes war keine Spur von dem enthalten, was die jüdischen Irrlehrer sie glauben machen wollten.
Paulus nennt diese Menschen hier nicht mit Namen. Es reicht aus zu wissen, dass das, was sie predigten, nicht von Gott kam. Auf dieselbe Weise spricht der Herr Jesus in Johannes 10 (Joh 10,4.5). Seine Schafe kennen seine Stimme. Wenn ein Fremder kommt, werden sie ihm nicht folgen, weil sie seine Stimme nicht kennen. Sie werden vor ihm fliehen. Es ist nicht nötig, allerlei falsche Lehren zu untersuchen (es sei denn, dass du einen Auftrag vom Herrn dazu hast). Das, was nicht die Stimme des Herrn ist und somit im Widerspruch zum Wort Gottes steht, kannst du ohne weiteres verwerfen.
V9. Wenn du das kleinste bisschen falsche Lehre, wie hier, oder das kleinste bisschen sündige Praxis, wie in 1. Korinther (1Kor 5,1–13), zulässt und nicht verurteilst, wird dein Leben und die Gemeinschaft, worin du dich befindest, schließlich zerstört werden. Böses, das nicht gerichtet wird, wirkt wie Sauerteig, es durchdringt das Ganze.
V10. Wenn Paulus auf die Galater schaut, ist er in Verlegenheit (Gal 4,20). Aber wenn er nach oben schaut, auf den Herrn Jesus, vertraut er darauf, dass Er die Seinen nicht im Stich lassen wird. Paulus wusste, wie er seine Sorge vor den Herrn bringen musste. Eine wichtige Lektion für mich! Wenn ich mir über irgendetwas Sorgen mache und keinen Ausweg mehr sehe, gibt es immer den Weg nach oben, zum Herrn. Paulus ging davon aus, dass die Galater letztendlich in ihrer Beurteilung der Dinge zu derselben Schlussfolgerung kommen würden, wie er sie ihnen von Anfang an vorgestellt hatte. Was die Person oder die Personen betrifft, die sie verwirrt hatten: Er übergibt sie dem Urteil Gottes.
V11. Nun war über Paulus auch noch etwas gesagt worden, worauf er noch kurz eingehen muss. Man behauptete nämlich, dass Paulus die Beschneidung predigen würde. Das war natürlich eine List der Widersacher, um den Galatern Sand in die Augen zu streuen. Auch heute geschieht es noch, dass Paulus Dinge in den Mund gelegt werden, die er niemals gesagt oder so nicht gemeint hat. Was die Beschneidung betrifft: Es musste klar sein, dass er die nicht predigte. Warum waren die Juden denn sonst so hinter ihm her? Und wenn Paulus die Beschneidung wohl predigte, bedeutete das allerdings, dass er doch noch etwas an eigenen Werken übrig ließ. Und das wäre völlig im Gegensatz zu der Predigt des Kreuzes gewesen. Das Kreuz zeigt die Verdorbenheit des Menschen bis in die Wurzeln seines Daseins und ist der Beweis, dass der Mensch ein Feind Gottes ist. Darum bilden das Kreuz und die vollkommene Erlösung, die durch Gnade vollbracht ist, stets Stolpersteine für jemand, der dem Fleisch noch etwas Ehre geben will. Wer dem Evangelium Jesu Christi etwas hinzufügt, indem er dem Menschen die Möglichkeit gibt, selbst etwas für seine Errettung zu tun, wird bestimmt Wertschätzung ernten, aber nicht bei Gott, und auch nicht bei denen, die an der Wahrheit Gottes festhalten.
V12. Paulus sieht, wie hier durch die List des Judaismus das Evangelium seiner Kraft beraubt wird und Seelen zugrunde gerichtet werden. Das führt ihn zu dem strengen Ausruf in Vers 12. Doch was siehst du von den Tagen der Apostel an? Die Gesetzlichkeit hat große Teile der Christenheit in ihren Griff bekommen. Und wo bleibt jetzt die heilige Entrüstung, die Paulus damals kennzeichnete?
