Einleitung
Dieses Kapitel kann in drei gleiche Teile unterteilt werden. Jeder der drei Teile beginnt mit einer Anklage gegen die verantwortlichen Leiter und endet mit einer Verurteilung:
1. Die Verse 1–4 sind an die Häupter und Fürsten gerichtet,
2. die Verse 5–8 an die falschen Propheten und
3. die Verse 9–12 an die beiden vorhergehenden Kategorien, zu denen noch die Priester hinzukommen.
Das Schlüsselwort ist das Wort „Recht“ (Verse 1.8.9).
1 Das Recht kennen
1 Und ich sprach: Hört doch, ihr Häupter Jakobs und ihr Fürsten des Hauses Israel: Ist es nicht an euch, das Recht zu kennen? –
Micha spricht wieder „Jakob“ und „Israel“ an. Er tat dies im Segen am Ende des vorherigen Kapitels (Mich 2,12). Dort geht es um einen treuen Überrest, während es sich hier um die untreuen Führer handelt. Die „Häupter“ und „Fürsten“ sind Richter und Führungskräfte des Volkes.
Micha stellt ihnen eine eindringliche Frage, die ihr Gewissen berühren sollte. Sie, die mehr als jeder andere wissen, was Recht ist und über andere urteilen, tun und bewirken das schlimmste Unrecht. Auf schreckliche Weise verdrehen sie das Recht, das sie zu halten haben und das im Gesetz Moses festgelegt ist. Damit entehren sie vor allem den HERRN, denn Er ist der Gesetzgeber.
In vielerlei Hinsicht gleichen sie den Pharisäern und Schriftgelehrten in den Tagen des Herrn Jesus. Der Herr prangert das fromme Verhalten dieser Leute und ihre Ausbeutung der sozial Schwachen an (Mk 12,38–40). Diese Gesetzeshüter schauen mit Verachtung auf das „unwissende“ Volk herab (Joh 7,49). Geblendet von der Verfolgung ihrer eigenen Interessen sind sie stets darauf aus, den zu töten, der das Gesetz gegeben hat (Joh 5,18; 11,53).
2 Das Gute hassen und das Böse lieben
2 die ihr das Gute hasst und das Böse liebt; die ihr ihnen die Haut abzieht und das Fleisch von ihren Gebeinen;
Hassen und Lieben beziehen sich auf ihre Gesinnung und zeigen die verdorbene Grundhaltung dieser Menschen. Sie tun nicht nur nicht das Gute, das sie tun sollten, sondern sie verabscheuen es. Es ist schon Sünde, wenn jemand das Gute nicht liebt, geschweige denn, wenn er es hasst. Genauso verhält es sich mit dem Bösen. Sie tun das Böse, aber nicht nur das, sie lieben das Böse regelrecht. Es ist schon verkehrt, wenn jemand nicht vor dem Bösen flieht, geschweige denn, wenn er es liebt.
Diese Menschen sind keine Hirten, sondern Schlächter, oder noch schlimmer, Kannibalen. Anstatt zu heilen, was zerbrochen ist, zerbrechen sie, was heil ist. Anstatt die Herde zu ernähren, nutzen sie die Herde aus. Sie scheren die Schafe nicht, sondern reißen ihnen die Haut ab. Anstatt die Herde vor wilden Tieren zu schützen, verhalten sie sich wie wilde Tiere inmitten der Herde.
In Johannes 10 verwendet der Herr Jesus drei Begriffe für diese Leute: Diebe, Mietlinge und Wölfe (Joh 10,10–13).
1. Der Dieb kommt heimlich und sieht die Schafe als Profitquelle. Um optimalen Gewinn zu erzielen, ist er bereit, nicht nur zu stehlen, sondern auch zu schlachten und zu verderben.
2. Ein Mietling denkt nur an seine eigene Sicherheit. Sobald Gefahr für ihn selbst besteht, lässt er die Schafe im Stich und flieht.
3. Der Wolf handelt nach seiner eigenen Natur. Er denkt nicht an Gewinn oder Gefahr, sondern reißt und raubt, jagt Angst ein und sät Verwirrung.
Das Abziehen der Haut entspricht unserer Redewendung „jemanden das Fell über die Ohren zu ziehen“, was bedeutet, jemandem mit Gewalt auszurauben. Sie nehmen ihnen alle Mittel zum Leben weg. „Die Haut abziehen“ kann bedeuten, ihnen die Kleider abzunehmen, und „Fleisch von ihren Gebeinen“ kann die Einnahme ihres Grundstücks beinhalten.
