1 - 5 Paulus’ Liebe zu Israel und Israels Vorrechte
1 Ich sage die Wahrheit in Christus, ich lüge nicht, indem mein Gewissen mit mir Zeugnis gibt in dem Heiligen Geist, 2 dass ich große Traurigkeit habe und unaufhörlichen Schmerz in meinem Herzen. 3 Denn ich selbst, ich habe gewünscht, durch einen Fluch von dem Christus entfernt zu sein für meine Brüder, meine Verwandten nach dem Fleisch, 4 die Israeliten sind, deren die Sohnschaft ist und die Herrlichkeit und die Bündnisse und die Gesetzgebung und der Dienst und die Verheißungen; 5 deren die Väter sind und aus denen, dem Fleisch nach, der Christus ist, der über allem ist, Gott, gepriesen in Ewigkeit. Amen.
Mit Kapitel 9 beginnt ein neues Thema in diesem Brief. Dieses neue Thema betrifft Israel.
Gott hat Israel viele Verheißungen gegeben. Nach allem, was du bisher in diesem Brief entdeckt hast, scheint es so, als ob davon nichts mehr erfüllt werden könnte. Denn du hast gesehen, dass vor Gott überhaupt kein Unterschied zwischen Juden und Heiden besteht. Sie sind alle gleichermaßen vor Gott schuldig und können alle nur durch den Glauben an Christus errettet und gerechtfertigt werden. Doch dann erhebt sich die Frage, wie es mit den Verheißungen aussieht, die Gott Israel gegeben hat. Werden sie in Zukunft noch erfüllt werden? Hat Israel noch einen besonderen Platz in den Gedanken Gottes?
Vielleicht weißt du noch nicht so viel über die Prophezeiungen, die Voraussagen, die im Alten Testament über Israel ausgesprochen worden sind. Dann sind die Kapitel 9 bis 11 dieses Briefes eine gute Gelegenheit, um dir einen Zugang dazu zu verschaffen. In diesen Kapiteln behandelt Paulus nämlich die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft Israels: in Kapitel 9 die Vergangenheit, in Kapitel 10 die Gegenwart und in Kapitel 11 die Zukunft. Wenn du das Geschehen in und um Israel ein wenig verfolgst, wirst du sehen, wie aktuell diese Kapitel für die heutige Zeit sind. Du siehst gleichsam, wie sich diese Kapitel vor deinen Augen erfüllen. Doch wir wollen uns zunächst die ersten fünf Verse etwas näher ansehen.
V1. Es fällt sofort auf, was für eine innige Liebe Paulus zu seinem Volk hegte. Es ist daher völlig abwegig, wenn Menschen behaupten, für Paulus sei das Volk Israel erledigt gewesen. Es war sein tiefes Verlangen, dass gerade sie an der Gerechtigkeit aus Gott teilhätten. Wenn du die kräftige Sprache von Vers 1 auf dich einwirken lässt, empfindest du, dass er kein Missverständnis hinsichtlich seiner Haltung zu Israel aufkommen lassen will.
V2. In Vers 2 erlaubt er dir einen Blick in die Empfindungen seines Herzens. Das ist keine übertriebene Ausdrucksweise! Er drückt hier seine Gefühle aus, wie feurig er dieses Volk liebte, während das Volk Christus weiter abwies.
V3. In Vers 3 liest du sogar, dass er gewünscht hatte, durch einen Fluch von Christus entfernt zu sein, wenn sie dadurch gerettet werden könnten. Das ist ein Strahl der göttlichen Liebe, die er zu diesem Volk in seinem Herzen hatte. Auch Mose hat einmal aus Liebe zu seinem Volk etwas Ähnliches gesagt (2Mo 32,32). Doch sowohl Paulus als auch Mose waren sündige Menschen, und deshalb konnte Gott unmöglich ihren Wunsch erhören. Wir können aber von diesen beiden Gottesmännern lernen, dass ihre brennende Liebe zum Volk Gottes nicht nur ein bloßes Lippenbekenntnis war. Sie wollten sich selbst dafür aufopfern.
V4–5. Paulus war durch natürliche Bande mit diesem Volk verbunden. Dem Fleisch nach (leiblich) waren sie seine Brüder. Er nennt sie Israeliten, entsprechend dem Namen, den Gott Jakob in 1. Mose 32 gegeben hatte (1Mo 32,28). Anschließend zählt er acht Vorrechte auf, die Gott diesem Volk geschenkt hatte.
1. Die Sohnschaft. Gott hatte dieses Volk als Sohn angenommen. Ein Sprichwort sagt, dass ein guter Sohn seinem Vater gleicht. Gott wollte so gern, dass dieses Volk Ihm gleichen würde. Das wäre eine Freude für sein Herz gewesen.
