1 - 2 Die Braut: eine Lilie
1 Ich bin eine Narzisse von Saron, eine Lilie der Täler.
2 Wie eine Lilie inmitten der Dornen, so ist meine Freundin inmitten der Töchter.
Die Braut zeigt, dass sie „eine Narzisse von Saron, eine Lilie der Täler“ ist. Narzissen und Lilien sind kleine Feldblumen. Auf diese Weise drückt die Braut ihre Kleinheit aus, was sie dadurch betont, dass sie sich selbst eine Lilie „der Täler“ nennt. Das Tal weist auf einen Ort der Erniedrigung hin. Saron und die Täler werden Orte der Sicherheit und der Ruhe für Gottes Volk sein, das aus der großen Drangsal kommt. „Und Saron wird zu einem Weideplatz der Schafe und das Tal Achor zu einem Lagerplatz der Rinder werden, für mein Volk, das mich gesucht hat“ (Jes 65,10).
In Vers 2 reagiert der Bräutigam auf das, was die Braut von sich selbst in Vers 1 sagt. Er übernimmt das Bild, das die Braut gebraucht, und spricht von ihr als „eine Lilie“. So sieht er sie. Und er sieht sie, diese zarte Wildblume, „inmitten der Dornen“, sodass ihre Schönheit sogar noch mehr zum Ausdruck kommt. Sie ist wie ein Diamant, der auf einem schwarzen Tuch liegt, wodurch das Funkeln des Diamanten noch viel stärker glänzt.
Dornen, die oft zusammen mit Disteln erwähnt werden, sind ein Bild für die Sünde (1Mo 3,18). Es ist die menschliche Natur, so wie sie durch den Sündenfall geworden ist. „Die Töchter“ kann man hier als die Töchter des abtrünnigen Hauses Israel sehen (Hos 4,14; Hes 2,6). Dornen wird es im Friedensreich nicht mehr geben (Hes 28,24). „Statt der Dornensträucher werden Zypressen aufschießen“ (Jes 55,13). Das verdanken wir dem Herrn Jesus, der den Fluch der Sünden getragen hat.
Die Welt ist voll von Dornen und Disteln und seufzt unter den Folgen des Fluches, der durch die Sünde auf der Schöpfung liegt (Röm 8,28–30). Es ist sehr schmerzhaft, hier zu wohnen. Manchmal fühlen wir es untereinander, dass es bei uns Dornen und Disteln gibt. Auch wir können andere verletzen.
Aber hier lesen wir, wie er sagt: „Wie eine Lilie unter Dornen bist du.“ Eine Lilie ist eine Blume, die nur für kurze Zeit blüht. Der Herr Jesus sagt: „Und warum seid ihr um Kleidung besorgt? Betrachtet die Lilien des Feldes, wie sie wachsen: Sie mühen sich nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch aber, dass selbst nicht Salomo in all seiner Herrlichkeit bekleidet war wie eine von diesen. Wenn Gott aber das Gras des Feldes, das heute da ist und morgen in den Ofen geworfen wird, so kleidet: dann nicht viel mehr euch, ihr Kleingläubigen?“ (Mt 6,28–30). Wir sehen hier, dass der Herr die Lilien auf dem Feld mit dem Gras vergleicht, weil sie eine kurzlebige Herrlichkeit haben. Die Lilien glänzen einen Tag lang und werden am nächsten Tag im Ofen verbrannt.
Trotz ihres kurzen Lebens hat Gott die Lilien mit einer Schönheit bekleidet, die die Herrlichkeit Salomos übersteigt. Die Nachfolger des Herrn Jesus erhalten eine Herrlichkeit, die größer als die Salomos ist, trotz der Tatsache, dass Er sie als „Kleingläubige“ anreden muss. Die Braut hat für den Bräutigam die gleiche großartige Herrlichkeit, trotz dessen, was sie über sich selbst denkt. Der Messias wird den gläubigen Überrest Israels mit einer Herrlichkeit überkleiden, die von Ihm selbst kommt (Hes 16,14).
Der Herr Jesus sieht die Seinen, die in einer Welt voller Dornen und Disteln leben. Für Ihn sind sie wie die Lilien. Das kann uns Zuversicht für die kurze Zeit geben, die wir auf der Erde sind. Er wird uns alles geben, was wir brauchen. So wie Er in der Endzeit für den gläubigen Überrest sorgen wird, so sorgt Er jetzt auch für uns. Wir können Zeugen sein inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts und besonders inmitten einer abtrünnigen Namenschristenheit.
3 Mein Geliebter ist wie ein Apfelbaum
3 Wie ein Apfelbaum unter den Bäumen des Waldes, so ist mein Geliebter inmitten der Söhne; ich habe mich mit Wonne in seinen Schatten gesetzt, und seine Frucht ist meinem Gaumen süß.
Die Braut legt wieder Zeugnis davon ab, was ihr der Bräutigam bedeutet. Er verglich sie im Vers zuvor mit einer „Lilie inmitten der Dornen“. Jetzt vergleicht sie ihn mit einem „Apfelbaum unter den Bäumen des Waldes“. Ein Baum ist ein Bild der Kraft (vgl. Dan 4,7–14.17–23; Hes 17,24). Der Apfelbaum spricht von dem Herrn Jesus. Die anderen Bäume stehen für die jungen Männer der Welt – beeindruckende Menschen –, die auch versuchen, die Aufmerksamkeit der Braut auf sich zu lenken, und die sie dazu verführen möchten, sie zu lieben.
Sie schenkt diesen anderen Bäumen keine weitere Aufmerksamkeit trotz ihrer beeindruckenden Statur. Ihre Sehnsucht geht nur zu ihm hin, den sie ihren Geliebten nennt. Kein anderer ist ihm gleich. Er ist und hat alles, wonach sie verlangt. Sie sehnt sich sehr nach ihm wegen seines Schattens und seiner Frucht, das ist wegen seines Schutzes und seiner Nahrung.
Unter dem Apfelbaum gibt es zuallererst Ruhe: Sie möchte dort sitzen (vgl. Lk 10,39). Es ist ein Zufluchtsort vor der Hitze: Dort ist Schatten (Jes 25,4). Dort ist auch Nahrung, die gut schmeckt: Die Frucht ist süß (Ps 34,9). Als der Herr Jesus die Volksmenge speiste, ließ Er sie sich zuerst ruhig lagern (Mk 6,31.39.40). Um etwas von Ihm zu empfangen, müssen wir zur Ruhe kommen. Wenn wir ruhelos hin- und herlaufen oder durch alle möglichen Nachrichten der Kommunikationsmittel, die wir in unseren Taschen und Rucksäcken haben, abgelenkt sind, dann verpassen wir viel von der Nahrung, die er uns gibt.
Wir müssen Ihm nahe sein, wenn wir seinen Schatten und seinen Schutz erfahren und seine Frucht genießen möchten. Wenn wir uns von Ihm entfernen, wenn wir nicht nahe bei Ihm sind, dann verpassen wir seinen Schatten. Christus ist nicht nur ein Mittel, um in den Himmel zu kommen, sondern in Ihm kommt die Freude des Himmels herunter, um unsere Herzen zu erfüllen und uns auf unserer Reise in den Himmel zu stärken.
Äpfel, die Früchte des Apfelbaumes, werden in Gottes Wort mit guten Worten verglichen. Sprüche 25 sagt in bildhafter Sprache: „Goldene Äpfel in silbernen Prunkgeräten: [So ist] ein Wort, geredet zu seiner Zeit” (Spr 25,11). Die Worte selbst sind aus Gold; das Silber spricht von der Art, wie sie weitergegeben werden. So spricht der Herr Jesus zu uns. Das Gold spricht von der göttlichen Herrlichkeit. Das Silber spricht von dem Preis, der für die Errettung bezahlt wurde. Wenn wir in seinem Schatten sitzen und von der Frucht des Baumes essen wollen, bedeutet das, dass Er zu uns die Worte der göttlichen Herrlichkeit spricht, die mit der Errettung verbunden sind.
