1 - 5 Das Fehlende in Ordnung bringen
1 Wenn es nun irgendeine Ermunterung gibt in Christus, wenn irgendeinen Trost der Liebe, wenn irgendeine Gemeinschaft des Geistes, wenn irgend innerliche Gefühle und Erbarmungen, 2 so erfüllt meine Freude, dass ihr gleich gesinnt seid, dieselbe Liebe habend, einmütig, eines Sinnes, 3 nichts aus Streitsucht oder eitlem Ruhm tuend, sondern in der Demut einer den anderen höher achtend als sich selbst; 4 ein jeder nicht auf das Seine sehend, sondern ein jeder auch auf das der anderen. 5 Denn diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christus Jesus war,
Die Kapitel 2 und 3 bilden das Herzstück dieses Briefes. Sie gehören zusammen. In Kapitel 2 stellt Paulus uns das Leben des Herrn auf der Erde vor, wie Er damals hier war. In Kapitel 3 zeigt er uns den Herrn Jesus im Himmel, wie Er jetzt dort ist.
In Kapitel 2 werden die Philipper (und wir) auf die Gesinnung des Herrn Jesus aufmerksam gemacht. Wir bekommen in diesem Kapitel auch Beispiele von Menschen, die die Gesinnung des Herrn Jesus hatten. Diese Beispiele sind Paulus, Timotheus und Epaphroditus. Warum wird die Gesinnung des Herrn Jesus an dieser Stelle so betont? Weil einige Dinge bei den Philippern noch nicht ganz in Ordnung waren. Darauf wollte Paulus sie hinweisen. Das ist echte Liebe. Sie ist nicht blind für die Unvollkommenheiten des anderen. Echte Liebe macht immer weiter, sie ist dankbar für alle empfangene Hilfe und Freundschaft, aber auch bereit, auf das hinzuweisen, was besser sein könnte. Echte Liebe weiß auch, in welcher Weise auf diese Unvollkommenheiten hingewiesen werden muss. Wenn es in der falschen Art und Weise geschieht, wird der andere entmutigt. Die Ermahnung kommt dann nicht an. Paulus knüpft an das an, was bei ihnen in Ordnung war. Das ist ein wichtiger Ausgangspunkt, wenn du einmal jemanden ermahnen oder anspornen willst.
V1. In den Versen 2–4 stehen einige Dinge, in denen sich die Philipper offensichtlich etwas verbessern konnten. Doch damit fing Paulus nicht an. Paulus geht auf eine besondere Weise vor. Dabei muss man wissen, dass das Wörtchen „wenn“, womit Vers 1 beginnt, hier nicht eine Möglichkeit bezeichnet, sondern eine Sicherheit. Man kann es als „weil“ verstehen. Paulus hatte das Mitempfinden der Philipper erfahren. Er hatte „Ermunterung“, „Trost“ und „Gemeinschaft“ erfahren. Er hatte bei ihnen „innerliche Gefühle und Erbarmungen“ ihm gegenüber gespürt. Das war in der Gabe zum Ausdruck gekommen, die sie geschickt hatten. Was für eine Freude hatte ihm das bereitet! Er schätzte das sehr. Das lag auch daran, dass die Philipper in der Art, wie sie ihre Verbundenheit äußerten, viel von Gott und Christus zeigten. Paulus hatte nicht nur „Ermunterung“ empfangen, es war „Ermunterung in Christus“. Durch das, was die Philipper taten, war Christus zu ihm gekommen und ihm wertvoller geworden. Er hatte auch nicht einfach nur „Trost“ empfangen, er hatte den „Trost der Liebe“ Gottes empfunden. Und die Gemeinschaft, die er genossen hatte, war nicht die menschlicher Sympathie, es war die „Gemeinschaft des Geistes“. Der dreieine Gott wurde für Paulus durch das, was die Philipper für ihn getan hatten, offenbar. Darin sah er ihre innerlichen Gefühle. Diese Gefühle sind die Gefühle des Herrn selbst, von denen Er erfüllt ist (Jak 5,11). Ist es auch dein Wunsch, für deine notleidenden Geschwister so da zu sein?
