1 Boas
1 Und Noomi hatte einen Verwandten ihres Mannes, einen vermögenden Mann, aus der Familie Elimelechs, und sein Name war Boas.
Direkt nachdem uns am Ende des vorigen Kapitels vom Beginn der Gerstenernte berichtet wurde (Rt 1,22), wird die Aufmerksamkeit auf Boas gelenkt. Er ist der zweite Mann, um den es in diesem Buch geht. Der erste Mann, Elimelech, hatte versagt. Er hat den Ort des Segens verlassen und Fluch über seine Nachkommen gebracht. Der zweite Mann ist nicht schwach, sondern mächtig. Er stellt alles wieder her, worin der erste Mann versagt hat.
Dieser erste und der zweite Mann sind ein Bild von dem ersten und dem zweiten Menschen, dem ersten und dem letzten Adam (1Kor 15,45.47). Durch den ersten Adam sind alle Menschen gestorben; in Christus, dem letzten Adam, werden die, die mit Ihm verbunden sind, lebendig gemacht. Noomi war zunächst mit dem ersten Mann verbunden, und es zeigte sich, dass damit der Tod verbunden war. Nun kommt eine Verbindung mit dem zweiten Mann zustande, nicht durch sie, sondern durch Ruth.
Noomi scheint vergessen zu haben, dass es ihn gibt. Darum war in ihrem Herzen Bitterkeit. Auch bei uns gibt es oft Bitterkeit, weil wir vergessen, dass es jemanden gibt, der uns helfen kann. Doch der Heilige Geist weist uns auf Ihn hin, so wie Er hier auf Boas hinweist.
Der Name Boas bedeutet „in ihm ist Kraft“. Er ist ein wunderschönes Bild vom Herrn Jesus, und zwar so, wie Er jetzt in der Herrlichkeit ist, dem himmlischen Land. Bevor Boas auf der Bildfläche erscheint, werden einige Dinge von ihm gesagt. Erstens ist er ein Blutsverwandter Noomis. Das passt zu dem Bild des Herrn Jesus, denn der Herr Jesus hat Fleisch und Blut angenommen und ist dadurch unser „Blutsverwandter“ geworden (Heb 2,14.15). Nur indem Er den Menschen gleich geworden ist – jedoch ohne Sünde! (Heb 4,15) –, konnte Er für Menschen ein Erlöser oder Löser werden. Boas ist außerdem ein sehr vermögender Mann und hat auch die Mittel, um zu erlösen.
Die Erwähnung, dass er „aus der Familie Elimelechs“ ist, betont seine Beziehung zu Elimelech. Elimelech hat die Bedeutung seines Namens, „mein Gott ist König“, nicht verwirklicht und ist außerhalb des Landes gestorben. Er ist ein Bild von Israel, das die Herrschaft Gottes in keinster Weise anerkannt hat. Infolgedessen hat Gott sie in seiner Zucht aus ihrem Land wegführen und umkommen lassen. Nun kommt ein anderer, der die Herrschaft Gottes als König völlig anerkennt. Das sehen wir in vollkommener Weise in dem Herrn Jesus. Er hat alles vollkommen erfüllt, worin Israel versagt hat und ist freiwillig in das Gericht und den Tod gegangen, um die zerbrochene Beziehung zwischen Gott und seinem Volk wiederherzustellen. Das Volk hat alles verspielt, Christus hat alles gut gemacht.
2 Ruth will Ähren auflesen
2 Und Ruth, die Moabiterin, sprach zu Noomi: Lass mich doch aufs Feld gehen und unter den Ähren lesen hinter dem her, in dessen Augen ich Gnade finden werde. Und sie sprach zu ihr: Geh hin, meine Tochter.
Ruth ergreift die Initiative, um Ähren zu pflücken. Noomi scheint zu nichts imstande zu sein. Ruth ist zwar im Land, doch damit ist sie nicht zufrieden. Sie hat Verlangen nach Nahrung. Dafür muss sie arbeiten und sich einsetzen. Ein geistliches Verlangen nach Gottes Wort wird uns anspornen, es eifrig zu untersuchen.
Auch in praktischer Hinsicht können wir von Ruth lernen. Sie bleibt nicht zu Hause sitzen und wartet, bis die Arbeit zu ihr kommt. Sie gibt sich Mühe, eine Arbeit zu finden und begibt sich auf die Suche. Solch ein Handeln segnet Gott. Das gilt auch, wenn man eine Ausbildung macht. Auch da wird Gott Einsatz segnen. Es geht darum, treu zu sein in dem, was von uns erwartet wird. Wer den Willen des Herrn tun will, wird von Ihm zum Ort des Segens geführt.
Ruth ist sich bewusst, dass sie auf Gnade angewiesen ist. Sie hat ja auf nichts ein Anrecht. Doch wer kein Anrecht hat und sich dessen bewusst ist, darf die Gnade in Anspruch nehmen. In dieser Haltung will sie gehen. Ruth wird nicht viel gewusst haben von den gnädigen Vorkehrungen Gottes für einen Fall wie den ihren (3Mo 23,22; 3Mo 19,9; 5Mo 24,19). Weil sie jedoch ihr Herz auf den Gott und das Land Noomis ausgerichtet hat, bekommt der Glaube in ihr Gelegenheit zu handeln. Sie hätte auch zu Hause bleiben können, aber sie geht in dem Bewusstsein, dass sie die Gnade in Anspruch nehmen darf.