Wie schön wäre es, wenn wir untereinander auf die gleiche Art sprechen könnten: Worte, die Zeugnis von Gottes Herrlichkeit geben, und Worte, die wir mit der Errettung verbunden wissen. Dann würden wir keine harten Worte sagen. Die Männer werden gewarnt, dass sie nicht bitter gegen ihre Frauen sein sollen (Kol 3,19). Das wird nicht passieren, wenn sie gute Worte sagen, Worte, die aufbauen. Um gute Worte zu sagen, müssen wir sie zuerst nehmen und essen.
Jeremia sagt uns, wie das geschehen kann: „Deine Worte waren vorhanden, und ich habe sie gegessen, und deine Worte waren mir zur Wonne und zur Freude meines Herzens; denn ich bin nach deinem Namen genannt, HERR, Gott der Heerscharen“ (Jer 15,16). Ist das nicht ermutigend? Wenn wir miteinander sprechen, dann lasst uns Worte gebrauchen, die gut sind, die wir essen möchten, Worte, die uns geistlich gut tun und uns gesund machen und gesund erhalten. Wenn wir uns bewusst sind, dass Gottes Name über uns ausgerufen ist, dass wir nach seinem Namen genannt sind, wird uns das helfen, dieses Werk in uns hervorzubringen.
Dann können wir mit Recht sagen, dass der Herr Jesus der „Apfelbaum“ für den Gläubigen ist. Lasst uns in seinem Schatten sitzen und von seiner Frucht essen.
4 Sein Banner über mir ist die Liebe
4 Er hat mich in das Haus des Weines geführt, und sein Banner über mir ist die Liebe.
Nachdem sich die Braut in den Schatten des Bräutigams gesetzt hat und das genießt, was er isst (Vers 3), wird sie von dem Bräutigam in die Fülle der Freude geführt. Das ist symbolisch ausgedrückt durch „das Haus des Weines“, wohin er sie bringt. Sie freut sich an seiner Liebe, die wie ein Banner über ihr ist. Ein Banner spricht vom Sieg. Wo das Banner aufgestellt ist, da hat man den Sieg errungen. Liebe besiegt die größte Angst und Feindschaft.
Der Gläubige darf wissen, dass ihn der Herr Jesus in die volle Freude der Gemeinschaft mit Ihm bringt. Wie wir schon gesehen haben (Hld 1,2b), ist der Wein ein Bild der Freude. Hier sehen wir, wie Er uns als Gläubige in ein Haus der Freude bringt. Wir sind nicht durch unsere eigene Kraft in dieses Haus eingetreten, und auch haben wir uns nicht selbst eingeladen. Christus hat uns eingeladen. Er hat uns dort hingebracht. In seiner Gnade gab Er uns diesen Platz bei Ihm. Durch sein Werk am Kreuz öffnete Er die Tür dieses Hauses für uns und trug uns hinein.
Der Herr Jesus veranschaulicht dies im Gleichnis des verlorenen Schafes, das der Hirte findet. Voller Freude legt er es auf seine Schultern und bringt es nach Hause. Dann ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen und lädt sie dazu ein, sich mit ihm zu freuen. Es ist ein Bild der Freude, die im Himmel sein wird, über einen Sünder der Buße tut (Lk 15,5–7).
Ein ähnliches und sogar noch beeindruckenderes Beispiel sehen wir in dem Gleichnis, das der Herr Jesus vom verlorenen Sohn, ebenfalls in Lukas 15, erzählt. Als dieser Sohn nach Hause kommt, bringt ihn der Vater in sein eigenes Haus, ins Vaterhaus, wo es überschwängliche Freude gibt. Sie bereiten ein großes Festessen zu in einer Atmosphäre der Freude, die anfängt und niemals aufhört: „Und sie fingen an, fröhlich zu sein” (Lk 15,24). Das beginnt hier auf der Erde, wo wir dieses Festessen schon als einen Vorgeschmack des Himmels erfahren können, wo wir dieses Fest dann in alle Ewigkeit fortsetzen werden.
Das Banner spricht von dem Herrn Jesus als dem Sieger und von seiner Macht (2Mo 17,15; Jes 5,26; 11,10.12). Er stellte seine Liebe unter Beweis, indem Er für uns starb und dadurch von der Furcht des Teufels befreite. „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus“ (1Joh 4,18).
Das Banner spricht nicht nur vom Sieg, sondern auch von Besitz. Das Gebiet, auf dem sich ein Banner befindet, gehört der Person, die das Banner dort aufgestellt hat. Wenn wir aufschauen und das Banner sehen, sehen wir Ihn, den Sieger, und wir kennen seine Liebe. Dann haben wir keine Angst mehr vor irgendeiner Macht, die uns von Ihm rauben kann (Joh 10,28.29). Das Banner seiner Liebe ist wie ein Umhängetuch, in das Er uns vollkommen eingewickelt hat und uns seine Wärme sowie Schutz und Sicherheit spüren lässt. Wir können mit Freuden in dieser Liebe ruhen.
Diese Kombination von Freude und Liebe sehen wir auch in Gott. Durch das Werk seines Sohnes kann sich Gott an seinem Volk erfreuen und Er kann in seiner Liebe ruhen (Zeph 3,17). Wir sind dazu fähig gemacht, die Gefühle Gottes zu teilen, weil Christus das Gericht Gottes an unserer Stelle getragen hat. Dadurch hat Er für uns die Tür des Hauses der vollkommenen Freude und Liebe, zum Vaterhaus und zum Vaterherzen, geöffnet.
5 - 6 Ich bin krank vor Liebe
5 Stärkt mich mit Traubenkuchen, erquickt mich mit Äpfeln, denn ich bin krank vor Liebe!
6 Seine Linke ist unter meinem Haupt, und seine Rechte umfasst mich.
Die Braut ist überwältigt von dem Banner der Liebe des Bräutigams über ihr (Vers 4). Sie ist sogar krank vor Liebe (Vers 5). Damit meint sie, dass sie das Gefühl hat, dass ihr Herz unter seiner Liebe zusammenbricht. Krank vor Liebe bedeutet für uns, dass wir uns des vollkommenen Glückes der Liebe des Herrn bewusst sind und darin aufgehen, auch wenn unser Herz immer noch nicht alles ergreifen kann, was Er alles für uns getan hat. Es ist das Unwohlsein bei dem Gedanken an all das, was der Herr gegeben und getan hat und geben und tun wird.
Die Braut möchte auf diese Liebe antworten, aber sie ist nicht dazu fähig. Seine Liebe ist so groß, so beeindruckend, dass sie darunter erliegt. Deshalb bittet sie ihn, sie mit „Traubenkuchen“ zu stärken. Sie möchte die volle Freude seiner Liebe erfahren. Traubenkuchen werden, genauso wie Wein, aus Trauben hergestellt. Sie sprechen von der Freude, die mit Kraft verbunden ist, einer Kraft, die der Gläubige in Gott findet: „Die Freude an dem HERRN ist eure Stärke“ (Neh 8,10b).
Für Jerusalem, die Braut des Messias, wird die Zeit kommen, wenn sie sich nicht mehr durch die Traubenkuchen der Götzen stärken wird (Hos 3,1), sondern mit seinen Traubenkuchen. Das wird passieren, wenn der Herr Jesus als der wahre David nach Jerusalem zurückkehrt, um dort zu regieren. Wir sehen das in dem Bild, als David die Bundeslade nach Jerusalem bringt. Dann verteilt er „an das ganze Volk, an die ganze Menge Israels, vom Mann bis zur Frau, an jeden einen Brotkuchen und einen Trunk Wein und einen Rosinenkuchen“ (2Sam 6,19).
Wir lernen von der Braut, dass sie nicht immer ihr Bestes tut, um diese Liebe zu erfahren und ihre Freude darüber auszudrücken. Sie möchte sich an seiner Liebe erfreuen, aber ihr ist bewusst, dass sie auch dafür vom Bräutigam abhängig ist. In einigen christlichen Gruppen dreht es sich nur um die Freude. Du musst glücklich sein und es laut zum Ausdruck bringen und auch alle möglichen Formen dafür erfinden. Hier lernen wir, dass es uns überwältigt und zerbricht, wenn wir die echte Liebe des Herrn Jesus erfahren. Die Reaktion darauf ist nicht eine unbändige Freude, sondern die Bitte an den Herrn, dass Er uns mit seiner Kraft hilft, auf seine Liebe zu antworten.
