1 - 4 Vorschlag für eine neue Königin
1 Nach diesen Begebenheiten, als der Zorn des Königs Ahasveros sich gelegt hatte, erinnerte er sich an Vasti und an das, was sie getan und was über sie beschlossen worden war. 2 Da sprachen die Diener des Königs, die ihn bedienten: Man suche dem König Mädchen, die Jungfrauen sind [und] schön von Aussehen; 3 und der König bestelle Beamte in allen Landschaften seines Königreichs, damit sie alle Mädchen, die Jungfrauen [und] schön von Aussehen sind, auf die Burg Susan in das Frauenhaus zusammenbringen unter die Aufsicht Heges, des königlichen Hofbeamten, des Hüters der Frauen; und man gebe ihnen Reinigungssalben. 4 Und das Mädchen, das dem König gefallen wird, werde Königin an Vastis statt. Und das Wort gefiel dem König; und er tat so.
Vers 1 schließt an den vorhergehenden Abschnitt an, ohne die verstrichene Zeit zu berücksichtigen. Es wird auf den Zorn des Königs Ahasveros (Est 1,12) verwiesen, von dem gesagt wird, dass der sich nun gelegt hat. Dann wird uns gesagt, was in seinem Kopf vorgeht. In seinen Gedanken geht es um drei Dinge, die, wie sein Zorn, im vorigen Kapitel stattfanden und dort beschrieben worden sind. Er denkt
1. an Vasti,
2. an das, was sie getan hat und
3. an das, was über sie beschlossen wurde.
Dies erinnert uns wieder daran, dass ein Vakuum, eine Vakanz für eine Königin, entstanden ist. Die folgende Geschichte schließt daran an. Ohne dass wir eine Frage vom König hören, kommen die Diener mit einem Ratschlag (Verse 2–4). Dieser Ratschlag besteht aus drei Teilen:
1. Mädchen suchen, die Jungfrauen und schön von Aussehen sind.
2. Diese Mädchen zusammenbringen und ihnen Reinigungssalben geben.
3. Das eine Mädchen unter all diesen Mädchen, das ihm gefallen wird, sollte anstelle von Vasti Königin werden.
In diesem Ratschlag sehen wir eine Steigerung. Zuerst wird eine Auswahl aus allen Mädchen in seinem Königreich gemacht, und aus dieser Auswahl wird das eine Mädchen ausgewählt, das von Ahasveros zur Königin bestimmt wird.
Das Wort für „Diener“ bedeutet wörtlich übersetzt „Jünglinge“. Dieses Wort macht klar, dass wir es mit einer neuen Generation und dem Beginn einer neuen Situation mit einer neuen Königin zu tun haben. Die Diener raten dem König, etwas Neues und Schöneres zu nehmen, stattdessen, was er verloren hat, um die Vergangenheit zu vergessen.
Aus prophetischer und typologischer Sicht sehen wir in dem Verlangen des Königs das Verlangen Gottes nach einem Volk auf der Erde, das Ihm gehört und das Ihm ganz und gar hingegeben ist. Wenn die Gemeinde weggenommen worden ist, wird er nach seinem Herzen auf der Erde ein neues Volk finden, das Er selbst gezeugt hat. Er wird dieses Volk in dem zukünftigen, treuen Überrest Israels finden. Esther ist ein Typus oder ein Beispiel dafür.
In dem Vorschlag, eine neue Königin zu suchen, werden einige Empfehlungen gegeben. So wird Ahasveros von den Dienern empfohlen
1. Beamte zu bestellen, die die Mädchen auswählen,
2. dass diese Mädchen einem Hofbeamten und Hüter anvertraut werden, und
3. dass den zusammengebrachten Mädchen Reinigungssalben gegeben werden, d. h., dass sie eine Schönheitsbehandlung bekommen (Vers 3).
Es werden nicht einfach von überall Mädchen gesammelt. Die Mädchen, die sich möglicherweise als Königin qualifizieren, werden mit Sorgfalt ausgewählt und behandelt.
Darin sehen wir Gottes Fürsorge bei der Verkündigung des Evangeliums, um Menschen aus der Welt zu sich selbst zu ziehen. Menschen, die das Evangelium angenommen haben, werden durch die Gaben, die der Herr Jesus gegeben hat, weiter betreut, damit sie den Zweck erfüllen, den Er mit ihnen vorhat: Ihm zu gefallen. Wir sehen dies im Dienst des Paulus und seiner Mitarbeiter: „Den wir verkündigen, indem wir jeden Menschen ermahnen und jeden Menschen lehren in aller Weisheit, damit wir jeden Menschen vollkommen in Christus darstellen; wozu ich mich auch bemühe, indem ich kämpfend ringe gemäß seiner Wirksamkeit, die in mir wirkt in Kraft“ (Kol 1,28.29).
