Einleitung
Amos 1 und 2 zeigen, dass es keinen Unterschied zwischen Israel und den Nationen geben kann, wenn es um das Maß der Heiligkeit Gottes geht. Aber in Amos 3 sehen wir, dass Israel einem separaten Gericht unterzogen wird. Der Grund dafür ist, dass Israel von Gott einen besonderen Platz inmitten aller Nationen erhalten hat. Es ist sein eigenes Volk. Deshalb wird es ein besonderes Gericht über das Volk geben, das der HERR für sich selbst ausgewählt hat. Darum geht es in den Versen 1 und 2. Im Anschluss daran erfolgt die Ankündigung des Gerichts, die der HERR den Propheten aufgetragen hat (Verse 3–8). Der Inhalt des Gerichts ist, dass der Feind in das Land eindringen, seine Bewohner töten, die Altäre von Bethel zerstören und aus der Hauptstadt einen Trümmerhaufen machen wird (Verse 9–15).
Wir können daraus lernen. So wie Israel die Position des Zeugnisses Gottes eingenommen hat, so nimmt jetzt die Christenheit diese Position ein. Wenn wir diese Position einnehmen, ist es notwendig, dass wir ein Zeugnis davon ablegen, wer Gott ist, und dass dies in Übereinstimmung mit dem geschieht, wer Gott wirklich ist. Ein falsches Zeugnis gibt ein falsches Bild von Ihm. Leider hat die Geschichte der Christenheit gezeigt, dass es nicht besser gelaufen ist als bei Israel. Gott wird daher die Christenheit richten müssen. Die Beschreibung dieses Gerichts findet sich in Offenbarung 17 und 18.
1 Aufruf zum Hören
1 Hört dieses Wort, das der HERR über euch redet, ihr Kinder Israel – über das ganze Geschlecht, das ich aus dem Land Ägypten heraufgeführt habe –, indem er spricht:
Der Ruf „Hört dieses Wort“ ist auch in Amos 4 und Amos 5 zu lesen (Amos 4,1; 5,1). Das sind Worte, die dazu aufrufen, alle Arbeiten einzustellen, um „diesem Wort“ aufmerksam zuzuhören. Die Tatsache, dass es sich um ein Wort handelt, „das der HERR über euch redet“, unterstreicht die Bedeutung des Zuhörens. Niemand anderes als der HERR spricht, und es geht um niemanden anderen als sie selbst, die „Kinder Israel“. Das alles sind drängende Gründe, um zuzuhören. Hier wird das ganze Volk angesprochen, Juda und die zehn Stämme, denn es wird auf „das ganze Geschlecht“ hingewiesen, das der HERR „aus dem Land Ägypten“ heraufgeführt hhat.
Mit diesen Worten stellt Amos auch den Zusammenhang mit dem Ursprung ihrer Existenz als Volk her. Bekannt mit ihrer Volksgeschichte wissen sie, dass Ägypten das Land ist, in dem sie schwere Sklavenarbeit leisten mussten. Sie hätten sich nie selbst von dieser Sklaverei befreien können. Dass sie jetzt in Israel wohnen, verdanken sie der befreienden Liebe und Kraft des HERRN.
2 Nur euch habe ich erkannt
2 Nur euch habe ich von allen Geschlechtern der Erde erkannt; darum werde ich alle eure Ungerechtigkeiten an euch heimsuchen.
Es ist das exklusive Privileg Israels, dass der HERR sie kennt. Hier bedeutet erkennen in Liebe kennen und drückt eine besondere Intimität aus. Das Gleiche sagt der HERR von Jeremia, wenn Er ihm sagt, wie Er ihn bereits, bevor er im Mutterleib war, erkannte (Jer 1,5a). Das Wort „Kennen“ beinhaltet den Gedanken an das souveräne Handeln Gottes, der den Gegenstand seines Wissens für seinen Zweck auswählt und beiseitelegt. Kennen ist kein „Kennen von“ oder „Vertrautsein mit“, sondern ein Kennen über das tiefste Wesen eines Volkes oder eines Menschen als Ausdruck der Gemeinschaft. Die Tatsache, dass Gott sein Volk kennt, bedeutet, dass Er Gemeinschaft mit ihm hat.
Einem Volk, dem ein so besonderer Platz eingeräumt wurde, kann nur eine besondere Beurteilung bekommen. Diese besondere Beurteilung spiegelt sich in dem ernsten „darum“ wider. Israel glaubt, dass es aufgrund seiner Auserwählung und seiner besonderen Stellung nicht wie die umliegenden Völker behandelt werden wird. Aber Gott wird das Volk umso mehr für sein sündhaftes Verhalten bestrafen, gerade wegen seiner engen Beziehung zu Ihm. Nicht eine einzige Ungerechtigkeit wird übersehen: „alle eure Ungerechtigkeiten.“
Das Maß der Beziehung ist immer das Maß der Verantwortung. Deshalb ist dieser Vers für Christen so wichtig. Sie haben eine besondere Beziehung zu Gott. Die Sünden, die das Volk Gottes begangen hat, sind für Ihn immer schmerzhafter als die Sünden anderer Nationen. Diese anderen Nationen leben in Unwissenheit über Ihn, während Er sein Volk mit seinem Willen bekannt gemacht hat.