Gott wirkt, aber der Mensch muss sich dann im Glauben auch aufmachen. Es geht nicht um Rechte, sondern um Gnade. Ruth wird sich, wie „die Hunde“, mit „den Brotkrumen, die von dem Tisch ihrer Herren fallen“, begnügen (Mt 15,27). Es geht ihr nicht um ein Feld, wo sie Ähren auflesen kann, sondern um eine Person, die es ihr in seiner Gnade auf seinem Feld erlauben wird. So sagt sie es. Sie sagt, sie wolle „Ähren lesen hinter dem her, in dessen Augen ich Gnade finden werde“.
Die Initiative geht zwar von Ruth aus, aber sie handelt weder impulsiv noch auf eigene Faust. Sie bespricht ihre Überlegungen mit Noomi. Es ist gut für junge Gläubige, bestimmte Initiativen mit geistlich gesinnten älteren Gläubigen zu besprechen. Noomi stimmt ihrem Vornehmen zu und dann geht sie.
Zwischen Noomi und Ruth gibt es eine große Verbundenheit. In Noomi sehen wir das alte Israel, und zwar den Teil, der zur Besinnung kommt und in Ruth Gestalt gewinnt. In Ruth offenbart sich der Glaube des Überrests. Dieses Bild lässt die Verbindung sehen, die zwischen dem gläubigen Überrest in der Zukunft und dem Israel der Vergangenheit besteht. Zusammen stellen sie Gottes Volk dar, auf der einen Seite mit der hoffnungslosen Situation als Folge der eigenen Untreue und auf der anderen Seite mit dem sich entfaltenden Glauben in Abhängigkeit von Gottes Gnade. Gott wird all seine Verheißungen, die Er Israel in der Vergangenheit gegeben hat, an dem Überrest in der Zukunft erfüllen. Der Überrest wird sich bewusst sein, dass diese Erfüllung ihm aus reiner Gnade zukommen wird.
3 Ruth kommt auf das Feld des Boas
3 Und sie ging hin und kam, und auf dem Feld hinter den Schnittern her las sie auf. Und sie traf zufällig auf das Feldstück des Boas, der aus der Familie Elimelechs war.
Ruth bevorzugt kein bestimmtes Feld, um dort Ähren aufzulesen. Sie weiß nicht, auf welchem Feld sie willkommen ist oder wo die meisten Ähren liegen. Was sie betrifft, ist jedes Feld gut. Darum wird sie auf das erstbeste Feld gegangen sein und das ist „zufällig“ das Feld des Boas. So ist das aus ihrer Sicht. Für uns, die diese Geschichte kennen, ist es klar, dass Gott es so geführt hat. Auch unsere zufälligen Begegnungen, die einfach so geschehen, sind von Gott geführte Ereignisse, durch die Er bestimmte Absichten zur Ausführung bringt.
Das wäre ihr nicht geschehen, wenn sie noch unter den Götzen Moabs gewesen wäre. Diese hätten sie nicht dahin geführt. Sie ist nicht auf der Suche nach dem Löser, sie kennt ihn überhaupt nicht. Aber der Gott Israels, dem sie sich anvertraut hat, ist gerade dabei, sie mit Boas in Verbindung zu bringen, ohne dass sie es weiß. Gott leitet Blinde auf einem Weg, den sie nicht kennen (Jes 42,16). So macht Er Ruth zu einem der Fälle, in denen Er eine Frau zu einem Mann bringt. Er hat auch Eva zu Adam gebracht.
Ruth geht „hinter den Schnittern her“, um dort Ähren aufzulesen. Die Schnitter tun eine wichtige Arbeit. Wenn es keine Schnitter gäbe, gäbe es nichts aufzulesen. Das Feld könnte voller Korn sein, aber die arme Ruth könnte nichts davon nehmen. Schnitter stellen uns das reife Korn zur Verfügung. Schnitter sind Menschen, die das Getreide mähen und in Garben zusammenbinden. Was sie fallen lassen, ist Nahrung für die Armen. In geistlicher Hinsicht ist das auch so. Was würden wir von den Segnungen wissen, wenn der Herr nicht Gaben gegeben hätte (Eph 4,7.11), die die Segnungen kennen und davon denen austeilen, die zum Glauben gekommen sind?
4 - 7 Das Zeugnis, das Boas über Ruth erhält
4 Und siehe, Boas kam von Bethlehem und sprach zu den Schnittern: Der HERR sei mit euch! Und sie sprachen zu ihm: Der HERR segne dich! 5 Und Boas sprach zu seinem Knecht, der über die Schnitter bestellt war: Wem gehört dieses Mädchen? 6 Und der Knecht, der über die Schnitter bestellt war, antwortete und sprach: Es ist ein moabitisches Mädchen, das mit Noomi aus den Gebieten von Moab zurückgekehrt ist; 7 und sie sprach: Lass mich doch auflesen und unter den Garben sammeln hinter den Schnittern her! Und so ist sie gekommen und dageblieben vom Morgen an bis jetzt; was sie im Haus gesessen hat, ist wenig.
Dann erscheint Boas. In den Worten, die er bei der Begrüßung mit seinen Schnittern wechselt, zeigt sich die gute Beziehung zwischen ihnen. Boas kommt aus Bethlehem zu seinem Feld. Er begrüßt seine Schnitter mit einem Segenswunsch: „Der HERR sei mit euch!“ Das erinnert uns an die Worte, die der Herr Jesus zu seinen Jüngern sagt, als Er nach seiner Auferstehung in ihrer Mitte erscheint: „Friede euch“ (Joh 20,19–23). Sie tun alles unter seiner Aufsicht und unter seinem Segen. Ihrerseits wünschen die Schnitter Boas den Segen des HERRN, so wie es in der Zukunft der gläubige Überrest am Ende der Drangsal tun wird, wenn der Messias sein Reich errichtet (vgl. Ps 20,1–5).