Der Ausruf des Apostels ist eine Anspielung auf die Beschneidung! Er scheint damit zu meinen, dass er wünschte, dass die falschen Lehrer sich selbst von den Galatern und auch von den christlichen Gemeinden im Allgemeinen abschnitten. Noch immer gibt es die Versuche, das Volk Gottes unter die Knechtschaft irgendeiner Form des Gesetzes zu bringen.
V13–14. Noch einmal weist Paulus darauf hin, dass du berufen bist, frei zu sein. Das heißt nicht, dass du jetzt frei bist zu sündigen. Der Christ ist zwar vom Gesetz befreit, aber das bedeutet nicht, dass er nun keine Autorität mehr über sich hat. Christliche Freiheit erlaubt die Sünde nicht, sondern ermutigt im Gegenteil zum Dienen aus Liebe. Echte Freiheit findet man nur innerhalb der von Gott gesetzten Grenzen. Das vollkommene Vorbild siehst du im Herrn Jesus. Wenn ihr einander durch die Liebe dient, so erfüllt ihr das, was das Gesetz fordert. Nun könntest du denken: Also muss ich doch das Gesetz halten? Nein, Paulus kehrt hier nicht zum Gesetz zurück. Er zeigt, dass das, was das Gesetz forderte und was der Mensch nicht vollbringen konnte, in der Praxis der christlichen Freiheit Wirklichkeit werden kann.
V15. Liebe erträgt Schwachheiten, fordert nicht, stellt keine Bedingungen, verlangt danach, zu dienen. Das Gesetz weiß nichts von Barmherzigkeit, kann nicht nachgiebig sein und muss alles verurteilen, was nicht seiner vollkommen gerechten Forderung entspricht. Wo das Gesetz oder etwas, was davon abgeleitet ist, zur Norm wird für das Verhältnis zu Gott und zueinander, da ist die unvermeidliche Folge, dass Streit entsteht. Das Gesetz fordert Liebe zueinander, aber bei den Galatern damals und in der Christenheit heutzutage geschieht das Gegenteil. Wer das Gesetz hält, baut eine eigene Gerechtigkeit auf und kann kein Mitleid mit anderen haben. Es fordert eine harte Einstellung, sonst wäre das Gesetz kein Gesetz mehr. Der Streit, der aus der Gesetzlichkeit hervorkommt (und auch Streit, der aus der Bekämpfung der Gesetzlichkeit hervorkommt), führt zur Austilgung. Zuerst kommt beißen, dann fressen und schließlich verzehren. Das ähnelt Johannes 10, wo der Herr Jesus von stehlen spricht, dann von schlachten und schließlich von verderben (Joh 10,10a).
Lies noch einmal Galater 5,7–15.
Frage oder Aufgabe: Fühlst du dich frei? Wie gebrauchst du deine Freiheit?
16 - 21 Der Geist und das Fleisch
16 Ich sage aber: Wandelt im Geist, und ihr werdet die Lust des Fleisches nicht vollbringen. 17 Denn das Fleisch begehrt gegen den Geist, der Geist aber gegen das Fleisch; denn diese sind einander entgegengesetzt, damit ihr nicht das tut, was ihr wollt. 18 Wenn ihr aber durch den Geist geleitet werdet, so seid ihr nicht unter Gesetz. 19 Offenbar aber sind die Werke des Fleisches, welche sind: Hurerei, Unreinheit, Ausschweifung, 20 Götzendienst, Zauberei, Feindschaft, Streit, Eifersucht, Zorn, Zank, Zwietracht, Sekten, 21 Neid, Totschlag, Trunkenheit, Gelage und dergleichen, von denen ich euch vorhersage, wie ich auch vorhergesagt habe, dass die, die so etwas tun, das Reich Gottes nicht erben werden.