Ein Beispiel kann helfen, diesen Unterschied in der Behandlung zu verdeutlichen. Stellen wir uns eine Gruppe von Jungen vor, die etwas tun, was nicht erlaubt ist. Ein Polizist, der gerade vorbeigekommen ist, schnappt sich einen am Kragen und gibt ihm eine gehörige Tracht Prügel. Umstehende schreien: „Sie alle haben es getan!“ „Ich weiß“, sagt der Polizist, „aber dieser Junge ist mein Sohn.“ Wir können sicher sein, dass der Polizist zu Hause auch seinem Sohn ins Gewissen reden wird.
In 3. Mose 4 wird auch deutlich, dass es von Bedeutung ist, wer eine Sünde begeht. Dort zeigt es sich in der Größe des Opfers, das im Fall der Sünde gebracht werden muss. Die Sünde eines Prinzen, einer prominenten Person im Volk, wird schwerer genommen als die eines gewöhnlichen Volksmitglieds. Der Herr Jesus spricht im gleichen Sinn (Lk 12,47.48; vgl. Mt 11,20–24).
3 Übereingekommen
3 Gehen wohl zwei miteinander, außer, wenn sie übereingekommen sind?
Wenn du mit jemand anderem auf eine Reise gehst oder etwas beginnst, ist es wichtig, dass ihr gemeinsam einen genauen Blick auf die Erwartungen werft, die damit einhergehen. Das gilt für eine Ehe, ein Geschäft, eine Reise. Wenn du mit Menschen auf eine Reise gehst, ist es möglich, dass eine Partei unbegründete oder zu hohe Erwartungen hat. Dieses Zusammengehen kann dann viele Enttäuschungen nach sich ziehen, manchmal so sehr, dass Menschen wieder auseinandergehen.
Warum ist das so? Die Veranlagung zu verhandeln ist typisch menschlich und kommt aus seinen Ideen und Meinungen über diesen Weg. Oft stimmt man zu, indem man Zugeständnisse und Kompromisse macht. Auch das scheint keine solide Grundlage zu sein. Der Prozess, den einige Kirchen in den Niederlanden unter dem Namen „Zusammen auf dem Weg“ durchlaufen haben und der zur protestantischen Kirche in den Niederlanden geführt hat, ist ein Beispiel dafür.
Es ist anders, wenn Gott an diesem Miteinandergehen beteiligt ist. Und genau darum geht es hier. Diejenigen, die gemeinsam mit Gott auf dem Weg gehen wollen, werden nicht in der Lage sein, einen Deal mit Ihm abzuschließen. Mit Gott gemeinsam auf dem Weg zu gehen, ist nur möglich, wenn man mit Ihm übereingekommen ist. Das bedeutet, dass man in seine Gegenwart gekommen ist und sich ganz an seine Heiligkeit angepasst hat. Es ist unmöglich, mit Gott zu wandeln, ohne mit Ihm ins Reine gekommen zu sein. Mit Gott zu wandeln, mit Ihm auf dem Weg zu sein, ist nur möglich, wenn man sich vom Bösen absondert. Mit Gott auf dem Weg sein bedeutet, auf Ihn zu hören und seinem Wort zu gehorchen.
Du gehst nicht mit jemand anderem auf Tour, ohne sich mit ihm über die Route geeinigt zu haben, oder? Sonst solltest du gar nicht erst starten. Für Amos ist das klar. Er ist im Einklang mit Gott, er stimmt mit Ihm völlig überein. Amos und Gott bewegen sich in die gleiche Richtung. Deshalb kann Amos von Gott als sein Prophet, als sein Mund, benutzt werden. Amos spricht die Sprache Gottes, und wie wunderbar, Amos spricht auch die Sprache der Menschen. Die Sprache Gottes kommt zu den Menschen in verständlichen, nachvollziehbaren Worten.
In den folgenden Versen geht Amos anhand von Beispielen aus dem Leben auf die Rechte und Pflichten der Propheten ein, um sie zu unterstützen. Er tut dies, weil die Ankündigung der Strafe für Ungerechtigkeiten Widerstand hervorruft. Er wird erklären, dass Gott nicht droht zu richten, wenn es keinen Grund dazu gibt, wenn er kein Volk vor sich hat, das für dieses Gericht reif ist. Deshalb beinhaltet die Frage dieses Verses auch einen Aufruf zur Buße, einen Aufruf, sich mit Gott zu einigen. Wenn nicht, muss Er ihr Gegner sein (3Mo 26,23.24).