Jetzt braucht sie nicht nur Bestärkung, sondern auch Erfrischung. Es braucht nicht nur Kraft, sondern auch Trost (vgl. Ps 94,19). Da sie Erfrischung braucht, bittet sie um „Äpfel“. Darin können wir die Bitte eines Gläubigen sehen, der von der Liebe des Herrn Jesus beeindruckt ist und der durch seine Worte erfrischt werden möchte. Es sind persönliche Worte für jemanden in seinen eigenen besonderen Umständen. Er stellt damit den Spruch unter Beweis: „Goldene Äpfel in silbernen Prunkgeräten: [So ist] ein Wort, geredet zu seiner Zeit“ (Spr 25,11). Wenn jemand einmal den Herrn Jesus kennengelernt hat und von seiner Liebe überwältigt ist, hat er eine große Sehnsucht nach Ihm und möchte Ihn besser kennenlernen, besonders in den Umständen, in denen er sich befindet.
Wir brauchen seine Unterstützung. Wir erkennen diese Unterstützung in der Sehnsucht der Braut nach dem linken und dem rechten Arm des Bräutigams in Vers 6. Das ist ein Höhepunkt im Buch Hohelied. Nach einer Zeit der Prüfung und der Sehnsucht kommt der Moment der Ruhe und der Sicherheit. Es kann Zweifel und Unruhe geben, wenn wir den Herrn Jesus nicht erfahren. Aber Er wird uns von seiner großen Liebe überzeugen, die dazu führen wird, dass wir uns nach Ihm sehnen.
Die Braut möchte gerne in seinen Armen sein. Sie erwähnt seine beiden Arme separat voneinander. Sein linker Arm ist sozusagen der Arm, der von seinem Herzen kommt, von seiner Liebe – das Herz ist auf der linken Seite. Sein rechter Arm ist der Arm seiner Kraft (Jes 41,10; Ps 63,9). In seinen Armen ist sie vollkommen sicher (vgl. 5Mo 33,27). Dass seine linke Hand unter ihrem Haupt ist, bedeutet auch, dass er ihr Haupt anhebt, damit sie ihn anschaut. Dass sein rechter Arm sie umarmt, bedeutet, dass er ihn schützend um sie herum hält.
Das sehen wir in dem Herrn Jesus. Wer in einer innigen Beziehung mit Ihm lebt, wird seine Liebe und seine Kraft erfahren. Es geht nicht um Kraft an sich, sondern darum, wie diese Kraft in einer innigen Beziehung wirkt. Seine Liebe stützt und beschützt. Wenn wir seine Liebe und seine Kraft auf diese Weise erfahren können, ist der vollkommene Frieden gekommen. Der gläubige Überrest Israels wird dies in der Zukunft erfahren, wenn sie nach der großen Drangsal auf Ihn schauen werden, den sie durchstochen haben, und gleichzeitig vollkommenen Frieden in Ihm finden werden.
Mit diesem Bild der Ruhe endet der erste von drei Teilen des Buches. Die beiden vorangegangenen Teile endeten auf die gleiche Weise. Der erste Teil, Hohelied 1,1–4, endet damit, dass die Braut in die Gemächer des Königs geführt wird; der zweite Teil, Hohelied 1,5–17 endet mit der Szene, dass der König und seine Braut zusammen sind.
7 Keine Liebe vor der bestimmten Zeit
7 Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, bei den Gazellen oder bei den Hirschen des Feldes, dass ihr weder weckt noch stört die Liebe, bis es ihr gefällt!
Der Vers 7 ist ein Refrain, den wir drei Mal in dem Buch antreffen. Hier wird er das erste Mal erwähnt (Hld 2,7; 3,5; 8,4). Es geht um das besondere Wesen der Liebe, von dem der Bräutigam zu den „Töchtern Jerusalems“ spricht. Die Töchter Jerusalems stehen für die Gläubigen, die eine Verbindung mit dem Herrn Jesus haben, aber die nicht in der gleichen engen Beziehung mit Ihm leben wie die Braut und auch andere Vorstellungen von Liebe haben. Sie möchten die Liebe durch Vorschriften manipulieren und lenken. Aber so lässt sich die Liebe nicht leiten.
Wenn Liebe erzwungen wird, gibt es keine Ruhe mehr in der Liebe. Dies zeigt sich an dem Vergleich mit den „Gazellen“ und den „Hirschen“. Das sind scheue Tiere. Wenn es keine Gefahr gibt, wenn alles um sie herum ruhig ist, dann bewegen sie sich voller Anmut. Aber wenn sie die kleinste Gefahr wahrnehmen, werden sie nervös. Ihre Ruhe ist dahin und sie jagen davon. So ist es mit der Liebe.
Wir können dies prophetisch auf Jerusalem anwenden. Es wäre erzwungene Liebe, wenn der Herr jetzt wiederkommen würde, denn Jerusalem ist noch nicht dafür bereit. Sie kennt Ihn nicht und möchte seine Liebe nicht annehmen. Erst muss die Stadt, das heißt der Überrest, durch die große Trübsal gehen. Sie wird starke Sehnsucht nach seiner Liebe haben und sich auf ihn freuen. Dann wird es der Liebe gefallen, sich ihr zu zeigen und sie zu umarmen und sie zu beschützen.
So funktioniert die Liebe immer. Sie hat ihre eigenen Gesetze. Man darf sie nicht aufdrängen oder sie voreilig wecken. Das passt nicht zur Liebe. Die Liebe zu wecken, bevor die Liebe bereit ist, sich selbst zu zeigen, bedeutet, dass man die Ruhe der Liebe stört. Wir können das auf die Beziehung zu unseren Kindern anwenden. Wir haben die Arme des Bräutigams gesehen und was sie als Ausdruck der Liebe für die Braut bedeuten. Was denken unsere Kinder von unseren Armen? Umarmen wir unsere Kinder oder haben sie Angst vor uns, weil wir Arme mit Händen haben, die sie schlagen?
Liebe braucht Zeit und man muss ihr Zeit geben. Lasst uns auch Geduld mit unseren Kindern und mit unseren Brüdern und Schwestern haben, wenn wir etwas in ihnen sehen, das wir vielleicht nicht so sehr mögen. Lasst uns nicht zu schnell eingreifen. Unsere jungen Leute brauchen Zeit, um in ihrer Liebe für den Herrn Jesus zu wachsen. Wir können dieses Wachstum hemmen, wenn wir nach Liebesbeweisen suchen, die sie (noch) nicht geben können. Bemerkungen wie „wenn du wirklich den Herrn Jesus liebst“ oder „wenn du mich wirklich liebst“ können jemanden zu einer Handlung führen, die wir gern sehen möchten, aber es fehlt die Liebe in dieser Handlung. Daran zerbricht die Liebe.
Die ganze Szene der Verse 4–7 spricht von einer Atmosphäre der Liebe, einer Liebe die nicht erzwungen werden kann. Wahre Liebe braucht Zeit, um sich zu entwickeln. Ältere Gläubige und Eltern können ihren Beitrag dazu leisten. Sie tun dies, indem sie sich der Geduld bewusst sind, die der Herr auch mit ihnen hatte. Erkennen wir, wie viel Geduld der Herr Jesus mit uns hatte?
8 Der Geliebte kommt
8 Horch! Mein Geliebter! Siehe, da kommt er, springt über die Berge, hüpft über die Hügel.
Hier beginnt ein neuer Abschnitt. Nach der Zeit der ersten Liebe im vorigen Abschnitt hat die Liebe der Braut für eine gewisse Zeit nachgelassen. Es gibt eine Distanz zwischen ihr und dem Bräutigam. Wir erkennen das wahrscheinlich an unserem eigenen Leben wieder. In der ersten Zeit unseres Lebens als Christen gaben wir dem Herrn Jesus den ersten Platz. Danach kommt eine Zeit, in der wir abkühlen, wo die erste Liebe ziemlich abgenommen hat. Andere Dinge sind in unser Herz hineingekommen, sodass unsere Liebe nicht mehr zu Ihm allein ausgeht.