Praktisch gesehen ist eine solche Begrüßung zwischen einem Arbeitgeber und seinen Arbeitnehmern etwas Außergewöhnliches in einer Gesellschaft, in der im Allgemeinen beim Chef Egoismus und bei den Untergebenen Misstrauen herrscht. Allerlei Vorschriften können das Böse zwar etwas eindämmen, aber niemals ausschließen, denn die Wurzel des Bösen bleibt bestehen. Erst wenn der Herr Jesus in Gerechtigkeit regieren wird und die Beziehungen aus einem erneuerten Denken heraus gelebt werden, wird die Situation so sein, wie hier auf dem Feld des Boas. Dennoch werden sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer, die den Herrn Jesus kennen, aufgerufen, im Geist dieser Begrüßung miteinander umzugehen (Eph 6,5–9).
Dann erkundigt sich Boas nach Ruth. Sein Auge ist auf sie gerichtet (vgl. Ps 33,18). Sie fällt ihm als Neue auf seinem Feld auf. Er widmet ihr Aufmerksamkeit, lässt es sie selbst aber nicht merken. Er fragt nicht, wer sie ist, sondern von wem sie ist: „Wem gehört dieses Mädchen?“ Boas ist kein junger Mann mehr. Jedenfalls ist er um einiges älter als Ruth, denn etwas später spricht er sie als „Tochter“ an. Er ist noch immer nicht verheiratet. Darum fragt er, wem sie gehört, von wem sie ist. Indirekt fragt er damit, ob sie schon verheiratet ist. Dies passt völlig in diese Geschichte, die vor allem eine Liebesgeschichte ist.
In geistlicher Hinsicht kann die Frage auch an uns gestellt werden: „Von wem bist du, wem gehörst du?“ Wenn die Dinge der Welt unser Leben beherrschen, sind wir von der Welt und nicht vom Herrn.
Der Knecht erzählt Boas, wer Ruth ist und berichtet ihm über ihre Tätigkeiten. Sie hat die Ebenen Moabs hinter sich gelassen hat und will von Gnade abhängig sein. Als Beweis dafür, dass sie Gnade sucht, zitiert er ihre Bitte, Ähren auflesen und zusammentragen zu dürfen. Sie hat demütig darum gebeten. Sie hat keine Arbeit gefordert. Sie hatte den Wunsch, die Nahrung Bethlehems aufzulesen und zusammenzutragen. Dazu hat sie um einen Platz direkt bei den Garben hinter den Schnittern gebeten.
In geistlicher Hinsicht spricht das von dem Verlangen eines jungen Gläubigen, in Gottes Wort zu lesen (Ähren aufzulesen) und den Zusammenhang der verschiedenen Verse zu erkennen (zusammenzutragen). Hierzu wird er gerne in der Nähe von Gläubigen sein, die diesen Zusammenhang schon entdeckt haben und begierig von ihnen lernen wollen. Darum wird er auch gerne Zusammenkünfte besuchen, wo Gottes Wort ausgelegt wird und sich freuen, Kommentare zu lesen, damit er den Zusammenhang des Wortes Gottes versteht.
Boas spricht mit seinem Knecht über Ruth. Der Knecht, der über die Schnitter bestellt ist, ist ein Bild vom Heiligen Geist. Er spricht mit dem Herrn Jesus über uns (vgl. Röm 8,26). Der Herr sieht das, es fällt ihm sozusagen auf, wenn jemand in Demut kommt, um Segen zu empfangen. Der Knecht bezeugt, dass Ruth sich ganz und gar auf die Arbeit konzentriert hat. Und darum fügt er seinen Worten den Hinweis hinzu: „Was sie im Haus gesessen hat, ist wenig.“ Das bezieht sich wahrscheinlich darauf, dass man sich in einer Hütte auf dem Feld ausruhen und Schatten finden konnte.
8 - 10 Boas spricht Ruth an
8 Und Boas sprach zu Ruth: Hörst du, meine Tochter? Geh nicht, um auf einem anderen Feld aufzulesen, und geh auch nicht von hier weg, sondern halte dich hier zu meinen Mägden. 9 Deine Augen seien auf das Feld [gerichtet], das man schneidet, und geh hinter ihnen her; habe ich nicht den Knaben geboten, dich nicht anzutasten? Und wenn du durstig bist, so geh zu den Gefäßen und trink von dem, was die Knaben schöpfen. 10 Da fiel sie auf ihr Angesicht und beugte sich zur Erde nieder und sprach zu ihm: Warum habe ich Gnade gefunden in deinen Augen, dass du mich beachtest, da ich doch eine Ausländerin bin?
Dann wendet sich Boas Ruth zu. Er tut das mit passendem Respekt vor ihrer Haltung. Er überlädt sie nicht mit einer Menge Korn und spricht auch nicht darüber, dass er der Löser ist. Seine ersten Worte sind eine Ermutigung für sie, nicht auf ein anderes Feld zu gehen und das Feld, auf dem sie jetzt ist, auch nicht zu verlassen. Sie ist auf dem guten Feld angekommen. Dieses Feld zu verlassen würde bedeuten, dass sie sich selbst Schaden zufügt. Was würde sie da an Segen verspielen! Für uns bedeutet das, nicht von dem Ort wegzugehen, wo der Herr Jesus mit seinem Segen ist.
Weiter spornt er sie an, sich seinen Mägden anzuschließen. Sie sind schon länger auf dem Feld. Sie wissen, wo die Ähren liegen: bei den Schnittern. Bei ihnen soll sie sich aufhalten, das ist eine gute Gesellschaft, ein guter Umgang für sie. Bildlich gesehen spricht das davon, dass der Herr Jesus andeutet, dass Gemeinschaft mit anderen Gläubigen auf seinem Feld die Art und Weise ist, wie wir uns die geistlichen Segnungen zu eigen machen können. Auf diese Weise werden wir im Glauben wachsen.
