1 Der HERR spricht
1 Und das Wort des HERRN erging an Jona, den Sohn Amittais, indem er sprach:
Es ist nicht das erste Mal, dass das Wort des HERRN zu Jona kommt. Er ist sozusagen kein Neuling; er kennt die Stimme des HERRN. Wie bereits gesagt wurde, ist er ein Prophet in der Zeit, in der Jerobeam II. König ist oder bald König werden wird. Er durfte prophezeien, dass das verlorene Gebiet Israels zurückerobert wird (2Kön 14,25).
Er wird keine Mühe gehabt haben, diese gute Nachricht zu übermitteln. Im Gegenteil, dass wird er als sehr angenehm empfunden haben. Es war natürlich für einen echten Israeliten eine enorm schöne Prophezeiung, die er aussprechen durfte. Mit einer solchen Botschaft gehst du gerne zu deinen Volksgenossen. Er wird nicht den Namen eines „Unheilpropheten” gehabt haben, so wie einige seiner Mitpropheten genannt wurden.
Auf welche Weise das Wort des HERRN zu ihm kommt, wird nicht berichtet. Das ist übrigens nicht so selten. Es gibt viele Propheten, die nichts darüber sagen. Irgendwie ist Jona klar geworden, dass der HERR will, dass er nach Ninive geht, um zu predigen.
Auch heute will der Herr jedem von uns klar machen, was er zu tun hat, wohin er gehen muss, was er zu sagen hat. Er spricht durch das Wort, das wir in unseren Händen halten. Wenn wir dieses Buch im Gebet lesen, werden wir hören, was Er zu uns sagt. Nicht nur, dass wir dann allgemein verstehen, wie Er will, dass wir leben. Wir werden auch seinen spezifischen Auftrag hören, den Er für jeden von uns persönlich hat. Dies geschieht nicht durch das Hören übernatürlicher Stimmen, es ist keine schwebende und emotionale Sache. Wer beim Lesen seines Wortes dem Herrn gegenüber wahrhaftig und unterwürfig ist, wird durch sein Wort verständlich und deutlich von Ihm hören, was Er will.
2 Der Auftrag
2 Mach dich auf, geh nach Ninive, der großen Stadt, und predige gegen sie; denn ihre Bosheit ist vor mir heraufgestiegen.
Der Auftrag, den er jetzt erhält, unterscheidet sich von dem, von welchem wir in 2. Könige 14 (2Kön 14,25) lesen. Diesmal ist es weder eine Botschaft, die ein Mann gerne auf die Straße bringt, noch eine Botschaft, auf die die Menschen warten und die den Prediger zu einem angesehenen Mann macht. Er muss jetzt wohl Unheil predigen.
Das wäre nicht angenehm, wenn es um sein eigenes Volk ginge. Aber er wird nicht zu seinem eigenen Volk geschickt. Er muss nach Ninive gehen, der Hauptstadt des assyrischen Reiches. Das ist eine Stadt mit langer Tradition. Sie wird erstmals in 1. Mose 10 (1Mo 10,11) erwähnt. Sanherib machte die Stadt zur Hauptstadt. Die Meder und Perser zerstörten sie 612 v. Chr.
Dass Jona dorthin gehen muss, ist sicherlich einzigartig. Es ist noch nie zuvor geschehen, zumindest nicht nach dem, was wir in der Schrift finden, dass ein Prophet mit einer Botschaft von Gott zu den Heiden gesandt wurde. Aber es ist nicht Aufgabe eines Dieners Gottes, den Ort seines Dienstes zu bestimmen, noch das, was er predigen soll.
Der HERR macht ihn, indem Er ihn dorthin schickt, zu einem Teilhaber seiner Motive. Er erzählt Jona, dass die Bosheit der Stadt vor Gott bis in den Himmel heraufgestiegen ist (vgl. 1Mo 18,21; 1Mo 5,12). Etwas Gutes ist nicht vorhanden. Die Stadt ist durch und durch korrupt. Für Ninive bleibt nichts anderes übrig als das Gericht.
Es ist einwohnermäßig eine große Stadt. Es ist zudem eine Stadt mit einem enormen Reichtum (Nah 2,9). Die große Einwohnerzahl und der Reichtum sorgen dafür, dass ihre Macht und ihr Einfluss auf das Weltreich, dessen Hauptstadt sie ist, sehr groß ist. Groß ist aber auch die Bosheit ihrer Bewohner, die in Auflehnung gegenüber Gott leben. Gott kann es nicht mehr ertragen. Das Gericht muss angekündigt werden.
3 Jona flieht
3 Aber Jona machte sich auf, um vom Angesicht des HERRN weg nach Tarsis zu fliehen; und er ging nach Japho hinab und fand ein Schiff, das nach Tarsis fuhr; und er gab sein Fahrgeld und stieg in das [Schiff] hinab, um mit ihnen nach Tarsis zu fahren, weg vom Angesicht des HERRN.