Die Bemühungen, diesem König zu gefallen, sind für uns ein Vorbild. Wir werden auch vorbereitet und gebraucht, unserem Herrn zu gefallen. Sind wir auch so fleißig wie in dieser Geschichte und wie Paulus? Bringen wir das Evangelium und kümmern wir uns um diejenigen, die es angenommen haben?
5 - 7 Mordokai und Esther
5 Es war ein jüdischer Mann in der Burg Susan, sein Name war Mordokai, der Sohn Jairs, des Sohnes Simeis, des Sohnes des Kis, ein Benjaminiter, 6 der aus Jerusalem weggeführt worden war mit den Weggeführten, die mit Jekonja, dem König von Juda, weggeführt wurden, die Nebukadnezar, der König von Babel, weggeführt hatte. 7 Und er erzog Hadassa, das ist Esther, die Tochter seines Onkels; denn sie hatte weder Vater noch Mutter. Und das Mädchen war schön von Gestalt und schön von Aussehen. Und als ihr Vater und ihre Mutter gestorben waren, hatte Mordokai sie als seine Tochter angenommen.
An dieser Stelle der Geschichte werden in einem Einschub zwei neue Personen vorgestellt (Verse 5–7). Dieser Einschub zeigt uns, wen Gott für die Erfüllung der Ratschläge der Diener in den vorangegangenen Versen vorsieht. Es sind Mordokai und Esther. Zusammen mit Ahasveros werden sie eine führende Rolle in der Geschichte des Volkes Gottes spielen.
In Vers 5 wird uns zunächst Mordokai vorgestellt. Bevor sein Name jedoch erwähnt wird, wird zunächst gesagt, dass er „ein jüdischer Mann“ ist. Dies unterstreicht, dass Mordokai Jude ist. Dass er es tatsächlich ist, zeigt auch sein Geschlechtsregister. Er ist ein Jude aus dem Stamm Benjamin, der von Nebukadnezar mit den Weggeführten aus Jerusalem und mit Jekonja, dem König von Juda, nach Babylon weggeführt wurde (Vers 6).
Die Tatsache, dass er mit Jekonja weggeführt wurde, macht es klar, dass er nicht persönlich mit den Weggeführten aus Jerusalem weggeführt worden sein kann. In diesem Fall wäre er im siebten Jahr des Ahasveros etwa 120 Jahre alt gewesen. Dies ist sehr unwahrscheinlich, auch angesichts des Alters seiner jungen und attraktiven Cousine Esther. Als Jude ist er jedoch so sehr mit seinen Vorfahren verbunden, dass das, was mit ihnen passiert ist, so vorgestellt wird, als wäre es mit ihm selbst passiert. Ihre Geschichte ist seine Geschichte, ihr Schmerz über die Wegführung ist sein Schmerz.
In Vers 7 erscheint die zweite neue Person, Esther, die ebenfalls eine Hauptrolle in diesem Buch spielen wird, und zwar in enger Beziehung zu der soeben vorgestellten Hauptperson Mordokai. Diese enge Beziehung zeigt sich am Anfang von Vers 7, wo es heißt: „Und er erzog Hadassa, das ist Esther, die Tochter seines Onkels.“ Auch bei ihr wird die Betonung darauf gelegt, dass sie Jüdin ist, indem zuerst ihr jüdischer Name, Hadassa, und erst dann ihr persischer Name, Esther, erwähnt wird. Ihre jüdische Identität ist auch aus der Erwähnung ihrer familiären Beziehung zu Mordokai ersichtlich. Sie ist seine Cousine.
In der Mitte von Vers 7 wird der Blick ganz auf Esther gerichtet, auf ihre schöne Gestalt und ihr schönes Aussehen. Unmittelbar danach wird jedoch wieder auf ihre enge Beziehung zu Mordokai hingewiesen, der sie „als seine Tochter angenommen“ hat, weil Esther keinen Vater und keine Mutter mehr hatte. Ihre Vergangenheit ist tot, abgeschnitten. In dieser Situation ist sie völlig abhängig von Mordokais Gnade und Fürsorge. Auf diese Weise ist sie vom Herrn angenommen worden, wenn auch im Verborgenen (vgl. Ps 27,10).