Er weist sie „auf das Feld“ hin und meint damit sein ganzes Land. Darauf sollen ihre Augen gerichtet sein. So weist der Herr Jesus auch uns darauf hin, dass ein großes Ausmaß an Segen im himmlischen Land bereitliegt. Jeder Gläubige, der Verlangen danach hat, all die geistlichen Segnungen kennenzulernen, die er „in den himmlischen Örtern in Christus“ (Eph 1,3) besitzt, darf diese genießen. Dieser Segen liegt bereit, damit wir ihn einsammeln, Ähre für Ähre. Wollen wir den Segen empfangen? Dann müssen wir da sein, wo der Herr den Segen austeilt. Andere Äcker sind auch gut, aber es sind nicht die Äcker des Boas. Es geht darum, da zu sein, wo er ist. Er ermutigt sie, weiter zu suchen. Wir müssen immer weiter suchen im Wort Gottes (Jes 34,16).
Auch zu den Knechten hat Boas etwas gesagt. Er hat ihnen verboten, Ruth anzutasten. Das Feld des Boas wird durch Reinheit gekennzeichnet. Für uns bedeutet das: Halte deine Hände bei dir. Taste nichts an, was dir nicht gehört (1Thes 4,3–8). Halte die Beziehungen sauber. Halte dich selbst rein.
In geistlicher Hinsicht können wir das so anwenden, dass diejenigen, die beauftragt sind, einen Dienst für den Herrn zu tun, nicht über die Gläubigen herrschen dürfen. Sie dürfen die Gläubigen nicht beschweren, indem sie ihnen Lasten auferlegen. Stattdessen hat Er seinen Dienern einen anderen Auftrag gegeben: Sie sollen ihre Hände gebrauchen, um durstige Seelen zu erfrischen. „Trink von dem, was die Knaben schöpfen“, das heißt, dass wir begierig hören auf gesunde Unterweisung aus dem Wort durch die Gaben, die der Herr gegeben hat. Diese Gaben sind zuerst selbst durch das Wort erquickt worden, sie haben geschöpft und können es dann weitergeben.
Ruth fällt vor Boas nieder. Sie steht unter dem Eindruck seiner Gnade. Dieser Gnadenerweis kommt für sie unerwartet. Wir bitten um Gnade, und wenn wir sie bekommen, bewirkt es Staunen und das Herz sagt zum Herrn Jesus: „Warum habe ich Gnade gefunden in deinen Augen, dass du mich beachtest, da ich doch eine Ausländerin bin?“ Dann sagt der Herr, wie sehr Er es schätzt, wenn sich ein Herz nach seinem Segen ausstreckt. Er belohnt jedes Vertrauen auf seine Gnade als ob es ein Verdienst sei. Wer zu Ihm Zuflucht nimmt, wird belohnt. Dass der Herr es wie Verdienst ansieht, bedeutet nicht, dass es etwas gäbe, dessen wir uns rühmen könnten. Es ist alles die Folge seines Werkes und seiner Gnade.
Darum spricht Ruth von einer erwiesenen Gnade. Sie weiß noch nicht, was sonst noch alles kommen wird, aber ihre Haltung macht sie empfänglich für all das, was ihr noch zufallen soll. Sie soll über Bitten und Verstehen bekommen.
11 - 12 Boas erzählt, was er von Ruth weiß
11 Und Boas antwortete und sprach zu ihr: Es ist mir alles genau berichtet worden, was du an deiner Schwiegermutter getan hast nach dem Tod deines Mannes, und dass du deinen Vater und deine Mutter und das Land deiner Geburt verlassen hast und zu einem Volk gezogen bist, das du früher nicht kanntest. 12 Der HERR vergelte dir dein Tun, und voll sei dein Lohn von dem HERRN, dem Gott Israels, unter dessen Flügeln Zuflucht zu suchen du gekommen bist!
In seiner Antwort geht Boas nicht auf die Gnade ein, von der sie so sehr beeindruckt ist. Er spricht nur über das, was sie getan hat. Er lobt ihre Hingabe. Aus seiner Antwort ist ersichtlich, dass sie keine Fremde für ihn ist. Zuerst erwähnt er, was sie nach dem Tod ihres Mannes für ihre Schwiegermutter getan hat. Der Tod ihres Mannes war für Ruth kein Anlass, um in Moab einen neuen Ehemann zu suchen. Stattdessen hat sie sich Noomi gewidmet.
Sie hat sich zunehmend an Noomi gebunden. Der Grund war zweifellos Noomis Glaube. Obwohl er sich nur ganz schwach bei ihr zeigte, wird sie ihn doch bei Noomi wahrgenommen haben. Das hat in Ruth das Verlangen nach Noomis Gott wachgerufen. Dieses Verlangen kann nur auf eine einzige Weise gestillt werden, nämlich indem sie ihr Los mit dem von Noomi verbindet.
Ruth war nicht jemand, der immerzu nur das Vergnügen suchte und von einem Fest zum anderen jagte. Sie suchte Ruhe für ihr Herz und fühlte, dass Noomi ihr auf die eine oder andere Weise dabei helfen könnte. Darum verband sie ihr Schicksal mit dem von Noomi und war so mit ihrer Schwiegermutter gegangen. Das bedeutete, dass sie ihrem Elternhaus, wohin sie nach dem Tod ihres Mannes hätte zurückkehren können und wohin Noomi sie auch zu schicken versucht hatte (Rt 1,8), den Rücken kehrte. Sie hat die natürlichen Verbindungen abgebrochen, um sie nie mehr wiederherzustellen. In ihr sehen wir die praktische Umsetzung der Worte des Herrn Jesus: „Wer Vater oder Mutter mehr lieb hat als mich, ist meiner nicht würdig“ (Mt 10,37).