4 Ursache und Folge im Wald
4 Brüllt der Löwe im Wald, wenn er keinen Raub hat? Lässt der junge Löwe seine Stimme aus seiner Höhle erschallen, außer wenn er einen Fang getan hat?
Vers 3 ist die erste von sieben durchdringenden Fragen, die in diesen Versen nacheinander gestellt werden. Amos nimmt uns für die folgenden Fragen
1. erst mit zum Wald (Vers 4),
2. dann zum Feld (Vers 5)
3. und schließlich zur Stadt (Vers 6).
Nach der einleitenden Frage von Vers 3 sollen uns die folgenden Fragen zum Nachdenken über Ursache und Folge anregen. Gott will uns lehren und deutlich machen, dass nichts „zufällig“ geschieht.
Ein Löwe brüllt nicht einfach so. Sein Gebrüll hat eine Ursache, einen Anlass. So ist das, was in unserem Leben geschieht, nicht das Ergebnis blinder Kräfte, sondern ein fester Plan Gottes, in dessen Hand unser Leben liegt. Er führt unser Leben und kontrolliert alle Ereignisse.
Jetzt kann jemand denken: „Aber Gott führt mich nicht, wenn ich einen Weg der Sünde wähle, oder?“ Nein, Gott führt das nicht, aber Er führt die Umstände so, dass Er uns dadurch zu sich selbst zurückbringen will. Gott steht immer über dem Bösen und der Sünde. In den folgenden Versen geht Amos darauf ein.
Amos als Viehzüchter weiß, was das Brüllen des Löwen bedeutet: Es ist eine Warnung vor drohender Gefahr. Dieses Brüllen des Löwen ist ein Bild für die mächtige Stimme Gottes, die Er uns hören lässt. Die Ursache ist die Sünde seines Volkes, über die Er richten muss.
Doch Gott handelt nicht, ohne sein Volk vorher zu warnen. Deshalb erhebt Er seine mächtige Stimme durch seine Propheten, denen Er offenbart hat, was Er tun wird (Vers 7). In seinem Gericht über sein Volk stellt sich der HERR als Löwe dar, als ein junger Löwe (vgl. Hos 5,14). Ein junger Löwe kann ein schwächeres oder teilweises Gericht bedeuten.
5 Ursache und Folge im Feld
5 Fällt der Vogel in die Schlinge am Boden, wenn ihm kein Köder gelegt ist? Schnellt die Schlinge von der Erde empor, wenn sie gar nichts gefangen hat?
In Vers 4 wird die Tatsache ausgedrückt, dass der HERR das Volk bereits in seiner Macht als Beute hat. Er reißt es noch nicht auseinander, sondern brüllt. Er warnt sozusagen immer noch. In der ersten Frage von Vers 5 sehen wir, dass Israel selbst für diese Situation verantwortlich ist. So wie ein Vogel auf einen Köder losschießt und dann in der Schlinge gefangen wird, so schießt jemand in das Verderben, weil die Sünde ihn dort hineinzieht. Der Köder ist die Sünde.
Das Volk hat sich selbst ins Verderben gestürzt, indem es nicht mit Gott ging und den Weg der Sünde wählte. Es bedeutet: Kann jemand von der Zerstörung betroffen sein, wenn seine Sünde ihn nicht in die Zerstörung hineinzieht? Niemand wird ruiniert, ohne selbst daran mitzuwirken.
Die erste Frage in diesem Vers handelt von dem Verhalten des Vogels. Die zweite Frage beschäftigt sich mit der Wirkung der Schlinge. Beide Teile des Verses befassen sich mit der Sünde Israels, nähern sich ihr aber aus einem anderen Blickwinkel. Die Schlinge stellt das Gericht Gottes dar. Er macht diejenigen, die sündigen, zu seinen Gefangenen. Die Schlinge ist ein Symbol für die Mittel, die Gott zur Verfügung stehen und die in ihrem Gebrauch effektiv sind. Sie werden effektiv sein, weil Israel den Weg der Sünde gegangen ist.
Aber eine Warnung geht dem Gericht voraus. Wir sehen es im folgenden Vers.
6 Ursache und Folge in der Stadt
6 Oder wird die Posaune in der Stadt geblasen, und das Volk sollte nicht erschrecken? Oder geschieht ein Unglück in der Stadt, und der HERR hätte es nicht bewirkt?
Jede vorherige Frage beginnt mit der Folge: Zum Beispiel wird der Vogel gefangen, und erst dann kommt die Ursache: wegen des Köders. Diese Reihenfolge ist nun umgekehrt. Zuerst haben wir die Ursache: das Blasen der Posaune, und dann das Ergebnis: das Erschrecken des Volkes. Der Klang der Posaune von der Stadtmauer warnt die Stadt, dass sich Eindringlinge nähern (Hes 33,1–3).