Gott zeigt sich in dieser Fürsorge durch Mordokai als ein „Vater der Waisen“ (Ps 68,6a). In der Aufsicht Mordokais für die Erziehung Esthers sehen wir die Fürsorge des Herrn Jesus, von dem Mordokai ein Bild ist, für den gläubigen Überrest, von dem Esther ein Bild ist. Esther verdankt ihm ihr Leben und damit auch ihre Erhöhung zur Königin.
Dinge, von denen wir sagen, dass sie uns als Unglück geschehen, sind Dinge, die Gott lenkt und zu unserem Nutzen einsetzt. Die mit unserer Geburt verbundenen Umstände werden nicht von uns bestimmt oder ausgewählt. Wir können uns weder unsere Eltern noch das Land oder das Geburtsdatum aussuchen. Wir können unsere Geburt auch nicht selbst bewirken. Was wir sagen können, ist, dass Gott mit den Umständen unserer Geburt unsere Rettung im Sinn hatte. Dafür sollen wir Ihm danken.
Esthers ursprünglicher Name ist Hadassa, was „Myrte“ bedeutet. Der Myrtenbaum kommt im Zusammenhang mit dem Laubhüttenfest (Neh 8,15.16) vor, einem Fest, das sich auf das Reich des Friedens unter der Herrschaft des Messias bezieht (Jes 41,19; 55,12.13). Die Tatsache, dass ihre Eltern ihr diesen Namen gegeben haben, sagt etwas über ihren Glauben an die Wiederherstellung von Gottes Volk aus.
8 - 9 Esther unter der Aufsicht Hegais
8 Und es geschah, als das Wort des Königs und seine Anordnung gehört wurden und als viele Mädchen in die Burg Susan unter die Aufsicht Hegais zusammengebracht wurden, da wurde auch Esther in das Haus des Königs aufgenommen, unter die Aufsicht Hegais, des Hüters der Frauen. 9 Und das Mädchen gefiel ihm und erlangte Gunst vor ihm. Und er beeilte sich, ihr ihre Reinigungssalben und ihre Teile zu geben und ihr die sieben Mägde zu geben, die aus dem Haus des Königs ausersehen waren; und er brachte sie mit ihren Mägden in den besten Teil des Frauenhauses.
Nach der Einführung von Mordokai und Esther geht die Geschichte mit der Erfüllung „des Wortes des Königs und seiner Anordnung“ (Vers 8) weiter. Viele Mädchen sind in der Burg von Susan zusammengebracht worden. Sie alle stehen unter der Aufsicht von Hegai. Zu diesen Mädchen gehört auch Esther. Unsere Aufmerksamkeit wird sich in diesem Abschnitt weiter auf sie konzentrieren. Sie ist, genau wie alle anderen Mädchen, in der Burg Susan, aber man sagt von ihr, dass sie „in das Haus des Königs aufgenommen“ wird.
Esther erweckt die besondere Aufmerksamkeit Hegais (Vers 9). Sie „gefiel ihm und erlangte Gunst vor ihm“. Woher das kommt, wird nicht mitgeteilt. Er bemüht sich, und zwar in aller Eile, ihr alles zu geben, was sie zur „Favoritin“ des Königs machen kann. Er gibt ihr ihre Reinigungssalben für ihre äußere Pflege und Verpflegung, d. h. Nahrung, für ihre innere Pflege.
Er gibt ihr auch „sieben Mägde …, die aus dem Haus des Königs ausersehen waren“, um sie sozusagen an die Atmosphäre des Königshauses zu gewöhnen. Zusammen mit ihren Mädchen bringt er sie in „in den besten Teil des Frauenhauses“, vielleicht eine Art Vorkammer des königlichen Palastes, mit Blick auf den Palast. Alles dient dazu, sie in die Atmosphäre des Palastes zu bringen und sie auf einen Aufenthalt im Palast mit dem König vorzubereiten.
Wir können Hegai als ein Bild des Heiligen Geistes sehen, der den Überrest, von dem Esther ein Bild ist, weiter vorbereitet, damit der Überrest den Wünschen des Herzens Gottes entsprechen kann. Der Heilige Geist tut auch alles in seiner Macht Stehende, um uns, die wir dem Herrn Jesus gehören und in einer Gott-feindlichen Welt leben, in Harmonie mit Ihm zu bringen, dessen Interesse ständig auf uns gerichtet ist.