Jona hat keine Lust auf diesem Auftrag. Das an sich ist kein schockierendes oder neues Phänomen. Mose hatte auch seine Einwände, als Gott ihn berief (2Mo 3,10–14; 4,1–17), und auch Gideon freute sich nicht, als Gott ihn berief (Ri 6,11–24). Aber bei ihnen gab es andere Motive als bei Jona.
Diener des HERRN, Propheten, sind keine Maschinen. Sie können dem Willen Gottes widerstehen. Bei Mose und Gideon war es ein Gefühl der Unfähigkeit. Sie fühlten sich nicht in der Lage, die große Aufgabe, die ihnen übertragen wurde, zu erfüllen. In Jonas Fall aber ist es ein offener Unwille, der auf Stolz basiert. Dies gibt Jona die zweifelhafte Ehre, der einzige Prophet zu sein, der Gott gegenüber offen ungehorsam ist, ein Prophet, der sich schlicht weigert, dem Befehl nachzukommen.
Der HERR hätte Jona aufhalten können. Doch Er lässt ihn gehen, aber ohne ihn aus den Augen zu verlieren. Er lässt ihn so weit gehen, wie Er es für notwendig hält. Wer den Weg des Gehorsams verlässt, verlässt zwangsläufig die Gegenwart des HERRN. Nicht, dass der Herr für einen solchen Menschen nicht mehr existiert, sondern das Herz verliert das Bewusstsein seiner Gegenwart und das kann auch nicht anders sein. Der Herr geht nie mit auf einen Weg der Untreue.
Jonas Ziel steht fest. Er will nicht nach Ninive, sondern in die entgegengesetzte Richtung, nach Tarsis. Wo genau Tarsis gewesen ist, lässt sich nicht mehr feststellen. Es soll in Spanien gewesen sein, also im Westen, während Ninive im Osten war. Warum er gerade nach Tarsis gehen will, wird nicht erwähnt.
Er „fand ein Schiff”, lesen wir. Dies deutet darauf hin, dass er bewusst auf die Suche nach einem Schiff gegangen ist, das ihn zu seinem selbstgewählten Ziel führen könnte. Er muss es als Bestätigung gesehen haben, dass er in Japho – also im heutigen Jaffa, das im Neuen Testament Joppe genannt wird (Apg 9,36.43) – ein Schiff findet, das nach Tarsis auslaufen wird. Er hat also „Glück gehabt“, die Umstände könnten nicht besser sein.
Solche „Glücksfälle” geben einem Menschen, der hartnäckig beabsichtigt, seinen eigenen Weg zu gehen und dabei gegen den Willen des Herrn handelt, ein wunderbares Gefühl. Wir alle sind Meister darin, eine eigenwillige Art und Weise zu rechtfertigen, Dinge zu tun, von denen wir wissen, dass sie gegen das Wort Gottes sind, diese anhand von glücklichen Umständen schön zu reden. Dies tarnt unseren Ungehorsam gegenüber dem Wort Gottes. Die Tatsache, dass man auf einem Weg des Ungehorsams Gelingen hat, ist nie ein Beweis für den Segen des Herrn.
Jonas Weg ist ein Weg, der nach unten führt. Er ging zuerst nach Japho hinab und dann steigt er hinab in den unteren Schiffsraum (Vers 5) sowie später dann tief ins Meer (Jona 2,6). Japho bedeutet „Schönheit” oder „Unterwerfung”. „Schönheit“ scheint ein geeigneter Abfahrtsort zu sein, aber er führt zur Gebundenheit. Jona geht davon aus, dass das Schiff ihn im Schlaf zu seinem Ziel bringt, wenn Gott nicht eingreift. Doch so leicht kommen wir aus der Gegenwart des Herrn nicht heraus.
Das Angesicht des HERRN zu verlassen, ist ein bewusster Akt und daher Sünde. Es bringt Jona in die dunkle Gesellschaft von Kain, der auch vom Angesicht des HERRN wegging (1Mo 4,16).
Vielleicht sollten wir nicht denken, dass Jona sich vor Gott verstecken wollte. Vermutlich kannte er Psalm 139 gut, wodurch er wusste, dass dies unmöglich war (Ps 139,1–4). Aber für jemanden, der bewusst nicht gehorcht, verliert das Wort Gottes seine reinigende und heilende Wirkung. Jona wollte nicht tun, was Gott ihm befohlen hatte. Deshalb verließ er das Land, in dem Gott wohnte. „Weg vom Angesicht des HERRN” bedeutet auch „weg vom Land des HERRN”.