In Vers 1 dieses Kapitels hat Paulus die Freiheit der Knechtschaft gegenübergestellt. In Vers 13 stellte er die Freiheit der Zügellosigkeit gegenüber. Nun zeigt er, wie echte Freiheit erlebt und sichtbar wird, nämlich in einem Leben, das durch den Geist geleitet wird.
V16. Der Abschnitt von Vers 16–26 bildet eine Einheit. Der Geist wird darin nicht weniger als siebenmal genannt. Vers 16 bildet einen direkten Gegensatz zu Vers 15. Im letztgenannten Vers ist davon die Rede, dass man einander beißt und frisst. Doch wenn du durch den Geist wandelst, können solche Dinge nicht geschehen. Durch den Geist wandeln bedeutet, dass du die Absichten des Geistes ausführst und dass du deine Entschlüsse im Licht seiner Heiligkeit fasst. Das bedeutet, dass dein Verhalten darauf ausgerichtet ist, Christus in deinem Leben zu verherrlichen, denn dazu ist der Heilige Geist auf die Erde gekommen (Joh 16,14). Wenn du durch den Geist wandelst, ist die Folge, dass du das Fleisch für tot hältst. Es ist nämlich nicht möglich, Christus vor Augen zu haben und gleichzeitig zu sündigen.
V17. Nun hat der Christ zwei Naturen in sich: das neue Leben und das alte Leben. Das neue Leben will sich durch den Geist leiten lassen, das alte Leben will gern die Begierden des Fleisches erfüllen. Der Geist und das Fleisch stehen einander als Feinde gegenüber. Das Fleisch strengt sich an, um zu verhindern, dass du nach dem Geist wandelst, und der Geist widersteht dem Wirken des Fleisches, um zu verhindern, dass es seinen Willen ausführt. Das Fleisch ist also immer noch im Christen vorhanden; es ist nicht tot oder ausgerottet. Das Fleisch „begehrt“ immer noch. Doch du brauchst nicht mehr darauf zu hören. Gott hätte dir bei der Bekehrung das sündige Fleisch wegnehmen können. Doch Gott hat es uns gelassen, und zwar, um uns beständig an unsere eigene Schwachheit zu erinnern und uns dadurch beständig von Christus abhängig zu halten.
Wer gewinnt nun diesen Kampf, der sich in dir und mir abspielt? Hier geht es um deine und meine Verantwortung. Jemand hat diese beiden Naturen einmal mit zwei Hunden verglichen, einem weißen und einem schwarzen, die beständig miteinander kämpfen. „Weißt du“, so sagte er, „wer nun gewinnt? Das ist der Hund, dem ich zu fressen gebe!“ Dir ist sehr wohl bewusst, dass der Geist keine Gelegenheit bekommt, dein Leben zu leiten, wenn du dir beispielsweise schlechte Filme im Fernsehen ansiehst oder schmutzige Lektüre liest oder wenn du im Unfrieden mit deiner Umgebung lebst. Dann gibst du dem schwarzen Hund zu fressen. Wenn du jedoch die Dinge suchst, die droben sind, wo der Christus ist (Kol 3,1), wenn dir daran liegt, Ihn besser kennen zu lernen, indem du die Bibel liest und gute Bücher, die von Christus handeln, wenn du deiner Umgebung gern von der Freude erzählen möchtest, die du dadurch hast, dass du den Herrn Jesus kennst, ja, dann gibst du dem weißen Hund Futter.
Eigentlich ist das ein Kampf, den du nicht selbst zu kämpfen brauchst. Es ist deine Sache, dich durch den Heiligen Geist leiten zu lassen. Die Leitung durch den Heiligen Geist ist keine Sache, die nur für bestimmte Gelegenheiten gilt, beispielsweise in den Zusammenkünften der Gemeinde. Nein, es ist eine Sache für das tagtägliche Leben. Es ist auch nicht eine Sache für „fortgeschrittene“ Christen. Nein, es ist eine Sache für jeden Christen, denn jeder Christ hat den Heiligen Geist empfangen, als er dem Evangelium des Heils glaubte (1Kor 15,1–4; Eph 1,13).