2. Die Herrlichkeit. Gottes Herrlichkeit wohnte in der Wolkensäule bei seinem Volk. Damit beschützte Er sie, und dadurch leitete Er sie durch die Wüste. Später wohnte die Herrlichkeit im Tempel.
3. Die Bündnisse. Ich will zwei nennen: Der Bund Gottes mit Abraham beinhaltete, dass Gott es übernahm (man könnte sagen: sich verpflichtete), Abraham zu segnen. Das war ein Bund, der an keine Voraussetzungen von Seiten Abrahams geknüpft war. Das kannst du in 1. Mose 15 nachlesen (1Mo 15,7–21). Dann noch der Bund, den Gott mit dem Volk Israel am Berg Sinai geschlossen hatte. Das war ein Bund, bei dem sich das Volk selbst verpflichtete, bestimmte Anforderungen zu erfüllen. Wenn sie diese erfüllten, sollten sie den Segen Gottes empfangen. Du kannst das nachlesen in 5. Mose 27–28.
4. Die Gesetzgebung. Dadurch hatte Gott dem Volk gerechte Gesetze gegeben, um ihm das Leben so einfach wie möglich zu machen.
5. Der Dienst. Gott hatte ihnen Vorschriften über den gesamten Gottesdienst gegeben, damit sie wüssten, welche Opfer Er empfangen wollte und bei welchen Gelegenheiten sie gebracht werden sollten.
6. Die Verheißungen. Gott hatte Abraham, Isaak und Jakob Verheißungen im Blick auf Segnungen gegeben, die Er ihnen geben wollte.
7. Die Väter. Dies sind in erster Linie Abraham, Isaak und Jakob, denen Gott sich ganz besonders und persönlich mitgeteilt hat. Du kannst ferner noch an große Männer wie Mose, David usw. denken.
8. Der Christus. Das ist der absolute Höhepunkt aller genannten Vorrechte. Der Herr Jesus ist aus diesem Volk geboren. Paulus wacht jedoch über seine Ehre und fügt hinzu: „der über allem ist, Gott, gepriesen in Ewigkeit.“ Ein wichtiges Zeugnis über die Menschheit und die Gottheit des Herrn Jesus, die beide vollkommen und vollendet in seiner Person vereinigt sind. Um Ihn geht es letztlich in allem und für immer. Er sei gepriesen in Ewigkeit. Amen.
Lies nun noch einmal Römer 9,1–5.
Gibt es in deinem Leben auch jemanden, für den/die du alles tun würdest, damit er/sie gerettet wird? Bete noch einmal besonders dafür!
6 - 13 Gottes Auserwählung Israels
6 Nicht aber, dass das Wort Gottes hinfällig geworden wäre; denn nicht alle, die aus Israel sind, diese sind Israel, 7 auch nicht, weil sie Abrahams Nachkommen sind, sind alle Kinder, sondern „in Isaak wird dir eine Nachkommenschaft genannt werden.“ 8 Das ist: Nicht die Kinder des Fleisches, diese sind Kinder Gottes, sondern die Kinder der Verheißung werden als Nachkommen gerechnet. 9 Denn dieses Wort ist eine Verheißung: „Um diese Zeit will ich kommen, und Sara wird einen Sohn haben.“ 10 Nicht allein aber das, sondern auch als Rebekka schwanger war von einem, von Isaak, unserem Vater, 11 selbst als die Kinder noch nicht geboren waren und weder Gutes noch Böses getan hatten (damit der Vorsatz Gottes nach Auswahl bleibe, 12 nicht aus Werken, sondern aus dem Berufenden), wurde zu ihr gesagt: „Der Größere wird dem Kleineren dienen“; 13 wie geschrieben steht: „Jakob habe ich geliebt, aber Esau habe ich gehasst.“
V6. Gott wollte sein Volk Israel segnen. Dieser Segen konnte nur dann gegeben werden, wenn das Volk den Herrn Jesus annahm.
Denn Gott gibt niemandem irgendeinen Segen unabhängig von der Person des Herrn Jesus. Wenn Gott segnet, geschieht das immer in Verbindung mit Ihm. Nachdem das Volk Gottes den Herrn Jesus verworfen hat, stellt Gott seinen Segen auch den Heiden zur Verfügung. Es gibt nun keinen Unterschied mehr zwischen Juden und Heiden. Ist damit das Wort, das Gott über sein Volk gesprochen hat, hinfällig geworden? Wird nichts mehr davon in Erfüllung gehen? Nein, sagt Paulus, höre gut zu, das Wort Gottes ist nicht hinfällig geworden. Was Gott gesagt hat, wird Er auch erfüllen.