Die Posaune stellt die Stimme der Propheten dar. Darauf wird nicht gehört (Jer 6,17), weil die Menschen ihren Wohlstand bestaunen. Sie leben weiter, als gäbe es keine Gefahr und keine Warnung. Jede Katastrophe, die einen Menschen oder eine Gemeinschaft von Menschen, eine Stadt, trifft, ist von Gott als eine Züchtigung gedacht. Für einige Leute hat das Wort „Züchtigung“ einen negativen Klang. Aber es hat mit der Erziehung zu tun. Seine Bedeutung ist „Ziehen“. Gott züchtigt, um sein Volk zu erziehen und es zu sich selbst zu ziehen. Auch muss die Zucht nicht immer „korrigierend“ sein, als Folge von Sünden, die begangen wurden. Es kann auch „präventiv“, vorbeugend sein, um zu verhindern, dass wir sündigen.
Ein weiterer Fehler, den wir machen können, wenn wir gezüchtigt werden, ist, dass wir bei den Mitteln stehenbleiben, die Gott zur Züchtigung verwendet. Das ist der Fall, wenn wir anfangen, unsere eigenen Erklärungen für Dinge wie Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit, Kinder, die ihren eigenen Weg gehen, zu geben, während wir nicht an die Tatsache denken, dass Gott diese Dinge uns zuteilwerden lässt. Wir müssen lernen, nicht auf sekundäre Ursachen, die Instrumente, zu schauen, denn es gibt nichts, was ohne Ihn geschieht. Kein Sperling fällt ohne den Willen des Vaters auf die Erde (Mt 10,29). Wie viel weniger kann eine Katastrophe eine Stadt treffen ohne Ihn?
Das oben genannte ist nicht als billige Lösung für unglaublich tiefgreifende und schockierende Ereignisse oder sogar Verbrechen gedacht, die jemandem begegnet sind. Es gibt Taten, die jemandem angetan werden, die das Leben zerstören können. In solchen Fällen kann man nur hoffen und beten, dass das Opfer schließlich soweit kommt, um sich ganz Gott anzuvertrauen. Er war dabei, als diese schreckliche Sache passierte.
Er hat nicht eingegriffen, das ist wahr. Aber das bedeutet nicht, dass Er diese schreckliche Sache wollte oder sogar damit einverstanden war. Er weint mit. Diejenigen, die dahin kommen, diese persönliche Katastrophe ohne Blick auf die Verursacher zu sehen und ihren Blick auf Gott zu richten, werden seinen Trost und seine Erleichterung im Schmerz auf dem Weg zur Heilung erfahren.
Der Gedanke an die Sünde, als ob Gott sie wirken würde, ist völlig fehl am Platz. Das ist nicht das, was Amos sagt. Es ist immer, und sicherlich auch hier, notwendig, den Kontext zu betrachten. Dann wird klar, dass Gott nicht der Verursacher, der Autor der Sünde ist. Das Unglück hat hier einen strafenden Charakter. Es ist eine Katastrophe, wie ein Überfall durch feindliche Kräfte, das Schwert, die Hungersnot oder die Pest als die notwendige Folge der Sünde (Jes 45,7).
7 Der HERR offenbart sein Geheimnis
7 Denn der Herr, HERR, tut nichts, es sei denn, dass er sein Geheimnis seinen Knechten, den Propheten, offenbart habe.
Es ist ein enormes Privileg, dass Gott uns sagt, was Er tun wird. Dieses Privileg ist das Teil der „Freunde“ des Herrn Jesus, seiner Jünger (Joh 15,15). Allen Christen hat Gott durch seinen Geist offenbart, was Er für diejenigen vorbereitet hat, die Ihn lieben (1Kor 2,10–16). Und Petrus schreibt in seinem zweiten Brief über bevorstehende Ereignisse und schließt seinen Brief mit: „Ihr nun, Geliebte, da ihr es vorher wisst, [so] hütet euch“ (2Pet 3,17a).
Wie kann es dann sein, dass sich so viele Menschen der Absichten Gottes nicht bewusst sind? Weil sie die damit verbundenen Bedingungen nicht erfüllen. Sind wir „Freunde“ des Herrn Jesus, Nachfolger, Jünger, von Ihm? Lieben wir wirklich Gott und lassen wir uns vom Heiligen Geist leiten? Denn die Dinge Gottes werden nur von geistlich gesinnten Christen verstanden. Lesen wir in Gottes Wort, um zu wissen, was darin steht? Gott hat alles mitgeteilt, aber wir müssen die Gedanken Gottes hören und erkennen. Und sind wir bereit, das zu tun, was Er sagt?
