1 Ein Gebet von Habakuk
1 Gebet Habakuks, des Propheten. Nach Schigjonot.
Hier beginnt ein neuer Abschnitt, der durch die erneute Bezugnahme auf „Habakuk, den Propheten“ (Hab 1,1) angezeigt wird. Im Gegensatz zu dem Aufruf aus dem letzten Vers des vorherigen Kapitels (Hab 2,20) schweigt Habakuk nicht. Er bringt in seinem Schweigen einen Lobgesang für Gott (vgl. Ps 65,2).
Sein Lobgesang ist ein „Gebet“. Es wird ein Gebet genannt, um die Widmung dieses Teils anzuzeigen, es ist Gott gewidmet. Es ist ein Gebet, weil die Zeit der Erfüllung noch nicht gekommen ist. Das Gebet legt die Gefühle des Propheten offen, nachdem er in Habakuk 1 von dem Gericht gehört hat, das Gott über sein Volk bringen muss, und in Habakuk 2, durch wen Er das tun wird.
Die Tatsache, dass sein Name und sein Dienst erwähnt werden, deutet darauf hin, dass es in diesem Gebet nicht nur um Gefühle geht, sondern dass es den zuvor genannten Fakten entspricht und dass dieses Gebet auch einen prophetischen Inhalt hat. Es ist ein Zeugnis des Heiligen Geistes in den Gefühlen des Propheten, der durch den Geist erleuchtet ist.
„Schigjonot“ ist ein Begriff aus der Musik. Ein ähnlicher Begriff, Schiggajon, findet sich in der Überschrift von Psalm 7 (Ps 7,1). Der Begriff scheint darauf hinzuweisen, dass es sich um ein Siegeslied handelt, ein Lied, das in großer Erregung gesungen wird, mit schnell wechselnden Emotionen. Dieser Begriff zeigt, dass es eine Verbindung zwischen diesem Lied und den Psalmen gibt. Es ist auch ein Hinweis darauf, dass Habakuk seine Gedanken nicht nur auf diese Weise ausdrückt, sondern diesen „Psalm“ für den Gebrauch in Israel komponiert.
2 Das Werk des HERRN
2 HERR, ich habe deine Kunde vernommen, ich fürchte mich; HERR, belebe dein Werk inmitten der Jahre, inmitten der Jahre mache es kund; im Zorn gedenke des Erbarmens!
Nun spricht Habakuk davon, dass der HERR ihm geantwortet hat, während er anfangs so sehr damit gerungen hat, dass Gott ihn nicht hörte (Hab 1,2). Seine erste Übung in Gottes Gegenwart ist von Furcht geprägt, als er erkennt, dass der Zustand des Volkes so schlecht ist, dass Gott es richten muss. Was der Prophet in Habakuk 2 über die Babylonier hört, erfüllt ihn mit Schrecken und Angst. Er drückt nun Gott gegenüber aus, dass Er sein Werk erfüllen wird, sowohl durch Babylon gegenüber Israel als auch gegenüber Babylon selbst. Sein Werk ist ein Werk im Gericht gegen den Feind und in der Gnade gegen Israel. Wir sehen, wie dieses Werk Gestalt annimmt.
Es geht um sein Werk, „dein Werk“, nicht um unseres. Es geht darum, dass Gott sein Werk belebt. Es ist nicht ein Werk am Anfang oder am Ende, sondern „inmitten der Jahre“. Der Anfang ist der Beginn des Werkes Gottes in der Erlösung Israels. Das Ende ist die Errettung Israels in der Endzeit. Die mittlere Zeit ist die Zeit, in der der Prophet lebt. Er lebt zwischen der Zeit der Züchtigung Babylons durch den HERRN als notwendigem Anfang der Erlösung und dem Zerbrechen Babylons durch den HERRN.