3 Kannibalismus
3 und die ihr das Fleisch meines Volkes fresst und ihre Haut von ihnen abstreift und ihre Gebeine zerbrecht und zerstückelt wie in einem Topf und wie Fleisch inmitten des Kessels.
Wenn Gott hier von „meinem Volk“ spricht, ist damit insbesondere der gläubige Teil davon gemeint. Sie sind besonders das Ziel dieser skrupellosen Menschen. In unverblümter Sprache schildert der Prophet den Richtern ihr bestialisches Verhalten. Sie rauben das Volk nicht nur aus, sondern sie handeln menschenverachtend, indem sie „das Fleisch meines Volkes fresst und ihre Haut von Ihnen abstreift“ wie bei Schlachtvieh.
In seiner Beschreibung zeigt Micha, dass diese Leute kein Mittel, sei es noch so abscheulich, unversucht lassen, um sich auf Kosten anderer zu bereichern und ihren Mitbürgern den Besitz zu rauben. Welch einen Kontrast bilden diese Führer zum Hirten aus Micha 2 (Mich 2,12). Wir sehen diesen Kontrast auch in Hesekiel 34 (Hes 34,1–10.23–24).
Der Apostel Paulus zeigt eine völlig andere Gesinnung als diese korrupten Führer. Im Gegensatz zu den wilden Wölfen, von denen er weiß, dass sie sich nach seinem Weggang in die Gemeinde schleichen und die Herde nicht verschonen werden (Apg 20,29), zeigt er seine Gesinnung, wenn er sagt: „Ich suche nicht das Eure, sondern euch“ (2Kor 12,14).
4 Der HERR antwortet ihnen nicht
4 Dann werden sie zu dem HERRN schreien, und er wird ihnen nicht antworten; und er wird sein Angesicht vor ihnen verbergen zu jener Zeit, ebenso wie sie ihre Handlungen böse gemacht haben.
Nach der Anklage folgt das Urteil. Es gibt keine Barmherzigkeit für diejenigen, die keine Barmherzigkeit erweisen (Jak 2,13a). Sie hören nicht auf ihre Opfer, wenn diese um Gnade flehen. Wenn diese treulosen, unbarmherzigen Führer in dem Elend, das über sie kommen wird, zum HERRN schreien werden, wird Er nicht auf sie hören (5Mo 31,17; 1Sam 28,6; Jes 1,15; Jer 11,11; Spr 1,28; 21,13). Sie schreien nur zu Gott, um aus dem Elend befreit zu werden und nicht aus Reue über ihre Sünden und Missetaten.
Dass Gott sein Gesicht vor jemandem verbirgt, ist das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann (Ps 22,3; 69,18). Gott tut das hier mit seinem Volk. Es ist die Folge ihrer Sünden (Jes 54,8). Es bedeutet, dass Er ihnen seine Barmherzigkeit entzieht (Jak 2,13a). Es ist letztlich der Schrecken der Hölle. So gesegnet die Gnade Gottes ist, so entsetzlich ist sein Zorn. Gott hat immer geantwortet (Ps 22,6), aber wenn die Zeit der Gnade vorbei ist, werden die Bösen keine Antwort bekommen.
5 Erneut die falschen Propheten
5 So spricht der HERR über die Propheten, die mein Volk irreführen, die mit ihren Zähnen beißen und Frieden rufen; und wer ihnen nichts ins Maul gibt, gegen den heiligen sie einen Krieg:
Nachdem Micha in den vorherigen Versen über die Führer gesprochen hat, spricht er in den Versen 5–8 über die falschen Propheten. Ein Prophet soll Gottes Worte weitergeben und damit das Volk Gottes auf den richtigen Weg führen. Aber anstatt das Volk zu führen, verführen diese Propheten das Volk. Den falschen Propheten stellt Micha in Vers 8 den wahren Propheten gegenüber. Er spricht hier auf eine nahezu sarkastische Art und Weise.
Die Führer regieren durch Macht. Die falschen Propheten üben Macht aus, indem sie die Worte Gottes verdrehen. Auf diese Weise sind sie dabei, das Volk Gottes, das Gott als „mein Volk“ bezeichnet, in die Irre zu führen. Auf diese Weise unterstützen die Propheten die Richter in ihrer Bosheit. Heute gibt es starke Führungspersonen und auch Menschen mit einer fesselnden Ausstrahlung, die Wohlstand und Heilung versprechen, was viele täuscht. Das ist Machtmissbrauch. Gemeinsam ist ihnen, dass sie nicht dem Herrn Jesus dienen, sondern ihrem eigenen Bauch (Phil 3,19; Röm 16,18).