Jona flieht nicht aus Angst vor Schwierigkeiten, auf die er während seines Dienstes stoßen könnte, sondern aus Angst, dass der HERR der Stadt Ninive Gnade erweist. Als Jude missgönnt er diese Gnade den Heiden. Diese Missgunst der Gnade gegenüber Heiden findet sich mehrmals in den Evangelien und in der Apostelgeschichte. Die Pharisäer sind wütend, als der Herr Jesus in seinen Gleichnissen von der Gnade für die Heiden spricht (Mt 21,33–46). Die Juden werden wild, als Paulus darüber spricht (Apg 22,17–22).
Aber es sind nicht nur die ungläubigen Pharisäer und Juden, die ihren Unmut zeigen, wenn es um die Gnade für die Heiden geht. Es bedurfte einiger Bemühungen des Herrn Jesus, um einen Petrus davon zu überzeugen, auch zu einem Heiden zu gehen (Apg 10,1–16). Glücklicherweise ließ sich Petrus überreden und erfüllte den Auftrag (Apg 10,17–23). Doch der Hintergrund ist immer derselbe: Wenn die Heiden das Heil annehmen würden, wäre die privilegierte Stellung Israels vorbei, denn das Heil hat der HERR ihrer Überzeugung nach ausschließlich ihnen offenbart und das betrachten sie als exklusives Vorrecht.
Als Jude kann Jona es nicht mitansehen, dass eine heidnische Stadt so bevorzugt wird, dass sie an der Barmherzigkeit und Erlösung Gottes teilhat. Als Prophet kann er nicht danebenstehen und zusehen, wie sein Wort nicht wahr wird, und das sogar vor den Augen dieser unbeschnittenen Menschen. Er muss predigen, dass Gott nach vierzig Tagen die Stadt umkehren wird. Dies wird jedoch nicht geschehen, wenn sie ihre Schuld bereuen. Jona weiß das. Aber er will nicht mit einem falschen Propheten verwechselt werden. Das wird der Fall sein, wenn sich die Stadt bekehrt. Seine Worte werden sich nicht erfüllen. Die Stadt wird nicht auf den Kopf gestellt werden, obwohl er gerade das gepredigt hat.
In 2. Könige 14 wurde Jona als Bote auserwählt, um die Barmherzigkeit Gottes in den Tagen zu verkünden, als Israel unter dem schrecklichen Joch des Feindes stöhnte (2Kön 14,25). Jona war zu diesem Zeitpunkt der Überbringer guter Nachricht für sein Volk. Das hat er sicher gerne getan. Aber in seinem Stolz kann er keine Aufgabe annehmen, die nur für die Völker bestimmt ist und durch die auch ihnen die Barmherzigkeit Gottes gegeben wird. Er weiß, dass Gott barmherzig ist (Jona 4,2).
Jona bezahlt den Preis für die Überfahrt. Es gibt immer ein Preisschild an dem Weg, der von Gott wegführt. Der Preis ist der Verlust des Selbstwertgefühls, die Entbehrung der Gegenwart Gottes und die Verletzung des eigenen Gewissens. Doch dieser Preis wird am Ende bezahlt, wenn man dem Hochmut und den Begierden nicht widerstehen will. Wenn wir das alles in Kauf nehmen und den Herrn bewusst verleugnen, gelingt es uns trotzdem nicht, unsere egoistischen Ziele zu erreichen. Wir werden früher oder später vom Schiff unserer Wahl ins Meer geworfen werden.
Dann bringt uns Gott zurück an Land auf seine Kosten und in einem Schiff seines Fabrikats. Der Morgen der Abreise kann sonnig und schön aussehen, alles scheint in Ordnung zu sein, aber Gott kann einen Sturm für den Ausreißer schicken, um ihn zu sich selbst zurückzubringen. Diese Gnade und Güte Gottes ist wunderbar!
4 Der HERR greift ein
4 Da warf der HERR einen heftigen Wind auf das Meer, und es entstand ein großer Sturm auf dem Meer, so dass das Schiff zu zerbrechen drohte.
Der HERR hätte Jona natürlich schon früher entgegengehen können. Aber Er ließ Jona so weit gehen, wie Er es für richtig hielt. Es läuft Ihm nichts aus der Hand. Er verliert nie die Kontrolle über eine Angelegenheit, die Er begonnen hat. Er hat Jona einen Befehl gegeben und Er möchte, dass Jona diesen auch ausführt, zum Wohl Ninives.
Der Beginn der Reise muss sehr ruhig gewesen sein. So sanft, dass das sanfte Schaukeln des Schiffes Jona in den Schlaf gewogen hat. Dann ist es an der Zeit, dass Gott eingreift. Er weiß genau, wann Er eingreifen muss. Er verfügt auch über die entsprechenden Mittel, um dies zu tun. Gott lenkt seinen ungehorsamen Diener durch einen gehorsamen Diener. Dieser gehorsame Diener ist der Wind. Aus seinen Schatzkammern schickt Gott diesen Diener zu Gunsten seines entlaufenen Dieners (Ps 135,7c; Spr 30,4).