V2. Vor dem Hintergrund all dessen, was sie für ihn getan hatten und für ihn bedeuteten, ermahnt er sie nun auf liebevolle Weise. All das Gute, das sie für ihn im Herzen hatten, hat ihn froh gemacht. Sie können ihn jedoch noch glücklicher und froher machen. Es fehlt noch etwas. Sicher, er erfreut sich an ihrer Liebe zu ihm. Was er noch wünscht, ist, dass sie diese Liebe auch untereinander haben möchten. Wenn sie die auch noch erwiesen, würde seine Freude vollkommen sein. Er sucht einen Weg, ihre Herzen willig zu machen, die Uneinigkeit, die während seiner Abwesenheit entstanden war, zu beseitigen. Beachte, dass er keinen Tadel über ihre Uneinigkeit ausspricht. Zu einer Beziehung, wie sie zwischen Paulus und den Philippern bestand, passt kein Tadel. Er beweist seine Liebe zu ihnen und seine Wertschätzung ihrer Liebe zu ihm. Er tut das, indem er sie auf eine Weise ermahnt, wodurch klar wird, wie sehr es ihm um ihren Vorteil geht. Du siehst, dass Ermahnungen immer nötig sind. Man trifft sie in jedem Brief an, auch in diesem, der an eine Gemeinde gerichtet ist, in der auf den ersten Blick alles gut zu sein scheint. Es mag große Wertschätzung geben, aber es könnte immer noch besser sein, es ist niemals vollkommen. Ermahnungen müssen uns gegen einen Geist der Selbstgenügsamkeit wachrütteln. Die kann plötzlich aufkommen, wenn wir feststellen, dass bei uns bestimmte falsche Dinge nicht vorhanden sind, die woanders anzutreffen sind. Wir sind dann in Gefahr zu meinen, keine Ermahnung nötig zu haben.
Als Erstes fehlte, dass sie „gleich gesinnt“ waren. Das bedeutet, dass das Denken aller in dieselbe Richtung geht, dass es keine gegensätzlichen Interessen gibt. Alle sind gemeinsam davon erfüllt, was alle zusammen besitzen. Die Gesinnung, das Herz, das Interesse aller ist auf die Person Christi ausgerichtet. Das ähnelt dem, was du in 1. Korinther 1 liest: „dasselbe reden“ (1Kor 1,10). Da ist auch nicht gemeint, dass alle dieselben Worte sprechen, sondern dass alle über die eine Person sprechen: Christus, wobei jeder das auf seine Weise tut. Man könnte sagen, dass es in 1. Korinther 1 um das Bekenntnis mit dem Mund geht und hier in Philippi um das Herz. Hier geht es also tiefer, um den Ursprung. Jeder Gläubige, der zu einer Glaubensgemeinschaft gehört, muss danach streben, dass Christus verherrlicht wird. Sonst entsteht dort Uneinigkeit. Dann haben auch nicht mehr alle „dieselbe Liebe“. Wenn Christus nicht mehr der Gegenstand deines Herzens ist, wird deine Liebe sich anderen Dingen zuwenden. Die Kluft in der Glaubensgemeinschaft vergrößert sich. Du merkst das an der fehlenden Einstimmigkeit. Die Harmonie verschwindet. Jeder geht immer mehr seinen eigenen Weg und beschäftigt sich zunehmend mit seinen eigenen Dingen. Das „Eine“, das ist Christus, darauf sinnt man nicht mehr. Bei „gleich gesinnt“ sein geht es darum, dieselben Empfindungen und Gedanken zu haben. Bei „das Eine“ geht es um den Gegenstand, auf den die Gläubigen einmütig alle ihre Gedanken richten und mit dem sie alle ihre Empfindungen verbinden.