Dann spricht Boas über das, was sie verlassen hat und wohin sie gegangen ist. So spricht der Herr Jesus über jeden Gläubigen, der unter den Eindruck der Gnade gekommen ist. Auch Abraham hat damals im Glauben an das, was Gott gesagt hat, das Land verlassen, um in das Land zu ziehen, dass Gott ihm zeigen würde. Ruth ist sozusagen ein zweiter Abraham; sie hat dasselbe getan. Bei ihr geschah es jedoch nicht aufgrund eines Ausspruches Gottes, sondern aufgrund dessen, was sie von Noomi über Ihn gehört und von Ihm in ihr gesehen hat.
Boas spricht über Vergeltung und einen vollen Lohn von Seiten des HERRN für das, was Ruth getan hat. Er erzählt ihr, wohin ihr Glaube sie gebracht hat und was sie noch alles bekommen soll. Sie hat Zuflucht gesucht unter den „Flügeln“ des HERRN, des Gottes Israels. Wer das tut, findet nicht nur Schutz, sondern noch sehr viel mehr. Gott belohnt dieses Vertrauen auf Ihn mit reichem Segen.
Petrus fragt den Herrn Jesus, was sie nun bekommen würden, wo sie doch alles verlassen hatten. Der Herr spricht in seiner Antwort sogar von einem hundertfachen Segen und dem Erben des ewigen Lebens: „Da antwortete Petrus und sprach zu ihm: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt; was wird uns nun zuteilwerden? Jesus aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auch ihr werdet in der Wiedergeburt, wenn der Sohn des Menschen auf seinem Thron der Herrlichkeit sitzen wird, auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten. Und jeder, der verlassen hat Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Frau oder Kinder oder Äcker um meines Namens willen, wird hundertfach empfangen und ewiges Leben ererben“ (Mt 19,27–29). Die Gnade Gottes ist so groß, dass Er die, die alles für Ihn aufgeben, reichlich belohnt.
13 Ruths Reaktion auf die Güte des Boas
13 Und sie sprach: Möge ich Gnade finden in deinen Augen, mein Herr! Denn du hast mich getröstet und hast zum Herzen deiner Magd geredet, und doch bin ich nicht wie eine deiner Mägde.
All diese Worte der Gnade machen großen Eindruck auf Ruth. Es geht ihr wie Mephiboseth, der ebenfalls von der Gnade überwältigt war, die David Ihm erwies (2Sam 9,8). Sie zweifelt nicht an seiner Gnade und weist sie erst recht nicht zurück, aber sie bekennt ihre Unwürdigkeit. Sie ist überwältigt von seiner Gnade, die sie getröstet hat.
Nach allem, was sie mitgemacht und hinter sich gelassen hat, ist sie trostbedürftig. Ihr Herz sucht nach wirklicher Ruhe. Durch das, was Boas zu ihr sagt, strömt diese Ruhe in ihr Inneres. Das macht sie nicht selbstbewusst und selbstsicher, sondern gerade demütig und klein. Sie bleibt sich ihrer Herkunft bewusst. Wenn sie an die Mägde von Boas denkt, dann will sie sich selbst nicht mit ihnen vergleichen. Gnade führt immer dazu, dass man klein von sich selbst denkt und den anderen höher achtet als sich selbst.
Wenn wir uns unserer sündigen Herkunft bewusst sind, werden wir die Güte, die Gott uns erwiesen hat, besonders wertschätzen. Das wird uns auch davor bewahren, uns über andere zu stellen. Dann werden wir andere gerade höher achten als uns selbst (Phil 2,3).
14 Boas und Ruth essen zusammen
14 Und zur Essenszeit sprach Boas zu ihr: Tritt hierher und iss vom Brot und tauche deinen Bissen in den Essig. Da setzte sie sich zur Seite der Schnitter; und er reichte ihr geröstete Körner, und sie aß und wurde satt und ließ übrig.
Der Segen wird immer größer, nach dem Grundsatz: „ … jedem, der hat, wird gegeben werden“ (Mt 25,29). Boas lädt sie ein, mit ihm und den Schnittern zu essen. Er gibt seinen Knechten nicht nur Aufträge, er gönnt ihnen auch Ruhe. In dieser Zeit nehmen sie Nahrung zu sich.
Bei all seinen Beschäftigungen ist es für einen Diener des Herrn nötig, bei Ihm ein wenig auszuruhen (Mk 6,31) und von dem zu essen, was Er gibt. Bevor die Diener ihren Dienst fortsetzen, müssen sie erst selbst etwas zu sich nehmen. Danach können sie auch wieder an andere austeilen.
Ruth setzt sich nieder. Das ist nötig, um in Ruhe Speise zu sich zu nehmen. In Matthäus 14 befiehlt der Herr der Volksmenge auch zuerst, „sich auf dem Gras zu lagern“, um ihnen anschließend zu essen zu geben (Mt 14,19). Dann, als sie bei den Schnittern sitzt, bekommt Ruth von Boas persönlich das Essen gereicht. Ein Dienst für den Herrn berechtigt uns nicht, näher bei Ihm zu sitzen als jemand, der gerade erst zum Glauben gekommen ist.
