1 - 2 Herodes tötet Jakobus
1 Um jene Zeit aber legte Herodes, der König, die Hände an einige derer von der Versammlung, um sie zu misshandeln; 2 er ließ aber Jakobus, den Bruder des Johannes, mit dem Schwert töten.
Kapitel 12,1–24 ist eine Einschaltung. Ab Vers 25 wird der Faden mit Barnabas und Saulus wieder aufgenommen, von denen wir im letzten Vers des vorigen Kapitels gelesen haben. In dieser Einschaltung berichtet Lukas, wie Herodes Jakobus tötet, auch beschreibt er, wie Herodes Petrus gefangen nimmt, wie er aus dessen Hand befreit wird und wie Herodes stirbt.
Der tiefere Sinn dieses Zwischenabschnitts scheint in der typologischen Bedeutung zu liegen. Wir hatten in den Kapiteln 10 und 11 das Werk des Geistes Gottes vor uns, das Er unter den Nationen begonnen hat. Das bedeutet, dass die Bindungen zum Judentum gelöst werden. Der Schwerpunkt verlagert sich auf das Christentum unter den Nationen.
Bevor diese Verschiebung hin zu den Völkern näher beschrieben wird, sehen wir in diesem Abschnitt, wie Gott den Faden mit Israel – wenn die Haushaltung der Nationen vorbei ist – wieder aufnimmt. Darum werden wir hier für einen Augenblick nach Jerusalem zurückgeführt, um diesen Ort dann (bis auf ein besonderes Ereignis dort) für immer zu verlassen. Dort treffen wir Herodes an, der ein Bild des Antichrists ist, der den treuen Überrest in Jerusalem verfolgt.
Wir finden sowohl in Jakobus als auch in Petrus ein Bild vom gläubigen Überrest. Genauso wie bei diesen beiden Aposteln sehen wir auch beim Überrest, dass während der großen Drangsal ein Teil getötet und ein Teil verschont wird.
Der Herodes, der in diesem Abschnitt die Hauptrolle spielt, ist der dritte Herodes, der im Neuen Testament genannt wird. Der erste wollte den Herrn ermorden, der zweite ließ Johannes den Täufer enthaupten und dieser ist also für den Tod des Jakobus verantwortlich. Jakobus wurde auf dieselbe Weise umgebracht wie viele alttestamentliche Märtyrer (Heb 11,37).
Es gibt noch einen Aspekt, den wir bei Herodes feststellen können und der in Verbindung mit dem Evangelium steht. Im Blick auf die Verkündigung des Evangeliums sehen wir in Herodes das politische Hindernis für die Verkündigung des Evangeliums, ein Hindernis, das durch das Gebet überwunden wird. Bei Petrus waren Reinheitsgesetze ein Hindernis für das Evangelium, also ein religiöses Hindernis, doch auch das hat Gott überwunden. Sowohl religiöse als auch politische Autoritäten sind immer wieder Instrumente in der Hand Satans gewesen, um den Lauf des Evangeliums aufzuhalten, jedoch immer vergeblich.
Es scheint so, als habe Herodes mit seiner Kampagne gegen die Christen Erfolg. Manche aus der Gemeinde bekommt er zu packen, um ihnen Böses zu tun. Als er Jakobus zu packen bekommt, hat er damit einen der Führer der neuen Bewegung in Händen. Er lässt Jakobus mit dem Schwert töten, was darauf schließen lässt, dass er ihn enthaupten lässt. Es geht um den Jakobus, der beschrieben wird als „der Bruder des Johannes“. Das geschieht, damit er nicht mit Jakobus, dem Bruder des Herrn, verwechselt wird.