Die Braut wacht sozusagen auf, als sie die Stimme ihres Geliebten hört. Sie sieht ihn noch nicht, aber sie erkennt seine Stimme. So möchte auch der Herr, dass wir Ihm wieder die erste Liebe geben, das heißt unsere einzige Liebe. Dafür gebraucht Er seine Stimme, das heißt sein Wort. Wenn wir Gottes Wort lesen, hören wir die Stimme des Herrn Jesus. Und wenn wir seine Stimme hören, bekommen wir auch wieder ein Auge für Ihn. Wir sehen das, als die Braut dann sagt: „Siehe, da kommt er.“ Sie hört ihn nicht nur, sondern jetzt sieht sie ihn auch.
Sie bemerkt auch, wie der Bräutigam kommt. „Er springt über die Berge, hüpft über die Hügel.“ In den Bergen und Hügeln sehen wir ein Bild der großen und kleinen Schwierigkeiten unseres Lebens, wodurch der Herr Jesus uns aus dem Blick geraten ist. Neben seinem Wort benutzt der Herr auch Schwierigkeiten und Probleme in unserem Leben, damit wir unseren Blick wieder auf Ihn richten. Wenn seine Stimme wieder in unser Herz gedrungen ist und wir unsere Augen wieder auf seine Person richten, sehen wir, dass er über den Schwierigkeiten steht. Für Ihn gibt es diese Probleme nicht.
Indem Er sich uns auf diese Weise vorstellt, möchte Er uns über unsere Probleme erheben. Die Probleme verschwinden nicht, aber Er hilft uns, aus ihnen herauszukommen und uns nicht von ihnen kontrollieren zu lassen. Wir werden diese Erfahrung machen, wenn wir alle unsere Sorge auf Ihn werfen. Wenn wir das tun, dann werden wir Frieden in der Gewissheit finden, dass Er für uns Sorge trägt. Er lädt uns ein, Ihm alle Sorgen und Schwierigkeiten zu bringen: „Wirf auf den HERRN, was dir auferlegt ist, und er wird dich erhalten“ (Ps 55,23a; 1Pet 5,7; Mt 6,25–30).
Wenn wir unsere Sorgen auf Ihn werfen – es liegt Kraft in diesem Ausdruck –, dann hat Er sie von uns übernommen und trägt weiterhin Sorge für uns. Wenn wir das nicht tun, werden wir weiterhin mit unserer Last herumlaufen und werden so sehr besorgt sein, dass wir kein Auge für Gott haben. Aber Er liebt es, für uns zu sorgen. Das bedeutet, dass Ihm jedes Detail unseres Lebens am Herzen liegt. Er möchte nicht nur, dass wir Ihn einbeziehen, sondern Er möchte alle unsere Bedürfnisse übernehmen. Er bringt uns in Prüfung und Not, damit wir lernen, es aus seiner Hand anzunehmen.
9 Der Geliebte sucht behutsam Annäherung
9 Mein Geliebter gleicht einer Gazelle oder einem Jungen der Hirsche. Siehe, da steht er hinter unserer Mauer, schaut durch die Fenster, blickt durch die Gitter.
Die Braut vergleicht den Bräutigam mit einer Gazelle und einem Jungen der Hirsche. Gazellen können mit hoher Geschwindigkeit und Anmut über die Berge laufen (vgl. 2Sam 2,18b; 1Chr 12,9). Im Fall des Hirsches, der auch leicht über Hindernisse springt, kann man auch den Gedanken der Freude hinzufügen (vgl. Jes 35,6). Gazellen und Hirsche sind unschuldige Tiere. Sie sind keine Fleischfresser und keine Raubtiere. Sie sind reine Tiere, die die Israeliten essen konnten (5Mo 12,15.22; 14,4.5; 15,22). Beide Tiere sind auch bekannt dafür, dass sie sehr wachsam sind und schnell davonrennen, sobald Gefahr besteht.
So sieht die Braut, wie der Bräutigam auf sie zukommt. Er kommt schnell näher und lässt sich durch nichts aufhalten. Gleichzeitig bleibt er vorsichtig bei seiner Annäherung. Auf diese Weise kommt der Herr Jesus auch zu jedem der Seinen, der sich nach einer Zeit der schwächer werdenden Liebe wieder zu Ihm hinwendet. Er gibt darauf acht, wenn jemand ein wachsendes Verlangen danach hat, mit Ihm in Gemeinschaft zu leben und nimmt es wahr. Er drängt sich nicht auf und Er erzwingt nicht den Zutritt. Er möchte uns nicht erdrücken.
Daraus lernen wir, wie wir auf jemanden zugehen sollen, dessen Leben für den Herrn Jesus zum Stillstand gekommen ist. Wahre Liebe für unseren abgeirrten Bruder oder die Schwester wird dafür sorgen, dass wir schnell bereit sind zu helfen, aber dass wir es gleichzeitig mit der nötigen Sorgfalt tun. In diesen Fällen geht es nicht um klare Sünden, sondern um Zeichen, die darauf hinweisen, dass jemand nicht mehr völlig für den Herrn lebt. Wenn wir feststellen, dass jemand nicht mehr so häufig wie zuvor zu den Versammlungen der Gläubigen kommt, ist es gut, darauf zu achten und uns selbst zu fragen, warum – ohne direkt jemanden der Untreue zu beschuldigen.
Dass der Bräutigam in seiner Annäherung etwas reserviert ist, können wir von dem Ort her ableiten, an dem sich die Braut befindet. Sie selbst sagt, dass der Bräutigam „hinter unserer Mauer“ ist, der Mauer um ihr Haus. Er ist näher gekommen und schaut durch die Fenster hinein. Sie mag die Tatsache, dass er da ist, aber es ist immer noch eine Mauer zwischen ihnen. Sie nennt es zwar „unsere“ Mauer, aber nur sie hat sich dahinter versteckt und er ist draußen. Es ist mehr oder weniger zu ihrer Mauer geworden.
Eine Mauer ist ein Bild der Trennung von falschen Dingen, damit wir dem Herrn hingegeben sein können. Wenn es eine Trennung ohne den Herrn ist, führt es zur Isolation. Wir können uns so weit in unsere Isolation zurückziehen, dass wir dem Herrn nicht mehr erlauben, zu uns zu kommen. Er schaut hinein und steht hinter der Mauer. Er sitzt nicht, sondern er ist bereit, in Aktion zu treten, wenn die Braut bereit ist.
Der Herr möchte andere Gläubige dazu gebrauchen, uns in Zeiten des geistlichen Niedergangs zu besuchen. Vielleicht lassen wir sie ins Haus, aber lassen wir sie auch in unser Leben? Gerade wenn wir nicht mehr vom Herrn erfüllt sind und wenn andere Dinge in unserem Leben wichtig werden, dann halten wir die Mauer um unser Herz aufrecht. Wir möchten uns nicht exponieren und trauen uns nicht, verletzlich zu sein, weil wir uns vielleicht davor fürchten, erneut verletzt zu werden.
Zum Beispiel haben wir vielleicht jemandem etwas anvertraut, von dem wir dachten, dass er es für sich behält, aber er hat unser Vertrauen gebrochen. Das führt dazu, dass wir keine enge Beziehung mehr aufnehmen, weil wir befürchten, wieder enttäuscht zu werden. Diese Reaktion ist verständlich. Ebenso ist es aber auch gut, wenn wir uns der Gefahr bewusst sind, wenn wir uns vollkommen in die Isolation zurückziehen. Der Herr möchte uns das ganz behutsam klarmachen. Er möchte wieder den ersten Platz in unserem Leben haben und spricht die Dinge an, die dies verhindern.
In der Welt und unter Christen nimmt das Leben in Isolation zu. Das geht auf den wachsenden Individualismus zurück, der auch zu mehr Egoismus führt. Wir möchten alles für uns selbst haben und alles für uns selbst tun. Computer, Internet, Smartphone – all diese Geräte bringen die Gefahr mit sich, dass wir uns vollkommen in unsere eigene Welt zurückziehen. Unsere Kinder wachsen damit auf. Sie schauen nur auf dieses eine Gerät, um Spaß zu haben. Aber auch ältere Gläubige brauchen alle diese Dinge vielleicht auch, um mit der Zeit zu gehen. Wir sind mehr und mehr von diesen Geräten gefangen genommen, die stark ich-zentriert sind.