V18. Wer sich durch den Geist leiten lässt, wird befreit von der Beschäftigung mit sich selbst, mit dem Gesetz und dem Fleisch und beschäftigt sich mit Christus. Wer sich durch den Geist leiten lässt, hat das Gesetz nicht als Lebensregel oder als Mittel, dadurch gerechtfertigt zu werden.
Es ist beachtenswert zu sehen, dass es scheint, als würde Paulus das Gesetz und das Fleisch stets durcheinander gebrauchen. Paulus hat in diesem Brief auch deutlich gezeigt, dass das Gesetz einem Volk im Fleisch gegeben wurde, das meinte, das Gesetz Gottes erfüllen zu können. Das Gesetz wurde gegeben, um zu beweisen, dass das Fleisch „dem Gesetz Gottes nicht untertan“ ist (Röm 8,7).
V19–21. Das Gesetz macht deutlich, was die Werke des Fleisches sind. Es ist das gesamte Handeln des Menschen, der sich nicht durch den Geist Gottes leiten lässt. Das gilt selbstverständlich für Menschen, die nicht wiedergeboren sind, aber das gilt auch für Menschen, die das wohl sind, die sich jedoch statt durch den Geist durch das Fleisch leiten lassen. Paulus zählt eine Anzahl Werke des Fleisches auf. Diese Liste ist nicht vollständig. In Matthäus 15 und in Römer 1, um nur einige Stellen zu nennen, werden noch andere Werke des Fleisches genannt (Mt 15,19; Röm 1,29–31). Es ist durchaus möglich, dass Paulus diese Sünden hier nennt, weil gerade die unter den galatischen Christen vorkamen.
Nicht weniger als fünfzehn oder sechzehn Werke des Fleisches (das hängt davon ab, ob „Totschlag“ auch in den Text aufgenommen werden muss) lässt Paulus Revue passieren. Die ersten drei Sünden sind sexuelle Sünden. Hurerei ist verbotener sexueller Verkehr. Sie betrifft jeden Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe und vor der Ehe. Unreinheit bezeichnet den Umgang mit Sexualität auf eine schmutzige Weise, ob nun in Gedanken, Worten, Taten oder Begierden, und das kann auch in der Ehe geschehen. Ausschweifung ist schamloses Verhalten in sexuellen Dingen, ohne jede Hemmung und ohne etwas darum zu geben, was andere davon halten. Auch das kann in der Ehe geschehen. Götzendienst und Zauberei gehören zusammen und sind Sünden, die direkt gegen Gott begangen werden, indem man seine ausschließlichen Rechte missachtet. Die übrigen Werke des Fleisches sind Sünden, die meinen Mitmenschen oder Mitbruder betreffen. Wer solche Dinge als Lebenspraxis ausübt, also nicht aus Versehen hineinfällt, hat kein Teil an Christus und steht außerhalb des Reiches Gottes.
Lies noch einmal Galater 5,16–21.
Frage oder Aufgabe: Wie erlebst du den Kampf von Vers 17?
22 - 26 Die Frucht des Geistes
22 Die Frucht des Geistes aber ist: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit, Treue, 23 Sanftmut, Enthaltsamkeit; gegen solche Dinge gibt es kein Gesetz. 24 Die aber des Christus sind, haben das Fleisch gekreuzigt samt den Leidenschaften und den Begierden. 25 Wenn wir durch den Geist leben, so lasst uns auch durch den Geist wandeln. 26 Lasst uns nicht voll eitler Ruhmsucht sein, indem wir einander herausfordern, einander beneiden.