Er und Johannes und Petrus sind bei dem Herrn gewesen während seiner Verherrlichung auf dem Berg, und sie waren Augenzeugen der Herrlichkeit des Herrn (Lk 9,28.32). Die Erfahrung auf dem Berg war die Bestätigung der alttestamentlichen Verheißungen über das Kommen Christi in Herrlichkeit. Sie waren drei Zeugen, die das gesehen haben. Herodes fängt an, diese Zeugen umzubringen. Jakobus hat er getötet, Petrus will er töten, und wer kann sagen, dass danach nicht auch noch Johannes auf seiner Liste stand. Der Teufel will immer Zeugen ausschalten.
Jakobus ist der erste der Apostel, der als Märtyrer stirbt. Er wird nicht als Apostel ersetzt, anders als Judas damals (Apg 1,20–26).
3 - 6 Petrus wird gefangen genommen
3 Als er aber sah, dass es den Juden gefiel, fuhr er fort, auch Petrus festzunehmen (es waren aber die Tage der ungesäuerten Brote). 4 Den setzte er auch, nachdem er ihn ergriffen hatte, ins Gefängnis und überlieferte ihn zur Bewachung an vier Abteilungen von je vier Soldaten, da er gewillt war, ihn nach dem Passah dem Volk vorzuführen. 5 Petrus nun wurde in dem Gefängnis bewacht; aber von der Versammlung wurde anhaltend für ihn zu Gott gebetet. – 6 Als aber Herodes ihn vorführen wollte, schlief Petrus in jener Nacht zwischen zwei Soldaten, gefesselt mit zwei Ketten, und Wächter vor der Tür bewachten das Gefängnis.
In den nachfolgenden Versen lenkt Lukas noch einmal ausführlich die Aufmerksamkeit auf Petrus, bevor er, mit Ausnahme seines Auftritts in Kapitel 15, für uns von der Bildfläche verschwindet. Die Juden haben noch nichts von ihrem Hass gegenüber den Christen verloren. Sie reagierten erfreut auf den Tod des Jakobus. Als Herodes das bemerkt, will er daraus politisches Kapital schlagen. Um die Juden noch günstiger zu stimmen, setzt er seine Säuberungskampagne fort. Er nimmt auch Petrus gefangen, der damit zum dritten Mal gefangen genommen wird.
Wie Pilatus handelt auch Herodes mit Blick auf die Gunst des Volkes. Gemeinschaftliche Hassgefühle bringen Herodes und die Juden zusammen. Der Hass der Juden betraf die Anbetung des Herrn Jesus als Gott. Nach ihrer Meinung ist das der Abfall von Gott, denn Er ist für sie lediglich ein Mensch, und auf Anbetung eines Menschen stand die Todesstrafe.
Wegen des Festes findet die Hinrichtung nicht sofort statt. Der Hinweis auf die Tage der ungesäuerten Brote bedeutet, dass das Passah gefeiert wurde. Dabei erinnerte man sich an die Zeit, als das Volk unter fremder Herrschaft stand, aus der Gott aber sein Volk befreit hat. Hier wird das christliche Volk Gottes von der politischen Macht unterdrückt, so wie das auch in der Endzeit mit dem gläubigen Überrest geschehen wird. Doch so wie Gott seinerzeit sein Volk befreite, damit es Ihm dienen würde, so befreit Er die Seinen jetzt und auch in Zukunft. In allen Zeiten haben politische Mächte versucht, den Dienst für Gott zu verhindern.
Im Blick auf Petrus überlässt Herodes nichts dem Zufall. Er wird sicher von den vorherigen Gefangennahmen des Petrus gehört haben und auch, wie er beide Male daraus befreit wurde. Das wird ihm nicht geschehen. Er wird daher diese schwachen Christen mit seinen Sicherheitsmaßnahmen von Befreiungsplänen abhalten. Doch die Frage ist nicht, was Herodes tut; es geht darum, was Gott tun kann.
Die Sicherheitsmaßnahmen des Herodes haben es in sich. Petrus wird durch vier mal vier Soldaten bewacht. Das bedeutet, dass er jeweils von vier Soldaten bewacht wird, die alle drei Stunden entsprechend den vier Nachtwachen abgelöst werden. Zwei von jeweils vier Soldaten waren an Petrus angekettet, und zwei Soldaten standen an der Tür Wache. Die Bewachung war also äußerst sicher.