Auf den ersten Blick scheint ein Sturm keine Hilfe zu sein. Das Schiff droht zerschlagen zu werden. Jona und die anderen Leute an Bord stehen vor dem Untergang. Aber wenn Gott einen Sturm im Leben der Seinen nutzt, können wir sicher sein, dass der Sturm Ihm nicht aus der Hand läuft und dass er zum Segen ist.
Es ist die unergründliche Gnade Gottes, die seinen Diener sucht und ihn nicht weiter in seine Sünde hineinlaufen lässt. Die Sünde bringt immer Stürme ins Leben oder in die Familie oder in die Gemeinde, sie bringt niemals Ruhe. Es ist heilsam, in diesen Stürmen die Stimme Gottes zu erkennen, durch die Er uns aufrütteln will, damit wir seinen Willen wieder erkennen und tun können.
5 Beten, handeln
5 Und die Seeleute fürchteten sich und schrien, jeder zu seinem Gott; und sie warfen die Geräte, die im Schiff waren, ins Meer, um sich zu erleichtern. Jona aber war in den unteren Schiffsraum hinabgestiegen und hatte sich hingelegt und war in tiefen Schlaf gesunken.
Es muss eine bunte Gesellschaft an Bord des Schiffes gewesen sein. Das gemeinsame Ziel ist es, sicherzustellen, dass das Schiff seinen Bestimmungsort erreicht. Durch die Not kommt zum Vorschein, was in jedem Menschen vorhanden ist. Jeder bekennt seinen Glauben. Aber es ist keine Einheit des Glaubens, denn jeder ruft zu seinem eigenen Gott.
Ebenso ist selbstverständlich, dass bei einer gemeinsamen Schifffahrt jeder seinen Teil zur Erreichung des Zieles beiträgt. Aber wenn Stürme oder Rückschläge auftreten, wird offenbar, was jemand glaubt. Dann wird die persönliche Glaubensüberzeugung sichtbar. Wir sehen das in der Politik aber auch in der Kirche. Das Wort Gottes wird nicht zu Rate gezogen. Jeder handelt nach seiner eigenen Einsicht.
Die Welt ist in Not. Wer ein Auge dafür hat, versucht nach eigener Überzeugung, etwas dagegen zu unternehmen. Bei allerlei Arten von Konferenzen, die Lösungen aufzeigen sollen, kommt man zu keinem Ergebnis. Vielmehr kämpft jeder weiter für seine eigenen Interessen. Diese Interessen erwachsen aus Ideologien, philosophischen Einsichten oder aus religiösen Überzeugungen ohne Glauben an Jesus Christus als Mittler zwischen Gott und Menschen. Das Schreien der Seeleute ist Ausdruck von Ohnmacht, man appelliert an eine höhere Macht.
Neben ihren individuellen Bedürfnissen, die sie dazu bringen, einzeln zu beten, gibt es auch gemeinsame Aktionen. Gemeinsam werfen sie die Ladung über Bord. Sie wollen das Schiff leichter machen, damit es im Sturm leichter zu steuern ist. Aber das Erleichtern des Schiffes ändert nichts an der Intensität des Sturms. Dieser wütet unvermindert weiter. Nur wenn die Ursache des Sturms bekannt ist, kann er beruhigt werden. So ist der Mensch fortwährend damit beschäftigt, Probleme erträglich und beherrschbar zu machen, ohne sich der Ursache stellen zu wollen.
Das Problem des Schiffes liegt im Laderaum des Schiffes und schläft. Jona ist in der sorglosen Meinung fest eingeschlafen, dass sein Vorhaben gelungen ist. Wie konnte er damit rechnen, dass Gott ihm ein „Halt“ zurufen und von seinem ungehorsamen Weg zurückbringen würde?
Sein Schlaf ist nicht der Schlaf des Vertrauens, wie beim Herrn Jesus (Mt 8,24) oder Petrus (Apg 12,6). Sein Schlaf ist der Schlaf eines unempfindsamen Gewissens (1Thes 5,6). Er denkt in Sicherheit zu sein, denn schließlich ist sein Plan aufgegangen. Sein Schlaf macht ihn unempfindlich gegen die Katastrophe, die er seinen Mitgeschöpfen zufügt.
Die Selbstsucht ist die Ursache dafür, dass andere in Not geraten. Wir können dies auf die Familie oder auch auf die Ortsgemeinde anwenden. Wenn jemand nicht will, dass sein Ansehen Einbußen erleidet und sein vermeintliches Recht dort einfordert, wo er nachsichtig sein sollte, dann ist das zum Unheil der ganzen Familie oder der Gemeinde.