Aber du glaubst doch nicht, dass Gott seine Segnungen einem Volk gibt, das Ihm den Rücken zugekehrt hat? Das ist es, was Paulus mit dem zweiten Teil von Vers 6 meint. Jemand kann sich zwar als Israelit bezeichnen, weil er durch Geburt zu diesem Volk gehört (so wie auch wir uns Deutsche nennen, weil wir von deutschen Eltern abstammen), doch das reicht nicht aus. Es muss noch etwas hinzukommen; es muss auch eine Sache des Herzens sein. Für die Mehrheit der Israeliten war die Zugehörigkeit zu diesem Volk nur etwas Äußeres, ein Name. Das, sagt Paulus, ist nicht Israel, auch wenn jemand als Israelit geboren ist.
V7–9. In Vers 7 wird in Verbindung mit dem Stammvater Abraham dasselbe gesagt. Nicht jeder Nachkomme Abrahams wird ein „Kind Abrahams“ genannt. Wäre das so gewesen, müsste auch Ismael so gesehen werden und Anteil an dem Segen haben. Aber Gott hatte bestimmt, dass der Segen auf der Linie Isaak ruhen sollte.
Ismael ist der Sohn nach dem Fleisch. Abraham hatte diesen Sohn mit Hagar gezeugt, der Magd seiner Frau Sara. Er vertraute zu dieser Zeit nicht auf Gott, denn Gott hatte ihm einen Sohn verheißen, der von Sara geboren werden sollte. Sara brachte daher auch zu Gottes Zeit den Sohn der Verheißung, Isaak, zur Welt. Wenn es um den Segen geht, den Gott geben will, muss also eine Verbindung mit Abraham durch seinen Sohn Isaak gegeben sein, denn „die Kinder der Verheißung werden als Same gerechnet.“
V10–12. Wir finden jedoch ein noch deutlicheres Bild der Auserwählung Gottes. Bei Abraham ging es noch um den Sohn einer Magd. Dies ist bei Isaak nicht der Fall. Isaak hatte ja zwei Söhne von derselben Frau, Rebekka, bekommen. Als diese beiden Söhne (Jakob und Esau) noch im Mutterleib waren, hatte Gott schon bestimmt, wie ihr Verhältnis zueinander sein sollte: „Der Größere wird dem Kleineren dienen.“
Wie sie sich zueinander verhalten würden, darüber war damals überhaupt noch nichts bekannt. Als Gott diesen Vorsatz aussprach, hatten sie noch nichts Gutes oder Böses getan. Unabhängig von ihrem Verhalten und ihren Werken hatte Gott also die Auserwählung Jakobs, des Jüngeren, bestimmt. Er hatte Jakob dazu auserwählt, den Segen zu empfangen. Jakob hatte den Vorrang vor Esau. So hatte Gott es schon vor der Geburt dieser beiden Jungen bestimmt.
V13. Damit ist nichts Nachteiliges über Esau gesagt. Das musst du gut verstehen, denn du wirst ohne Zweifel Menschen begegnen, die dich glauben machen wollen, dass Gott auch Menschen zur ewigen Verdammnis zuvorbestimmt hat. Im Lauf dieses Kapitels wirst du feststellen, dass davon gar keine Rede ist.
Solche Menschen führen als Beweis Vers 13 unseres Kapitels an. Sie sagen: Da steht es doch: „Jakob habe ich geliebt, aber Esau habe ich gehasst.“ Sicher steht das dort, aber es geht noch etwas voraus: „wie geschrieben steht“. Wo steht das denn geschrieben? Du findest es ganz am Ende des Alten Testaments, im Buch Maleachi. Es steht am Ende einer langen Geschichte, in der die Nachkommen Jakobs und Esaus zeigen konnten, was in ihnen war. Die echten Nachkommen Jakobs haben im Lauf der Zeit ihre Schwachheiten gezeigt, aber auch ihr Verlangen nach dem Segen Gottes. So ist es auch im Leben von Jakob selbst zum Ausdruck gekommen. Deshalb sagt Gott: „Jakob habe ich geliebt.“ Die Nachkommen Esaus hingegen haben im Lauf der Zeit gezeigt, dass sie auf den Segen Gottes überhaupt keinen Wert legten. In Hebräer 12 wird Esau als ein Ungöttlicher bezeichnet, der für eine Mahlzeit sein Erstgeburtsrecht verkaufte (Heb 12,16–17). Er wurde verworfen, weil er keinen Raum für die Buße hatte. Diesen Charakterzug findest du auch bei seinen Nachkommen wieder. Und deshalb sagt Gott: „Esau habe ich gehasst.“
Gott will in diesen Versen zeigen, dass Er bereits bei der Entstehung des Volkes Israel entsprechend seiner eigenen Auserwählung gehandelt hat. Sein Segen fließt bestimmten Menschen zu, nicht weil diese Menschen ihn verdient hätten, sondern weil Er sie dazu auserwählt hat. Alles geht von dem „Berufenden“ aus. Es ist wichtig für dich zu sehen, dass Gott bereits in der Vergangenheit auf diese Weise gehandelt hat. Ebenso handelt Gott auch jetzt. Denn wenn Gott entsprechend seiner eigenen Auserwählung handelt, braucht Er sich nicht auf Israel zu beschränken, sondern Er kann seine Auserwählung auch auf die Nationen ausdehnen. Du bist der lebendige Beweis dafür. Obwohl du (höchstwahrscheinlich) nicht zu seinem irdischen Volk gehörst und auch zugeben musst, dass du es nicht verdient hast, hat Gott dich auserwählt, den Segen zu empfangen.