Falsche Propheten sind Menschen, die für einen Bissen Brot und etwas Geld Frieden und Glück vorhersagen. Um ihren eigenen Bäuchen zu dienen, täuschen sie die Menschen, anstatt ihnen ihre Sünde vorzuhalten und Buße zu predigen. Sie wiegen das Volk Gottes in den Schlaf, indem sie ihm schmeicheln und es in seinen Sünden ermutigen.
Und wenn sie nichts bekommen, weissagen sie den Untergang. Der Inhalt ihrer Predigten hängt von der Menge des Geldes ab, das sie erhalten. Sie lassen sich in ihrer Predigt von dem Geld oder den Geschenken, die sie erhalten, beeinflussen. Sie predigen nur für die Reichen und verheißen ihnen Wohlstand. Der Grad des Wohlstandes, den sie vorhersagen, hängt von der Höhe des Bestechungsgeldes ab. Den Armen wird gesagt, dass sie noch mehr Elend erleben werden, weil sie nichts haben, womit sie eine gute Botschaft kaufen könnten.
6 Nacht und Finsternis für die falschen Propheten
6 Darum soll es Nacht für euch werden, ohne Gesicht, und Finsternis für euch, ohne Wahrsagung. Und die Sonne wird über den Propheten untergehen und der Tag über ihnen schwarz werden.
Propheten sollen Licht für Gottes Volk verbreiten. Diese falschen Propheten geben vor, Licht zu haben und erleuchtete Menschen zu sein, die mehr wissen als die gewöhnlichen Mitglieder des Volkes Gottes. Aber falsche Propheten schöpfen aus dunklen Quellen. Daher wird Finsternis ihr Schicksal sein.
Weil diese falschen Propheten dem geweihten Amt des Propheten so viel Gewalt angetan haben, spricht der HERR ein vierfaches Gericht über sie aus, alle in Verbindung mit Finsternis. Das erste Gericht lautet auf Hebräisch kurz und bündig: „Nacht soll es für euch werden!“ Sie werden keine Gesichte aus dem Reich der Finsternis mehr sehen; es wird keine okkulten Erscheinungen mehr geben. Die Finsternis, mit der sie verbunden sind, wird sie vollständig umgeben. Ihre Wahrsagerei wird vorbei sein. Sie werden für niemanden mehr eine Botschaft aus dem Abgrund haben.
Sie werden nie wieder die Sonne sehen (Amos 8,9; Jer 15,9), es wird nie wieder Tag für sie sein. Der Untergang der Sonne zeigt treffend, dass diese Propheten keine Verbindung mit dem Herrn Jesus, der Sonne der Gerechtigkeit, haben. Sie haben andere in die Finsternis geführt, während sie ihnen das Licht präsentiert haben. Weil sie sich als göttlich erleuchtete Personen präsentieren, die denen, die sie um Rat fragen, Tageslicht versprechen, werden sie in der Finsternis enden.
7 Seher und Wahrsager beschämt
7 Und die Seher werden beschämt und die Wahrsager zuschanden werden, und sie werden allesamt den Lippenbart verhüllen, weil keine Antwort Gottes da ist.
„Die Seher“ und „die Wahrsager“ gehören zu den falschen Propheten. Ihre Schande wird offenbart werden, weil es keine Antwort von Gott geben wird. Es wird eine Zeit kommen, in der sie entblößt dastehen, sprachlos, weil alle ihre Prophezeiungen als Lügen entlarvt werden. Es wird deutlich werden, dass sie geredet haben, ohne dass der HERR sie gesandt hat. Ihre Schande wird sich zeigen, wenn sich keine ihrer schönen Verheißungen als wahr erweisen wird.
„Den Lippenbart verhüllen“ scheint ein Zeichen von Traurigkeit und hier auch von Scham zu sein (vgl. 3Mo 13,45).
8 Erfüllt mit Kraft zum Predigen
8 Ich hingegen, ich bin mit Kraft erfüllt durch den Geist des HERRN und mit Recht und Stärke, um Jakob seine Übertretung kundzutun und Israel seine Sünde.