6 Steh auf und bete!
6 Und der Obersteuermann trat zu ihm und sprach zu ihm: Was ist mit dir, du Schläfer? Steh auf, rufe deinen Gott an! Vielleicht wird der Gott unser gedenken, dass wir nicht umkommen.
Was für eine Schande, wenn ein Heide einen Gläubigen ermahnen und zum Beten auffordern muss. Viele Christen sind offenbar völlig gleichgültig gegenüber der Tatsache, dass die Welt im übertragenen Sinne in Flammen steht. Das Schicksal, dass Millionen von Menschen erwartet, nämlich für immer in der Hölle zu leiden, lässt sie kalt. Wie vielen Christen macht es Not, dass selbst ein Familienmitglied, ein Nachbar, ein Arbeitskollege oder ein Mitschüler auf dem Weg zur ewigen Verdammnis ist?
Berührt es uns noch? „Was ist mit dir, du Schläfer?” Wir nehmen die Ablenkungen, die uns das Internet und das Fernsehen bieten, gerne in Anspruch. Wir durchsuchen das World Wide Web entlang vieler „interessanter” Dinge. Wir beruhigen unser Gewissen damit, dass wir ja nicht die „schlimmen“ Programme oder Seiten ansehen. So vergeht kostbare Zeit, und spirituell dösen wir sanft ein – und manchmal auch buchstäblich. Nach einer Weile stellt sich heraus, dass wir in einen entsetzlich tiefen Schlaf versunken sind.
Zwischen einem Tiefschläfer und einem Toten gibt es nicht viel Unterschied. Deshalb muss der Ruf kommen: „Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, und der Christus wird dir leuchten” (Eph 5,14). Es ist an der Zeit, dass ein Obersteuermann kommt und uns aufweckt. Es ist eine Schande, so fest zu schlafen, während die Not immer größer wird. Gibt es nichts, was wir tun können? Haben wir keine Freimütigkeit? Lasst uns doch aufstehen und zu unserem Gott beten. Niemand benötigt eine Gabe, um zu beten. Das kleinste Kind kann das tun.
Was wir brauchen, ist Glauben. „Ohne Glauben aber ist es unmöglich, ihm wohlzugefallen; denn wer Gott naht, muss glauben, dass er ist und denen, die ihn suchen, ein Belohner ist” (Heb 11,6). Oder ist unser Glaube an den lebendigen Gott beendet? Lebt der Glaube in uns nicht mehr? Von Muslimen wird erwartet, dass sie fünfmal am Tag beten; wie viele Christen tun es kaum einmal am Tag? Lasst uns aufwachen und für unser Leben und das Leben derer beten, die mit uns an Bord unseres Lebensschiffes sind!
7 Das Los fiel auf Jona
7 Und sie sprachen einer zum anderen: Kommt und lasst uns Lose werfen, damit wir erfahren, um wessentwillen dieses Unglück uns trifft. Und sie warfen Lose, und das Los fiel auf Jona.
Jona ist erwacht. Ist er dem Ruf des Obersteuermanns gefolgt und hat zu Gott gebetet? Oder hat sein Gewissen angeschlagen bei der Erinnerung des Kapitäns, zu dem HERRN, vor dem er flieht, zu beten? Es wird nicht erwähnt. Auf jeden Fall erzählt er immer noch nicht, was los ist. Jona hält seinen Mund, solange er kann, obwohl er weiß, warum das Schiff in Not ist. Wenn Menschen sich schämen, aber ihr eigener Wille noch aktiv ist, weil er innerlich noch nicht gerichtet wurde, dann ist viel Zucht nötig, um so jemanden wieder zurecht zu bringen.
Die Seeleute sehen im Sturm so viel Ungewöhnliches, dass sie ihm die richtige Bedeutung beimessen. Es ist ein Sturm, der auf eine der Personen zurückzuführen ist, die sich auf dem Schiff befinden. Für Jona ist der Sturm ein Unheil, das vom HERRN kommt (Amos 3,6b). Für die heidnischen Seeleute ist es eine Botschaft der göttlichen Gerechtigkeit (vgl. Apg 28,4).
Von besonderen Ereignisse geht oft ein Signal in Richtung des Gewissens aus. Gott will, dass alle Arten von nationalen oder persönlichen Katastrophen diese Wirkung haben. Aber niemand auf dem Schiff fragt sich: „Bin ich die Ursache?“ Es muss jemand anderes sein. Um das herauszufinden, werfen sie Lose.