Zu diesem Thema folgt noch mehr, doch wenn du diesen Abschnitt ein wenig verstanden hast, wird du Gott mehr bewundern.
Lies nun noch einmal Römer 9,6–13.
Lass es auf dich wirken, dass Gott dich auserwählt hat. Was ist deine Reaktion?
14 - 18 Gott ist souverän
14 Was sollen wir nun sagen? Ist etwa Ungerechtigkeit bei Gott? Das sei ferne! 15 Denn er sagt zu Mose: „Ich werde begnadigen, wen ich begnadige, und ich werde mich erbarmen, wessen ich mich erbarme.“ 16 Also liegt es nun nicht an dem Wollenden noch an dem Laufenden, sondern an dem begnadigenden Gott. 17 Denn die Schrift sagt zum Pharao: „Eben hierzu habe ich dich erweckt, damit ich meine Macht an dir erweise und damit mein Name verkündigt werde auf der ganzen Erde.“ 18 So denn, wen er will, begnadigt er, und wen er will, verhärtet er.
V14. Durch die Beispiele im vorigen Abschnitt ist sehr deutlich geworden, dass Gott nach seiner Auserwählung handelt. Das ruft sogleich Widerstand hervor.
Diesen Widerstand kannst du vielleicht bei dir selbst spüren, ungefähr so: Es ist doch unehrlich und ungerecht, dass Gott so mit den Menschen umgeht. Der Grund dafür, dass wir so etwas sagen oder denken können, liegt darin, dass wir zu sehr den Menschen in den Mittelpunkt unseres Denkens stellen und nicht Gott. Paulus schneidet derartige Gedankengänge sofort mit den Worten „Das sei ferne!“ ab.
Um dieses „Das sei ferne!“ zu erklären, führt er zwei andere Beispiele aus dem Alten Testament an. Sie dienen dazu, uns zu zeigen, dass Gott nach seinem eigenen Willen handelt. Gott hat, wie man das manchmal nennt, einen souveränen Willen. Er ist der Einzige, der nach seinem eigenen Gutdünken handeln kann und darf, ohne einem Menschen darüber Rechenschaft ablegen zu müssen. Das bedeutet jedoch nicht, dass Gott willkürlich handeln würde. Er ist kein launenhafter Herrscher, der unbeherrscht Entschlüsse fasst und ausführt. Was Gott tut, könnte Er jederzeit jedem gegenüber verteidigen. Doch wenn wir Menschen meinen, Gott beurteilen zu können, maßen wir uns eine Haltung an, die uns nicht geziemt. Dann sind wir nicht in der Lage, das Tun Gottes zu verstehen. Wenn wir etwas von dem Tun Gottes verstehen wollen, müssen wir eine andere Haltung einnehmen. Wir müssen damit beginnen anzuerkennen, dass Er Gott ist, der das Recht hat zu tun, was Er für richtig erachtet. Wir müssen auch anerkennen, dass wir nur nichtige Menschen sind, Geschöpfe, die völlig von ihrem Schöpfer abhängig sind.
