1 Zion wird erhaben sein
1 Und es wird geschehen am Ende der Tage, da wird der Berg des Hauses des HERRN feststehen auf dem Gipfel der Berge und erhaben sein über die Hügel. Und Völker werden zu ihm strömen;
Aus der tiefsten Erniedrigung, die im letzten Vers des vorigen Kapitels gezeigt wird (Mich 3,12), wird Zion in der Zukunft zur höchsten Herrlichkeit erhoben werden. Das letzte Wort Gottes ist nicht das Gericht. In der Tat kann die Herrlichkeit erst nach dem Gericht über die Sünde kommen. Das ist das Wunder des Kreuzes. Jeder Segen ist gegründet auf dem Werk Christi am Kreuz, einschließlich des zukünftigen Segens für Israel.
Es fällt auf, dass die Verse 1–3 fast wortwörtlich einigen Versen am Anfang von Jesaja 2 ähneln (Jes 2,2–4). Eine Diskussion darüber, wer vom anderen abgeschrieben hat, ist müßig. Der Heilige Geist hat beide Texte eingegeben. Und Er hat es gut gefunden, dass beide die gleiche Szene mit den gleichen Worten in ihre Prophezeiung aufgenommen haben.
Der Ausdruck „am Ende der Tage“ oder „in den letzten Tagen“ wird von den Propheten häufiger verwendet (Jer 49,39; Dan 2,28; 10,14; Hos 3,5). Sie beziehen sich auf die Zeit, in der der Messias die Regierung Israels und der Welt übernimmt. Israel ist dann durch die große Drangsal gegangen und ein gläubiger Überrest des Volkes wird das ganze Land Israel erben (vgl. Röm 11,26). Dann wird die Zeit des Segens für Israel kommen. Auch die Nationen werden an dem Segen teilhaben, indem sie zum Zentrum dieses Segens, dem Haus des HERRN in Jerusalem, kommen. In der gegenwärtigen Zeit gehen die Boten des Herrn zu den Nationen hinaus, aber dann werden die Nationen von überall her nach Zion kommen.
Der Berg des Hauses des HERRN ist der Tempelberg, der Berg Morija. Wenn wir diesen Berg jetzt betrachten, ist er nicht buchstäblich „der Gipfel der Berge“. In geistlicher Hinsicht wird dieser Berg der höchste Berg sein. Was ihn zum Haupt oder zum wertvollsten Berg macht, ist der Tempel, der dort steht. Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass in der Zukunft der Tempelberg auch buchstäblich der höchste Berg sein wird. Dies kann Gott bewirken. In der Zeit der großen Drangsal wird es enorme Naturkatastrophen geben (Off 16,18). Es ist möglich, dass dadurch die Landschaften große tektonische Veränderungen erfahren und z. B. der Tempelberg über die Hügel erhoben wird.
Es gibt auch eine geistliche Bedeutung für die Gemeinde heute. Die Gemeinde ist jetzt das Haus Gottes (1Tim 3,15). Gott hat die Gemeinde auf der Erde gelassen, um die Wahrheit als Säule und Stütze der Wahrheit festzuhalten und hochzuhalten. Wenn Gläubige dem Herrn Jesus im Gehorsam gegenüber seinem Wort treu dienen, erfüllen sie Gottes Absicht mit der Gemeinde. Ihr Leben erhebt sich dann moralisch über das Leben der Menschen, die Gott nicht berücksichtigen. Das Ergebnis kann sein, dass Ungläubige angezogen werden, um diesen Gott kennenzulernen.
2 Von Zion wird das Gesetz ausgehen
2 und viele Nationen werden hingehen und sagen: Kommt und lasst uns hinaufziehen zum Berg des HERRN und zum Haus des Gottes Jakobs! Und er wird uns belehren aus seinen Wegen, und wir wollen wandeln auf seinen Pfaden. Denn von Zion wird das Gesetz ausgehen und das Wort des HERRN von Jerusalem;
Weil auf jenem Gipfel der Berge das Haus des Gottes Jakobs steht, werden die Völker dorthin gehen. Dann werden sie aus Washington, Brüssel und Moskau und all den anderen Städten, wo jetzt die Politik der Welt gemacht wird, kommen, um von „dem Gott Jakobs“ zu lernen. Sie ziehen nicht hinauf, um gegen Jerusalem zu kämpfen (Vers 11), sondern sie kommen, weil sie von Gott lernen wollen, wie Er will, dass sie wandeln (vgl. Sach 8,20–23).