V22. In Vers 19 ist die Rede von den Werken (Mehrzahl) des Fleisches. In Vers 22 nennt Paulus die Frucht (Einzahl) des Geistes. Wenn du an Werke des Fleisches denkst, siehst du vor allem die Werke selbst als Ergebnis dessen, was ein Mensch tut. Bei der Frucht des Geistes denkt man eher an die innere Gesinnung. Es ist eine Frucht, die nicht aus uns selbst kommt, wie es bei den Werken des Fleisches ist, sondern aus dem Geist. Du kannst das mit einer Fabrik und einem Garten vergleichen. In einer Fabrik arbeiten Menschen hart, um bestimmte Erzeugnisse herzustellen. In einem Garten wächst das, was gesät worden ist, ohne dass ein Mensch etwas daran tut (außer wahrscheinlich Unkraut zu jäten). Die Frucht des Geistes ist nicht dasselbe wie Gaben des Geistes. Jeder, der den Heiligen Geist empfangen hat, hat auch bestimmte Gaben des Geistes empfangen. Dabei hat jeder Gläubige andere Gaben. Bei der Frucht des Geistes gibt es diesen Unterschied nicht. Es ist eine Frucht, die bei jedem Gläubigen vorhanden sein muss.
Das Wort „Frucht“ steht, wie gesagt, in der Einzahl. Es ist eine Frucht, doch sie besteht aus neun einzelnen Teilen. Dabei kannst du an einen Diamanten denken. Das ist ein Stein, doch mit unterschiedlichem Glanz, anhängig davon, wie das Licht darauf fällt. Du kannst auch an eine Blume mit neun Blättern denken. Wenn du ein Blatt abreißt, hat die Blume ihre Schönheit verloren. So sind auch die neun Teile der Frucht des Geistes nicht einzeln zu haben. Der Heilige Geist will jeden Bestandteil der Frucht im Zusammenhang mit dem Ganzen voll zur Geltung kommen lassen.
1. Der erste Bestandteil, der genannt wird, ist „Liebe“. Das kann man verstehen. Sie ist die Natur Gottes. Gott ist Liebe (1Joh 4,8.16), und seine Liebe ist durch den Heiligen Geist in unsere Herzen ausgegossen (Röm 5,5).
2. Der zweite Bestandteil ist „Freude“. Das ist die Freude, die der Heilige Geist wirkt, wenn wir an Gott denken und an das, was Er für uns in seinem Sohn getan hat, ungeachtet der mitunter schwierigen Umstände, in denen wir uns befinden mögen. Es ist die Freude „im Herrn“ (Phil 3,1), und die ist unsere Stärke (Neh 8,10).
3. „Friede“, das dritte Kennzeichen der Frucht, ist die innere Gelassenheit und Ruhe, die in Gott ist. Es ist der Friede Gottes, der durch den Heiligen Geist in uns bewirkt wird, wenn wir uns durch Ihn leiten lassen. Dieser Friede wird unser Teil sein, auch wieder unabhängig von den mitunter schwierigen Umständen, in denen wir uns befinden mögen. Von diesen dreien, Liebe, Freude und Friede, konnte der Herr Jesus in Johannes 14 und 15 sagen: „meine Liebe“, „meine Freude“ und „mein Friede“ (Joh 14,27; 15,10–11). Zwischen Ihm und dem Geist ist eine völlige Übereinstimmung.
4. Wie wichtig ist „Langmut“ (das vierte Kennzeichen). Wie wird deine Geduld mitunter auf die Probe gestellt, wenn du dich in einer schwierigen, aussichtslosen Lage befindest oder wenn du es mit schwierigen Menschen zu tun hast.
5. „Freundlichkeit“ ist ein Kennzeichen (das fünfte), das sich daran anschließt. In Titus 3 wird dieses Kennzeichen für Gott gebraucht (Tit 3,4, im Griechischen dasselbe Wort wie in Galater 5,22), und es weist auf seine freundliche Gesinnung und wohlwollende Haltung gegenüber Sündern hin. Sind diese Gesinnung und Haltung auch bei dir und mir zu finden? Bestimmt, wenn du dich durch den Geist leiten lässt.