Doch auf einem anderen Gebiet wird ein Kampf geführt, der alle möglichen Sicherheitsmaßnahmen zunichtemacht. Das ist der Kampf des Gebets. Die Gemeinde betete. Sie war in der Atmosphäre des Gebets entstanden (Apg 1,14; 2,42) und harrte in dieser Haltung aus. Die Verzögerung der Hinrichtung des Petrus wird von der Gemeinde genutzt, um für Petrus zu beten.
Das war wirklich eine Gebetstunde! Die Gefangennahme des Petrus brachte die Gemeinde – die den schrecklichen Tod des Jakobus frisch im Gedächtnis hatte – zu anhaltendem Gebet. Die Macht des Gebets ist größer als die Macht des Herodes, ja, sogar als die Macht der Hölle. Es wurden mehrere Tage im Gebet verbracht, mit nur einem Anliegen: Petrus. Es war ein brennendes gemeinschaftliches Gebet, es richtete sich an Gott, und es war ein konkretes Gebet, nämlich für Petrus (Heb 13,3; Off 5,8).
Eine erste Wirkung des Gebets können wir in der Ruhe sehen, die Petrus ausstrahlte. Obwohl er wusste, was Herodes mit ihm vorhatte, war er nicht unruhig und aufgewühlt, sondern schlief. Dieser Schlaf war ein Sieg des Glaubens. Er schlief den Schlaf des Gerechten. Einerseits wusste er, was mit seinem guten Freund Jakobus geschehen war, andrerseits hatte er schon früher die Erfahrung gemacht, dass der Herr ihn aus dem Gefängnis befreit hatte. Aber er hatte alles in die Hand des Herrn gelegt. Was Er beschließt, ist gut, und das gab ihm die Ruhe, schlafen zu können. Wohl hatte er auch einst geschlafen bei Gelegenheiten, wo er eigentlich hätte wach bleiben sollen, wie bei der Verherrlichung des Herrn auf dem Berg (Lk 9,32) und beim Gebet des Herrn in Gethsemane (Mt 26,40), doch nun schlief er in Frieden (Ps 4,9; 3,6.7).
7 - 11 Petrus wird befreit
7 Und siehe, ein Engel des Herrn trat hinzu, und ein Licht leuchtete in dem Raum; er schlug aber Petrus an die Seite, weckte ihn und sagte: Steh schnell auf! Und die Ketten fielen ihm von den Händen ab. 8 Der Engel aber sprach zu ihm: Gürte dich und binde deine Sandalen unter. Er aber tat es so. Und er spricht zu ihm: Wirf dein Oberkleid um und folge mir. 9 Und er ging hinaus und folgte ihm, und er wusste nicht, dass es Wirklichkeit war, was durch den Engel geschah; er meinte aber, ein Gesicht zu sehen. 10 Als sie aber durch die erste und die zweite Wache hindurchgegangen waren, kamen sie an das eiserne Tor, das in die Stadt führte, das sich ihnen von selbst öffnete; und sie traten hinaus und gingen eine Gasse entlang, und sogleich schied der Engel von ihm. 11 Und als Petrus zu sich selbst kam, sprach er: Nun weiß ich in Wahrheit, dass der Herr seinen Engel gesandt und mich gerettet hat aus der Hand des Herodes und aller Erwartung des Volkes der Juden.
Lukas weist in Vers 6 noch einmal auf die gute Bewachung des Petrus hin, doch nun sehen wir, wie der Herr damit Spott treibt. Er schickt einen seiner Engel zu der Zelle, in der Petrus schläft. Mit dem Engel bringt Er himmlisches Licht in die Zelle. Petrus wird davon nicht wach, so dass der Engel ihn anstoßen muss (vgl. 1Kön 19,5).