Die Belehrung ist „aus seinen Wegen“, das sind die Wege des HERRN, sowie Er Dinge tut. Wenn man seine Wege studiert, lernt man, wie man sie selbst gehen kann. Diese Wege sind Wege, die Gott in seiner Beziehung zu den Menschen gegangen ist und geht und auf denen Er sie führt. Mit der Aufforderung „komm“ werden sie sich gegenseitig ermutigen, dieser Belehrung zu folgen.
Die Worte „denn von Zion wird das Gesetz ausgehen“ sind wieder Worte des Propheten und nicht der Nationen. Sie weisen auf den Grund hin, warum die Nationen so eifrig zu dem Berg des HERRN hinaufziehen wollen. Zion ist die Quelle des Gesetzes, die Grundlage des Reiches. In Zion beziehen die Völker die Belehrungen zum Wandel auf den Wegen Gottes. Mit der dort gewonnenen und angenommenen Gesetzeskenntnis kehren sie in ihre Heimat zurück. Dort geben sie die empfangene Lehre des Gesetzes weiter, damit ihr Volk danach wandelt.
Die Reihenfolge ist wichtig: erst die Belehrung, dann die Praxis. Nur wenn wir vom Herrn gelernt haben, können wir in seinem Weg wandeln. Der Christ, der in Frieden mit Gott lebt, wird die gleiche Sehnsucht in seinem Herzen haben wie die Nationen später. Bei ihm gibt es keinen Widerspruch zwischen der Praxis und der Lehre der Heiligen Schrift. Es wird keine Verachtung für das Studium der Schrift geben, als ob es nur um das praktische Christentum ginge. Wie kann es eine Praxis geben, wenn wir nicht gelernt haben, was zu praktizieren ist?
3 Kein Krieg mehr
3 und er wird richten zwischen vielen Völkern und Recht sprechen mächtigen Nationen bis in die Ferne. Und sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Speere zu Winzermessern; nicht wird Nation gegen Nation das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr lernen.
Zu dem Herrn Jesus, dem Messias, zu kommen, um von Ihm belehrt zu werden, ist nicht ohne Ergebnis. Wenn gegenseitige Streitigkeiten beigelegt werden, ist das die Frucht des Hörens auf das Gesetz und die Worte des Herrn.
Jetzt marschieren die Nationen noch gegen Israel, aber dann wird der Herr Jesus als Messias regieren. Er wird König und Lehrer sein, aber auch Richter in allen Streitigkeiten zwischen den Völkern, bis in die fernsten Winkel der Erde. In jener Zeit wird es nicht nötig sein, zu den Waffen zu greifen, denn der HERR wird in Frieden regieren. Alle Waffen, die zur Zerstörung gemacht wurden, werden zu Werkzeugen geschmiedet werden, die das Gemeinwohl fördern. Dies ist das Gegenteil der Situation, in der sich die Nationen gegen Israel zur letzten großen Schlacht versammeln (Joel 4,9.10a), um von Christus besiegt zu werden.
Die Militärakademien sind geschlossen, ihre Zeit ist vorüber. Diese Zeit des Friedens ist nicht das Ergebnis der Bemühungen menschlicher Organisationen wie der Vereinten Nationen oder von Bündnissen. Sie sind sich untereinander kaum einig, weil sie immer ihre eigenen Interessen verfolgen. Wie könnten sie dann eine Situation des allgemeinen Friedens schaffen? Niemals wird ein Mensch oder ein Bündnis, wie wohlwollend auch immer, dieses Ergebnis erreichen. Das törichte Streben nach einer Welt ohne Krieg ist dasselbe wie das Streben, Wasser in einem Sieb zu sammeln. Nur durch den Herrn Jesus, den Friedensfürsten, wird der Krieg abgeschafft und dauerhafter Friede kommen.