V15. In dieser Haltung können wir etwas davon verstehen, was Gott zu Mose sagt: „Ich werde begnadigen, wen ich begnadigen will, und ich werde mich erbarmen, wessen ich mich erbarme.“ Das scheint auf den ersten Blick die Ungerechtigkeit und Willkür Gottes zu bestätigen. Nun, wenn du dem einmal nachgehst, weshalb Gott das zu Mose sagt, was der Anlass dazu ist, dann wirst du schnell anders darüber denken. Was war geschehen? Weil Mose so lange weg blieb, hatte das Volk ein goldenes Kalb gemacht und sich davor niedergebeugt. Das war reiner Götzendienst! Und das durch das gesamte Volk! Das bedeutete, dass Gott das ganze Volk hätte richten müssen. Doch aufgrund der Fürbitte Mose erzeigte Er Gnade und Erbarmen. So gnädig und barmherzig ist Gott, dass Er nicht das ganze Volk vor seinem Angesicht wegfegt, sondern eine Anzahl begnadigt und sich darüber erbarmt.
V16. Diese Begebenheit macht deutlich, dass es nicht um das Tun oder Lassen des Menschen geht („also liegt es nun nicht an dem Wollenden noch an dem Laufenden“), sondern um den begnadigenden Gott.
V17–18. Nach diesem Beispiel für die Barmherzigkeit Gottes folgt jetzt ein Beispiel für das Gericht Gottes. Vers 17 beginnt mit den Worten: „Denn die Schrift sagt zum Pharao.“ Wenn du dieses Zitat in 2. Mose 9 aufschlägst, wirst du sehen, dass es Gott selbst ist, der dies zum Pharao sagt (2Mo 9,16). Wenn es nun hier in Römer 9 heißt, dass „die Schrift“ es sagt, so bedeutet das, dass Gott und die Schrift ein und dasselbe sind. (Nebenbei bemerkt: Hiermit wird dick unterstrichen, wie überaus wichtig es ist, die Bibel zu kennen und damit zu wissen, was Gott gesagt hat. Mache deshalb das Wort Gottes zu deinem Eigentum. Dann wirst du Gott kennen lernen und vor Irrtum bewahrt bleiben.) Gott hat den Pharao mit einem zweifachen Ziel erweckt: Gott wollte an ihm seine Macht erweisen, und Er wollte seinen Namen auf der ganzen Erde verkündigen. Dafür gebrauchte Gott den Pharao. Denke nun aber nicht, dass der Pharao ein willenloses Werkzeug gewesen wäre. Der Pharao blieb Gott gegenüber für seine Haltung und sein ganzes Handeln völlig verantwortlich. Erst nachdem er mehrere Male sein eigenes Herz verhärtet hatte, verhärtete Gott sein Herz. Erst danach gebrauchte Gott ihn als ein Beispiel für das Gericht, das Er über Menschen bringen muss, die sich Ihm widersetzen. Gott begnadigt, wen Er will (z. B. einige von Israel, obwohl ganz Israel das Gericht verdient hatte), und Er verhärtet, wen Er will (z. B. den Pharao, der ebenfalls das Gericht verdient hatte).
Du könntest noch fragen: Wie verhält es sich denn mit dem „Erwecken“? Bedeutet es, dass Gott den Pharao zu diesem Zweck ins Leben rief? Nein! „Erwecken“ bedeutet hier, dass Gott die Geschichte des Lebens dieses Mannes so gelenkt hat, dass der Pharao zeigen musste, was für Gott in seinem Herzen war. Es war eindeutig die Geschichte der Auflehnung gegen Gott. Er zeigte auch, dass er in keiner Weise bereit war, die Warnungen zu beachten, die Gott durch die verschiedenen Plagen gab, die das Land trafen. Der folgende Abschnitt beschäftigt sich noch weiter mit diesem Thema.
Lies nun noch einmal Römer 9,14–18.
Findest auch du, dass Gott manchmal ungerecht ist? Wie gehst du damit um?
19 - 23 Gefäße des Zorns und Gefäße der Barmherzigkeit
19 Du wirst nun zu mir sagen: Warum tadelt er denn noch? Denn wer hat seinem Willen widerstanden? 20 Wer bist du denn, o Mensch, der du das Wort nimmst gegen Gott? Wird etwa das Geformte zu dem, der es geformt hat, sagen: Warum hast du mich so gemacht? 21 Oder hat der Töpfer nicht Macht über den Ton, aus derselben Masse das eine Gefäß zur Ehre und das andere zur Unehre zu machen? 22 Wenn aber Gott, willens seinen Zorn zu erweisen und seine Macht kundzutun, mit vieler Langmut ertragen hat die Gefäße des Zorns, die zubereitet sind zum Verderben, 23 und damit er kundtäte den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Begnadigung, die er zuvor zur Herrlichkeit bereitet hat –
V19. Weißt du, was uns so oft im Weg steht? Unsere menschliche Logik, unser natürlicher, verfinsterter Verstand.