Für Ruth hat die Mahlzeit eine besondere Bedeutung. Sie ist sozusagen ein Stadium in ihrer geistlichen Entwicklung. Sie wird von Boas in die Gemeinschaft mit ihm und mit seinen Dienern einbezogen. Eine Mahlzeit ist ein Bild der Gemeinschaft. Geistliche Entwicklung und eine Mahlzeit gehören zusammen. So sehen wir es bei Esther, die zunächst Gnade erlangt und dann eine Mahlzeit mit dem König einnimmt (Est 5,2–8; 7,1.2), und wir sehen es auch bei den Brüdern Josephs (1Mo 43,33.34).
Ruth nimmt ihren Platz zwischen den Schnittern ein und empfängt aus den Händen von Boas das, was er für sie vorgesehen hat. Dies ist ein persönlicher Segen für sie, anders noch als das, was sie von den Schnittern bekommt. Er gibt ihr „geröstete Körner“. Das ist die Nahrung, die an Stelle des Mannas getreten ist, nachdem das Volk Israel im verheißenen Land angekommen war (Jos 5,11.12). Geröstetes Korn ist Korn, das der Hitze ausgesetzt war. Es spricht von dem Herrn Jesus, der im Feuer des Gerichtes Gottes war. Er ist im Tod gewesen, aber auch auferstanden und gibt jedem, der glaubt, ewiges Leben. Das wird Ruth, im übertragenen Sinn, gegeben.
Sie muss ihren Bissen allerdings selbst in den Essig tauchen. Das erinnert an den Essig, der dem Herrn Jesus während seines Leidens am Kreuz angeboten wurde (Ps 69,22; Mt 27,48). Es spricht bildlich davon, dass sie beim Einnehmen dieser Nahrung daran denken muss, welches Leiden dies für den Herrn Jesus bedeutet hat. Dann isst sie, wird satt und lässt übrig. Dass einiges übrig blieb, sehen wir auch, als der Herr der Volksmenge zu essen gab (Mt 14,20). So handelt die Gnade. Es gibt immer mehr, als für unsere Bedürfnisse nötig ist. Unsere Möglichkeiten, aufzunehmen, sind immer viel geringer als seine Möglichkeiten, zu geben. Er versorgt uns immer nach seinem Reichtum, und dieser Reichtum ist unerschöpflich.
15 - 16 Die Knechte bekommen einen neuen Auftrag
15 Und sie stand auf, um aufzulesen; und Boas gebot seinen Knaben und sprach: Auch zwischen den Garben mag sie auflesen, und ihr sollt sie nicht beschämen; 16 und ihr sollt sogar aus den Bündeln [Ähren] für sie herausziehen und sie liegen lassen, damit sie sie auflese, und sollt sie nicht schelten.
Ruth geht nicht nach Hause, nachdem sie gegessen hat und gesättigt ist. Sie ist durch die erwiesene Gnade nicht träge geworden. Sie steht auf und liest weiter Ähren auf. Sie bleibt demütig und fleißig. Das gibt Boas die Gelegenheit zu einem zweiten Zeichen seiner persönlichen Zuneigung. Sie muss nicht am Rand des Feldes bleiben, sondern darf „zwischen den Garben auflesen“.
Er gibt seinen Knechten den Auftrag, extra etwas für sie liegen zu lassen. Seine Knechte entscheiden nicht selbst, wie sie mit hungrigen Seelen umzugehen haben. Für sie wäre es auch bequemer gewesen, ihr eine ganze Garbe auf einmal zu geben. Aber sie dienen Boas gerne und teilen durch seine Gnade und auf die von ihm vorgegebene Art und Weise an andere aus. Was dem Herrn Jesus gehört, dürfen wir in Gnade an andere austeilen, die im Bereich der Segnungen bleiben, ohne ein Recht darauf zu haben. Die Diener sind für andere da.
Boas lässt ihr nicht in den Schoß fallen, was er ihr geben will. Sein Korn ist ihr bereits zugeteilt, aber sie muss es selbst auflesen, sie muss sich Mühe geben, um es für sich haben zu können. Der Ertrag der aufgelesenen Ähren ist jedoch nicht nur von ihrem Eifer abhängig, sondern auch, und zwar in erster Linie, von Boas’ Güte. So können auch wir zwar eifrig die Schrift untersuchen, aber was wir da an Reichtümern hervorholen, ist das Resultat der Güte des Herrn Jesus. Allein sein Segen macht reich (Spr 10,22).
Ruth wird sich dieses Zeichens seiner Liebe wohl kaum bewusst gewesen sein, es sei denn, sie hatte offene Augen dafür, dass es doch ziemlich viele Ähren aufzulesen gab. Sie sind ja extra für sie liegen geblieben. Der Herr hat für jeden der Seinen spezielle Ähren, ein besonderes Zeichen seiner Liebe, das Er ihnen durch gehorsame, treue Diener zukommen lässt.
17 Die Ernte
17 Und sie las auf dem Feld auf bis zum Abend, und sie schlug aus, was sie aufgelesen hatte, und es war etwa ein Epha Gerste.
Ruth hat das Korn eingesammelt, aber sie muss es auch dreschen. Korn kann nicht ohne Stroh wachsen. Stroh ist jedoch keine Nahrung für den Menschen. In Reden und Betrachtungen muss manchmal auch Stroh sein, wie Beispiele und Wiederholungen, damit man sich gut merken kann, was die Bibelstelle bedeutet. Dazu kommt dann auch noch die Schwachheit der Worte, die gebraucht werden, oder dass man etwas besonders schön formulieren will, um zu beeindrucken. All diese menschlichen Elemente müssen entfernt werden. Häufig nehmen wir gerade diese Dinge aus einer Zusammenkunft mit nach Hause und sprechen miteinander über das Stroh, aber nur wenig oder gar nicht über das Korn. Wir merken uns die ungeschickte oder besonders schöne Art, wie etwas gesagt wurde, während wir am Inhalt vorbeigehen.