Während der Friede auf der ganzen Erde jetzt noch nicht vorhanden ist, findet er sich bereits in den Herzen und im Leben der Gläubigen (Röm 14,17). Menschen, die sich zuerst gehasst haben, werden durch die Bekehrung zu Gott und den Glauben an den Herrn Jesus zu Menschen, die sich lieben (Tit 3,2.3). Hitzköpfe und jähzornige Menschen, die in ihrer sündigen Natur wild und grob sind, werden sanftmütig und demütig. Diejenigen, die vor ihrer Bekehrung jeden beleidigten und niemanden ertragen konnten, können nach ihrer Bekehrung jede Beleidigung ertragen und werden niemandem Schaden zufügen.
4 Das Reich des Friedens ist gekommen
4 Und sie werden sitzen, jeder unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum, und niemand wird sie aufschrecken. Denn der Mund des HERRN der Heerscharen hat geredet.
Dieser Vers, der nicht in Jesaja 2 steht, ist eine Fortsetzung der Beschreibung des Friedensreiches. Nachdem der Frieden hergestellt ist, sehen wir hier das Genießen des Friedens. „Sitzen“ deutet auf eine Haltung des Friedens hin. Von dieser Szene strahlt die Gewissheit völliger Sicherheit, ungestörten Friedens und anhaltender Freude aus.
Wir kennen diese Szene aus der Regierungszeit Salomos (1Kön 5,5). Salomo ist ein schönes Beispiel für den Herrn Jesus als den Friedefürsten. Der Name Salomo bedeutet „Friede“. Der Herr sagt von ihm zu David: „Der wird ein Mann der Ruhe sein, und ich werde ihm Ruhe verschaffen vor allen seinen Feinden ringsum. Denn Salomo wird sein Name sein, und Frieden und Ruhe werde ich Israel geben in seinen Tagen“ (1Chr 22,9).
Der Weinstock ist das Symbol der Freude und der Feigenbaum der Gerechtigkeit. Es gibt Freude in einer Weise, die der Gerechtigkeit Gottes entspricht. Freude folgt auf die Ausübung von Gottes gerechten Gerichten. Infolgedessen genießen die Israeliten all diese Segnungen, die sie auch miteinander teilen werden, was die Freude nur noch größer macht (Sach 3,10).
Was wir hier sehen, ist ein Bild des Friedens abseits der üblichen Aufenthaltsorte. Auch auf dem freien Feld gibt es Sicherheit und Freude. Es gibt keine Armut, niemand streckt seine Hand nach dem Besitz eines anderen aus, es gibt keine Angst vor Krieg und Verlust des Besitzes, keine Angst, das harmonische Leben zu stören (3Mo 26,6). Das ist keine Utopie, sondern wird Wirklichkeit werden. Gott hat geredet und deshalb wird es auch geschehen.
5 Wandeln im Namen des HERRN
5 Denn alle Völker werden wandeln, jedes im Namen seines Gottes; wir aber werden wandeln im Namen des HERRN, unseres Gottes, immer und ewig.
Der erste Teil des Verses bezieht sich nicht auf die Zukunft, sondern auf die Situation jetzt. Denn im Friedensreich wandelt niemand im Namen seines eigenen Gottes. Micha erklärt, dass von den Völkern jetzt jedes im Namen seines eigenen Gottes wandelt. Aber Israel wird in der eben beschriebenen Zeit des Segens und des Friedens in der Kraft und Stärke seines Gottes wandeln und Ihn anbeten.
Nur durch seinen Namen kommt und bleibt der Frieden (Sach 10,12), während alle Namen der Götter der Völker nichts bewirken, geschweige denn etwas bewahren können. Zahllose Völker wandeln im Namen des Papstes oder Buddhas oder Mohammeds. Sie haben keine Lösung für die Probleme der Welt gebracht und schon gar nicht für die Frage der Sünde. All ihre Bemühungen haben den Abfall von Gott nur vergrößert.