Dann bekommt er den Auftrag, „schnell“ aufzustehen. Die Tatsache der übernatürlichen Befreiung bedeutet nicht, dass Petrus nicht das Nötige selbst tun muss, und dann auch noch schnell. Gott hat für die Befreiung eine bestimmte Zeit eingeplant, und innerhalb dieser Zeit muss das geschehen. Das Eingreifen Gottes und das, was der Mensch tun muss, kommen hier wieder zusammen.
Die Ketten fallen von seinen Händen, damit er schnell aufstehen kann. Fesseln stellen für Gott kein Problem dar, genauso wenig wie geschlossene Türen oder Gräber. Das Herabfallen der Ketten wird sicher Lärm verursacht haben. Wir können davon ausgehen, dass Gott die Wächter in einen tiefen Schlaf versetzt hat. So wie die Wache, die das Grab des Herrn Jesus bewachen sollte, ausgeschaltet wurde, schaltete Gott auch diese Wache aus. Beim Grab Jesu wurden die Wächter, als ein Engel erschien „wie tot“ (Mt 28,4), hier bemerken sie nichts. Gott behandelt sie, als wären sie nicht da. Sie werden weder von dem Licht noch von dem Lärm wach.
Der Engel gibt Petrus anschließend Hinweise für seine Flucht. Der Engel hatte die Fesseln des Petrus gelöst, seine Kleider und seine Schuhe musste er selbst anziehen. Um seine Schuhe anziehen zu können, musste er sich bücken, und danach konnte er gehen. Wird Petrus sich nicht jedes Mal, wenn er sich seine Schuhe anzog, an diese außergewöhnliche Befreiung erinnert haben? Wird sein Vertrauen auf den Herrn dadurch nicht ermutigt worden sein?
Petrus tut das, was der Engel sagt und folgt ihm nach draußen. Mehr braucht er in diesem Augenblick nicht zu tun. Es ergeht ihm wie im Traum. Das erinnert an die Erfahrung, die auch der gläubige Überrest machen wird, wenn er vom HERRN in den letzten Tagen aus der größten Not befreit wird (Ps 126,1).
Auf seinem Weg in die Freiheit hinter dem Engel her kommen beide an zwei Wachen vorbei, die jedoch keinen Alarm schlagen. Die eiserne Tür, die ein letztes Hindernis auf dem Weg in die Freiheit darstellt, öffnet sich von selbst. Es ist der mächtige Arm Gottes, der den Weg in die Freiheit öffnet. Als sie hindurchgegangen sind, befinden sie sich in der Stadt. Der Engel geht noch eine Straße mit. Damit ist sein Dienst beendet. Er verschwindet ohne noch etwas zu sagen und kehrt in den Himmel zurück, um sich dort vor den Herrn zu stellen, bereit, um zum nächsten Dienst ausgesandt zu werden.
So steht Petrus dort nun allein. Dann kommt er zu sich selbst. Petrus wird sich bewusst, dass er frei ist und dass aus den Erwartungen des Herodes und des Volkes nichts wird (vgl. Röm 15,31). Wir sehen, dass Petrus sich auch der engen Verbindung zwischen diesen Feinden des Christentums bewusst ist. Wie bereits gesagt, ist diese enge Verbindung zwischen Herodes und dem Volk der Juden ein Bild der Verbindung zwischen dem Antichrist und der abfälligen Menge des jüdischen Volkes. Seine Befreiung macht ihn nicht unvorsichtig. Er weiß, dass er diesen Ort verlassen muss.
Nachdem wir nun den Tod des Jakobus und die Befreiung des Petrus überdacht haben, drängt sich die Frage auf: Warum wird Jakobus getötet, und warum wird Petrus aus dem Gefängnis befreit? Diese Fragen kommen auf, doch wir können sie nicht beantworten. Das sind die Regierungswege Gottes, die wir nicht ergründen können. Hier geziemt es sich für uns, Gott völlig zu vertrauen, dass Er sich nicht irrt.