Der Erwerb von Gunst oder Gnade in den Augen feindlicher Herrscher, die über ihnen stehen, wird bei Joseph (1Mo 39,2.21) und Daniel (Dan 1,9) erkennbar. Bei Joseph und Daniel und bei seinen Freunden wird gesagt, dass es Gott ist, der die Gunst gewährt. Dies ist bei Esther aus dem bekannten Grund – dem Verschweigen des Namens Gottes in diesem Buch – nicht der Fall. Es ist ihr jedoch klar, dass Gott dies tut. Eine weitere Ähnlichkeit zwischen Esther und Joseph sowie Daniel und seinen Freunden, besteht darin, dass sie alle schön von Aussehen sind (Est 2,7; 1Mo 39,6; Dan 1,4.15).
Wenn wir in den Umständen, in denen wir uns befinden, treu sind, wird es für andere sichtbar sein. Treue Menschen zeigen etwas von Christus, was den Respekt ihrer Umgebung hervorruft. Treue Menschen sind „schön von Aussehen“. Ihre Lebensweise weist Merkmale auf, die Bewunderung hervorrufen, selbst bei denen, die ihnen feindlich gesinnt sind. Unsere Umgebung kann alles versuchen, um uns zum Schweigen zu bringen, aber sie kann unsere Lebensweise nicht ignorieren. Es ist die Absicht des Geistes, dass „Christus in uns Gestalt gewinnt“ (Gal 4,19). Wenn das geschieht, wird man echte Schönheit in unserem Leben sehen und jeder wird es bemerken.
10 - 11 Esther und Mordokai
10 Esther hatte ihr Volk und ihre Abstammung nicht bekannt gegeben; denn Mordokai hatte ihr geboten, dass sie es nicht bekannt geben sollte. 11 Und Tag für Tag ging Mordokai vor dem Hof des Frauenhauses umher, um das Wohlergehen Esthers zu erfahren und was mit ihr geschähe.
In diesen Versen wird ein wenig mehr über die Beziehung zwischen Esther und Mordokai gesagt. Esther hat ihr Volk und ihre Abstammung verschwiegen, weil Mordokai es ihr geboten hat (Vers 10). Der Schwerpunkt liegt auf Esthers Gehorsam gegenüber Mordokai. Hier sehen wir ihre Gesinnung gegenüber Mordokai. Dann sehen wir in Vers 11 das Umgekehrte, nämlich die Gesinnung Mordokais gegenüber Esther. Seine Sorge gilt ihr. Seine Gedanken sind bei ihr. Er will wissen, wie es ihr geht. Er möchte auch wissen, was mit ihr geschehen wird. Dass er ein Jude ist, ist bekannt (Est 3,4); dass sie eine Jüdin ist, ist nicht bekannt.
Auch ihre Abstammung muss verborgen werden. Dieses Geheimnis passt völlig in die Geschichte dieses Buches. Es sollte nicht bekannt sein, dass die Frau, die als neue Königin nominiert wird, eine Jüdin ist. Erst wenn die Geschichte ihren Höhepunkt erreicht, darf und muss auch dieses Geheimnis enthüllt werden. Es ist wie die Bekanntmachung Josephs an seine Brüder, die ebenfalls erst dann erfolgt, wenn der Höhepunkt der Glaubensausübungen der Brüder erreicht ist (1Mo 45,1–4).
Die Fürsorge Mordokais für Esther im Verborgenen ist ein schönes Bild dessen, was Christus für die Seinen tut, die in der Schule des Heiligen Geistes erzogen werden. Christus denkt ständig an die Seinen und setzt sich fortwährend für sie ein, ohne dass Er offenkundig für sie handelt (Heb 7,25b). Er möchte, dass wir wachsen und geistliche Schönheit zeigen, das heißt, dass wir seine Eigenschaften zeigen.
So wird es in den letzten Tagen mit dem gläubigen Überrest sein. Obwohl Er sich immer noch verborgen hält, lässt Er sie nicht im Stich, sondern setzt sich für sie ein, während sie in Not sind. Wir sehen das schön illustriert im Sturm auf dem See: Während die Jünger in Not sind, ist Er auf dem Berg, um zu beten (Mt 14,23.24).