Im Namen des Herrn zu wandeln, bedeutet mehr, als sich nur an die religiösen Anforderungen zu halten, die mit Gott verbunden sind. Es bedeutet, im Vertrauen auf die Kraft Gottes zu leben. Dadurch wird offenbar, wer Er ist. Das Wandeln im Namen eines Götzen ist zeitlich begrenzt. Das Leben im Vertrauen auf den HERRN, unseren Gott, ist „immer und ewig“, oder endlos. Für immer wird sein Volk und jeder, der mit Ihm verbunden ist, seine Macht erfahren.
6 Sammeln und zusammenbringen
6 An jenem Tag, spricht der HERR, werde ich das Hinkende sammeln und das Vertriebene zusammenbringen und den, dem ich Übles getan habe.
Bevor Israel die Herrlichkeiten und Segnungen unter der Herrschaft des Messias genießen kann, muss es erst aus der weltweiten Zerstreuung gesammelt und in sein eigenes Land zurückgebracht werden. Der HERR selbst wird das tun, sagt Micha.
„An jenem Tag“ weist auf denselben Zeitraum hin wie „am Ende der Tage“ in Vers 1. Das Zusammenbringen der Vertriebenen ist das gleiche Bild wie in Micha 2 (Mich 2,12.13). Dort geht es um „dich, Jakob, ganz“, die beiden Reiche, auf dem Weg zum Frieden. Hier geht es um die, die zerstreut wurden und nun als zum Frieden gelangt dargestellt werden. In beiden Fällen – „das Hinkende“ und „den, dem ich Übles getan habe“ – geht es um einen Überrest.
7 Ein Überrest wird zu einer gewaltigen Nation
7 Und ich werde das Hinkende zu einem Überrest und das weit Entfernte zu einer gewaltigen Nation machen; und der HERR wird König über sie sein auf dem Berg Zion, von nun an bis in Ewigkeit.
Die Schafe sind in einem schlechten Zustand. Sie werden anerkennen, dass dies die Folge ihrer Sünden ist und dass der HERR sie dafür bestrafen musste. Durch dieses Eingeständnis wird Er sie nicht weiter ausrotten, sondern sie zu einem Überrest machen. Dann wird Er ihre Zahl vermehren und sie stark machen (vgl. Jes 60,22). Er wird über sie herrschen „auf dem Berg Zion“, dem Berg, der von Gottes Gnade spricht (Heb 12,22). Es gibt kein Ende seiner gütigen Herrschaft (Dan 2,44).
8 Wiederherstellung der früheren Herrschaft
8 Und du, Herdenturm, du Hügel der Tochter Zion, zu dir wird gelangen und zu dir wird kommen die frühere Herrschaft, das Königtum der Tochter Jerusalem.
Migdal-Eder – hier mit „Herdenturm“ übersetzt – liegt zwischen Bethlehem und Hebron (1Mo 35,21). Dort beging Ruben die schwere Sünde, mit Bilha, der Nebenfrau seines Vaters, Gemeinschaft zu haben. Dadurch hat er sein Erstgeburtsrecht verwirkt (1Mo 49,4; 1Chr 5,1). „Hügel“ ist der südöstliche Abhang des Tempelbergs.
Mit diesem ist „die frühere Herrschaft“ verbunden. Dies bezieht sich zurück auf die Zeit der Herrschaft Israels durch David und Salomo. Ihre Herrschaft ist ein Bild für die Herrschaft des wahren David. Wenn Christus als Sohn Davids regiert, wird „die Tochter Jerusalem“, d. h. die Bewohner Jerusalems, mit Ihm regieren. Die Herrschaft der Nationen über Jerusalem wird dann endgültig zu Ende sein.
9 Ein Geschrei
9 Nun, warum erhebst du ein Geschrei? Ist kein König in dir? Oder ist dein Ratgeber umgekommen, dass dich Wehen ergriffen haben wie eine Gebärende?