Im Gegensatz zu den falschen Propheten spricht Micha nun von sich selbst und gibt die Merkmale des wahren Boten Gottes an. Er weiß von sich selbst, dass er durch den Geist Gottes spricht. Das ist kein Stolz, sondern das Bewusstsein der Gegenwart Gottes.
Jeder Teil dieses Verses ist von großer Bedeutung. Er zeigt die Vorbereitung und Zurüstung des Propheten Gottes. Er redet mit Kraft durch den Heiligen Geist (2Tim 1,7), während die falschen Propheten nur aus ihrem eigenen Geist reden (Hes 13,3). Er ist voll heiligen Mutes, dem Volk seine Sünden bekannt zu machen, ungeachtet der Wünsche des Volkes (Mich 2,6).
Wenn es einen so deutlichen Unterschied zwischen dem falschen Propheten und dem wahren Propheten gibt, wie kommt es dann, dass die Menschen nicht zwischen falsch und echt unterscheiden können? Die Ursache dafür ist ihr luxuriöses, üppiges Leben und ihr niedriger moralischer Zustand. Infolgedessen haben sie ein völliges Desinteresse an den Dingen Gottes. Der Materialismus hat ihre Augen geblendet und ihre Gefühle abgeflacht, sodass sie kein Interesse an diesen wesentlichen Dingen haben.
Und wenn sie ihre religiösen Gefühle befriedigen wollen, bezahlen sie gerne einen falschen Propheten mit einem Teil ihres Vermögens. Im Gegenzug hält er ihnen eine Predigt, die ihr Gewissen beruhigt und sie in ihrer Lust schwelgen lässt. Das Gleiche gilt für die heutige Christenheit. Man wählt und bezahlt einen Prediger, der seine Worte so vorsichtig abwägt, dass er jede Anregung des Gewissens umgeht und verhindert (2Tim 4,1–4).
Diese Art von Predigern sind falsche Propheten, die glauben, dass die Gabe Gottes durch Geld erlangt werden kann (2Pet 2,15; Apg 8,18; Jud 1,11). Wahre Propheten sind nicht darauf aus, Menschen zu gefallen, sondern sie gefallen Gott, der das Herz prüft (1Thes 2,4; Gal 1,10). Sie lassen sich nicht bestechen, um das zu sagen, was die Menschen gerne hören. Weil Micha frei von den Verbrechen seiner Zeitgenossen ist, kann er sich mit der Kraft eines reinen Gewissens an seine Widersacher wenden. Furchtlos kann er gegen die Sünden des Hauses Israel Zeugnis ablegen.
Eine solche Nachricht wird nicht mit Begeisterung aufgenommen. Zähneknirschend wird ihm zugehört. Nur wenige lassen sich von ihm ansprechen. Wer vom HERRN zur Zurechtweisung berufen ist, braucht deshalb viel Mut zum Durchhalten.
Für diesen Dienst und das Ausharren darin ist es notwendig, mit dem Geist Gottes erfüllt zu sein. Mit dem Geist erfüllt zu werden, ist ein Gebot für jeden Gläubigen (Eph 5,18), wie viel mehr für diejenigen, die anderen das Wort Gottes vorstellen. An Pfingsten werden alle Gläubigen mit dem Geist erfüllt, aber es geschieht auch später noch (Apg 13,52). Die Fülle des Geistes zu empfangen, wird nur eingeschränkt durch unser Unvermögen. Wenn es in unserem Leben Elemente gibt, die das verhindern, müssen wir sie zuerst beseitigen.
9 - 10 Das Recht verabscheuen und krümmen
9 Hört doch dies, ihr Häupter des Hauses Jakob und ihr Fürsten des Hauses Israel, die ihr das Recht verabscheut und alles Gerade krümmt; 10 die ihr Zion mit Blut baut und Jerusalem mit Unrecht.
Dass Micha ein wahrer Prophet ist, zeigen diese und die folgenden Verse einmal mehr. Er nimmt kein Blatt vor den Mund. Erfüllt vom Geist und von Kraft, stellt er den Führern des Volkes ihre Sünden vor Augen (Vers 9). In kraftvoller Sprache, die die Führer als sehr abstoßend empfunden haben müssen, entlarvt er ihre korrupten Gedanken und ihre bösen Taten. Sie verabscheuen Gerechtigkeit und sind nicht bereit, ehrlich zu sein. Amos spricht auch von Menschen, die das Recht verabscheuen (Amos 5,10). Das Krümmen des Rechts ist die absichtliche Falschdarstellung von Tatsachen.