Das letzte, worüber Amos spricht, ist von „seinen Knechten“. Sie sind es, die tun, was Gott sagt. Ein Knecht ist jemand, der im Dienst eines Herrn steht und von dem erwartet wird, dass er die Befehle seines Herrn ausführt. Gott kann ihnen seinen Rat offenbaren. Er kann ihnen sagen, was Er tun wird. Wenn wir Gottes Wort beherzigen in Bezug auf das, was Er tun wird, können wir einen sicheren Weg gehen. Alles, was Er zu sagen hat, hat Er uns in seinem Wort offenbart.
Wir lesen im Alten Testament, wie Er Diener wie Noah, Abraham, Joseph und viele andere ins Vertrauen genommen und sie über Gerichtsbeschlüsse informiert hat. Im Neuen Testament lesen wir, wie der Herr Jesus seinen Jüngern von zukünftigen Ereignissen erzählte (Lk 21,20–24). Und haben wir nicht „das prophetische Wort“ (2Pet 1,19), wie das ganze Buch der Offenbarung? Was machen wir mit all diesen vertraulichen Ankündigungen unseres Herrn?
8 Es muss eine Reaktion kommen
8 Der Löwe hat gebrüllt, wer sollte sich nicht fürchten? Der Herr, HERR, hat geredet, wer sollte nicht weissagen?
Amos wendet die Beispiele von Ursache und Folge nicht nur auf seine Hörer an. Er tut auch selbst etwas damit. Sein Sprechen ist das Ergebnis des Redens des HERRN. Er muss sprechen, denn als Prophet ist er in einer direkten Verbindung mit Ihm. Was Amos gesagt hat und noch sagen wird, scheint den Zuhörern kein Wort Gottes zu sein. Das Volk kann mit Ablehnung sagen: „Wie kann dieser Mann so sprechen, woher hat er den Mut?“ Und Amos sagt: „Ich kann nichts anderes tun, denn der HERR hat geredet.“
Kein Löwe brüllt ohne Raub, kein Vogel wird ohne Köder gefangen, und kein Prophet spricht, ohne ein Wort des HERRN gehört zu haben. Und wenn Er redet, kann er nicht schweigen. Amos beweist mit den genannten Beispielen, dass er absolut reden muss, was der HERR zu ihm gesagt hat. Wer Amos kritisiert, der kritisiert den HERRN.
Der HERR hat seine warnende Stimme mit großer Kraft bei allen möglichen Ereignissen hören lassen. Viele sind dafür taub geblieben. Die Propheten sind Gottes Stimme zu dem Gewissen des Volkes. Sie wollen noch einmal auf Gottes Warnungen hinweisen, damit das Volk wieder zur Buße kommt. Wer weiß, was Gott tun wird, kann nur darüber reden (Apg 4,20; Jer 20,9; 1Kor 9,16). Wenn wir von der Wahrheit des Wortes Gottes und der Ernsthaftigkeit des Gerichts, das es über diejenigen verkündet, die Gott nicht gehorchen, überzeugt sind, wird es uns ermutigen, vom Herrn Jesus Zeugnis abzulegen: „Da wir nun den Schrecken des Herrn kennen, [so] überreden wir [die] Menschen“ (2Kor 5,11a).
Dabei dürfen wir nichts anderes weitergeben als das, was Gott uns gesagt hat. Eine eigenwillige Interpretation dessen, was Er gesagt hat, ist unzulässig. Wenn Er nicht gesprochen hat, ist jede Aussage einer Person so wenig wert wie die einer anderen Person; ein Philosoph ist genauso wenig wert wie ein anderer. Sein Wert ist null, ganz zu schweigen von seinen schädlichen Auswirkungen. Nur das Wort Gottes behält seinen Wert für immer und beweist seine Gültigkeit in allen Zeiten und Situationen. Diejenigen, die es einmal eingesehen haben, möchten dieses Wort an andere weitergeben.
9 Ruft!
9 Ruft über die Paläste in Asdod und über die Paläste im Land Ägypten hin und sprecht: Versammelt euch auf den Bergen von Samaria, und seht die große Verwirrung in seiner Mitte und die Bedrückungen in seinem Innern!
Nach der Rechtfertigung seines Dienstes als Prophet verkündet Amos nun vorbehaltlos das Gericht, das über die zehn Stämme kommen muss. Der Befehl des HERRN an die Propheten lautet: „Lasst es hören.“ Sie sollen Asdod und Ägypten auffordern, Zeuge der Gewalt und Gräueltaten in den Palästen von Samaria zu werden. Dazu sollen sie sich auf die Berge Samarias setzen und sehen, was dort vor sich geht. Nach dem, was sie gesehen haben, sollen sie wieder vor Israel aussagen.