Es ist ein Gebet derer, die in der Mitte ihres Lebens stehen. Dann kann das Gefühl kommen, dass die ersten Kräfte am Schwinden sind und dass der Erfolg der vergangenen Tage nicht wiederholt werden kann. Aber wir sollten uns daran erinnern, dass es Gottes Werk ist und dass Er es in der Mitte der Jahre beleben kann. Er kann es uns bekannt machen, wenn wir es vergessen haben oder es brauchen. Wenn wir eine schwere Zeit haben und Gottes Züchtigung spüren, können wir Ihn an seine Barmherzigkeit erinnern.
Das Volk hat jedes Recht auf Rettung verwirkt, aber die Barmherzigkeit Gottes kann angesprochen werden. Man kann sich nicht auf Verdienste berufen, sondern auf die Gnade. Sich darauf zu berufen bedeutet, Schuld zu bekennen (Ps 51,3.4). In Bezug auf Israel bittet der Prophet Gott, seinen Zorn durch Erbarmen zu mildern. Gott wird dies an den Gläubigen in seinem Volk tun.
3 Die Erscheinung Gottes
3 Gott kommt von Teman her und der Heilige vom Gebirge Paran. – Sela. Seine Pracht bedeckt die Himmel, und die Erde ist voll seines Ruhmes.
In Wirklichkeit ist nur Vers 2 ein Gebet. Was ab Vers 3 folgt, ist eine Wiederholung der Taten Gottes in der Vergangenheit bezüglich der früheren Erlösung seines Volkes. Manchmal bitten wir Gott, Dinge für uns zu tun, während es lohnender ist, darüber nachzudenken, was Er an und in uns in und durch den Herrn Jesus in der Erlösung getan hat, die Er gewirkt hat.
Die Verse 3–15 beschreiben die Erscheinung Gottes, auch Theophanie genannt. Gott erscheint, um die Feinde seines Volkes zu richten und um sein Volk zu befreien. Er macht seine Herrlichkeit sichtbar. Er tut dies im Gericht über seine Feinde und in der Rettung für sein Volk. Er ist der Schöpfer und Herrscher der Welt, derjenige, vor dem jeder Respekt haben sollte, und derjenige, der alle Dinge kontrolliert.
Er „kommt“ weist auf eine Aktivität hin. Es zeigt Gott in seinem Handeln. Es erinnert an das Erscheinen Gottes vor seinem Volk auf dem Berg Sinai (2Mo 19,16–19). Hier ist von anderen Orten die Rede. „Teman“ ist ein Ort, der eng mit Edom verbunden ist (Jer 49,7). „Paran“ befindet sich westlich von Edom. Beide Orte liegen südlich von Juda.
Er erscheint als „der Heilige“ (vgl. Hab 1,12). In dieser Eigenschaft richtet Er. Habakuk ist mit der Ausschaltung feindlicher Mächte beschäftigt. In der Erscheinung Gottes sieht er die zukünftige Erlösung. Er stützt diese Erscheinung auf das, was in der Vergangenheit von Gott sichtbar geworden ist. So wie Er auf dem Berg Sinai nach der Erlösung aus Ägypten erschienen ist, so sieht Habakuk es hier im Glauben in der Zukunft geschehen. Überall an den Himmeln, die die Erde bedecken, wird seine Majestät, d. h. seine Erhabenheit und Würde als Herrscher, beobachtet. Die Auswirkung davon auf die Erde unter dem Himmel ist, dass sie voll des Lobes für Ihn ist.
Habakuk weist damit darauf hin, dass die Wiederherstellung immer durch die Rückkehr zum Anfang erfolgt (vgl. 5Mo 33,2). Er sieht Gottes Herrlichkeit, genau wie am Berg Sinai, sich wieder offenbaren und den gleichen Weg nehmen. Gott kommt, um die Feinde zu besiegen und um sein Volk zu erlösen. Dies erfährt seine Erfüllung bei der Wiederkunft des Herrn Jesus.