„Mit Blut baut“ (Vers 10) bedeutet, dass ihre schönen Bauwerke durch grausame Erpressungen errichtet wurden. Wir können auch an Justizmorde denken, wie sie Ahab (1Kön 21,1–15) und später Jojakim (Jer 22,13–17; vgl. Hab 2,12) begingen. Auf diese Weise meinen sie, Zion fester im Griff zu haben und zu einem höheren Ansehen zu gelangen. Sie halten sich für fähige Leiter. Jeder, der ihren Plänen im Wege steht, wird auf gerichtlichem Weg enteignet. Diese gerichtliche Methode ist so angelegt, dass sie in ihre Pläne passt. Auf diese Weise wird Jerusalem „mit Unrecht“ gebaut. Jeder Widerstand dagegen ist sinnlos.
In Wahrheit bauen sie aber nicht die Stadt auf, sondern bereiten sie für ihre Zerstörung vor, wie es in Vers 12 heißt. Bevor Micha das sagt, fasst er in Vers 11 die Sünden der verschiedenen Führer zusammen.
11 Hochmütige Prahlerei
11 Seine Häupter richten für Geschenke und seine Priester lehren für Lohn, und seine Propheten wahrsagen für Geld; und sie stützen sich auf den HERRN und sagen: Ist nicht der HERR in unserer Mitte? Kein Unglück wird über uns kommen!
Das gesamte Rechtssystem ist von Grund auf korrupt. Alle, die einen Platz mit Ansehen und Autorität haben, sind auf ihren eigenen Vorteil aus (Jer 6,13). „Seine Häupter“, die zivilen Behörden, die Vollstrecker des bürgerlichen Rechts, müssen eigentlich für eine ehrliche und gerechte Justiz sorgen. Aber sie lassen sich bestechen (2Mo 23,8). Bei Lizenzvergaben z. B. bekommen die großen Geschäftsleute die Lizenzen, indem sie entsprechende Bestechungsgelder zahlen. Die kleinen Betriebe haben keine Chance und gehen irgendwann bankrott.
„Seine Priester“ haben die Aufgabe, das Volk in den Wegen Gottes zu unterweisen. Den Lohn dafür erhalten sie vom HERRN (4Mo 18,20; 5Mo 17,8–11; 18,2; 21,5; 3Mo 10,11; Hes 44,23.24; Mal 2,7). Aber diese Priester unterweisen nur, wenn sie dafür bezahlt werden. Ihre Zungen sind zu mieten. Sie sind „würdige“ Nachfolger von Bileam, der den Lohn der Ungerechtigkeit liebte (2Pet 2,15).
Dass dies aktuell ist, zeigt die niederländische Website rentapriest.nl. Auf dieser Website bieten sich Pastoren z. B. für Taufen von Kindern und Volljährigen, und für Eheschließungen oder Einsegnungen von sowohl heterosexuellen als auch homosexuellen Beziehungen an. Auf der Website heißt es: „Alle Pastoren von Rent-a-Priest haben eine akademische Ausbildung, sind also wirklich professionelle Pastoren! Sehr einzigartig ist, dass das Team von Rent-a-Priest Niederlande sowohl aus Priestern als auch aus Pfarrern besteht. Alle sind ökumenisch gesinnte, aufgeschlossene Seelsorger!“ Die Preise reichen – im Jahr 2020 – von 60,00€ (für ein Aufnahmegespräch) bis 495,00€ (für Hochzeiten und Trauerfeiern).
Es sollte nicht überraschen, dass Menschen bei einer solchen Gelegenheit die Gegenwart Gottes einfordern. So taten es auch die Israeliten in den Tagen Michas. In ihrer Blindheit benutzen sie die angebliche Gegenwart des HERRN als eine Art Maskottchen, das vor möglichem Unheil schützt. Sie vertrauen darauf, dass kein Unheil über sie hereinbrechen wird. Doch der Zorn des HERRN über diese Haltung ist groß (Jer 7,4.8–11).
Auch die Propheten werden erneut von Micha erwähnt. Noch einmal spricht er in deutlichen Worten darüber, dass diese Leute Wahrsager sind. Sie stehen nicht in Verbindung mit Gott, sondern mit Mammon, dem Gott des Geldes.
Von all diesen Leitern ist es wahr, dass sie den HERRN zu einem Deckmantel für ihre Sünden machen. Das steigert das Maß ihrer Sünden. Der HERR wird sich niemals mit Sünden in Verbindung bringen lassen. Wo immer dieser Anschein erweckt wird, wird Er richten.