12 - 17 Petrus geht zur Gemeinde
12 Und als er sich bedachte, kam er an das Haus der Maria, der Mutter des Johannes, der auch Markus genannt wird, wo viele versammelt waren und beteten. 13 Als er aber an die Tür des Hoftores klopfte, kam eine Magd, mit Namen Rhode, herbei, um zu horchen. 14 Und als sie die Stimme des Petrus erkannte, öffnete sie vor Freude das Hoftor nicht; sie lief aber hinein und berichtete, Petrus stehe vor dem Hoftor. 15 Sie aber sprachen zu ihr: Du bist von Sinnen. Sie aber beteuerte, dass es so sei. Sie aber sprachen: Es ist sein Engel. 16 Petrus aber fuhr fort zu klopfen. Als sie aber geöffnet hatten, sahen sie ihn und gerieten außer sich. 17 Er aber winkte ihnen mit der Hand, zu schweigen, und erzählte ihnen, wie der Herr ihn aus dem Gefängnis herausgeführt hatte; und er sprach: Berichtet dies Jakobus und den Brüdern. Und er ging hinaus und zog an einen anderen Ort.
Nachdem Petrus nun frei ist, weiß er, wohin er gehen muss. Er weiß, dass die Gläubigen im Haus der Maria zusammenkommen, die näher beschrieben wird als die Mutter von Johannes, der auch Markus genannt wird. Von diesem Johannes Markus werden wir noch mehr hören. Was die Zusammenkunft betrifft, die dort abgehalten wurde, sehen wir, dass viele versammelt waren. Niemand wird aufgrund mangelnden Interesses gefehlt haben. Durch den Druck von außen wurden die Gläubigen zusammengebracht; sie suchten gemeinsam das Angesicht Gottes.
Dass es viele waren, muss nicht heißen, dass die ganze Gemeinde dort anwesend war. Wir lesen ja weiter, dass Petrus die Nachricht seiner Befreiung an Jakobus und die Brüder überbringen lässt (Vers 17). Diese waren also offensichtlich nicht dabei.
Nachdem Petrus dort angekommen ist, muss er wie üblich an die Tür klopfen. Diese Tür öffnete sich nicht von selbst wie die Tür des Gefängnisses. Auf sein Klopfen hin kommt eine Magd herbei. Lukas erwähnt ihren Namen: Sie heißt Rhode. Er sagt nichts über ihr Alter, doch es ist offensichtlich, dass dieses Mädchen eine wichtige Aufgabe in der Gemeinde hat. Es wird von ihr erwartet, dass sie die kennt, die hereinkommen wollen, und dass sie warnt, wenn sie vermutet, dass jemand mit falschen Motiven kommt. Sie ist eine echte Dienerin der Gemeinde.
Petrus hat offensichtlich nicht nur geklopft, sondern auch leise gerufen, denn sie erkennt die Stimme des Petrus. Auch das weist auf ihr großes Interesse an den Dingen des Herrn hin. Sie wird ihn häufig reden gehört haben. Früher ist Petrus schon einmal von einer Magd erkannt worden, doch bei der Gelegenheit wollte er nicht erkannt werden und er verleugnete seinen Herrn (Lk 22,56).
In ihrer Begeisterung über das plötzliche Erscheinen des Petrus läuft sie hinein und berichtet, dass Petrus vor dem Tor steht. Dabei vergisst sie, die Tür zu öffnen. Diese Vergesslichkeit ist der Anlass, dass der Unglaube der Gemeinde offenbar wird. Obwohl Petrus schon früher durch göttliches Eingreifen befreit worden war (Apg 5,19), glaubten sie nicht, dass das wahr war, was Rhode sagte.
Wir brauchen ihnen das nicht zu verübeln, denn wie oft zweifeln wir selbst auch, während die Antwort bereits vor der Tür steht. Andererseits macht ihre Reaktion deutlich, dass wunderbare Befreiungen und Wunder im Allgemeinen keine alltäglichen Ereignisse waren. Das Leben des Gläubigen ist keine Kette von allerlei Wundern, die ihn aus misslichen Lagen oder von unangenehmen Krankheiten befreien.