Die Menschen wissen nicht mehr, wie sie miteinander umgehen sollen. Es ist eine bekannte Szene: Menschen sitzen am Tisch und essen zusammen, aber es gibt keine gemeinsame Kommunikation, weil es eine digitale Verbindung mit der Welt da draußen gibt. Jeder isst für sich selbst und beschäftigt sich mit seinem Smartphone. Wenn es eine Nachricht gibt, muss man sofort darauf antworten. Diese Gefahren müssen uns bewusst sein! Man sagt von diesen Geräten, dass sie die Kommunikation fördern. Aber in Wirklichkeit nimmt die tatsächliche Kommunikation ab und verschwindet schließlich ganz. Das Gerät sagt, dass du wichtig bist. Die Leute brauchen mich, sie möchten mir etwas mitteilen; und ich denke, dass es wichtig ist, den Leuten zu sagen, wie ich über etwas denke.
Das Ergebnis ist, dass wir keine Zeit haben, um uns still mit dem Wort Gottes zu beschäftigen, zu den Gemeindestunden zu gehen und unseren Brüdern und Schwestern zu helfen. Wir haben einfach keine Zeit mehr. Dieses Risiko ist groß, weil wir uns von der Gemeinschaft mit den Heiligen zurückziehen und in Isolation leben. Wir leben auf solche Weise, dass der Herr nicht zu uns kommen kann. Aber dennoch versucht Er, zu uns zu kommen. Er steht dort, er schaut durch das Fenster, das genau gesagt ein vergittertes Fenster ist.
Die Gitter erwecken den Anschein, dass wir in ein Gefängnis eingeschlossen sind. Sind wir eingeschlossen? Wir können in unseren Gedanken eingeschlossen sein, in unserem Leben, in den Plänen, die wir haben, und in ihnen ein Gefangener sein. Aber Er durchschaut diese Dinge. Welche Pläne haben wir? Was möchten wir? Was ist das Ziel unseres Lebens? Sind alle diese Dinge ein Gefängnis für uns? Können wir an nichts anderes denken? Der Herr steht vor dem Fenster unseres Lebens und schaut durch die Gitter. Er schaut und Er möchte gerne zu uns kommen, um uns Zufriedenheit und wahre Erfüllung im Leben zu geben.
10 Mach dich auf und komm!
10 Mein Geliebter hob an und sprach zu mir: Mach dich auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm!
Der erste und letzte Teil der Verse 10–13 beginnt und endet jeweils mit den gleichen Worten, die der Bräutigam der Braut sagt. Er möchte, dass sie von ihrem Ort der Isolation aufsteht, ein Ort der Ruhe im Sinne von Faulheit, und zu ihm kommt. Die Braut ist immer noch drinnen hinter der Mauer und der Bräutigam ist immer noch draußen. Er „hob an“ und sprach zu ihr. Er spricht sie sehr persönlich an. Sie versteht, dass er es an sie richtet. Jetzt hört sie nicht nur seine Stimme, sondern auch, was er sagt. Es kommt kein Vorwurf aus seinem Mund, weil sie sich vor ihm versteckt, und er befiehlt ihr auch nicht, sich zu zeigen. Die Art, wie er auf sie zugeht, ist voller Zärtlichkeit und Liebe. Er bittet sie, sich aufzumachen.
Er nennt sie „meine Freundin, meine Schöne“. Mit diesen Namen bringt er den Wert zum Ausdruck, den sie für ihn hat. Er möchte die Gedanken seines Herzens mit ihr als seiner „Freundin“ teilen. Indem er sie „meine Schöne“ nennt, zeigt er, dass er voller Bewunderung für sie ist und dass sein Herz voll von ihr ist. Mit diesem Namen möchte er zu ihrem Herzen sprechen und sie davon überzeugen, zu ihm zu kommen. So wird der Herr Jesus dem Überrest Israels sagen, wie schön er für Ihn ist. Er nennt Zion die „Vollendung der Schönheit“ (Ps 50,2; Kol 2,15; Hes 16,14).
Auf die gleiche Weise sorgt sich der Herr um einen jeden der Seinen, der Ihn durch die Umstände aus dem Blick verloren hat. Er spricht den Wert an, den er oder sie für Ihn hat (Jes 43,4–7). Er wählt seine Worte mit Bedacht, um klarzumachen, wie sehr Er für sie besorgt ist. Er meint vollkommen, was Er sagt. Seine Worte sind nicht hart, sondern angenehm und wohltuend. Sie berühren das Herz und machen es weich und bereit, wieder für Ihn zu leben.
Die Braut muss anfangen, indem sie sich aufmacht. Das ist der Anfang jeder wahren Bekehrung, ob es sich um die Bekehrung eines Ungläubigen oder die Umkehr eines Gläubigen handelt. Vom verlorenen Sohn in Lukas 15 lesen wir auch, dass es einen Punkt gab, an dem er sich sagte, dass er sich aufmachen und zu seinem Vater gehen will. Dann lesen wir, dass er sich aufmacht und geht (Lk 15,18–20).
Für uns mag es auch manchmal der Fall sein, dass wir uns von unseren Umständen aufmachen müssen, z. B. von unserem Selbstmitleid oder von den Entschuldigungen, die wir vorbringen, um unser Leben dem Herrn Jesus nicht völlig auszuliefern.
11 - 12 Der Winter ist vorbei, die Zeit des Gesangs ist gekommen
11 Denn siehe, der Winter ist vorbei, der Regen ist vorüber, er ist vergangen. 12 Die Blumen erscheinen im Land, die Zeit des Gesangs ist gekommen, und die Stimme der Turteltaube lässt sich hören in unserem Land.
Die Braut ist ein prophetisches Bild des treuen Überrestes Israels. Dieser Überrest wird durch eine Zeit großer Prüfungen gehen. Der Herr Jesus spricht von einer „großen Drangsal“ (Mt 24,21). Zu dieser Zeit wird Gott diesem Überrest einen Zufluchtsort geben. Die Zeit der großen Drangsal kommt nach dreieinhalb Jahren zu Ende, weil der Messias dafür sorgt, dass die Drangsal aufhört. Dann kommt Er zu ihnen und sagt, dass der „Winter“ dieser großen Drangsal „vorbei“ ist (Vers 11). Die Zeit des „Regens“ mit ihren verheerenden Überschwemmungen ist auch ein Bild für die große Drangsal (Hes 13,11.13). Diese Zeit ist „vorüber“ und „vergangen“.
Der Bräutigam versichert der Braut, dass die Zeit der quälenden Angst und drohenden Leiden wirklich vorüber ist. Es ist Frühling geworden. Der Bräutigam weist die Braut dann darauf hin (Vers 12). Prophetisch sieht es so aus, als ob die große Drangsal mit der Kälte des Winters und der Flut der Prüfung vorbei ist und dem schönen Frühling des Friedensreiches Platz macht (Jes 35,1.2.10). Der Herr Jesus ist der Mann, der für den Überrest der „Schutz vor dem Unwetter“ war (Jes 32,2). Jetzt wird Er für sie der „König“ sein, der im Friedensreich 1000 Jahre lang „in Gerechtigkeit“ regiert (Jes 32,1).
Wir können in unserem Leben auch eine Zeit erleben, wo die Probleme unsere Fähigkeit, damit umzugehen, übersteigen, und wir können unter solchen Druck kommen, dass wir Ihn aus den Augen verlieren. Dann bietet uns der Herr an, dass Er in unser Leben zurückkommt. Wenn Er in unser Leben kommt, können wir den Winter in Frühling und die Überschwemmung in sanften Regen verwandeln. Wenn der Winter, die Zeit der Prüfung, vorbei ist, gibt es Raum für neue Blumenpracht mit ihrer bunten Schönheit. Schöne Blumen erscheinen. Nach dem Tod des Winters beginnt das neue Leben des Frühlings.