6. „Gütigkeit“ ist ein Kennzeichen (das sechste), worin zum Ausdruck kommt, dass du das suchst, was für den anderen gut ist, und darin herzlich bist. In Epheser 5 (Eph 5,9) ist Gütigkeit (o. Güte; im Griech. wieder dasselbe Wort wie in Galater 5,22) mit der Frucht des Lichts verbunden.
7. „Treue“ (das siebte Kennzeichen): Treu bist du, wenn man dir vertrauen kann, wenn du zuverlässig bist.
8. „Sanftmut“, das achte Kennzeichen, bedeutet, dass du bereit bist, einen niedrigen Platz einzunehmen. Es ist nicht charakterlose Weichlichkeit, sondern eine Haltung, die du bewusst einnimmst und wozu viel geistliche Kraft nötig ist.
9. Die Reihe schließt mit dem neunten Kennzeichen, „Enthaltsamkeit [o. Selbstbeherrschung]“. Der Heilige Geist führt zu einem disziplinierten Leben, wobei man den Impulsen der Leidenschaften und Begierden nicht nachgibt. Er gibt dir die Fähigkeit, dich unter Kontrolle zu halten.
Diese neunfache Frucht wird nicht dadurch bewirkt, dass du dich unter das Gesetz stellst. Nur dann, wenn du dich durch den Heiligen Geist leiten lässt, kommt diese Frucht in ihrer Frische zum Wachsen und Blühen. Beim Herrn Jesus wird diese Frucht in ihrer vollen Reife gefunden. (Ich finde es allerdings etwas schwierig, in Beug auf Ihn von Enthaltsamkeit zu reden. Für mich liegt in diesem Wort der Gedanke an falsche Impulse, die bezwungen werden müssen. Die waren bei dem Herrn Jesus natürlich nicht vorhanden.)
V23. Die Frucht des Geistes liegt außerhalb des Bereiches des Gesetzes. Doch wenn das Gesetz auch etwas damit zu tun gehabt hätte, so gibt es bei der Frucht des Geistes nichts, was unter das Gericht des Gesetzes fiele. Alle Kennzeichen oder einzelnen Teile der Frucht des Geistes sind ein Wohlgefallen für Gott, sind nützlich für unseren Mitmenschen und haben eine wohltuende Wirkung auf unser eigenes Glaubensleben.
V24. Diese Frucht wird bei denen gefunden, die „des Christus sind“. Sie haben radikal mit dem Fleisch abgerechnet und mit den dazu gehörenden Leidenschaften und Begierden. Für dich bedeutet das, dass du das in die Praxis umsetzen musst, was du bei deiner Bekehrung anerkannt hast. Du hast dich damals mit dem Gericht einsgemacht, das Gott am Kreuz über das Fleisch vollzogen hat. Paulus ruft hier nicht dazu auf, das Fleisch zu kreuzigen, sondern es für gekreuzigt zu halten. Es geht also nicht um einen schmerzhaften und langsamen Prozess der Selbstkasteiung, sondern um die gläubige Annahme dessen, was Gott sagt. Es bezieht sich auf das, was auf dem Kreuz geschehen ist.
V25. Bei deiner Bekehrung hast du durch den Geist Leben empfangen. Nun kommt es darauf an, auch durch diesen Geist zu wandeln. Das betrifft das Heute, das Hier und das Jetzt. Das bedeutet, dass eine bestimmte Stellung (Leben durch den Geist) in der Praxis sichtbar werden muss (wandeln durch den Geist).
V26. Das Gesetz konnte kein Leben geben und gibt auch keine Kraft für einen Wandel, worin Frucht für Gott hervorkommt. Der letzte Vers zeigt noch einmal, wohin es führt, wenn man das Gesetz halten will: zum Stolz auf das eigene Fleisch und zur Verachtung anderer.
Lies noch einmal Galater 5,22–26.
Frage oder Aufgabe: Lerne die Frucht des Geistes von Herzen auswendig!