Ihre erste Reaktion ist, das Rhode von Sinnen sei. Rhode zweifelt jedoch nicht. Sie versichert den Gläubigen, dass es wirklich Petrus sei, der am Tor steht. Die Gläubigen wollen es aber nicht glauben. Dann wird es wohl, wie sie meinen, sein Engel sein. Damit meinen sie nicht seinen Schutzengel, sondern dass sein Geist sich ihr gezeigt hat, dass sie also ein übernatürliches Wesen gehört hat, das Petrus repräsentiert. Aufgrund des Alten Testamentes waren sie mit dem Gedanken vertraut, dass Engel den Menschen erscheinen können. Engel haben eine beschützende, bewahrende und dienende Funktion (Ps 91,11.12; Heb 1,14).
Während sich all das drinnen abspielt, klopft Petrus weiter. Als sie dann gemeinsam zum Tor kommen und öffnen, sehen sie ihn. Sie meinen, ihren Augen nicht trauen zu können und geraten außer sich. Sie waren wahrscheinlich doch mehr unter dem Eindruck der Macht des Herodes gewesen, als der Macht Gottes. Sie werden Petrus mit Fragen bombardiert haben.
Doch Petrus beruhigt sie, indem er mit der Hand winkt, scheinbar ohne etwas zu sagen. Seine Befreiung macht ihn nicht unvorsichtig. Er ermahnt sie, ruhig zu sein. Der Lärm, den sie machen, dringt weit in die Stille der Nacht und könnte verraten, wo er sich befindet. Er berichtet ihnen, wie seine Befreiung geschehen ist. Nicht ein Engel bekommt die Ehre, ihn befreit zu haben, sondern der Herr.
Er bittet sie, Jakobus und den Brüdern seine Befreiung mitzuteilen, die sicher auch gebetet haben und gespannt sind auf den weiteren Verlauf. Er nennt besonders Jakobus, denn wahrscheinlich war er gemeinsam mit Petrus für die Gemeinde in Jerusalem verantwortlich. Dieser Jakobus ist der Bruder des Herrn (Mk 6,3), von dem wir später lesen, dass er ein Führer in der Gemeinde in Jerusalem war (Apg 15,13; 21,18). Paulus betrachtet Jakobus, zusammen mit Petrus und Johannes, als eine der drei Säulen der Gemeinde (Gal 2,9).
Nachdem Petrus befreit ist, geht er nicht wieder in die Stadt, wie in Kapitel 5 (Apg 5,20), sondern er geht an einen anderen Ort. Lukas teilt uns den Ort nicht mit. Damit ist die Geschichte des Petrus eigentlich zu Ende. In Kapitel 15 treffen wir ihn noch einmal in der Apostelgeschichte. Weiter lesen wir nichts mehr davon, wo und wie er gewirkt hat. Die römisch-katholische Kirche behauptet, dass er nach Rom gegangen sei, um dort seine 45-jährige Regierung als Papst zu beginnen, doch das ist lediglich ein törichter Gedanke. Petrus zog ungefähr im Jahr 44 weg. Er hat seine Briefe in der Mitte der sechziger Jahre geschrieben.
18 - 19 Die Reaktion des Herodes
18 Als es aber Tag geworden war, war eine nicht geringe Bestürzung unter den Soldaten, was doch aus Petrus geworden sei. 19 Als aber Herodes ihn zu sich forderte und ihn nicht fand, verhörte er die Wächter und befahl, sie abzuführen; und er ging von Judäa nach Cäsarea hinab und verweilte dort.