Dies weist auf die Auferstehung des Gläubigen hin, auf den Übergang vom Tod zu neuem Leben. Der Bräutigam zeigt dies der Braut, denn es sieht so aus, dass sie noch kein Auge dafür hat. Er erinnert sie an die Frucht der Auferstehung. Der Bräutigam steht auf der Grundlage der Auferstehung. Der Tod ist besiegt. Sehen wir die Zeichen der Wiederherstellung, wenn der Herr Jesus zu uns in unseren Umständen kommt? Wohin Er kommt, gibt es Wiederherstellung und Segen.
Eine andere Anwendung kann auf die Situation gemacht werden, bei der unser Leben so oberflächlich geworden ist, dass es weder Geruch noch Geschmack gibt. Keiner sieht, dass wir Christus kennen. Wir nörgeln und klagen ständig. Wenn wir unsere Augen dann wieder auf Christus richten, wird Er für uns wieder sichtbar werden, denn Er ist unser neues Leben. Dann wird unser Leben die Schönheit der Blumen zeigen. Sind wir in unserer Umgebung die „Blumen“, strahlen wir Schönheit und Attraktivität aus? Blumen duften, man kann sie riechen, man kann sie sehen und anfassen. Blumen bringen die Umgebung zum Strahlen und machen sie noch schöner.
Paulus dankt Gott, dass Er ihn und seine Gefährten „allezeit im Triumphzug umherführt in Christus und den Geruch seiner Erkenntnis an jedem Ort durch uns offenbart“ (2Kor 2,14.15). Es ist Gottes Absicht, dass unser Leben den Duft Christi verbreitet. Deshalb bedeuten wir Ihm so viel. Unser Leben ist ein neues Land, eine neue Schöpfung, in der Er diese Blumen wachsen lässt und sich um sie kümmert.
Das neue Leben hat nicht nur einen Geruch, sondern auch einen Klang. Wir haben eine Stimme, mit der wir singen können. Können wir singen? Oder können wir uns nur beschweren? Jakobus sagt: „Ist jemand guten Mutes? Er singe Psalmen“ (Jak 5,13b). Wenn der Herr Jesus in unser Leben kommt, haben wir allen Grund zum Singen. Wir können sogar alles singend tun, wenn wir zulassen, dass das Wort Christi reichlich in uns wohnt: „indem ihr in aller Weisheit euch gegenseitig lehrt und ermahnt mit Psalmen, Lobliedern und geistlichen Liedern, Gott singend in euren Herzen in Gnade“ (Kol 3,16). Singen wir Gott noch in unseren Herzen? Wenn wir voller Probleme, Kritik und Bitterkeit sind, hört das Singen auf. Wenn der Herr Jesus das Zentrum unseres Lebens ist, werden wir Ihn täglich loben.
Prophetisch gesehen wird es einen Moment für den Überrest Israels geben, wenn die Zeit der Klage vorbei ist und die Zeit des Gesangs gekommen ist. Der Frühling ist so schön und angenehm, weil er auf eine Zeit der Dunkelheit und Kälte folgt. Wegen des Gegensatzes zum Winter heißt man den Frühling herzlich willkommen. Die Blumen am Boden und die Vögel in der Luft geben auch auf ihre Weise Zeugnis davon, dass die ganze Schöpfung erneuert worden ist. Sie drücken eine himmlische Botschaft der Freude, des Friedens und der Gerechtigkeit aus.
Die „Turteltaube“ ist ein Bild des treuen Überrestes (Ps 74,19), der wie die Turteltaube die Zeit ihrer Ankunft im Friedensreich kennt (Jer 8,7). Wenn das Gurren der Taube in „unserem Land“ gehört wird, bedeutet das, dass der Überrest von Gottes Volk wieder im verheißenen Land ist. Wir als Christen müssen auch verstehen, wann der richtige Moment gekommen ist, um etwas zu tun.
13 Noch einmal: Mach dich auf und komm!
13 Der Feigenbaum rötet seine Feigen, und die Weinstöcke sind in der Blüte, geben Duft. Mach dich auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm!
Nach dem Winter, der Zeit der Prüfung, kommen die Früchte. Neben den Blumen, die im Land erscheinen (Vers 12), sehen wir auch den „Feigenbaum“ und „die Weinstöcke … in der Blüte“ (Vers 13). Die jungen Feigen zeigen an, dass es Frühling ist und dass der Sommer nahe bevorsteht (Mt 24,32). Der Feigenbaum steht für Rechtschaffenheit. Nachdem Adam und Eva in die Sünde gefallen waren, wollten sie ihre Nacktheit vor Gott mit Schurzen aus Feigenblättern bedecken (1Mo 3,7). Aber diese selbstgemachten Schurze sind keine angemessene Bedeckung für Gott.
Für Gott zählt keine einzige Selbstgerechtigkeit als Bedeckung für die Sünde. Israel hat versucht, seine eigene Gerechtigkeit vor Gott aufzurichten, mit dem Ergebnis, dass sie sich nicht der Gerechtigkeit Gottes unterworfen haben (Röm 10,3). Die einzige Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, ist die Gerechtigkeit, die Christus am Kreuz erwirkt hat, und an der der Mensch durch den Glauben Anteil erhält (Röm 10,4). Auf der Grundlage des Glaubens an diese Gerechtigkeit kann Gottes Volk den Segen vor Gott im zukünftigen Friedensreich erleben.
Das Ergebnis ist Freude. Wir sehen das in dem Bild der blühenden Weinstöcke (Ri 9,13; Ps 104,15a). Ein blühender Weinstock verspricht eine bevorstehende Traubenernte oder Freude. Die Trauben sind noch nicht da, aber der Geruch liegt schon in der Luft. So ist es auch mit einem Gläubigen, der eine Zeit der Prüfung erleben musste. Er hat keine Not mehr, er ist befreit und das kann man ihm ansehen. Frieden und Ruhe sind in sein Leben gekommen. Es wird nicht lange dauern und er wird seine Freude darüber auf überschwängliche Art und Weise zum Ausdruck bringen. Er wird Zeugnis davon geben, wie der Herr ihn aus seiner Not erlöst hat und welche Freude sein Herz darüber, was der Herr für ihn getan hat, erfüllt.
Der Schreiber des Hebräerbriefes verbindet die Zucht, die Gott den Gläubigen auferlegt, damit, dass sie die friedsame Frucht der Gerechtigkeit hervorbringen: „Alle Züchtigung aber scheint für die Gegenwart nicht ein Gegenstand der Freude, sondern der Traurigkeit zu sein; danach aber gibt sie die friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die durch sie geübt worden sind“ (Heb 12,11). Durch Züchtigung werden wir „geübt“, das heißt, wir werden darin geübt, wie wir damit umgehen sollen. Durch Übung lernen wir, etwas zu kontrollieren. Wenn wir die Züchtigung durch die Übung annehmen können, wenn wir wissen, wie wir damit umgehen sollen, dann werden wir eine engere Gemeinschaft mit Gott haben. Folglich werden wir mehr inneren Frieden erfahren und mehr Gerechtigkeit in unserem Leben zeigen.
Die „friedsame Frucht der Gerechtigkeit“ wird im Friedensreich Realität für Israel sein, nachdem das Volk durch die Übungen der großen Drangsal gegangen ist. Gott möchte diese Frucht durch seine Erziehung schon in unserem Leben hervorbringen (Joh 15,2.8). Der Weinstock und der Feigenbaum zusammen symbolisieren die Zeit des Friedensreiches, wovon wir in der Herrschaft Salomos einen Schatten sehen – als Friedefürst und als Bild des Herrn Jesus (1Kön 5,5).
Nach der Beschreibung des Frühlings mit seinem wundervollen Anzeichen des frischen, neuen Lebens in den Versen 11–13 bittet der Bräutigam erneut seine Braut, zu ihm zu kommen, mit den gleichen Worten wie in Vers 10. Er möchte, dass sie diesen Frühling erlebt. Sie kann den Winter hinter sich lassen, indem sie seine Einladung annimmt. Durch das, was er ihr von dem Frühling gezeigt hat, ist es für sie jetzt nicht schwer, ihre Abtrünnigkeit aufzugeben und ihr Leben mit ihm zu teilen.