12 - 14 Vorbereitung, zum König zu kommen
12 Und wenn die Reihe an jedes Mädchen kam, zum König Ahasveros zu kommen, nachdem ihr zwölf Monate lang nach der Anordnung für die Frauen geschehen war (denn so wurden die Tage ihrer Reinigung erfüllt, [nämlich] sechs Monate mit Myrrhen-Öl und sechs Monate mit Gewürzen und mit Reinigungssalben der Frauen), 13 und [wenn] dann das Mädchen zum König kam, so wurde ihr alles gegeben, was sie verlangte, um es aus dem Frauenhaus in das Haus des Königs mitzunehmen. 14 Am Abend kam sie, und am Morgen kehrte sie in das zweite Frauenhaus zurück, unter die Aufsicht Schaaschgas’, des königlichen Hofbeamten, des Hüters der Nebenfrauen. Sie kam nicht wieder zum König, es sei denn, dass der König Gefallen an ihr hatte und sie mit Namen gerufen wurde.
Die Verse 12 und 13 informieren uns über die allgemeinen Vorbereitungen eines Mädchens, bevor sie, wenn sie an der Reihe ist, zum König kommen kann. Die Dauer der Schönheitsbehandlung beträgt „zwölf Monate“, aufgeteilt in zwei Perioden von „sechs Monaten“ (Vers 12). In den ersten sechs Monaten wird das Mädchen mit Myrrhen-Öl behandelt, d. h. eingerieben. In den zweiten sechs Monaten wird sie mit zahlreichen nicht näher bezeichneten Gewürzen und Reinigungssalben behandelt.
In den ersten sechs Monaten wird die Königinnenkandidatin nur mit Myrrhen-Öl behandelt. Myrrhe ist ein angenehm duftendes Harz und kann einen bitteren, aber auch einen süßen Geschmack haben. Die Myrrhe wird aus verschiedenen Arten von Bäumen gewonnen und kommt durch Einschneiden der Bäume zum Vorschein. Der Baum wird also verletzt. Bei sehr hohen Wüstentemperaturen sickert das aufgeweichte Harz von selbst heraus. In biblischen Zeiten ist die Myrrhe ein Symbol des Leidens und des Todes.
In diesem Sinne kann man zur geistlichen Bedeutung des Myrrhen-Öls Folgendes sagen: Das Wort „Myrrhe“ kommt von einem Wort, das „bitter“ bedeutet. In der Heiligen Schrift spricht die Myrrhe immer von den Leiden Christi und dem angenehmen Duft, der aus seinem Leiden zu Gott aufgestiegen ist (vgl. Eph 5,2). In der Behandlung mit Myrrhen-Öl in Vorbereitung auf die Begegnung mit dem König gibt es eine wichtige geistliche Anwendung. Es spricht davon, dass nichts für unser geistliches Wachstum so wichtig ist, als dass wir uns mit dem Leiden Christi unter der Führung des Geistes Gottes, von dem das Öl spricht, beschäftigen.
Die Zahl sechs der „sechs Monate“, in denen das Myrrhen-Öl angewendet wird, ist die Zahl des Menschen, der am sechsten Tag geschaffen wurde (1Mo 1,26–31; vgl. Off 13,18). Weil wir Menschen sind, brauchen wir den Heiligen Geist, von dem das Öl spricht, um uns mit den Leiden Christi beschäftigen zu können.
Dies wird den Wunsch wecken, mit Ihm und für Ihn zu leiden und Ihm gleichförmig zu werden, ja sogar mit Ihm in seinem Leiden identifiziert zu werden (vgl. Phil 3,10.11). Dies gilt natürlich nicht für sein Leiden in Bezug auf die Sühne unserer Sünden. Dieses Leiden ist einzigartig und wir können nicht daran teilhaben. Es gibt jedoch noch eine andere Form des Leidens, und zwar das Leiden wegen der Treue zu Ihm und seinem Wort (1Pet 4,13.14). Bildlich gesehen wird Esther mit diesem Leiden vertraut gemacht.
Dann gibt es noch die zweite Periode von sechs Monaten. Dies ist notwendig, um alle Arten von Gewürzen und Schönheitsmitteln auszuprobieren, um herauszufinden, welche am besten zu ihr passen und ihre Schönheit am besten zur Geltung bringen. Dann kann sie sich bewusst dafür entscheiden, die richtigen Mittel vom Frauenhaus zum Königshaus zu nehmen (Vers 13). Hier liegt ihre Verantwortung. Sie entscheidet, was sie nimmt, um den König zu beeindrucken, so dass seine Wahl auf sie fallen wird, sie als Königin zu nehmen.