Wenn Gott zugunsten seines Volkes handelt, um es zu segnen, hat Er auch den Segen für Himmel und Erde im Sinn. Es scheint manchmal, dass Er in einem begrenzten Bereich wirkt, aber Er möchte, dass die ganze Schöpfung am Segen teilhat.
„Sela“ weist auf eine Ruhe oder Pause hin. Dieses Wort kommt etwa 70-mal in den Psalmen vor und dreimal in diesem Kapitel.
4 Er kommt in verzehrender Glut
4 Und es entsteht ein Glanz wie das Licht [der Sonne]; Strahlen sind zu seinen Seiten, und dort ist die Hülle seiner Macht.
Der Widerschein seiner Erscheinung ist überall spürbar. Der Herr Jesus kommt wie ein Blitz (Mt 24,27). Das Sonnenlicht in seiner leuchtenden Ausstrahlung ist das geeignetste irdische Element, um die unbefleckte Reinheit des Heiligen darzustellen, Er, der Licht ist und in dem „gar keine Finsternis“ ist (1Joh 1,5) und „bei dem keine Veränderung ist noch [der] Schatten eines Wechsels“ (Jak 1,17b).
Doch diese beeindruckenden Offenbarungen des Glanzes und der Pracht sind nur äußerliche Manifestationen Gottes, die die Menschen wahrnehmen können (Ps 104,2a). In Wirklichkeit sind sie eine Bedeckung oder Verschleierung seiner wahren Eigenschaften. Diese Offenbarungen wirken wie eine Hülle, die seine Macht verdeckt. Wenn Er seine Macht unbedeckt zeigen würde, würde alles verzehrt werden. Er ist der Gott, „der ein unzugängliches Licht bewohnt, den keiner der Menschen gesehen hat noch sehen kann“ (1Tim 6,16).
Die Verborgenheit seiner Macht und seines Lichtes wurde sichtbar, als der Herr Jesus als das Licht auf die Erde kam, um zu erlösen. Seine Macht war verborgen und wurde in seinem Menschsein verborgen. Dass Er Mensch geworden ist, ist sozusagen die „Hülle seiner Macht“. Sie war verborgen vor den Weisen und Klugen, aber nicht vor den Kindern (Mt 11,25) und auch nicht vor der Frau, die Ihn im Glauben berührte und die Kraft erfuhr, die von Ihm ausging (Lk 8,43–48).
5 Instrumente des Gerichts
5 Vor ihm her geht die Pest, und die Seuche zieht aus, seinen Füßen nach.
Gottes Macht offenbart sich hier in der Ausübung seines Gerichts durch die Plage der „Pest“. Er verzehrt durch die Pest, was vor Ihm ist, und hinterlässt die „Seuche“ eines verkohlten Bodens. Der heilige Gott wird von den Ausführenden seines Gerichts, der Pest und der Seuche, begleitet.
Pest und Seuche werden als Personen dargestellt. Eine Person geht als Schildträger vor Ihm her (vgl. 1Sam 17,7), die andere Person kommt direkt nach Ihm als Knecht (vgl. 1Sam 25,42). Sie weist darauf hin, dass sein Kommen zur Befreiung seines Volkes von Plagen begleitet sein wird, die die Erde treffen werden.
6 - 7 Gottes Wege sind ewig
6 Er stand da und machte die Erde schwanken, er schaute und machte die Nationen aufbeben; und es zerbarsten die Berge der Vorzeit, es senkten sich die ewigen Hügel; seine Wege sind die Wege vor alters.
7 Unter Trübsal sah ich die Zelte Kuschans, es zitterten die Zeltbehänge des Landes Midian.
In diesen beiden Versen sehen wir, welchen Eindruck das Kommen Gottes auf die Schöpfung und auf die Menschen macht. Gott ist aus der Ferne gekommen und hat sich hier gleichsam als Kriegsheld positioniert, um die Feinde zu richten.