Ruth hat kein Interesse an Stroh. Sie schlägt die Gerste aus, um das mit nach Hause zu nehmen, was allein Nahrung ist. In geistlicher Hinsicht bedeutet das, dass wir vor dem Herrn über das nachdenken, was wir in Gottes Wort gelesen haben. Dann nehmen wir in unser Herz das auf, was es erfassen kann. Nicht alles, was wir hören und lesen, behalten wir. Es geht um das, was wir „ausschlagen“. Dafür müssen wir arbeiten und uns anstrengen. Dann kann aus dem, was wir eingesammelt haben, Brot werden.
Ruth hat am Ende des Tages ein Epha Gerste eingesammelt. Ein Epha sind zehn Gomer (2Mo 16,36), und ein Gomer war in der Wüste das Essen für einen Tag (2Mo 16,16.22). Ruth hat also Nahrung für zehn Tage gesammelt. Diese nimmt sie mit nach Hause, sodass auch andere davon ernährt werden können.
Das Ausschlagen zeigt uns auch noch, dass es noch mehr zu tun gibt, um den vollen Nutzen von dem zu haben, was sie gesammelt hat. Man kann es vergleichen mit dem Wiederkäuen der reinen Tiere (vgl. 3Mo 11,3). Das bedeutet für uns, dass wir das „wiederkäuen“, was wir aus dem Wort zu uns genommen haben, beispielsweise bei einer Zusammenkunft oder einer Konferenz. Ausschlagen heißt, betend über das nachdenken, was wir aus und über Gottes Wort gelesen oder gehört haben. Viele Eindrücke verschwinden wie Rauch, weil wir sie einfach nicht näher überdacht haben.
18 - 19 Ruth lässt Noomi an dem Segen teilhaben
18 Und sie nahm es auf und kam in die Stadt, und ihre Schwiegermutter sah, was sie aufgelesen hatte; und sie zog hervor und gab ihr, was sie übrig gelassen, nachdem sie sich gesättigt hatte. 19 Da sprach ihre Schwiegermutter zu ihr: Wo hast du heute aufgelesen, und wo hast du gearbeitet? Gesegnet sei, der dich beachtet hat! Und sie teilte ihrer Schwiegermutter mit, bei wem sie gearbeitet hatte, und sprach: Der Name des Mannes, bei dem ich heute gearbeitet habe, ist Boas.
Ruth nimmt mit, was sie gesammelt und ausgeschlagen hat. Doch nicht davon gibt sie Noomi. Sie gibt Noomi das, was sie selbst von Boas bekommen und, nachdem sie gesättigt war, übrig gelassen hat (Vers 14). Die reich beschenkte Ruth lässt die noch arme Noomi an ihrem Überfluss teilhaben. Von dem, was wir persönlich von Christus im Überfluss empfangen haben, können wir andere ernähren. Das geschieht nicht nur in den Zusammenkünften, sondern vor allem auch bei den Kontakten, die wir als Gläubige miteinander pflegen.
Wie viel haben wir persönlich vom Herrn Jesus genossen? Ist das so viel, dass wir von unserem Überfluss auch an andere weitergeben können? Oft beschränken sich unsere Kontakte auf alltägliche Gespräche, wie wir sie auch mit unseren ungläubigen Nachbarn führen. Das muss nicht verkehrt sein, aber oft ist es doch die Folge von geistlicher Armut, wenn das Niveau der Gespräche nicht über die irdischen Dinge hinausgeht.
Noomi sieht an der großen Menge, dass Ruth wohl durch einen Landbesitzer besonders gesegnet wurde. Aufgrund des Ertrags, den sie sieht, fragt Noomi, wo sie gewesen ist. Auch uns fragen Menschen, wo wir gewesen sind, wenn sie sehen, was wir haben und austeilen. Von den Thessalonichern war in der ganzen Umgebung bekannt, dass sie dem Herrn Jesus angehörten und für Ihn lebten (1Thes 1,8). Wenn wir viel Zeit fürs Fernsehen verwenden und zum Surfen im Internet, wenn wir auf diesen Feldern beschäftigt sind, dann haben wir nichts vom Acker des Wortes Gottes aufgelesen und können auch nichts austeilen. Wo ich gewesen bin und womit ich mich beschäftigt habe, das nehme ich mit in die Zusammenkunft.
Als Antwort auf Noomis Frage nennt Ruth nicht den Ort, wo sie gearbeitet hat, sondern den Namen des Mannes, bei dem sie gearbeitet hat: Boas. Das ist für Ruth von besonderer Bedeutung; er ist nicht nur ein freundlicher Mann, der sie reich gesegnet hat. Sie kennt nun seinen Namen mit der schönen Bedeutung „in Ihm ist Stärke“. Es gibt Wachstum in ihrer geistlichen Entwicklung. So ist es auch bei jemandem, der gerade zum Glauben gekommen ist. Zuerst freut er sich über die Vergebung seiner Sünden, dann freut er sich über den Erlöser, weil er Ihn persönlich besser kennenlernt und weil er mehr von der Bedeutung des Namens Jesus („in Ihm ist Rettung“) entdeckt.
20 Noomi erkennt in Boas einen Blutsverwandten, einen Löser
20 Da sprach Noomi zu ihrer Schwiegertochter: Gesegnet sei er von dem HERRN, dessen Güte nicht abgelassen hat von den Lebenden und von den Toten! Und Noomi sprach zu ihr: Der Mann ist nah verwandt mit uns, er ist einer von unseren Blutsverwandten.