Es ist dem HERRN in diesem Zusammenhang überaus zuwider, dass diejenigen, die den Namen haben, sein Volk zu sein, sich auf das Vorrecht seiner Gegenwart berufen. Es ist für Ihn zutiefst verwerflich, dass sie diese Anmaßung zu ihrer Selbstverherrlichung und zur Rechtfertigung des Bösen benutzen und es auch noch wagen, göttliche Gunst und Hilfe zu beanspruchen.
In ihrer eitlen Einbildung und fleischlichen Zuversicht stützen sie sich auf den HERRN. Wer im Glauben auf den HERRN baut, darf auf Ihn als den Felsengrund seines Daseins zählen. Wer sich aber auf Ihn stützt, während er Ihn nur benutzt, um eigene Ziele zu erreichen, wird hoffnungslos umkommen.
Anmaßend verkünden sie: „Ist nicht der HERR in unserer Mitte?“ Dabei zeigen sie auf seinen Tempel (vgl. Jer 7,4). Aber wenn es keine lebendige und demütige Beziehung zu Ihm gibt, dann klingt das wie der Zauberspruch eines Magiers. Dann ist es wie bei den gottlosen Söhnen Elis, Hophni und Pinehas, die die Lade des HERRN mit in den Kampf gegen die Philister nahmen, als ob sie Gott für ihre bösen Pläne benutzen könnten (1Sam 4,3). Das Ergebnis ist eine demütigende Niederlage und ihr Tod.
12 Wegen der falschen Priester und Propheten
12 Darum wird euretwegen Zion als Feld gepflügt werden, und Jerusalem wird zu Trümmerhaufen und der Berg des Hauses zu Waldeshöhen werden.
Was mit Hophni und Pinehas, den gottlosen Söhnen Elis, geschehen ist, wird auch mit Zion und Jerusalem geschehen. Zion ist der Bezirk mit der Königsburg, Jerusalem ist der Rest der Stadt. Getrennt davon wird „der Berg des Hauses“, das ist der Tempelberg, erwähnt, denn das Volk rühmt sich, dass der HERR in ihrer Mitte, im Tempel, ist.
All ihre Prahlerei und Selbsttäuschung werden zur Zerstörung ihres religiösen Zentrums führen. Dadurch wird ihnen die Möglichkeit genommen, den Namen des HERRN noch länger an ihre eigenwillige Religion zu binden.
In gleicher Weise wird dem bekennenden christlichen System ‘Babylon’ in einer Stunde ein Ende gesetzt werden. Es wird ein Objekt des Schreckens für all jene werden, die sich mit ihm einsgemacht haben (Off 18,15–19).
Etwa hundert Jahre später zitieren einige Älteste von Jerusalem diesen Vers, um Jeremia vor einem Todesurteil zu bewahren. Jeremia wird mit dem Tod bedroht, weil er furchtlos verkündet, dass Jerusalem zerstört werden wird, wenn seine Bewohner nicht umkehren (Jer 26,4–6). Daraufhin wird er vom Volk unter Führung der Priester und Propheten eingekerkert. Sie alle sind sich einig, dass er sterben soll (Jer 26,7–9). Sie gehen mit ihrer Anklage zu den Fürsten (Jer 26,11).
Nachdem Jeremia sich verteidigt hat (Jer 26,12–15), erinnern einige Älteste das Volk daran, was Micha gesagt hat (Jer 26,18). Sie weisen auch darauf hin, dass Hiskia nicht mit Micha umgegangen ist, wie sie es jetzt mit Jeremia tun wollen (Jer 26,19). Hiskia hat das, was Micha hier sagt, nicht als böse angeklagt, sondern hat dieses Urteil akzeptiert. Die Prophezeiung hat sich auch wörtlich erfüllt (Neh 2,17; 4,2; Klgl 5,18).
Das Zitat dieses Verses durch die Ältesten in Jeremia 26 (Jer 26,18) beweist, wie das Wort Gottes durch viele Jahre und Jahrzehnte hindurch widerhallt. Das tut es immer noch. Es wird immer wahr bleiben und alles wird sich buchstäblich erfüllen. Darin liegt ein großer Trost und eine große Hoffnung für jeden, der es hören will (Röm 15,4). Der Glaube blickt aufgrund der Heiligen Schrift voraus auf die große Erlösung, die verheißen ist und die zweifelsfrei bald stattfinden wird.