Über die geistliche Bedeutung dieser zweiten Periode als Fortsetzung der ersten Periode lässt sich Folgendes sagen. In der ersten Periode wurde das Fundament gelegt. Diese Periode ist – geistlich angewandt – ganz darauf ausgerichtet, sich mit dem Leiden Christi zu beschäftigen, das nur durch den Heiligen Geist vorgestellt werden kann. Dann folgt eine zweite Periode. Diese Periode dient dazu, die richtigen Entscheidungen zu treffen, die die Schönheit des Gläubigen, die er in und durch Christus hat, hervorheben.
Jeder Gläubige hat seine eigenen Merkmale, zeigt eine andere Herrlichkeit Christi, hat seine eigene Gabe, in der Christus sichtbar wird. Um herauszufinden, was diese Merkmale sind, muss sich der Gläubige mit den verschiedenen Herrlichkeiten Christi beschäftigen. Wenn er die Heilige Schrift studiert, um Christus besser kennenzulernen, wird das Ergebnis in seinem Leben sichtbar werden.
Alles geschieht im Hinblick auf unsere Begegnung mit dem Herrn Jesus. Die Erinnerung daran, dass wir Ihn sehen werden (1Joh 3,2b.3), wird unser Leben bei den Entscheidungen, die wir treffen, bestimmen. Die falschen Dinge, Dinge, die uns daran hindern, seine Eigenschaften in uns zu sehen, werden verschwinden. Zum Beispiel schmücken wir uns mit der „feinen Leinwand“, das sind „die Gerechtigkeiten der Heiligen“. Wir bereiten diese Leinwand auf der Erde vor, aber im Himmel wird sich zeigen, dass Er es uns gegeben hat (Off 19,7.8).
Vers 14 gibt uns einen weiteren Blick auf die Regeln für königliche Frauen. Ein Mädchen, das vom König gerufen wird, ist in der Nacht bei ihm. Sie geht abends zum König und kehrt morgens zurück. Dann geht sie „unter die Aufsicht Schaaschgas’, des königlichen Hofbeamten, des Hüters der Nebenfrauen“. Dies bedeutet, dass sie zurückversetzt wird als Nebenfrau zweiten Ranges und nie wieder zum König zurückkehren würde, wenn er sie nicht bei ihrem Namen rufen würde.
15 - 18 Esther wird Königin
15 Und als die Reihe an Esther kam, die Tochter Abichails, des Onkels Mordokais (der [sie] als seine Tochter angenommen hatte), dass sie zum König kommen sollte, verlangte sie nichts, außer was Hegai, der königliche Hofbeamte, der Hüter der Frauen, sagte. Und Esther erlangte Gnade in den Augen aller, die sie sahen. 16 Und Esther wurde zum König Ahasveros in sein königliches Haus geholt im zehnten Monat, das ist der Monat Tebet, im siebten Jahr seiner Regierung. 17 Und der König gewann Esther lieb, mehr als alle Frauen, und sie erlangte Gnade und Gunst vor ihm, mehr als alle Jungfrauen. Und er setzte die königliche Krone auf ihr Haupt und machte sie zur Königin an Vastis statt. 18 Und der König gab allen seinen Fürsten und Knechten ein großes Gastmahl, das Gastmahl Esthers; und er gab den Landschaften einen Steuererlass und gab Geschenke nach der Freigebigkeit des Königs.
Als Esther an der Reihe ist, um zum König zu kommen, nutzt sie ihre Freiheit nicht, um sich alles zu nehmen, was sie will (Vers 13). Sie wird nur von einem einzigen Gedanken erfüllt gewesen sein: „Wie mache ich den besten Eindruck auf den König?“ Das veranlasst uns, darüber nachzudenken, ob wir uns auch mit nur einer Frage beschäftigen: Wie bin und lebe ich am meisten zur Ehre meines Herrn und Heilands?
Obwohl Esther in der Wahl ihrer Kleidung und ihres Schmuckes völlig frei ist, beschließt sie, nur das zu nehmen, was Hegai ihr sagt (Vers 15). Wir sehen hier wieder, wie zuvor bei Mordokai (Vers 10), ihre Hingabe an jemanden, von dem sie abhängig ist. Es ist eine freiwillige Hingabe.