Für Noomi ist der Name Boas ein neuer Lichtstrahl in ihren düsteren Umständen. In ihrer hoffnungslosen Situation wird sie auf einmal an Boas erinnert, den Blutsverwandten, den Löser. Sie hätte es wissen müssen, dass in ihm Erlösung ist, aber sie hat ihn vergessen. Gott sorgt dafür, dass sie doch wieder mit ihm in Kontakt kommt. Als sie seinen Namen hört, öffnet sich ihr plötzlich eine Tür für den Segen des HERRN.
Ruth hat den Glauben, Noomi hat die Kenntnis. Noomi sieht die Güte des HERRN in Bezug auf die Toten, weil es Aussicht auf Nachkommen gibt und dadurch Güte an den Lebenden. Seine Güte in Bezug auf die Toten bedeutet, dass Er alles, was Er verheißen hat, an ihren Nachkommen erfüllen wird. Er wird es durch den Löser tun. Sobald das Auge auf Ihn gerichtet wird, wird Hoffnung sichtbar und all der damit verbundene Segen.
Das Wort Löser kommt aus dem Familienrecht. In dem Wort steckt die Bedeutung von zurückfordern, freikaufen, freimachen, erlösen. Die Person des Lösers kommt in vier Bedeutungen vor:
1. Der Löser darf ein Grundstück zurückfordern, er darf es von dem freikaufen, der es vom ursprünglichen Eigentümer gekauft hat (3Mo 25,25). So wird der Grundbesitz freigekauft werden (Jes 63,16–18) in Verbindung mit dem Überrest, der wieder in den Besitz des Erbteils kommen wird.
2. Man spricht auch vom Lösen von Menschen, die sich selbst aufgrund ihrer Armut verkauft haben (3Mo 25,48.49). Auch sie können freigekauft werden (Jes 43,1; 51,11). Gott kauft sein Volk zurück aus allen Völkern der Erde.
3. Der Löser löst auch Schuld ein. Das sehen wir beim Bluträcher (4Mo 35,16–27), wortwörtlich Blutlöser. Was löst er? Er löst die Schuld ein, indem er den Mörder tötet (Jes 47,3.4).
4. Der Löser ist auch derjenige, der die Frau seines Bruders von der Kinderlosigkeit löst, indem er der Schwagerpflicht nachkommt (5Mo 25,5.6). Boas wird Ruth lösen (Rt 3,13). Er wird nicht etwas für oder zugunsten von Ruth lösen, etwa das Erbteil, sondern sie selbst. Dadurch wird er sowohl ihr Löser als auch ihr Mann. Das sind auch die Beziehungen, in denen der HERR zu seinem Volk steht (Jes 54,5).
Für Noomi ist Boas noch „einer von unseren Blutsverwandten [Lösern]“, noch nicht der Löser. Damit gleicht sie noch den Menschen, die zwar eine hohe Wertschätzung für den Herrn Jesus haben, für die Er aber noch nicht der einzigartige Erlöser ist (vgl. Mt 16,13.14). Doch sie ist auf einem guten Weg.
21 - 23 Ruth arbeitet weiterhin auf dem Feld des Boas
21 Und Ruth, die Moabiterin, sprach: Er hat auch zu mir gesagt: Du sollst dich zu meinen Knechten halten, bis sie meine ganze Ernte beendet haben. 22 Und Noomi sprach zu Ruth, ihrer Schwiegertochter: Es ist gut, meine Tochter, dass du mit seinen Mägden ausgehst, damit man dich nicht auf einem anderen Feld anfalle. 23 Und so hielt sie sich zu den Mägden des Boas, um aufzulesen, bis die Gerstenernte und die Weizenernte beendet waren. Und sie wohnte bei ihrer Schwiegermutter.
Ruth ist von der großartigen Zusage überwältigt, die Boas ihr gegeben hat, dass sie bis zum Ende der Ernte bei seinen Knechten auf seinem Feld bleiben darf. Die Knechte sind seine Knechte und das Land ist sein Land. Alles gehört Boas.
Ruths Gedanken gehen noch nicht weiter, als dass sie jeden Tag auf seinem Feld sein darf. Doch Noomi betrachtet Ruth bereits als die Frau des Boas. Ihr Glaube und ihre Hoffnung sind erwacht. Weil Ruth noch nichts von einem Löser weiß, passt sich Noomi ihr an. Die Liebe kann nicht erzwungen werden; auch die Wiederherstellung kann nicht erzwungen werden. Liebe muss ihre eigene natürliche Entwicklung haben. Jeden Tag muss Ruth so auf dem Feld des Boas sein, um ihm jeden Tag zu begegnen.
Die Zeitspanne, die sie arbeitend auf seinem Feld verbringt, wird fünfzig Tage dauern, vom Beginn der Gerstenernte (Rt 1,22) „bis die Gerstenernte und die Weizenernte beendet waren“. Nach der Weizenernte findet das Fest der Wochen oder das Pfingstfest statt (2Mo 34,22; 3Mo 23,15–21; 5Mo 16,9–12). Kapitel 2 spielt sich daher auch zwischen dem Passah und dem Fest der Wochen ab, das heißt in einem Zeitraum von sieben Wochen. Wir können wohl annehmen, dass Boas und Ruth während dieser Zeit jeden Tag im Beisein der anderen miteinander gegessen haben. So haben sie sich auf eine nüchterne und ungezwungene Weise besser kennengelernt.
Ruth hat immer diese gute Gemeinschaft gesucht, wodurch sie sich den Segen sicherte. Sie hat nicht nur gut angefangen, sie hat auch gut weitergemacht, und zwar bis zum Ende der Ernte. Ausdauer ist eine gute Eigenschaft für einen Gläubigen. Gleichzeitig wohnt Ruth weiter bei ihrer Schwiegermutter. Sie hält sich an die Worte Noomis, solange sie keine andere Anweisung von ihr bekommt.