Wir argumentieren folgendermaßen: „Gott hat aus der Gesamtheit aller Menschen eine Anzahl auserwählt, um sie zu segnen. Alle anderen Menschen werden also nicht gesegnet und sind somit von Gott dazu bestimmt, verloren zu gehen. Wenn das so ist, welchen Vorwurf kann Gott dann noch machen? Wer kann seinem Willen widerstehen? Von Geburt an liegt doch alles bereits fest, oder? Welcher Mensch kann daran noch etwas ändern?“ Derartige Argumentationen zeigen, dass wir uns anmaßen, Gott zu beurteilen. Ich wiederhole, was ich schon früher gesagt habe: Das Erste, wovon wir durchdrungen sein müssen, ist die Tatsache, dass Gott in seinem Handeln souverän ist. Er bestimmt alles, ohne dass Er es nötig hätte, dem Menschen gegenüber Rechenschaft abzulegen. Gott beurteilt und verurteilt den Menschen, nicht umgekehrt. Das Recht zu richten steht Ihm und Ihm allein zu, nicht dem Menschen.
V20–21. Paulus will uns einschärfen, dass Gott die Macht hat, alles zu tun, ohne dass der Mensch irgendein Einspruchsrecht hat. Gott besitzt die absolute Macht und das absolute Recht, seinen Willen zur Ausführung zu bringen. Welches Recht haben wir, Gott zur Verantwortung zu ziehen und Ihn zu fragen, warum Er uns so gemacht hat und nicht anders?
Die Souveränität Gottes wird mit der eines Töpfers verglichen. Dieser hat ja auch die Macht, aus derselben Masse Lehm sowohl ein schönes Gefäß als auch ein hässliches zu machen. Noch einmal: Der Nachdruck liegt hier auf Gottes Souveränität. Das bedeutet aber nicht, dass Gott auch so gehandelt hätte.
V22–23. Wie Er wirklich gehandelt hat, zeigt Paulus in den folgenden Versen. Um das zu verstehen, musst du Vers 22 und Vers 23 miteinander vergleichen. Da findest du zwei Arten von Gefäßen: Gefäße des Zorns (Vers 22) und Gefäße der Barmherzigkeit (Vers 23). Nun achte einmal gut darauf, wie über diese Gefäße gesprochen wird. Von den Gefäßen des Zorns heißt es:
1. Gott wollte an ihnen seinen Zorn erweisen und seine Macht kundtun;
2. Er hat sie mit viel Langmut ertragen;
3. sie sind zum Verderben zubereitet.
Die größte Schwierigkeit bereitet Punkt c). Wer hat diese Gefäße zum Verderben zubereitet? Hat Gott das getan? Wenn du das behauptest, machst du Gott zum Urheber des Bösen, so als ob Er wirklich Menschen zu Handlungen veranlassen würde, die das Verderben nach sich ziehen. Was Gott betrifft, so lesen wir hier gerade von seiner Langmut. Welchen Sinn hätte es, über Gottes Langmut zu sprechen, wenn Er damit beschäftigt wäre, diese Gefäße zum Verderben zuzubereiten? In 2. Petrus 3 lesen wir, dass es die Langmut Gottes ist, die das Gericht hinausschiebt (2Pet 3,9). Nein, es sind die Gefäße selbst, die sich zum Verderben zubereiten. (Du verstehst, dass mit „Gefäßen“ Menschen gemeint sind.) Ein Beispiel für ein solches Gefäß, das sich selbst zum Verderben zubereitet hat, ist der Pharao, wie du das in Vers 17 gesehen hast.
Von den Gefäßen der Barmherzigkeit lesen wir Folgendes:
1. Gott wollte an ihnen den Reichtum seiner Herrlichkeit kundtun;
2. Er hat sie zur Herrlichkeit zuvorbereitet.
Hier zeigt sich der große Unterschied zu den Gefäßen des Zorns: Gott (und nicht die Gefäße selbst) bereitet sie zur Herrlichkeit zu. Und auch: Gott hat es im Voraus getan (und es nicht von ihrem Verhalten in diesem Leben abhängig gemacht).
In diesen beiden Arten von Gefäßen wird uns also Folgendes gezeigt: auf der einen Seite die Verantwortlichkeit des Menschen und auf der anderen Seite die Ratschlüsse, die Pläne, die Vorsätze Gottes. Diese beiden Seiten derselben Wahrheit finden wir überall in der Bibel. Wir Menschen können sie nicht miteinander verbinden. Das kann nur Gott. Man hat sie manchmal mit den beiden Schienen eines Gleiskörpers verglichen. Diese laufen immer parallel zueinander weiter. Wenn du in die Ferne schaust, sieht es so aus, als ob sie dort zusammenlaufen würden. Genauso laufen die beiden Linien der Verantwortlichkeit des Menschen und der Ratschlüsse Gottes in der Bibel nebeneinander her.