1. „Er stand da“ ist keine Pose, keine statische Haltung, sondern die überwältigende Gegenwart seiner Person, bei der nichts unbeweglich bleiben kann. Wo Er ist, „schwankt“ alles.
2. „Er schaute“ hat die gleiche Wirkung. Wenn Er schaut, ist es ein durchdringendes Schauen, ein vollständiges Ergründen. Die Nationen reagieren darauf mit „aufbeben“.
Sein Stehen und sein Schauen haben eine Ausstrahlung, sie bewirken etwas. Es sind beeindruckende Handlungen.
Alles, was geschaffen wurde, wie lange es auch existieren mag, wie „die Berge der Vorzeit“ und „die ewigen Hügel“, wird verschwinden. Es scheint, als könne ihre lange Existenz nicht angetastet werden, so vielen Jahrhunderten haben sie schon getrotzt, sodass an Veränderung nicht zu denken ist. Für die Menschheit existieren sie ewig. Aber wenn Er kommt, haben selbst die stärksten Symbole der Stabilität und Unveränderlichkeit keinen Bestand und erweisen sich als vorübergehend und vergänglich.
All dies steht im Gegensatz zu seinen Wegen „vor alters“, die wirklich ewig bleiben, weil sie „seine Wege“ sind. Die Stabilität und Beständigkeit der Wege Gottes in Christus, wie sie in seinem heiligen Tempel gesehen werden, sind das Vertrauen und die Freude des Glaubens.
Dann zeigt Habakuk die Reaktion von zwei Nomadenvölkern (Vers 7). Wenn die Erde schwankt und die Nationen aufschrecken, wenn Er ewige Berge zerberstet und uralte Hügel senkt, was ist dann die Reaktion der kleinen Völker? In ihren Zelten herrscht Bedrängnis. Wenn Gott in seiner Majestät auf seinem Zug an ihnen vorbeizieht, sind sie so beeindruckt, dass sie zittern.
„Kuschan“ ist die erweiterte Form von Kusch. Seine Bevölkerung lebt an der afrikanischen Küste des Roten Meeres. Die Bevölkerung von Midian lebt an der arabischen Küste des Roten Meeres.
8 - 9 Der Zorn des HERRN
8 Ist der HERR gegen die Ströme entbrannt? [Richtet sich] etwa dein Zorn gegen die Ströme, dein Grimm gegen das Meer, dass du einherziehst auf deinen Rossen, deinen Wagen der Rettung?
9 Entblößt, entblößt ist dein Bogen – Zuchtruten, geschworen durch [dein] Wort! – Sela.
Bis jetzt hat der Prophet beschrieben, wie der HERR erscheint. Nun geht er vom Beschreibenden zum Adressaten über. Er spricht den HERRN an (Vers 8). Gott hat sich als Richter der Welt in Stellung gebracht, als Kriegsheld, der zum Kampf gerüstet ist, und nun fragt der Prophet, über wen sein Zorn kommt. Nicht, dass er eine Antwort erwartet. Vielmehr soll damit die Größe des göttlichen Zorns betont werden.
Er spricht allgemein von Strömen und dem Meer, obwohl man hier auch an die Ströme Nil, Jordan und das Rote Meer als Ziel der Macht Gottes denken kann (2Mo 7,14–25; 14,16–22; Jos 3,13–17). Er richtete den Nil und bahnte sich einen Weg durch die beiden anderen Gewässer. Sein Anliegen war die „Rettung“ seines Volkes. Deshalb ritt Er (symbolisch) auf seinen Pferden und benutzte (symbolisch) seine Streitwagen.
In Vers 9 wird das Bild des kämpfenden Gottes mit seinen Pferden und Streitwagen fortgesetzt. Er hat seine Absicht einzugreifen in die Tat umgesetzt. Alle Vorbereitungen waren getroffen. Der Bogen als Waffe wurde sichtbar und einsatzbereit gemacht. Wir sehen es vor uns: Der Krieger im Streitwagen, der mit dem gespannten Bogen auf den Feind zugeht oder ihm nacheilt, um ihn zu töten. Er erfüllt damit den Schwur, den er den Patriarchen geschworen hatte und der Ihn zur Befreiung der Stämme Israels führte (5Mo 32,40–42).