Für uns gilt, dass wir uns ganz dem hingeben, was der Heilige Geist uns aus Gottes Wort deutlich macht, wie wir Gott gefallen können. Esther vertraut sich jemandem an, von dem sie weiß, dass er ihr Bestes will und besser als sie weiß, was für ihren Aufenthalt beim König gut ist. Diese Haltung der Bescheidenheit und Unterwerfung ist eine Zierde (vgl. 1Pet 3,3–5), durch die sie „Gnade erlangte in den Augen aller, die sie sahen“.
Die Tatsache, dass sie nichts anderes mitnehmen will, als das, was Hegai ihr sagt, ist ihre eigene Entscheidung. Bis jetzt wurde durch andere für sie entschieden. Es gibt eine Macht, die das Geschehen lenkt, aber es gibt auch ein eigenes Handeln. In Vers 16 wird wieder mit ihr gehandelt. Sie wird zum König gebracht. Das ist keine Wahl, das geschieht mit ihr.
Der Unterschied zu den anderen Mädchen zeigt sich auch darin, dass nur ihre Begegnung mit dem König datiert ist. Auch dies zeigt ihre besondere Erhöhung über die Menge der übrigen. Ihre Begegnung mit dem König findet im „siebten Regierungsjahr“ von König Ahasveros statt, also vier Jahre nach der Absetzung Vastis.
Dass sie Hegai völlig vertraut, hat zur Folge, dass der König sie allen anderen Mädchen vorzieht (Vers 17). Gott hat Esther schön gemacht, ihre Schönheit kommt von Ihm, und Er lenkt den König, dass er sie auswählt. Ohne jegliches Hinzutun von Esthers Seite wird sie die Lieblingsfrau des Königs. Wir sehen hier, dass Gottes Erwählung unabhängig von jeder menschlichen Erwägung ist.
Die Wahl des Königs wird auf viele verschiedene Arten erklärt:
1. Seine Liebe zu ihr ist größer als zu allen anderen Frauen.
2. Sie erlangt vor ihm mehr Gnade und Gunst als alle Jungfrauen.
3. Er setzt die königliche Krone auf ihr Haupt.
4. Er macht sie schließlich zur Königin an Vastis statt.
An dieser Stelle wird Vasti zum letzten Mal erwähnt. Sie verschwindet aus der Geschichte. Ihr Platz wird von Esther eingenommen.
Der König organisiert ein weiteres großes Gastmahl für alle seine Fürsten und Knechte. Diesmal geht es nicht darum, seine Pracht zu zeigen (Est 1,3), sondern die neue Königin. Dieses Gastmahl wird sogar wörtlich „das Gastmahl Esthers“ genannt.
19 - 20 Noch einmal Mordokai und Esther
19 Und als zum zweiten Mal Jungfrauen zusammengebracht wurden und Mordokai im Tor des Königs saß 20 (Esther gab ihre Abstammung und ihr Volk nicht bekannt, wie Mordokai ihr geboten hatte; und Esther tat, was Mordokai sagte, wie [zur Zeit], als sie bei ihm erzogen wurde),
Die Übersetzung von Vers 19 könnte auch lauten: „Im Zusammenhang mit dem Zusammenbringen der Mädchen gilt zweitens, dass Mordokai im Tor saß“. Dieses „Zweitens“ hat mit den Versen 10 und 11 zu tun. Dort werden die ersten Informationen über die Beziehung zwischen Mordokai und Esther gegeben, nachdem in den vorhergehenden Versen 8 und 9 auch vom Zusammenbringen von Mädchen die Rede war. Nun wird, nach einem zweiten Teil über Mädchen (Verse 12–18), zum zweiten Mal eine Mitteilung über die Beziehung zwischen Mordokai und Esther gemacht.
Die erste Mitteilung zeigt einen unruhigen Mordokai, der wissen will, was mit Esther passiert (Vers 11). Jetzt, da Mordokai weiß, was mit Esther passiert ist, kann er wieder ruhig im Tor Platz nehmen. Die neue Mitteilung über Esther schließt daran an (Vers 20). In der ersten Erklärung heißt es, dass Esther „ihr Volk und ihre Abstammung“ nicht bekannt gibt, weil Mordokai es ihr befohlen hat (Vers 10). In dieser zweiten Erklärung heißt es genauso, nur umgekehrt, dass sie „ihre Abstammung und ihr Volk“ nicht bekannt gibt. Erst danach lesen wir die Mitteilung, dass Mordokai dies ihr geboten hat.