Am Kreuz sehen wir diese beiden Linien gleichsam zusammentreffen. Hierzu steht in Apostelgeschichte 2 (Apg 2,22–23), dass der Herr Jesus
1. nach dem bestimmten Ratschluss und nach Vorkenntnis Gottes hingegeben wurde (Gott hat es so gewollt) und
2. von den Juden durch die Hand von Gesetzlosen aus Kreuz geschlagen und umgebracht wurde (das hat der Mensch getan, und dafür wird er verantwortlich gemacht).
Wer kann diese beiden Seiten des Kreuzes miteinander verbinden als nur Gott allein?
Versuche nicht, dieses Unbegreifliche zu begreifen. Das ist uns Menschen nicht gegeben. Danke Ihm einfach dafür, dass du die beiden Seiten dieser Wahrheit sehen darfst. Es ist wichtig, dass du immer mehr deine Verantwortung als Geschöpf gegenüber Gott siehst. Du wirst das dann auch in der Praxis deines Lebens beachten. Auch die Tatsache, dass du immer mehr Verständnis über die Pläne und Vorsätze Gottes bekommst, sollte ihre Auswirkung auf dein Leben nicht verfehlen. Auf diese Weise wird dein Leben ein sehr reiches Leben. Was Gott von dir erwartet, mag manchmal schwierig sein, doch wenn du seine Pläne und Absichten erkennst, wird dich das motivieren, Ihn in deinem Leben mehr zu ehren.
Lies nun noch einmal Römer 9,19–23.
Denk einmal über die Größe Gottes nach.
24 - 33 Die Nationen und Israel
24 uns, die er auch berufen hat, nicht allein aus den Juden, sondern auch aus den Nationen. 25 Wie er auch in Hosea sagt: „Ich werde Nicht-mein-Volk mein Volk nennen und die Nicht-Geliebte Geliebte.“ 26 „Und es wird geschehen, an dem Ort, wo zu ihnen gesagt wurde: Ihr seid nicht mein Volk, dort werden sie Söhne des lebendigen Gottes genannt werden.“ 27 Jesaja aber ruft über Israel: „Wäre die Zahl der Söhne Israels wie der Sand des Meeres, nur der Überrest wird errettet werden. 28 Denn indem er die Sache vollendet und abkürzt, wird der Herr auf der Erde handeln.“ 29 Und wie Jesaja zuvor gesagt hat: „Wenn nicht der Herr Zebaoth uns Nachkommen übrig gelassen hätte, so wären wir wie Sodom geworden und wären Gomorra gleich geworden.“ 30 Was sollen wir nun sagen? Dass die von den Nationen, die nicht nach Gerechtigkeit strebten, Gerechtigkeit erlangt haben, eine Gerechtigkeit aber, die aus Glauben ist; 31 Israel aber, einem Gesetz der Gerechtigkeit nachstrebend, nicht zu diesem Gesetz gelangt ist. 32 Warum? Weil es nicht aus Glauben, sondern als aus Werken geschah. Sie haben sich gestoßen an dem Stein des Anstoßes, 33 wie geschrieben steht: „Siehe, ich lege in Zion einen Stein des Anstoßes und einen Felsen des Ärgernisses, und wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.“
V24. Der Ausgangspunkt des Handelns Gottes wird deutlich angegeben. Er ist Gott und hat das Recht, nach seinem Gutdünken zu handeln.
Gott ist souverän, auch wenn es um das Erweisen seiner Barmherzigkeit geht. Gott ist nicht verpflichtet, seine Barmherzigkeit auf die Juden zu beschränken. Er hat das Recht, auch Menschen aus den Nationen, den Heiden, also den Nichtjuden, zu berufen.
V25. Eigentlich sieht man das schon im Alten Testament. Paulus führt einige Beispiele aus Hosea und Jesaja an. Daraus geht hervor, dass Gott bereits damals seine uneingeschränkte Gnade Nichtjuden zuteil werden ließ.