Mit einer gewaltigen, getriebenen Wassermasse spaltet der HERR die Erde (vgl. Mich 1,4). Möglicherweise bezieht sich dies auf „die Quellen der großen Tiefe“, die die Erde aufsprengen (vgl. 1Mo 7,11). Es zeigt die Allmacht Gottes in seinem Gericht. Er kann Ströme für sein Volk trockenlegen und damit die Erde für die Feinde seines Volkes unpassierbar machen.
10 Gottes Macht über die Wasserflut
10 Zu Strömen spaltest du die Erde. Es sahen dich, es zitterten die Berge; eine Wasserflut fuhr daher, die Tiefe ließ ihre Stimme erschallen, zur Höhe erhob sie ihre Hände.
Die Mächte auf der Erde blicken zitternd zu Gottes Majestät auf und geben Ihm die Ehre. Die Berge und die Wasserflut werden als Personen dargestellt. Sie zittern, lassen ihre Stimmen hören und erheben ihre Hände, um ihre Ehrfurcht vor Ihm auszudrücken. Was für ein warnendes Beispiel ist das für den prahlenden Menschen, der glaubt, dass „seine Kraft sein Gott ist“ (Hab 1,11).
Um seine Gefühle in der Situation, in der er sich befindet, auszudrücken, verwendet Habakuk in seiner Beschreibung den Psalm 77 (Ps 77,17–21). Der Dichter des Psalms hat die gleichen Gefühle wie er. Das liegt daran, dass sie von demselben Geist geleitet werden.
11 Gottes Macht über Sonne und Mond
11 Sonne [und] Mond traten in ihre Wohnung beim Licht deiner Pfeile, die daherschossen, beim Glanz deines blitzenden Speeres.
Sonne und Mond sind die konstanten und unantastbaren Symbole der geschaffenen Ordnung in der Schöpfung. Aber sie stellen ihre Funktion beim Anblick der Majestät Gottes ein und beenden ihren jahrhundertelangen Lauf. Ihr Licht zieht sich zurück, sie entziehen ihren Glanz beim Anblick von Gottes Majestät, die allen Glanz übertrifft. Ihr Licht ist überflüssig angesichts des Lichtes der Pfeile Gottes und des Glanzes seines blitzenden Speeres (vgl. Jes 60,19).
Es ist nicht angebracht, sich hier auf das Wunder in Gibeon bei der Eroberung des Landes zu beziehen, wo Josua der Sonne und dem Mond befiehlt stillzustehen (Jos 10,12). Dort haben sie weiter geleuchtet, während es hier darum geht, ihren Glanz aus Ehrfurcht vor Gottes majestätischer Erscheinung, die ihren Glanz weit übertrifft, zurückzuziehen.
Gottes Pfeile und Speer sind Schieß- und Wurfwaffen, die Er gegen den Feind als Mittel einsetzt, um seinen Zorn auszudrücken. Vielleicht können wir an Blitzstrahlen denken, die von Gottes Thron ausgehen und die Menschen erschrecken. Die Menschen haben keine Kontrolle darüber. Die Angst überwältigt sie, wenn sie von Blitzen umgeben sind.
12 - 13 Gericht und Heil
12 Im Grimm durchschreitest du die Erde, im Zorn stampfst du die Nationen.
13 Du zogst aus zum Heil deines Volkes, zum Heil deines Gesalbten: Du zerschmettertest das Haupt vom Haus des Gottlosen, entblößtest den Grund bis zum Hals. – Sela.