Der Herr Jesus zeigt uns, wie reizvoll es ist, für Ihn zu leben, sodass wir den bedrückenden Umständen nicht mehr erlauben, uns zu kontrollieren. Er möchte uns gern versichern, dass es nicht die „Winterbedingungen“, in denen wir uns manchmal befinden, sind, die die Temperatur unseres geistlichen Lebens bestimmen, sondern die milde Temperatur des „Frühlingslebens“. Deshalb weist Er uns auf die Merkmale des neuen Lebens, das Er besitzt und das Er auch in uns hervorrufen möchte, hin.
14 Die Gestalt sehen und die Stimme hören
14 Meine Taube im Geklüft der Felsen, im Versteck der Felswände, lass mich deine Gestalt sehen, lass mich deine Stimme hören; denn deine Stimme ist süß und deine Gestalt anmutig.
Der Bräutigam gebraucht jedes Mal verschiedene Bilder, um die Braut zu erreichen und sie dazu zu bewegen, zu ihm zu kommen. Jetzt nennt er sie „meine Taube“ (Vers 14). Die Taube ist ein Tier, das für seine Treue und die Bindung zu seinem Partner bekannt ist. Der Bräutigam appelliert an die Braut in Bezug auf ihre Treue und ihre Bindung zu ihm. Wenn sie sich daran erinnert, wird sie das vielleicht dazu führen, ihre Isolation aufzugeben und zu ihm zu kommen.
Er erwähnt auch den Ort, an dem sie sich in Vers 9 befindet. Sie ist „im Geklüft der Felsen, im Versteck der Felswände“. Der Ort, an den sie sich zurückgezogen hat, ist ein Ort, wo sie sich vor dem Feind verstecken möchte. Der Bräutigam sagt ihr, dass sie herauskommen kann, weil der Feind verschwunden ist, genauso, wie der Winter vorüber ist. Sie hat sich vor dem Feind versteckt, aber gleichzeitig auch vor ihm.
Es kann sein, dass auch wir uns auf die gleiche Weise aus Furcht oder anderen Gründen in die Isolation zurückgezogen haben. Dadurch ziehen wir uns auch aus seiner Gegenwart zurück. Dann sind wir nicht vollkommen in der Liebe. Das heißt, dass wir uns seiner Liebe nicht bewusst sind und davon schwärmen. Vollkommene Liebe treibt die Furcht aus (1Joh 4,18). Er möchte, dass wir unseren Blick wieder auf seine Liebe richten, sodass wir bei Ihm und nicht bei irgendjemand oder irgendetwas anderem Schutz suchen.
Er möchte die Braut sehen und ihre Stimme hören. Deshalb möchte der Herr auch, dass wir aus unserem Versteck herauskommen und Ihn unsere Stimme in Lob und Gebet hören lassen. Das ist eine wunderbare Einladung, dass wir mutig zu Ihm kommen, mit allem, was wir auf dem Herzen haben. Er möchte uns so vor sich sehen, wie wir sind, und Er möchte, dass wir das wissen und es Ihm sagen. Das kann ein sehr kurzes Gebet oder ein sehr kurzer Dank sein, solange es ein ernst gemeinter Ausdruck der Liebe unseres Herzens ist.
Wir können noch eine weitere Anwendung machen. Der Herr möchte die „Gestalt“ eines jeden von uns persönlich sehen, „deine Gestalt“ und nicht die eines anderen. Er möchte seine „Stimme“ von uns persönlich hören: „deine Stimme“ und nicht die eines anderen. Wenn wir mit Ihm im Gebet reden, sollten wir nicht plötzlich in einem völlig anderen Ton sprechen, so wie ich das einmal bei jemandem gehört habe. Die Worte, die wir gebrauchen, müssen auch unsere eigenen sein. Wir dürfen nicht wie ein Papagei andere nachmachen oder unbedingt alles vollkommen anders machen wollen, weil wir „originell“ sein wollen. Dann sieht der Herr eine andere Gestalt.
Jeder Gläubige, der mit dem Herrn lebt, hat viel von anderen gelernt, aber er ist keine Kopie dieser anderen Gläubigen. Es geht nicht darum, dass wir es auf eine Weise sagen, die noch nie jemand – weder wir selbst noch jemand anderes – so gesagt hat. Es geht darum, dass wir es auf eine Weise sagen, wie es der Herr noch nie von uns gehört hat. Wir benutzen die gleichen Worte, die wir oder jemand schon einmal benutzt haben, aber es kommt auf eine tiefere Art und Weise aus unseren Herzen.
Der Herr sagt nicht nur, dass Er unsere Gestalt sehen und unsere Stimme hören möchte. Er sagt auch, warum: „Denn deine Stimme ist süß und deine Gestalt anmutig.“ Dies zeigt seinen Wunsch nach Gemeinschaft mit uns. Wir hören diesen Wunsch in seiner Stimme. Wenn wir Ihn so reden hören, können unsere Herzen dann kalt bleiben? Wenn Er so zu uns spricht, um uns zu überzeugen, zu Ihm zu kommen, können wir Ihn dann auf Abstand halten? Er spricht so voller Anmut zu uns, um uns zu sagen, wie wertvoll wir für Ihn sind, und Er möchte gern von uns hören, wie wertvoll Er für uns ist. Sollen wir Ihn reden lassen und seine liebenden Versuche, unser Herz zu erobern, ignorieren? Sollen wir Ihn vergessen und mit unserem eigenen Leben weitermachen? Was für eine Enttäuschung und was für ein Kummer wäre das für Ihn!
15 - 17 Fangt die kleinen Füchse
15 Fangt uns die Füchse, die kleinen Füchse, die die Weinberge verderben; denn unsere Weinberge sind in der Blüte! 16 Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein, der unter den Lilien weidet. 17 Bis der Tag sich kühlt und die Schatten fliehen, wende dich, sei, mein Geliebter, gleich einer Gazelle oder einem Jungen der Hirsche auf den zerklüfteten Bergen!
Der Bräutigam sagt der Braut, dass sie „die Füchse“ fangen soll, ganz besonders „die kleinen Füchse“. Sie muss diese kleinen Füchse „für uns“ fangen, und damit weist der Bräutigam darauf hin, dass sie sie wegen ihrer Beziehung neutralisieren muss. Die Füchse – auch die kleinen – zerstören den Weinberg, besonders zu der Zeit, wenn „unsere Weinberge“ in der Blüte sind. Er benutzt wieder das Wort „unser“ und betont damit ihre Beziehung, und zwar in Verbindung mit der Freude, die daraus entsteht, dass man zueinander gehört.
In der geistlichen Anwendung sehen wir in den blühenden Weinbergen das Frühobst der Freude durch das neue geistliche Leben, das der Gläubige in seiner Beziehung mit dem Herrn Jesus hat. Wenn die kleinen Füchse diese Früchte verderben, verschwindet die Freude mit dem Herrn und das geistliche Wachstum hört auf. Unsere Freude und unser Wachstum werden im Keim erstickt. Die kleinen Füchse stehen für Dinge in unserem Leben, die uns die Freude am Herrn wegnehmen. Das sind oft kleine Sünden, die wir damit entschuldigen, dass nichts Falsches daran sei.
Der Herr Jesus nannte Herodes „diesen Fuchs“ wegen seiner List, um das Werk Gottes, das der Herr tat, zu vereiteln (Lk 13,31.32). Falsche Propheten werden auch Füchse genannt (Hes 13,4). Diese Füchse sind große Feinde, die wir ausmerzen müssen, damit sie keinen schädlichen Einfluss ausüben können. Im Fall des Fuchses Herodes können wir an den Druck denken, der auf uns ausgeübt wird, dass wir uns nicht dem Werk des Herrn widmen. Bei den großen Füchsen können wir auch an falsche Propheten denken und an charismatische Irrlehren, z. B., dass wir nicht krank werden könnten und dass etwas mit unserem Glauben nicht stimme, wenn wir krank sind oder krank bleiben. Wenn wir Gottes Wort kennen, werden wir diese „großen Füchse“ leicht erkennen und entschärfen.