Das erste Zitat steht in Vers 25 und ist Hosea 2 entnommen (Hos 2,22). Dort geht es um das Volk Israel. Da sie ihre völlige Untreue gegen Gott und ihre Unbußfertigkeit bewiesen hatten, musste Gott sie „Nicht-mein-Volk“ und „Nicht-Geliebte“ nennen. Gott anerkannte die Verbindung mit seinem Volk nicht mehr. Nun wendet Paulus diesen Vers aus Hosea so an, dass er sagt: Gott wird Israel wieder „mein Volk“ und „Geliebte“ nennen. Das kann nichts anderes bedeuten, als dass es aus dem Volk Israel solche geben wird, die sich zu Gott bekehren und an den Herrn Jesus glauben werden. Sie sind dann das Volk, das Gott als „mein Volk“ anerkennt. Vielleicht kann das sogar auf die Nationen um Israel herum angewandt werden. Diese waren schon immer „Nicht-mein-Volk“ und „Nicht-Geliebte“, denn Gott hatte mit ihnen nie eine besondere Verbindung. Doch wenn es auch aus den Heidenvölkern Menschen gibt, die sich zu Gott bekehren und den Herrn Jesus als Heiland und Herrn annehmen, dürfen auch sie sich zu diesem „mein Volk“ rechnen.
V26. Das Zitat aus Hosea 2 handelt jedenfalls eindeutig von der Berufung der Heiden (Hos 2,1). Da ist von „Söhnen [Kindern] des lebendigen Gottes“ die Rede. Das ist ein typischer Ausdruck für die Beziehung zu Gott, in die die Christen gebracht sind. Mit Juden und Heiden konnte Gott keinen Umgang mehr haben. Zu beiden Gruppen war gesagt worden: „Ihr seid nicht mein Volk.“ Für die Juden galt das, seitdem Gott infolge ihrer Untreue die Verbindung mit ihnen abbrechen musste. Die Gefangenschaft war das traurige Ergebnis. Für die Heiden hatte dies schon immer gegolten. Gott hatte sie ihre eigenen Wege gehen lassen. Paulus, der Apostel der Nationen, führt diesen Vers nun als Beweis dafür an, dass alle, die Gott aus Juden und Heiden berufen hat, jetzt von Ihm „Söhne [Kinder] des lebendigen Gottes“ genannt werden.
V27. Auch der Prophet Jesaja hat Aussprüche getan, mit denen Paulus seine Darstellung der souveränen Gnade Gottes untermauern kann. Wie zahlreich Israel auch war – hätte die Gerechtigkeit Gottes ihren Lauf genommen, hätten alle gerichtet werden müssen. Es wäre nichts übrig geblieben. Doch Gottes uneingeschränkte Gnade hat die Errettung eines Überrests vorgesehen.
V28–29. Die Sache, die Gott auf der Erde vollenden wird (Vers 28), ist das gerechte Gericht, das das ungläubige Volk Israel treffen wird. Das wird erst nach der Entrückung der Versammlung stattfinden. Dass es dennoch einen Überrest geben wird, ist Gott selbst, dem Herrn Zebaoth, zu verdanken. Obwohl es so scheint, als würden sich seine Pläne nicht erfüllen, wird Er doch der Herr eines großen Volkes sein, das aus diesem Überrest entstehen wird. Dies alles ist der Tatsache zu verdanken, dass der Herr Jesus für diesen Überrest der Gerechtigkeit Gottes Genüge getan hat. Das wird der Überrest erkennen. Davon sprechen andere Propheten.
V30–33. Der Schlussfolgerung begegnen wir in Vers 30 und den folgenden Versen. Die Nationen haben die Gerechtigkeit aus Glauben erlangt. In früheren Kapiteln dieses Briefes hast du bereits gesehen, dass der Glaube das einzige Mittel ist, um vor Gott gerechtfertigt zu werden. Israel, das seine eigene Gerechtigkeit vor Gott zu erlangen suchte, versagte darin. Warum? Weil sie meinten, dass Gott ihnen seine Gerechtigkeit aufgrund des Haltens des Gesetzes geben würde. Doch als Christus kam, haben sie sich an Ihm gestoßen. Er machte offenbar, dass für sie das Halten des Gesetzes nur dazu diente, sich selbst zu erhöhen. Sein Kommen „nach Zion“ (also zu Israel) und sein Auftreten unter ihnen brachte ihre böse Gesinnung ans Licht. Das konnten sie nicht ertragen, und deshalb haben sie Ihn verworfen. Sie haben sich an Ihm gestoßen und sind dadurch zu Fall gekommen. Somit haben sie den Segen verwirkt.
Das Kapitel endet mit dem nochmaligen Hinweis, dass das Herz Gottes jedem (ohne Unterschied zwischen Juden und Heiden) nachgeht. Die einzige Bedingung, um das zu erlangen, was Gott geben will, ist der Glaube. Wer an Ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.
Lies nun noch einmal Römer 9,24–33.
Warum ist es wichtig, auch das Alte Testament kennen zu lernen?