Der HERR durchschreitet im Grimm die Erde und richtet die Nationen (Vers 12; Jes 63,1–6). Er stampft oder drischt die Nationen wie mit einem Dreschschlitten, was bedeutet, dass Er sie schlägt. Es bedeutet eine äußerst schmerzhafte und zutiefst demütigende Niederlage der Nationen, die sein Volk immer so sehr verletzt und gedemütigt haben.
Das ist das Ergebnis des Auszugs des HERRN. Aber Er ist nicht nur ausgezogen, um seine Feinde zu richten. In Vers 13 hören wir den Grund für sein Eingreifen auf der Erde. Damit niemand im Zweifel bleibt, warum diese Offenbarung der Majestät Gottes geschieht, sagt Habakuk, dass Gott auszog, um sein Volk, das sein „Gesalbter“ ist, zu erlösen und zu retten (vgl. Ps 105,15).
„Das Haus des Gottlosen“ bezieht sich auf das Haus des Pharao in der Vergangenheit und auf das des Königs von Babel (Hab 2,9), der bald kommen wird. Der Gottlose ist der kommende Feind, der sich in seiner ganzen Regierungsgewalt präsentiert. In der Endzeit bezieht sich dies auf den Antichristen. Das „Haupt des Hauses“ ist möglicherweise der König selbst. Er steht an der Spitze. Im Glauben sieht Habakuk, dass der HERR das Haus des Gottlosen von oben bis unten, bis zum „Grund“, also bis zum Boden, niederschlägt (vgl. Amos 2,9b). Alles, was bleibt, ist Staub.
14 - 15 Der Feind ausgerottet – Gottes Volk gerettet
14 Du durchbohrtest mit seinen [eigenen] Spießen die Häupter seiner Scharen, die heranstürmten, um mich zu zerstreuen, deren Frohlocken war, den Elenden im Verborgenen zu verschlingen.
15 Du betratest das Meer mit deinen Rossen, den Schwall großer Wasser. –
Habakuk identifiziert sich mit Gottes Volk und beschreibt die Behandlung, die die Eindringlinge des Landes von Gott erhalten werden. Er beschreibt, dass der HERR die Feinde durch ihre eigene Hand eine Niederlage erleiden lässt (Ri 7,22; 1Sam 14,20; 2Chr 20,23.24). Für Habakuk ist das eine große Ermutigung, denn er hat erlebt, wie die Feinde heranstürmten. Er weiß, wie sie sich daran erfreuten, ihm das Leben im Land unmöglich zu machen. Sie freuten sich über ihre Grausamkeiten, wie sich der Gläubige über Gott freut.
Sie wollten ihn „verschlingen“, was sich auf die gewaltsame Inbesitznahme seines Lebens und allem, was er hat, bezieht. Hier stellt er als „der Elende“ den treuen Überrest Israels dar, der in der Endzeit wegen des herannahenden Feindes in große Bedrängnis geraten wird.
Gott führte die feindlichen Heere und führte sie in ihr Verderben (Vers 15). Wir sehen das bei Pharao, der zuerst selbst sein Herz verhärtete, woraufhin sein Herz von Gott verhärtet wurde. In seiner Verstockung begann er die Verfolgung des Volkes Gottes und kam im Roten Meer um. Bevor der Pharao mit seinen Pferden dort ankam, zogen Gottes Pferde in das große, reißende Wasser und bahnten seinem Volk den Weg (Vers 8). Was ein Hindernis für die Befreiung zu sein schien, wurde in Gottes Hand zum Mittel der Ausrottung des Feindes. So wird Er in der Zukunft die Nationen ausrotten, die in großer Zahl und in großer Überheblichkeit auf sein Volk zustürmen.
16 Habakuk zittert und wartet in Ruhe
16 Ich vernahm es, und es zitterte mein Leib; bei der Stimme bebten meine Lippen; Morschheit drang in meine Gebeine, und wo ich stand, erzitterte ich: Ich werde ruhen am Tag der Drangsal, wenn derjenige gegen das Volk heranzieht, der es angreifen wird.