Obwohl Petrus von der Bildfläche verschwunden ist, ist die Geschichte damit noch nicht zu Ende. Lukas teilt uns noch mit, wie Herodes darauf reagierte und schließlich berichtet er uns noch sein Ende. Das scheint, wie bereits gesagt, darauf hinzuweisen, dass es um die vorbildliche Bedeutung dieser ganzen Geschichte geht. Nach der Befreiung des Petrus als Bild des Überrestes folgt noch das Gericht über Herodes als Bild des Antichrists. Dieses Gericht trifft ihn, weil er sich als Gott verehren ließ, und das wird der Antichrist ebenfalls tun.
Was das Verschwinden von Petrus betrifft, ist es verständlich, dass es unter den Soldaten große Bestürzung auslöst. Sie waren dabei, als Petrus verschwand, doch sie haben nichtdaran mitgewirkt, sie haben überhaupt nichts davon gemerkt und konnten es daher auch nicht verhindern. Das ist die Verwirrung von Menschen, die meinen, alles unter Kontrolle zu haben, obwohl gleichzeitig Dinge, an denen sie aufs Engste beteiligt sind, ohne ihr Zutun geschehen. Das ist die Blindheit der Menschen, die nicht mit Gott rechnen. Das gilt auch für Herodes.
Zunächst hat er einige Zeit nach Petrus gesucht, ihn aber nicht gefunden (vgl. Jer 36,26). Danach verhört er die Wächter. Diese können natürlich keine befriedigende Antwort auf das Verschwinden von Petrus geben. Dann befiehlt er, dass die Wächter abgeführt werden, und zwar, um hingerichtet zu werden. Sie müssen das Entwischen des Petrus mit dem eigenen Leben bezahlen, denn sie waren dafür verantwortlich (vgl. 1Kön 20,39). Nicht Petrus starb an diesem Tag, sondern eine Reihe Soldaten starb an seiner Stelle (Spr 11,8).
20 - 23 Der Tod des Herodes
20 Er war aber sehr ergrimmt gegen die Tyrer und Sidonier. Sie kamen aber einmütig zu ihm, und als sie Blastus, den Hofbeamten des Königs, überredet hatten, baten sie um Frieden, weil ihr Land von dem königlichen ernährt wurde. 21 An einem festgesetzten Tag aber hielt Herodes, nachdem er ein königliches Gewand angelegt und sich auf den Thron gesetzt hatte, eine öffentliche Rede an sie. 22 Das Volk aber rief ihm zu: Eines Gottes Stimme und nicht eines Menschen! 23 Sogleich aber schlug ihn ein Engel des Herrn dafür, dass er nicht Gott die Ehre gab; und von Würmern zerfressen, verschied er.
Lukas beschreibt den Tod des Herodes. Die Ereignisse, die der Anlass für seinen Tod sind, hängen mit seiner Beziehung zu den Tyrern und Sidoniern zusammen. Aus unbekannten Gründen war Herodes erzürnt über die Tyrer und Sidonier, die Bewohner zweier Handelsstädte am Mittelmeer. Diese Städte waren bezüglich ihrer Versorgung mit Nahrungsmitteln von Israel abhängig. Wegen des Zornes von Herodes war nun diese Versorgung unterbrochen. Um sie wieder in Gang zu bringen, versuchten sie, sich bei Herodes einzuschmeicheln.
Zur Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen hatten sie mit einem der engsten Diener des Herodes Kontakt aufgenommen, und zwar mit dem Hofbeamten Blastus. Sie hatten ihn so weit bekommen – vielleicht durch Schmiergelder –, dass er für sie bei Herodes vermitteln wollte. Sie baten um Frieden, das heißt, dass sie Herodes baten, dass er sich wieder mit ihnen versöhnte. Herodes geht auf die Bitte ein und legt einen Tag fest, an dem er vor der Gesandtschaft und dem Volk von Cäsarea eine Rede halten will. Nach dem jüdischen Geschichtsschreiber Josephus Flavius war das der zweite Tag eines Festes, das Herodes organisiert hatte, um einen Sieg von Kaiser Claudius zu feiern.