Im Alten Testament wurde das Los geworfen (Jos 7,16; 15,1; 1Sam 14,36–42). Es geschieht auch noch einmal im Neuen Testament, bevor der Heilige Geist ausgegossen wird (Apg 1,26). Nach der Ausgießung des Heiligen Geistes hören wir nicht, dass die Gemeinde davon Gebrauch macht. Das stünde auch im Widerspruch zu der Art und Weise, wie Gott jetzt seinen Willen bekannt macht. Wir haben das vollständige Wort Gottes und seinen Geist, Der in die ganze Wahrheit leitet (Joh 16,13).
Als das Los auf Jona gefallen ist, ist es nicht länger möglich, zu schweigen (Spr 16,33).
8 Verantwortung wird gefragt
8 Da sprachen sie zu ihm: Tu uns doch kund, um wessentwillen uns dieses Unglück trifft! Was ist dein Beruf, und woher kommst du? Welches ist dein Land, und von welchem Volk bist du?
Die Seeleute wollen eine Erklärung von Jona. Sie fragen nach dem Beruf, den er ausübt. Vielleicht tun sie das, weil sie denken, dass etwas Unehrliches darin enthalten sein könnte, was den Zorn der Götter hervorgerufen hat.
Diese Frage kann auch an uns gestellt werden, die wir behaupten, Christen zu sein. Womit sind wir beschäftigt? Ist das, was wir tun, zum Segen oder zum Fluch für andere? Das gilt z. B. für die Führung eines Unternehmens. Werden unsere Geschäfte ehrlich abgewickelt, entlohnen wir unsere Mitarbeiter großzügig und beurteilen wir sie wahrheitsgemäß? Dies gilt auch für alle anderen Aktivitäten, einschließlich derjenigen, die wir als Hobby- oder Freizeitaktivitäten betrachten. Was tun wir, warum tun wir es und mit welchen Motiven tun wir etwas?
Die Seeleute fragen Jona auch, woher er kommt. Stimmt etwas nicht mit seinem Hintergrund? Wo ist seine Heimat? Wer sind seine Mitbürger? Die Antwort auf diese Fragen kann wichtig sein, um festzustellen, mit welcher Art von Mann sie es zu tun haben.
Wir können diese Fragen auch auf uns als bekennende Christen stellen. Leben wir aus der Gemeinschaft mit Gott heraus? Bestimmt diese Gemeinschaft unser Handeln und unseren Weg? Ist unser Vaterland der Himmel? Können wir sagen, dass wir Bürger des Himmels sind, und wer sind unsere Freunde? Sind sie alle Kinder Gottes? Wenn uns diese Fragen gestellt werden, während wir in einer Position wie Jona sind, werden wir uns ziemlich unwohl fühlen.
9 Rechenschaft abgelegt
9 Er spricht zu ihnen: Ich bin Hebräer, und ich fürchte den HERRN, den Gott des Himmels, der das Meer und die Trockenheit gemacht hat.
Erst nachdem das Los geworfen und Fragen an ihn gestellt werden, kommt Jona mit einer Erklärung aus der Deckung, weil er gezwungen ist, dies zu tun. Seine Erklärung ist deshalb noch keine wirkliche Reue für seinen Ungehorsam. Sein Gewissen ist noch nicht in das Licht Gottes gerückt und darum lässt der Sturm nicht nach. Gott muss seinem Knecht weiteren Unterricht geben.
Jona erkennt an, dass er schuld ist. Er nennt sich selbst einen Hebräer, einen Namen, den der Israelit unter den Heiden hat (1Mo 39,14.17; 40,15; 1Sam 4,6.9; 14,11). In seinem Bekenntnis über Gott bekennt er sich zum HERRN als den „Gott des Himmels, der das Meer und das Trockene gemacht hat”. Das bedeutet, dass Jona Gott nicht als den Gott Israels bekennt, den Gott eines auserwählten Volkes. Er macht die Seeleute als Heiden auf Ihn aufmerksam, so wie er es in Ninive hätte tun sollen.
Mit diesem Geständnis verurteilt er indirekt seine eigene Flucht. Damit sagt er aber auch, dass man vor diesem Gott nicht fliehen kann.
10 Furcht vor Gott
10 Da fürchteten sich die Männer mit großer Furcht und sprachen zu ihm: Was hast du da getan! Denn die Männer wussten, dass er vom Angesicht des HERRN wegfloh; denn er hatte es ihnen mitgeteilt.
Jona informierte sie nicht über seine Flucht, als er an Bord kam, sondern tut dies nun bei der Beantwortung ihrer Fragen. Dass seine Aussage über den HERRN keine Erfindung ist, wird durch die Umstände unterstrichen. Es erfüllt die Seeleute mit Angst. Es scheint, dass diese Heiden wegen Jonas schändlichen Ungehorsams mehr von Gott beeindruckt sind als der Prophet selbst.