Durch dieses Handeln des HERRN wird das Übermaß der Sünden Israels auf eine beschämende Weise dargestellt (vgl. 2Sam 1,20). Was für eine Erniedrigung ist es für das Volk Gottes, wenn es von Heiden beurteilt werden soll. Manchmal beurteilt die Welt das Böse des Volkes Gottes genauer als der Christ selbst. Die Philister, die durch die Stadt Asdod repräsentiert werden, sind das Volk, das ihnen am nächsten liegt. Ägypten ist das bekannte große Reich.
Was Gott offenbart hat, soll gepredigt werden, nah und fern. Indem sie sie zu Zeugen der von Samaria begangenen Sünden machen, sollen die Feinde verstehen, dass Gott sie zu Recht benutzt, um sein Volk zu züchtigen. Asdod und Ägypten werden aufgerufen, von der Ungerechtigkeit Israels Zeugnis abzulegen, die sich hier in wildem Treiben und Unterdrückung ausdrückt. Es gibt allgemeine (soziale) Ungerechtigkeiten, und die Mächtigen missbrauchen ihre Position, um andere zu unterdrücken. Das gesamte gesellschaftliche Leben ist gestört (Pred 4,1).
Übrigens sollte die Tatsache, dass Gott sie benutzt, um sein Volk zu züchtigen, die Völker um sie herum nicht dazu bringen zu denken, dass sie selbst besser sind. Um es in neutestamentlicher Sprache auszudrücken: Sie werden erkennen müssen, „dass das Gericht anfange bei dem Haus Gottes“. Danach wird es sie treffen, und was wird ihr Ende sein? (1Pet 4,17).
10 Warum das Gericht kommt
10 Und sie wissen nicht zu tun, was recht ist, spricht der HERR, sie, die Gewalttat und Zerstörung häufen in ihren Palästen.
„Sie wissen nicht zu tun, was recht ist“, das will sagen, dass ihnen die Gerechtigkeit völlig fremd ist. Es ist ein Weg, den sie noch nie gegangen sind, sie haben überhaupt keine Kenntnis davon. Was sie wissen und tun, ist das Gegenteil: Sie häufen Ungerechtigkeit und Gewalt in ihren Palästen.
Wie visuell ist hier die Sprache von Amos. Ihre Häuser sind wie Lagerhallen, gefüllt mit allen möglichen Wohlstandsgütern. Aber indem sie diese Güter anhäufen, häufen sie auch ihre sozialen Sünden an: denn ihren Vorrat verdanken sie der Gewalt und der Unterdrückung. Wenn man sich diese angehäuften Waren ansieht, kann man ihre angehäuften Sünden sehen. Ihr moralisches Denken ist so verdreht, dass sie den Unterschied zwischen Gut und Böse nicht mehr kennen. Unrecht zu tun, ist zu ihrer Natur geworden.
Gegen die Unterdrückung der Armen und sozial Schwachen durch die Reichen und Mächtigen vorzugehen, ist ein Element, auf das Amos immer wieder zurückkommt (Amos 2,6; 4,1; 5,7.10.12.15; 6,3.12; 8,5).
11 Der Feind tut sein Werk
11 Darum, so spricht der Herr, HERR: Der Feind, und zwar rings um das Land her! Und er wird deine Macht von dir herabstürzen, und deine Paläste werden geplündert werden.
Sie werden mit Verzückung ihre immer größeren Warenstapel angeschaut haben. Aber das Vergnügen wird ihnen vergehen. Ihre Luxushäuser werden vom Feind geplündert. Das ist das Ergebnis, wenn Gott unsere Waren anders betrachtet als wir. Er sieht jede Vermehrung ihres Reichtums als eine Vermehrung ihrer Sünden, wegen der rechtswidrigen Art und Weise, wie sie ihn erhalten haben.
Sein Gericht über ihre Sünden wird von Amos gesehen, und was er sieht, wird von ihm weitergegeben. Der Feind wird das Land von allen Seiten angreifen und einnehmen. Er wird das Land umzingeln (vgl. Lk 19,43) und das stolze Volk demütigen, indem er seine „Macht“, d. h. die Mauern und Türme angreift und seine „Paläste“, d. h. seine luxuriösen Häuser, plündert. Es ist nahe liegend, bei dem Feind an Assyrien zu denken, das in 722 v. Chr. die Bevölkerung der zehn Stämme in der Zerstreuung wegführen wird.
12 Nur ein Überrest wird gerettet
12 So spricht der HERR: Wie der Hirte zwei Beine oder einen Ohrzipfel aus dem Rachen des Löwen rettet, so werden die Kinder Israel gerettet werden, die in Samaria in der Ecke des Polsters und auf dem Damast des Ruhebettes sitzen.