Der Prophet sieht, was über sein Volk kommen wird, wenn die Chaldäer kommen. Was er „vernahm“, verweist auf Vers 2 zurück. Das erfüllte ihn mit Furcht, die seinen Leib und seine Gebeine, die weichen und die harten Teile seines Körpers, durchdrang. Daniel hatte die gleiche Erfahrung (Dan 8,27; 10,8). Habakuk zitterte nicht aus Furcht, sondern wegen der Eindrücklichkeit dessen, was er vernahm; er war niedergeschmettert.
Zugleich herrscht eine tiefe Ruhe angesichts des „Tages der Drangsal“ (vgl. Ps 94,13). Der Tag der Drangsal ist die große Drangsal (Mt 24,21; Off 7,14; Jer 30,7; Dan 12,1). Hier ist es der Tag der Drangsal für Babylon, „das Volk“, das Gottes Volk angreifen wird. Habakuk weiß, dass er diesen Tag überstehen wird, weil der HERR den Feind besiegen wird. Einen Vorgeschmack darauf sehen wir im Gericht über Belsazar (Dan 5,30).
Es ist schwer für Habakuk einzusehen, dass der unvermeidliche Schlag, den Gott seinem Volk geben muss, von einem so bösen Feind ausgeführt wird. Die Wirkung auf ihn ist das Entschwinden aller seiner Kräfte. In sich selbst sieht er nur Elend und Zerstörung. Aber die Gemeinschaft mit Gott und das Nachdenken über seine Wege und auch über seine Verheißungen geben ihm Zuversicht statt Angst. Das ist das Ergebnis der geistlichen Übung, die Habakuk durchgemacht hat.
Das wird auch das Ergebnis unserer geistlichen Übungen sein, wenn Dinge geschehen, die wir nicht verstehen können, bei denen wir aber einzusehen lernen, dass Gott darüber steht und seine Absicht hat, eine Absicht zu unserem Nutzen als den Seinen. In dem Maß, in dem alles in und an uns verloren geht und alles Vertrauen in uns selbst verschwunden ist, in dem Maß wird unser Vertrauen auf Gott wachsen. Wenn wir innerlich zittern, weil wir in Gottes Gegenwart sind und seine Wege sehen, wird es nichts geben, was uns angesichts äußerer Ereignisse, angesichts der Wege der Menschen, zittern lässt.
17 - 18 Trotz allem Freude am HERRN
17 Denn der Feigenbaum wird nicht blühen, und kein Ertrag wird an den Reben sein; und es trügt die Frucht des Olivenbaumes, und die Getreidefelder tragen keine Speise; aus der Hürde ist verschwunden das Kleinvieh, und kein Rind ist in den Ställen. –
18 Ich aber, ich will in dem HERRN frohlocken, will jubeln in dem Gott meines Heils.
Dann richtet sich Habakuks Blick nach oben. Er sucht seine Ruhe nicht mehr in den Umständen, sondern findet seine Quelle der Ruhe in Gott selbst. Im Lied spricht er von den Segnungen des Landes, die wegen der Zeit der Drangsal nicht mehr genossen werden (Vers 17). Für uns kann das der Verlust des Arbeitsplatzes oder der Gesundheit oder eines Geliebten sein, wie Hiob es erlebt hat.
Wir können diese Verse mit Begeisterung als Lied singen, aber unsere Lebensumstände sind oft anders als die, von denen wir in diesem Lied singen. Wir haben von allem genug und es fehlt uns an nichts. Können wir es wirklich singen, wenn wir einen Rückschlag, einen Verlust erleben? Ob wir das wirklich singen können, wird sich zeigen, wenn wir auf die Probe gestellt werden.