Ein Gläubiger kann mit einer gewissen Gleichgültigkeit über Gottes Handlungen mit ihm berichten, während dies einen großen Eindruck auf Menschen macht, die Gott in ihrem Leben nicht berücksichtigen. Wenn jemand sagt, dass er von Gott für Ungehorsam bestraft wird, macht das manchmal einen Eindruck auf Menschen, die nicht wissen, wer Gott ist. Das liegt daran, dass diese Menschen von sich selbst wissen, wie viele Dinge sie in Ungehorsam getan haben. So kann Gott sogar Ungehorsam bei denen, die sich zu seinem Namen bekennen, nutzen, um andere mit seiner Kraft zu beeindrucken.
Natürlich rechtfertigt dies in keiner Weise den Ungehorsam von jemandem. Es ist zudem fraglich, ob jemand, der von der Allmacht Gottes beeindruckt ist, sich durch Umkehr und Buße zu Gott bekehren wird.
11 Was sollen wir tun?
11 Und sie sprachen zu ihm: Was sollen wir mit dir tun, damit das Meer von uns ablässt? Denn das Meer wurde immer stürmischer.
Trotz der Tatsache, dass sie jetzt die Ursache des Sturms kennen, wird das Meer immer stürmischer. Der Wind hört nicht auf, sondern zieht noch mehr an. Es muss noch etwas getan werden. Es ist möglich, dass die Sünde, die die Ursache unserer Probleme ist, entdeckt wird. Aber es muss auch damit auf die richtige Art und Weise gehandelt werden, sonst wird es immer schlimmer.
Das ist auch hier der Fall. Deshalb setzen die Seeleute die Untersuchung fort. Sie wollen keine Maßnahme selbst wählen, weil sie Angst vor dem Gott haben, vor dem Jona flieht. Sie sehen in ihm einen Schuldigen, aber auch einen Bußfertigen. Er muss nun angeben, was zu tun ist.
12 Nehmt mich und werft mich ins Meer
12 Und er sprach zu ihnen: Nehmt mich und werft mich ins Meer, so wird das Meer von euch ablassen; denn ich weiß, dass dieser große Sturm um meinetwillen über euch [gekommen ist].
Es ist mutig von Jona, diesen Vorschlag zu machen. Es ist die Sprache eines reuigen und bußfertigen Sünders. Ein solcher Mensch möchte die Strafe selbst tragen, was immer sie ihn kosten mag, und nicht andere damit belasten, die unschuldig daran sind. Er sucht nicht nach einer Entschuldigung oder Verringerung. Ohne Vorbehalt übernimmt er die Schuld und rechtfertigt Gott in seinem Handeln. Er erkennt die Hand Gottes in dem, was geschieht und erkennt sie auch an.
Jona spricht hier als gläubiger Israelit, der den Ernst der Gerechtigkeit des heiligen Gottes aus dem Gesetz und aus der Geschichte seines Volkes kennt. Er beugt sich unter dem Gericht Gottes. Gleichzeitig drückt er mit seinem Vorschlag sein Vertrauen in Gott aus. Mit seinem Vorschlag sagt er so viel wie: „Liefert mich an Gott aus.” Er vertraut sich Gott an, wenn er nicht mehr im Schiff ist, weil er dort nicht hingehört.
Jona ist ein schwaches, wenn auch ein sehr schwaches, Bild auf den Herrn Jesus. Jonas Erniedrigung ist das Ergebnis seines Ungehorsams. Die Erniedrigung des Herrn ist das Ergebnis seines untadeligen Gehorsams. Christus bot sich in vollkommenem Gehorsam an, für andere zu sterben, damit sie leben konnten.
Ähnliches wie bei Jona zeigt sich in Davids Haltung nach seiner Sünde in der Volkszählung (1Chr 21,17). Die Aussagen von Jona und David, in denen sie sich zur Bezahlung anbieten, sind schön, aber das Ergebnis ihrer eigenen Schuld. Wenn der Herr Jesus sagt: „Siehe, ich komme …, um deinen Willen, o Gott, zu tun” (Heb 10,7), dann ist es, um in vollkommener Freiwilligkeit den Willen Gottes zugunsten sündiger Menschen zu erfüllen.
13 Widerstand
13 Und die Männer ruderten hart, um [das Schiff] ans Land zurückzuführen; aber sie konnten es nicht, weil das Meer immer stürmischer gegen sie wurde.
Jonas Angebot, ihn ins Meer zu werfen, geht für die Seeleute zu weit. Sie tun alles, was sie können, um diese Maßnahme nicht ergreifen zu müssen. Obwohl die Seeleute sehen, dass der Zorn Gottes auf Jona ruht, scheuen sie sich davor, die Vollstrecker des göttlichen Gerichts zu sein. Sie waren vielleicht beeindruckt von dem, was Jona ihnen gesagt hatte, aber noch ist ihr Blick auf den Mann gerichtet, der vor ihnen steht. Er ist für sie der Vertreter des Gottes, über den er gesprochen hat. Müssen sie ihn jetzt ins Meer werfen? Sie tun alles, was sie können, um dies zu verhindern.