Von dem Volk, das in solchem Überfluss und solcher Ruhe lebt, wird kaum etwas übrig bleiben, sozusagen nichts. Nur ein Überrest wird gerettet werden (Amos 4,11; 5,15; 9,8), ein armer kleiner Haufen, nicht einmal ein Schatten der früheren Menge. Doch es gibt einen Überrest, denn Gott wird immer einen Überrest nach der Auswahl seiner Gnade haben (Röm 11,5). Später treffen wir eine Anna aus dem Stamm Aser (Lk 2,36–38). Sie hat weder ein Winterhaus noch ein Sommerhaus (Amos 3,15), sondern ist Tag und Nacht im Tempel.
Dieser Überrest wird gekennzeichnet sein durch einen ausgewogenen Wandel zur Ehre Gottes, von dem die „zwei Beine“ sprechen, und ein Hören auf Ihn, an das wir bei „einem Ohrzipfel“ denken können. Auch in der heutigen Zeit, in der die Christenheit, in der der Verfall rasant zunimmt und über die Gottes Gericht angekündigt ist, gibt es einen Überrest. Sie besteht aus all denen, die sich nicht mit dem allgemeinen Niedergang der Christenheit abfinden, als Folge des immer stärkeren Loslassens des Wortes Gottes.
In Offenbarung 2 und 3 wird der Verfall der Christenheit in den sieben Briefen an die sieben Gemeinden dargestellt. Alle, die sich dem in dem betreffenden Brief erwähnten Bösen nicht anschließen, werden als „Überwinder“ bezeichnet. Sie bilden den Überrest inmitten des Ganzen. Ihre Eigenschaften sind: Sie wandeln in Treue zum Herrn und zu seinem Wort, und sie haben ein Ohr zum Hören.
Dieser Überrest steht in scharfem Kontrast zu den Menschen auf ihren Ruhebetten. Das sind die Menschen, von denen Petrus sagt: „die die Schwelgerei bei Tage für Vergnügen halten – Flecken und Schandflecke, die in ihren eigenen Betrügereien schwelgen und Festessen mit euch halten“ (2Pet 2,13). Sie genießen ihre Fülle in Faulheit und umgeben sich mit allem, was ihre fleischlichen Vergnügungen befriedigen kann.
13 Eine Unterbrechung
13 Hört und bezeugt es dem Haus Jakob, spricht der Herr, HERR, der Gott der Heerscharen:
Für einen Moment wird die Ansage des Gerichts unterbrochen. Eine kurze Pause, um das Gesagte auf sich wirken zu lassen. Diese Ruhe wird verwendet, um einen ernsthaften Aufruf an das Volk zu richten. Dass das Volk doch darauf hören würde! Der Sprecher wird auf hervorgehobene und beeindruckende Weise genannt. Die Worte „hört und bezeugt“ kommen von niemand anderem als „dem Herrn, HERRN, dem Gott der Heerscharen“. Er präsentiert sich hier als ihr „Herr“, Adonai, ihr Gebieter. Er ist der „HERR“, Jahwe, der sich selbst in einen Bund mit ihnen gebracht hat. Er steht an der Spitze aller himmlischen und irdischen Armeen, „Gott der Heerscharen“.
Es steht nicht fest, an wen dieses „hört“ gerichtet ist. Eine Möglichkeit ist, dass es sich wieder an die Heiden aus Vers 9 richtet. Sie haben gesehen, was Samaria tut. Sie haben auch das Strafgericht gehört, das Gott darüber verkündet. Jetzt sollen sie das Haus Jakobs warnen. „Bezeugt“ bedeutet, feierlich zu versichern das, was gesagt wurde, und zu warnen, dass das, was gesagt wurde, kommt.
14 Gericht über den falschen Gottesdienst
14 An dem Tag, an dem ich Israels Übertretungen an ihm heimsuchen werde, werde ich auch die Altäre von Bethel heimsuchen; und die Hörner des Altars sollen abgehauen werden und zu Boden fallen.
Das Gericht auf den Altären Bethels erinnert an das Wort des Mannes Gottes aus Juda in den Tagen Jerobeams I. (1Kön 13,1–5). Das Wort, das dabei gesprochen wird, wird von Josia hundert Jahre nach Amos erfüllt werden (2Kön 23,15.16).
Die Hörner sind ein wichtiger Teil des Altars (2Mo 27,2; 30,2). Sie symbolisieren die Kraft des Altars. Wenn die Hörner abgehauen sind, ist der Altar zerstört und in seiner Funktion machtlos. Sie sind nicht mehr da, um sie zu ergreifen und möglicherweise dem Gericht zu entkommen (1Kön 1,50; vgl. 2Mo 21,12–14).