Von der herrlichen Vision der fernen Zukunft in den vorherigen Versen werden wir plötzlich in die gegenwärtige Krise zurückversetzt. Der Prophet kehrt zurück in die dunkle Zeit der nahen Zukunft, die für das Volk kurz bevorsteht. Obwohl es noch ein Jahrhundert dauern wird, spricht Micha in emotionalen Worten von der Belagerung durch den König von Babylon und seinem Einmarsch in Juda. Die Gefangenschaft in Babylon steht unmittelbar bevor. Dies wird großen Kummer verursachen. Die Schmerzen, die sie wegen des Verlustes ihrer nationalen Souveränität empfinden werden, werden mit denen einer gebärenden Frau verglichen. (Jer 6,24).
Der Prophet fragt sie, warum sie jetzt nicht zu ihrem König und Ratgeber gehen. Das sind ironische Fragen, gestellt an ein Volk, das die Drohung nicht ernst nimmt. Ihr König, dem sie vertrauen, wird in dieser bedrohlichen Zeit nicht da sein. Ihr Ratgeber, der so oft nützliche Ratschläge gegeben hat, wird unauffindbar sein.
Wenn die Worte „König“ und „Ratgeber“ eine Anspielung auf den HERRN sind, sind die Fragen nicht ironisch gemeint, sondern vorwurfsvoll.
10 Erst nach Babylon weggeführt und dann errettet
10 Kreiße und stöhne, Tochter Zion, wie eine Gebärende! Denn nun wirst du aus der Stadt hinausziehen und auf dem Feld wohnen und bis nach Babel kommen. – Dort wirst du errettet werden, dort wird der HERR dich aus der Hand deiner Feinde erlösen.
In diesem einen Vers spricht Micha zuerst vom Fall Jerusalems und der Wegführung nach Babylon, und dann, im gleichen Atemzug, von der Befreiung. Diese Redeweise soll die Verantwortung Israels nicht im Geringsten schmälern. Das Volk wird wegen seiner Sünden weggeführt werden. Aber ebenso sicher wird das Volk aufgrund der Verheißungen Gottes erlöst werden, die Er aus Gnade ohne jegliche Verpflichtung des Volkes gegeben hat.
Eine erste Erfüllung dieser Verheißung fand unter Kores statt (Esra 1,1; Jes 43,14; 44,28; 45,1–4; 48,20). Babel war die Geißel in Gottes Hand, um sein Volk zu züchtigen, aber Babel selbst wird durch Kores gerichtet werden.
Die Botschaft dieses Verses ist: Ihr werdet leiden müssen, aber dieses Leiden wird in Freude enden. Die Qualen wegen der Geburt sind groß, aber nach der Geburt gibt es Freude (Joh 16,21).
11 Viele Nationen versammeln sich gegen Zion
11 Und nun haben sich viele Nationen gegen dich versammelt, die sprechen: Sie werde entweiht, und unsere Augen mögen [mit Genugtuung] auf Zion sehen!
Zwischen Vers 10 und Vers 11 liegt ein großer Zeitraum, den Micha nicht erwähnt. Von der bevorstehenden Belagerung durch Nebukadnezar geht der Prophet zur Belagerung in der Endzeit über. Dann wird der letzte große Angriff auf Jerusalem durch die dann dort versammelten Nationen stattfinden. Davon lesen wir in Joel 4 und Sacharja 12 und 14.
In Vers 2 haben wir auch gesehen, dass die Nationen hinaufziehen, aber dort mit dem Wunsch, belehrt zu werden. Bevor es so weit ist, ziehen die Nationen hinauf mit der Absicht, die Stadt und das Volk Gottes endgültig zu zerstören. Sie wollen die Stadt entweihen, indem sie alle heiligen Stätten zerstören, besonders den Tempel. Sie stören sich an seiner Heiligkeit, sie können es nicht ertragen, dass diese Stadt Gott geweiht ist.