Josephus spricht ebenfalls von dem königlichen Gewand, das Herodes anzog. Er sagt dazu, dass es ein ganz aus Silber gewobenes Gewand war. Herodes tritt hier mit allem Nachdruck als König auf und lenkt damit alle Aufmerksamkeit auf sich selbst. In dieser Eigenschaft und mit dem überwältigenden Glanz des Prunks setzt er sich auf den Richterstuhl, um von dort aus seine Ansprache zu halten. Herodes präsentiert sich zuerst einmal als König; er maßt sich diese Stellung als ein Edomiter an. Und dabei bleibt es nicht. Er wächst in dieser Position, während er redet, zu einem Gott heran.
Er nimmt mit großem Wohlgefallen zur Kenntnis, wie das Volk ihm zuruft (wie geheuchelt es auch sein mag, weil sie ihn wieder auf ihre Seite bekommen wollen), dass seine Stimme die eines Gottes sei und nicht die eines Menschen. Sie bringen ihm göttliche Verehrung dar, die er ohne Zögern annimmt. Auch da sehen wir wieder in ihm ein Bild vom Antichrist, denn auch dieser Gottlose wird sich als Gott anbeten lassen (2Thes 2,4).
Durch diese Verehrung, die er von Menschen entgegennimmt, zieht er den Zorn Gottes auf sich; er bekommt ihn sofort danach zu spüren. Was bei den Heiden die Regel ist und von Gott längst nicht immer sofort gerichtet wird, das richtet Gott bei Herodes doch unverzüglich. Herodes wusste es besser und hätte diese Ehre nicht akzeptieren dürfen.
Gott macht hier deutlich, dass Er der Herrscher der Welt ist, wie groß der Stolz des Menschen auch sein mag. Weil Herodes sich diese Verehrung gefallen ließ, schlug Gott ihn durch einen Engel (vgl. Dan 4,30.31; Hiob 40,11.12). Hier gibt Gott ein Zeugnis davon, dass Er der wahre Herrscher ist und nicht der Mann, der die Christen verfolgt.
Damit endet die Einschaltung in diesem Kapitel. Wir haben uns mit dem Wirken des Petrus beschäftigt, einschließlich der sieben Ansprachen, die er gehalten hat. Danach beginnt das Wirken des Paulus; auch hier werden wir sieben Ansprachen finden.
24 - 25 Der Übergang zum Dienst des Paulus
24 Das Wort Gottes aber wuchs und mehrte sich. 25 Barnabas aber und Saulus kehrten, nachdem sie den Dienst erfüllt hatten, von Jerusalem zurück und nahmen Johannes mit, der auch Markus genannt wurde.
Herrscher mögen kommen und gehen, das Wort Gottes nimmt zu und mehrt sich. Der Tod des Jakobus und der Weggang des Petrus sind kein Hinderungsgrund für das Wachsen des Wortes und die Zunahme der Gemeinde. Das Wachstum und die Mehrung des Wortes Gottes zeigen sich in der Bekehrung der einzelnen Seelen. Im Leben jeder bekehrten Seele hat das Wort Gottes wieder ein Stück an Terrain gewonnen. Das Wort vermehrt seine Anwesenheit auf der Erde in jedem Gläubigen, der sich der Herrschaft des Wortes unterwirft.
Zu Beginn dieses Kapitels drohte Herodes damit, die Gemeinde zu verwüsten. Der Schluss dieses Kapitels beschreibt, wie Herodes selbst verwüstet wird und wie die Gemeinde wächst. Das ist zugleich der Übergang zu einem neuen Abschnitt in diesem Buch, der Beschreibung des Dienstes des Paulus. Barnabas und Saulus (ab Kapitel 13,9 wird Lukas für ihn den Namen Paulus gebrauchen) kehren nach Antiochien zurück, nachdem sie den Dienst, der ihnen in Kapitel 11 aufgetragen worden war (Apg 11,30), in Jerusalem erfüllt hatten. Markus ist bei ihnen. Er wird erwähnt, weil er dabei ist, als Paulus seine erste Missionsreise beginnt.