Dieses Gericht über die Altäre ist in der Tat das Gericht über all die Götzenverehrung, die in Bethel stattfindet. Da diese Sünde des Götzendienstes tatsächlich die Grundlage für die anderen Sünden bildet, spricht Amos zwischen den Gerichten über Überfluss und Unterdrückung dieses Gericht über die falsche Religion aus. Tatsächlich kommt jedes sündige Verhalten, das ein Mitglied des Volkes zeigt, aus einem sündigen Dienst gegenüber Gott hervor. Es ist auch möglich, die Hörner des Altars als Symbol für alles zu sehen, was ein Mensch für möglich hält, in der (falschen) Gewissheit, dass es in Ordnung ist.
15 Häuser werden zerstört
15 Und ich werde das Winterhaus zertrümmern samt dem Sommerhaus; und die Elfenbeinhäuser werden zugrunde gehen, die großen Häuser werden verschwinden, spricht der HERR.
Wenn das „Haus Gottes“ – das ist die Bedeutung des Namens „Bethel“ (1Mo 28,19) – untergeht, kann es für kein Haus mehr ein Existenzrecht geben. Bethel wird seinem Namen schon lange nicht mehr gerecht. Gott wurde durch Götzen ersetzt. Das Gericht über Bethel wurde im vorherigen Vers verkündet. Je mehr Wohlstand angestrebt wird, desto mehr verschwindet Gott aus den Augen. Der Luxus, in dem das Volk sich badet, ist ein Ärgernis für den ländlichen Amos. Mehrmals spricht er sich mit berechtigter Empörung dagegen aus (Amos 3,12.15; 5,11; 6,1.4–6).
Der Wohlstand der Zeit des Amos lässt sich leicht in die Zeit übertragen, in der wir, die Christen des 21. Jahrhunderts, leben. Die Wirtschaft ist in vollem Gang. Jeder, wie uns eingeredet wird, bekommt immer mehr. Solange dies oft genug wiederholt und auch greifbar wird, droht die enorme Gefahr, dass auch wir von dem, was jemand einmal den „Fortschrittsglauben“ nannte, mitgerissen werden.
Sind das „Winterhaus“ und das „Sommerhaus“, von denen Amos spricht, uns nicht auch im wörtlichen Sinn sehr nahe? Besitzen nicht manche Christen zwei Häuser, eins in den Niederlanden für den Sommer, eins in Spanien, um dort den Winter zu verbringen? Nur ein Exemplar von etwas zu haben, reicht nicht mehr aus. Zwei Autos, zweimal im Jahr in den Urlaub, zwei Handys und so weiter.
Wir müssen alles doppelt haben, denn oft haben wir ja auch zwei Einkommen. Und wenn das nicht ganz klappt, nehmen wir einen Privatkredit auf. Nun, du willst nicht zurückbleiben. Das Geld ist in Reichweite. Eine Unterschrift, und die Angelegenheit ist erledigt. Wir mögen bekennen Christen zu sein, aber leben wir nicht inzwischen so kalkuliert und egozentrisch wie die Menschen um uns herum? Wo in all dem ist die Abhängigkeit von Gott?
Dieses Wort gilt auch für uns mit all seiner Kraft, wenn wir nur ein Haus und ein Auto haben und wenn wir nur einmal im Jahr in den Urlaub fahren. Wir können unser Haus so einrichten, dass es als Aufenthalt dienen kann, indem wir denken, dass wir in allen möglichen Situationen überleben können. Wir sind auf alles vorbereitet und haben uns gegen alle möglichen Katastrophen abgesichert. Und dieser eine Urlaub muss und wird kommen. Wir brauchen ihn notwendig und haben ein Anrecht darauf. Und unser einziges Auto hat den Platz eines „Altars von Bethel“. Welche Opfer werden dem vergötterten Auto gebracht! Und wascht es, Leute; passt auf, dass ihr es nicht verkratzt oder verbeult. Es ist unser Statussymbol.
Wissen wir überhaupt, wer ein Winterhaus hat? König Jojakim, der gottlose Sohn des gottesfürchtigen Königs Josia. Was macht er da? Er schneidet das Wort Gottes in Stücke (Jer 36,16–26). Wir sollten darüber nachdenken, wie viel wir bereits mit all unserem Luxus vom Wort Gottes „abgeschnitten“ haben. Und Ahab, der gottloseste König Israels, hat ein Elfenbeinhaus (1Kön 22,39).
All dieser Wohlstand wird durch das Gericht weggenommen werden, wird verschwinden. Das Gericht, das Amos über diese Häuser verkündet, mag durch das Erdbeben vollbracht worden sein, von dem wir zu Beginn seiner Prophezeiung gelesen haben. Aber sicher wird es bei der Eroberung Samarias durch Salmaneser geschehen (2Kön 17,5–7).
Die Anwendung auf unsere Zeit sehen wir in den Krisen auf dem Wohnungsmarkt. Leute mit himmelhohen Hypotheken sind total am Boden. Der obligatorische Hausverkauf bringt Menschen in große finanzielle Not.