Die Feinde freuen sich über die Pein, die sie den Bewohnern Jerusalems zufügen werden. Ihr tiefster Grund für den Angriff ist ihr Hass auf Gottes König. Gegen Ihn erheben sie sich. So wie sie Ihn verworfen haben, als Er auf der Erde war, so werden sie es auch später wieder tun wollen. Sie dulden Ihn nicht, weil Er ihre Pläne durchkreuzt.
12 Der Herr versammelt die Nationen zum Gericht
12 Aber sie kennen die Gedanken des HERRN nicht und verstehen seinen Ratschluss nicht; denn er hat sie gesammelt, wie [man] Garben auf die Tenne [sammelt].
Aber die Nationen kennen die Liebe, Weisheit und Gnade Gottes gegenüber seinem Volk nicht. Sie erkennen auch nicht, dass all ihre Planungen sie genau dahin bringen, wo Gott sie haben will. Wenn die Feinde sich vor Zion versammeln, um mit ihnen zu handeln, beschließt der HERR, mit ihnen zu handeln. Er sammelt sie wie Garben auf die Tenne, um sie völlig zu besiegen (Jer 51,33).
Der König von Assyrien ist eine Rute in Gottes Hand, um sein Volk zu züchtigen. Gott will sie durch diese Züchtigung zur Umkehr bringen. Aber das ist nicht der Gedanke, den der König von Assyrien hat, wenn er gegen Gottes Volk vorgeht (Jes 10,7). Gott benutzt die selbstsüchtigen Gedanken von Menschen und Nationen, um seine eigenen Pläne zu erfüllen. So ist es auch hier. Die Nationen sind gegen Zion versammelt wie Krieger auf dem Feld, aber Gott sammelt sie wie Garben auf die Tenne (vgl. Off 16,14.16), um sie zu zerschmettern.
Sie könnten nicht so einfach und so vollständig vernichtet werden, wenn sie nicht gegen Zion versammelt wären. In gleicher Weise erweisen sich die Pläne der Feinde gegen die Gemeinde auch als Mittel zu ihrer eigenen Zerstörung. Sie bewirken ihren eigenen Untergang, wenn sich ihr Fuß in dem Netz verfängt, das sie für andere ausgelegt haben.
13 Zion zermalmt die Völker
13 Mach dich auf und drisch, Tochter Zion! Denn ich werde dein Horn zu Eisen und deine Hufe zu Erz machen, und du wirst viele Völker zermalmen; und ich werde ihren Raub dem HERRN verbannen und ihr Vermögen dem Herrn der ganzen Erde.
Er wird das Dreschen, also das Richten der gottlosen Nationen den bedrängten Einwohnern Jerusalems überlassen. Er wird ihnen die Stärke geben. Dieses Gericht ist kein rachsüchtiger Ausdruck von Kränkung, sondern es wird zur Ehre Gottes geschehen. Die Kriegsbeute wird durch Bann dem HERRN geweiht (3Mo 27,28). Das kann z. B. dadurch geschehen, dass der Tempel damit geschmückt wird. In jedem Fall wird die Beute zur Ehre seines Reiches dienen.
„Der HERR“, Jahwe, der Gott des Bundes mit seinem Volk, wird an jenem Tag als „der Herr“, Adonai, der Herrscher, „der ganzen Erde“ bekannt sein. Alles gehört Ihm. Er nimmt alles zurück, was sich das Volk in Ungerechtigkeit angeeignet hat und womit es in Rebellion gegen Ihn gelebt hat.
Zion wird die Ehre haben, über die Nationen zu triumphieren, wenn sie wie Garben auf die Tenne zusammengetragen werden. Anstatt sich vor ihnen zu fürchten und vor ihnen zu fliehen, wird sie mit Kraft gegen ihre Feinde vorgehen. Dann wird bei ihren Feinden Furcht herrschen und sie werden versuchen zu fliehen.
Gegen ihre Feinde wird der HERR ihr Horn – das Horn ist ein Bild von Kraft – aus Eisen machen. Damit werden sie die Feinde abwehren. Er wird ihnen auch Hufe von Erz geben, um sie damit zu zermalmen. Auf diese Weise werden sie die Völker zermalmen, die Israel so lange bedrängt und angefeindet haben.