Mit den Worten „ich aber, ich will“ (Vers 18) kommt eine Wendung. Es gibt nicht nur Frieden in Gott, während der Chaldäer alles im Land zerstört, sondern es gibt auch Frohlocken in Ihm. Dies ist eine der stärksten Offenbarungen des Wirkens des Glaubens, die wir in der Bibel haben. Wir können das mit der Freude des Apostels Paulus vergleichen, über die er mehrmals im Brief an die Philipper schreibt, und zwar während er in Gefangenschaft ist (Phil 1,4.25; 2,2.29; 3,1).
19 Der HERR, der Herr, ist meine Kraft
19 Der HERR, der Herr, ist meine Kraft und macht meine Füße [denen] der Hirschkühe gleich und lässt mich einherschreiten auf meinen Höhen.
Dem Vorsänger. Mit meinem Saitenspiel.
Wenn die Quelle unseres Glaubens Gott selbst ist, gibt das neue Kraft, es verleiht Flügel (vgl. Jes 40,29–31). Wir haben diese Kraft nicht in uns selbst. Der Herr ist unsere Kraft, Unterdrückung zu überwinden und unseren Weg in Freiheit zu gehen (vgl. Ps 18,33.34; 2Sam 22,34). Geistliche Kraft kann nur im Herrn gefunden werden und wird von uns in der Gemeinschaft mit Ihm gewonnen.
„Füße [denen] der Hirschkühe gleich“ gehören zu einem tapferen Krieger (2Sam 1,23; 1Chr 12,8), um den Feind schnell angreifen und ihn schnell verfolgen zu können, wenn er flieht. Hirschkühe sind weibliche Hirsche, leichtfüßige Tiere. Unser Gang wird leicht, wenn wir unsere Kraft im Herrn gefunden haben.
Habakuk findet die Antwort auf alle seine Glaubensfragen in Gott selbst. Er wird weiterhin auf Ihn vertrauen. Auch wenn alle Segnungen wegfallen, Er bleibt. „Einherschreiten auf meinen Höhen“ kann auf uns angewandt werden, um uns mit dem Epheserbrief zu beschäftigen, in dem uns deutlich gemacht wird, was es bedeutet, in Christus in den himmlischen Örtern zu sitzen. Die „Höhen“ sind die Berge, hier als Orte des Segens (5Mo 33,29). Es sind diese Höhen, auf denen sich der Gläubige befindet. Sie sind „meine Höhen“, es ist der Aufenthaltsort, den jeder Gläubige persönlich kennen und genießen darf.
Der letzte Satz setzt voraus, dass es mehrere Personen sind, mit denen Habakuk das Lied dieses Kapitels singt. Das können wir aus den Worten „dem Vorsänger“ ableiten, die auch als Überschrift über mehr als 50 Psalmen stehen. Ein Vorsänger setzt einen Chor voraus. In diesem Chor hat jeder seinen persönlichen Beitrag, was wir aus den Worten „mit meinem Saitenspiel“ ableiten können. Jeder darf in diesem Chor mit seiner eigenen Stimme mitsingen. Es ist aber wichtig, dass jedes Chormitglied auf den Vorsänger achtet. Dann wird es ein harmonischer Chor sein, der keinen Misston hören lässt.
Habakuk ist ein Chormitglied. Er ist auch ein Vertreter des treuen Überrestes. In den dunkelsten Tagen der Geschichte Israels, am Vorabend der Wegführung, ist er in der Lage, sich in einer Weise zu äußern, die den herrlichsten Tagen des Segens entspricht. Dies ist ein großer Triumph des Glaubens. Der Gottesdienst, der während seiner Zeit in Jerusalem im Tempel praktiziert wurde, ist lediglich ein formaler Dienst, eine Beleidigung Gottes. Für den Glauben des Habakuk gibt es einen anderen Tempel, einen geistlichen Tempel, in dem wunderbare Dinge gehört und gesehen werden und für den der HERR gepriesen werden kann.
Wir sehen also, dass dieses Buch, das mit jemandem beginnt, der klagt, mit jemandem endet, der sich gemeinsam mit anderen und gleichzeitig ganz persönlich über Gott freut und Ihn ehrt.