Es gibt aber auch die kleinen Füchse. Das sind keine derben Sünden, sondern manchmal Gefühle der Unsicherheit, die man nicht genau bezeichnen kann und die unser Leben als Christen negativ beeinflussen. Das sind die kleinen Verstimmungen im zwischenmenschlichen Bereich. Unser Bruder oder unsere Schwester sagt oder tut etwas, das uns nicht besonders gefällt. Das wühlt uns auf und wir machen die Atmosphäre dadurch noch unangenehmer. Irritationen schaffen eine äußerst unangenehme Atmosphäre, die schließlich explosiv werden kann und durch die die ganze Freude, die eine gute Beziehung auszeichnet, zum Ende kommt.
Den Familienvätern wird gesagt, dass sie ihre Kinder nicht reizen sollen, „damit sie nicht mutlos werden“ (Kol 3,21). Das beinhaltet auch leichtes Schikanieren, wodurch ein Kind mutlos wird und worunter die Beziehung zerbricht, wenn es nicht abgestellt wird. Das trifft auch auf die Beziehung in der Gemeinde und in der Gesellschaft zu. Alle diese Irritationen haben eine direkte Auswirkung auf das Verhältnis mit dem Herrn Jesus, weil es dadurch gestört wird. Deshalb ist es wichtig, dass kleine Verstimmungen sofort gerichtet werden, bevor sie sich zu großen Streitigkeiten auswachsen. So wie Salomo im Buch der Sprüche sagt: „Der Anfang eines Zankes ist wie die Entfesselung von Wasser; so lass den Streit, ehe er heftig wird“ (Spr 17,14).
Die kleinen Füchse, die die Freude der Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus stören, können auch kleine Zeiträuber sein. Wie viel Zeit verlieren wir mit unnützen Dingen? Es müssen keine schlimmen Dinge sein, aber es sind Dinge, denen wir viel Aufmerksamkeit widmen, und darüber die Zeit vergessen. Wir können von unserem Hobby, unserem Sport oder anderen Formen des Zeitvertreibs, die an sich erholsam sein können, so sehr hingerissen sein, dass wir darüber die Zeit vergessen. Der Herr Jesus sucht die Gemeinschaft mit uns. Wir können unser Hobby und andere Dinge auch in Gemeinschaft mit Ihm tun. Wenn wir Ihm dafür, was Er uns damit gegeben hat, danken, werden wir die „kleinen Füchse“ fangen, die uns daran hindern wollen, mit Ihm in Gemeinschaft zu leben.
Welcher Schaden wäre es, wenn die kleinen Füchse verhindern würden, dass die Trauben am blühenden Weinstock wachsen. Geistlich angewendet bedeutet das, dass dem Herrn die Freude der Gemeinschaft mit den Seinen versagt wird. Sicherlich verlieren wir auch dabei, aber Er erleidet den größten Schaden. Denn Er hat alles vorbereitet, damit die Gemeinschaft mit Ihm möglich ist. Es ist unsere Verantwortung, dass wir alles beseitigen, was es für Ihn unmöglich macht, diese Gemeinschaft mit uns zu haben.
In den Versen 16 und 17 hören wir die Reaktion der Braut auf alle Bemühungen des Bräutigams, sie zu überzeugen, zu ihm zu kommen. Er sagte ihr, dass sie die kleinen Füchse fangen muss, damit sie nicht mehr daran gehindert wird, mit ihm zusammen zu sein. Eine erste Auswirkung dessen, dass er sein Verlangen nach ihr zum Ausdruck bringt, ist, dass sie sich wieder der Tatsache bewusst wird, dass ihr Geliebter ihr gehört und dass sie ihm gehört. Es gibt ein unzertrennliches Band zwischen ihnen. Liebe ist das stärkste Band, das die Menschen verbindet.
Allerdings ist es bemerkenswert, dass sie diese Worte anderen sagt und nicht ihm. Die Antwort, die sie gibt, ist auch nicht die, die der Bräutigam erwartet. Ihre Gedanken drehen sich um sie selbst. Ihre Liebe ist immer noch selbstzentriert. Es geht darum, dass er ihr gehört, „mein“. Es geht ihr darum, was es ihr bringt, noch nicht, was sie ihm bedeutet. Sie muss immer noch in ihrer Liebe wachsen und das tut sie auch. Das werden wir später sehen (Hld 6,3; 7,10).
Sie verbindet seine Liebe mit seinem Beruf als ein Hirte, der die Schafe weidet (vgl. Hes 34,11–15; Jes 40,11). Die ganze Betonung liegt auf der Aufgabe des Hirten, der Tatsache, dass er weidet. Er arbeitet nicht so sehr unter den Schafen, sondern „unter den Lilien“, unter welchen sich diese besondere Lilie befindet – seine Braut (Vers 2). Die Braut weiß, dass sie eine seiner Lilien ist. Sie betont es. Es geht nicht um ihn, sondern um sie. Sie weiß, dass sie zur richtigen Gesellschaft gehört, aber sie geht noch nicht zu ihm hinaus.
Wir sehen in Vers 17, dass die Braut noch eine Weile warten möchte. Sie möchte warten, „bis der Tag sich kühlt und die Schatten fliehen“. Das weist darauf hin, dass sie noch nicht völlig davon überzeugt ist, dass der Winter vorüber und der Frühling gekommen ist. Sie befindet sich noch in der Dunkelheit der Nacht. Wenn der Tag kommt und der erfrischende Wind das Leben angenehm macht, dann möchte sie zu ihm kommen. Wenn erst die Schatten fliehen und sie eine klare Sicht auf die Realität hat, dann wird sie sich ihm hingeben. „Bis“ dieser Moment kommt, bleibt sie lieber in ihrer gemütlichen Umgebung.
In unserem Leben mag es ähnliche Umstände geben, wo wir erst eine Verbesserung sehen wollen, bevor wir uns völlig dem Herrn Jesus anvertrauen und zu Ihm gehen. Wir erleben zu sehr die Kälte der Glaubensprüfung, um zu akzeptieren, dass sie wirklich vorbei ist. Wir verhalten uns abwartend. Wir möchten sehen, ob der Herr wirklich eine Veränderung in unseren Umständen bewirkt hat. Das zeigt, dass wir noch nicht gelernt haben, uns dem Herrn anzuvertrauen, sobald Er zu uns kommt, und dass dies uns den entscheidenden Wandel bringt. Sobald wir uns Ihm anvertrauen, ist dieser Tag in unser Leben gekommen und wir sehen wieder alles klar.
Die Braut sagt dem Bräutigam, dass er weggehen soll. Sie nennt ihn immer noch „meinen Geliebten“, aber sie hält ihn auf Distanz, bis sie sich dazu fähig fühlt, mit ihm zusammen zu kommen. Bis dahin kann er sich frei bewegen „gleich einer Gazelle oder einem Jungen der Hirsche“. So beschrieb sie ihn, als er in Vers 9 zu ihr kam.
Weil sie nicht bereit ist, seine liebende Einladung anzunehmen, kann er gehen, wie er gekommen ist und zu den „zerklüfteten Bergen“ zurückkehren. Zerklüftete Berge sind Berge, auf denen ein Weg entstanden ist. Sie erlaubt ihm einen Weg ohne Hindernisse. Aber er ist nicht an ihrem Wunsch interessiert, dass er einen leichten Weg hat; er möchte einen Weg in ihr Herz. Er möchte Zugang zu ihrem Herzen haben, aber sie weist ihn ab. Das folgende Kapitel zeigt den Grund dafür.
Die geistliche Lektion ist offensichtlich. Wir werden vielleicht dem Herrn nicht unbedingt klar sagen, dass Er weggehen soll, aber wir können uns derartig verhalten, dass unsere Einstellung diese Botschaft vermittelt. Er sehnt sich nach Gemeinschaft mit uns, aber wir weisen Ihn ab, weil wir keine Zeit haben. Nicht jetzt. Der Aufwand, um die kleinen Füchse zu fangen, ist uns zu hoch. Dann drängt Er sich nicht auf, sondern Er geht weiter.