Wenn Gottes Zeit gekommen ist, wird die Tochter Babel wie eine Tenne gemacht werden (Jer 51,33). Und der Wurm Jakobs wird der Dreschschlitten sein, mit dem Gott die Berge dreschen und zermalmen und die Hügel behandeln wird, als wären sie Spreu (Jes 41,14.15). Dann kehrt sich die Situation um, denn zuerst war Jakob die Tenne und Babel der Dreschschlitten (Jes 21,10).
Wenn Gott seinem Volk die Aussicht auf Sieg gibt, rüstet er es auch mit Kraft und Geschick aus. Davon wird die Tochter Zion Gebrauch machen. In sich selbst hat sie keine Kraft. Aber sie wird aufstehen. Es ist ihre Verantwortung zu dreschen. Die Ehre des Sieges gehört Gott. Zion wird das gedroschene Getreide als Speisopfer auf Gottes Altar bringen. Die Beute von Zions Sieg wird in das Heiligtum gebracht und Gott geweiht (vgl. 4Mo 31,28; Jos 6,17).
Auf allem, was wir haben, muss geschrieben stehen „Heilig dem HERRN“ (Sach 14,20.21). Außergewöhnliche Segnungen verlangen nach außergewöhnlicher Dankbarkeit. Gott hat es möglich gemacht, dass wir alles, was wir besitzen, auch tatsächlich erhalten. Deshalb wird Er mit allem, was uns zuteil geworden ist, verherrlicht werden.
14 Der Richter Israels wird auf die Wange geschlagen
14 Nun dränge dich zusammen, Tochter des Gedränges: Man hat eine Belagerung gegen uns gerichtet; mit dem Stab schlagen sie den Richter Israels auf die Wange.
Für diesen Vers sind mehrere Erklärungen gegeben worden. Das zeigt, dass seine Bedeutung nicht sofort ersichtlich ist. Es scheint, dass dieser Vers drei Teile hat, jeder mit seinem eigenen Thema. Zwischen den Teilen oder Themen gibt es eine klare Verbindung.
Die erste Zeile ist ein Ruf des HERRN an Assyrien, die „Tochter des Gedränges“. Assyrien wird aufgerufen, sich zusammenzudrängen und in Schlachtordnung zu stehen, um gegen Jerusalem in den Krieg zu ziehen (vgl. Joel 2,9–12a; Ps 83,1–9).
In der zweiten Zeile hören wir, was der treue Überrest sagt. Sie sehen die Heere kommen. Sie erkennen an, dass sie vom HERRN als das unvermeidliche Gericht über den Götzendienst der ungläubigen Masse der Juden gesandt werden. Durch das Wort „uns“ macht Micha sich eins mit dem Teil der Bevölkerung, der dem HERRN treu ist. Er nimmt im Geist seinen Platz bei ihnen in der belagerten Stadt ein.
In der dritten und vierten Zeile gibt der Prophet die Ursache des Gerichts, die Antwort auf die Frage, warum diese Belagerung stattgefunden hat. Die korrekte Übersetzung dieses Teils lautet: „Mit einem Stab haben sie den Richter Israels auf die Wange geschlagen.“ Das bezieht sich auf die Ablehnung des Herrn Jesus, denn Er ist „der Richter Israels“. Er wird so genannt, weil er die richterliche Gewalt hat, während Er so ungerecht behandelt und verurteilt wurde. „Auf die Wange schlagen“ bedeutet, ihn mit Verachtung zu behandeln (vgl. 1Kön 22,24; Hiob 16,10).
Alle Bedrängnis und Unterdrückung, die Jerusalem in der Zukunft heimsuchen werden, sind das Ergebnis ihrer Ablehnung des Messias, des gesalbten Königs Gottes. Sie haben ihn gedemütigt und misshandelt. Deshalb kommt der Zorn Gottes über sie, den Er dadurch ausübt, dass Er feindliche Nationen gegen Jerusalem schickt.