Die Anerkennung des Gerichts Gottes und das entsprechende Handeln sind zwei Dinge. Nur wenn ein Mensch ganz am Ende seiner Möglichkeiten steht, wird er sich auch dem Gericht Gottes beugen. Das ist es, was auch die Seeleute erleben müssen. Als sie sehen, dass sie es nicht mit Jona, sondern mit dem Gott Jonas zu tun haben, wenden sie sich an Ihn.
14 Anerkennung
14 Da riefen sie zu dem HERRN und sprachen: Ach, HERR, lass uns doch nicht umkommen um der Seele dieses Mannes willen, und lege nicht unschuldiges Blut auf uns! Denn du, HERR, hast getan, wie es dir gefallen hat.
In dem Handeln der Seeleute kommt ein schöner Charakterzug zum Vorschein, der für Jona zur Beschämung ist. Die rohen Seeleute zeigen mehr Sorge um das Leben von Jona, als Jona um das Leben Hunderttausender in einer ganzen Stadt (Jona 4,11). In ihrem Rufen zu Gott sagen sie, dass sie das Recht Gottes auf Leben anerkennen. Obwohl sie nicht mit Gott in Verbindung stehen, nehmen sie sich nicht das Recht, Jona das Leben zu nehmen. Sie beten um Vergebung für das, was sie tun werden.
Sie rufen den HERRN an, weil sie von Jona gehört haben, dass dies der Name des Gottes von Jona ist. Auf diese Weise erkennen sie die Überlegenheit dieses Gottes an. Sie bekennen, dass der HERR so handelt, wie es Ihm gefällt: Er hat den Sturm geschickt und durch das Los den Schuldigen offenbar gemacht.
Darin liegt auch die Einwilligung. Gott handelt nie willkürlich. Er handelt immer nach seinem Wohlgefallen, nach seinem Willen. Darin kommt seine Souveränität zum Ausdruck. Wer Ihm vertraut, wird in Ihm die Kraft finden, nach seinem Willen zu handeln und sein Handeln anzunehmen.
15 Gehorsam und das Ergebnis
15 Und sie nahmen Jona und warfen ihn ins Meer. Da ließ das Meer ab von seinem Wüten.
Die Seeleute werfen Jona aus dem Schiff, aus ihrer Gesellschaft, in das tobende Meer, das – bildlich gesprochen – zur Auslieferung des Übertreters aufruft, damit Frieden und Ruhe kommen können. Wir lesen nicht, wie sich Jona in diesem Moment fühlte. Aber wir können davon ausgehen, dass er, indem er vor seinem Meister flieht, jetzt diesem Meister als Richter begegnen wird.
Gott verschont die Seeleute wegen ihres Gebets und ihres Akts des Gehorsams. Aus prophetischer Sicht, wenn wir das Bild Israels in Jona sehen, sehen wir hier, was in Römer 11 geschrieben steht, dass „ihre [Israels] Verwerfung die Versöhnung der Welt ist” (Röm 11,15a). Nachdem Jona ins Meer geworfen war, beruhigte sich das Meer. Nach der Verwerfung Israels geht die Botschaft der Erlösung zu den Nationen.
16 Furcht und Ehrfurcht
16 Und die Männer fürchteten sich vor dem HERRN mit großer Furcht, und sie schlachteten dem HERRN Schlachtopfer und taten Gelübde.
Plötzlich hört der Sturm auf. Nach allem, was die Seeleute bereits erlebt haben, macht das noch mehr Eindruck auf den Gott Jonas. Es kommt Furcht und Ehrfurcht. Sie wollen dem HERRN etwas darbringen und ihm deshalb ein Opfer bringen. Auf diese Weise bezeugen sie, dass Er ihrer Dankbarkeit und Bewunderung würdig ist.
Aber ihre Dankbarkeit ist nicht nur etwas für den Moment. Sie legen auch Gelübde für die Zukunft ab. Sie wollen Ihm noch mehr geben, wenn sie sicher an Land gekommen sind.
Auf diese Weise erheben sie sich über das, was Jakob gelobte. Jakob stellte Bedingungen an Gott. Wenn Gott sich als der Gott erweisen würde, der ihn in Sicherheit bringen würde, würde Jakob Gott als seinen Gott annehmen (1Mo 28,20.21). Diese Seeleute legen Gelübde ab für das, was Gott für sie war, und nicht als eine Forderung an Gott, sich selbst zu beweisen, indem Er sie errettete.