Die Mitteilung über Esther schließt mit der Bemerkung, dass sie Mordokai auch als Königin weiterhin gehorcht, so wie sie ihm gehorchte, als er sie aufzog. Ihre Position hat sich geändert, ihre Gesinnung nicht. Wie wichtig dies ist, zeigt die Fortsetzung der Geschichte.
Praktisch gesehen ist dies eine Lektion für all jene, die in einfachen Verhältnissen aufgewachsen sind und hohe soziale Positionen erreicht haben. Mögen sie niemals ihre Herkunft verleugnen und weiterhin ihre Eltern ehren!
21 - 23 Mordokai entdeckt eine Verschwörung
21 in jenen Tagen, als Mordokai im Tor des Königs saß, erzürnten Bigtan und Teresch, zwei Hofbeamte des Königs, von denen, die die Schwelle hüteten, und trachteten danach, Hand an den König Ahasveros zu legen. 22 Und die Sache wurde Mordokai bekannt, und er berichtete es der Königin Esther; und Esther sagte es dem König im Namen Mordokais. 23 Und die Sache wurde untersucht und [für wahr] befunden; und sie wurden beide an ein Holz gehängt. Und es wurde vor dem König in das Buch der Chroniken eingeschrieben.
Mordokai hat seinen gewohnten Platz „im Tor des Königs“ (Vers 21) wieder eingenommen. Dies ermöglicht es ihm, die Verschwörung zweier Hofbeamte des Königs zu entdecken. Die Hofbeamten werden namentlich erwähnt und ihre Funktion wird ebenfalls mitgeteilt. Es scheint, dass sie eine Art Leibwache des Königs sind, die leichten Zugang zu ihm haben.
Warum sie „erzürnen“, so sehr, dass sie ihn töten wollen, wird nicht gesagt. Auch die Art und Weise, in der Mordokai von ihren Plänen erfährt, wird nicht erwähnt. Dies ist für den Lauf der Geschichte nicht wichtig. Wichtig ist, dass Mordokai von ihrem Plan erfährt, was er damit macht und was der König tut, als er durch Esther davon erfährt.
Als treuer Untertan meldet Mordokai dem König über Esther die Verschwörung. Esther spricht mit dem König über Mordokai, dessen Name in einem Buch niedergeschrieben wird. Wir dürfen zu Gott über den Herrn Jesus sprechen, über das, was Er getan hat. Dies wird festgehalten und bleibt für immer vor Gottes Angesicht.
Durch die Meldung der entdeckten Verschwörung zeigt Mordokai, dass er den Frieden der Stadt sucht, in die er weggeführt wurde (Jer 29,7), und dass er der herrschenden Autorität treu bleibt. Er wacht über die Ehre und das Wohlergehen des Königs. So hat der Herr Jesus auf der Erde zur Ehre seines Vaters gehandelt. In seinem Leben hat er immer die Rechte Gottes aufrechterhalten. Er ist dafür eingetreten und hat sich diese nicht vorenthalten lassen.
Mordokai nutzt die Gelegenheit nicht, einen Unterdrücker loszuwerden. Auch hier sehen wir eine Ähnlichkeit mit der Geschichte von Joseph und Daniel. Mordokai zeigt dieselbe Haltung der Hilfsbereitschaft, die wir bei Joseph gegenüber dem Pharao und bei Daniel gegenüber Nebukadnezar sehen. Der Fall wird untersucht und für wahr befunden. Die beiden Verschwörer werden gehängt.
Dann wird der Fall niedergeschrieben, ohne dass Mordokai weiter davon etwas hört. Seine Tat wird (noch) nicht belohnt. Ebenso wird Joseph vom Mundschenk vergessen, genauso wie der Weise vergessen wird, der eine Stadt durch seine Weisheit rettet (1Mo 40,23; Pred 9,14.15).
Das Niederschreiben von Taten in einem Buch haben wir von Gott gelernt. Er zeichnet alles auf und wird alles zu seiner Zeit nach dem beurteilen, was in den Büchern geschrieben steht. Gott vergisst nichts, Er hat ein göttliches Archiv. Der Herr Jesus kommt und hat seinen Lohn bei sich, um alles zu belohnen, was für Ihn getan wurde, denn Er vergisst nichts (Mal 3,16; Mt 10,42; Off 22,12; Heb 11,26). Gottes Zeit kommt, um Mordokai zu belohnen. Gottes Zeit kommt ebenso, um den Herrn Jesus in öffentlicher Herrlichkeit erscheinen zu lassen, damit Er öffentlich geehrt werden wird.