V3. Wenn Christus nicht mehr das Zentrum im Leben der Gläubigen ist, entstehen leicht Parteiungen. Die eigenen Rechte und die eigene Ehre fangen dann an, eine Rolle zu spielen. Jeder wird dann für seine eigene Position sprechen und arbeiten und dabei die Anerkennung der anderen suchen. Solches Streben ist eitel, leer und inhaltslos. Der Ruhm, den man auf diese Weise sucht, vergeht. Das ist die Art von Ruhm, die die Kämpfer der Welt besitzen. Kurz bekannt, kurz gerühmt und kurze Zeit später unter dem Staub der Vergessenheit verschwunden. Der höchste Ruhm für den Gläubigen ist, wenn er vom Herrn gelobt wird. Um diesen Ruhm zu ernten, musst du lernen, demütig zu sein. Demut ist eine seltene Eigenschaft. Du siehst das bei politischen Debatten, doch auch bei Konflikten und sogar bei gewöhnlichen Kontakten. Stets versucht man, den andern herunterzumachen und sich selbst als Besten zu verkaufen. Diese Neigung steckt in uns allen. Wirkliche Demut findet man nur in der Gegenwart Gottes. Wir müssen es lernen, demütig zu sein. Das können wir vom Herrn Jesus lernen (Mt 11,29). Nur in seiner Gegenwart kommen wir dahin, andere höher zu achten als uns selbst. Wir sehen in dieser Gegenwart, wer wir selbst sind und was der andere für Ihn ist. Es geht um das praktische Christenleben, und das wird da am besten gesehen, wo am meisten von Christus sichtbar wird. Bei anderen sehen wir, was nach außen dringt, und von uns selbst wissen wir außerdem, was in unserem Herzen lebt. Wir sehen, wie andere Liebe erweisen und wieder andere Friedensstifter sind. Wir sehen, dass das bei uns fehlt. Sollten wir daher die anderen nicht achten? Es geht nicht um die Gabe, die ein anderer hat, sondern um die guten Dinge, die du bei ihm feststellst. Paulus geht davon aus, dass du das siehst.
Der andere ist derjenige, der anders ist als du. Er hat andere Dinge von Gott empfangen und ist zu anderen Dingen berufen als du. Du bist gehalten, den anderen dafür zu achten, und das mit mehr Achtung, als du für dich selbst hast, dabei sollst du zugleich deine eigenen Interessen zurückstellen.
V4. Und Paulus geht noch einen Schritt weiter. Er sagt nicht nur, dass du den anderen achten sollst, sondern dass du auch seine Interessen siehst und achtest. Das heißt mit anderen Worten, dass von dir erwartet wird, dass du dich für das einsetzt, was der andere nötig hat, damit er noch besser als Christ leben kann, also dem Herrn Jesus noch ähnlicher wird. Den anderen so zu sehen und ihm entsprechend zu begegnen, gelingt dir nur dann, wenn du auf den Herrn Jesus siehst. Nur wenn du auf Ihn siehst, wie Er auf der Erde wandelte, kannst du den Vorteil des anderen sehen und suchen.
V5. Darum will Paulus dir Christus vorstellen. Das tut er – natürlich inspiriert durch den Heiligen Geist – auf beeindruckende Weise. Dabei musst du immer bedenken, dass alle Herrlichkeiten des Herrn Jesus, die Paulus nennt, zugleich als Ermahnung gedacht sind. Der Herr will, dass wir dieselbe Gesinnung haben, wie Er sie besaß. Diese Gesinnung muss die Grundlage all deines Denkens und Handelns sein. Alles, was hier über den Herrn Jesus gesagt wird, kann dich zur Anbetung bringen. Das wird auch oft das Ergebnis sein, wenn Er dir so vorgestellt wird. Dennoch ist das nicht in erster Linie die Absicht. Die Absicht ist, dass du dich bei jedem Schritt, den du Ihn tun sieht, fragst, was seine Gesinnung war, als Er ihn tat; das sollst du dann mit deiner eigenen Gesinnung vergleichen. Die Gesinnung des Herrn Jesus wird niemals die deine werden, wenn du das Gesetz zum Maßstab nimmst. Nur das Vorbild des Herrn Jesus führt zu der gewünschten Wirkung. Gott stellt uns eine Person vor, die das ganze Wohlgefallen seines Herzens hat, damit Gott feststellen kann, was in unserem Leben von Ihm spricht.
Lies noch einmal Philipper 2,1–5.
Frage oder Aufgabe: Was würdest du gern bei anderen verbessern, und wie kannst du das erreichen?
6 - 8 Die Gesinnung des Herrn Jesus
6 der, da er in Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, 7 sondern sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist, und, in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, 8 sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz.
V6. Die Gesinnung des Herrn Jesus verdient in den folgenden Versen deine völlige Aufmerksamkeit. Wir sind nur dann in der Lage, das zu tun, was in den vorigen Versen gesagt wurde, wenn wir sie in uns aufnehmen und uns aneignen. Dann können wir alle Konflikte lösen und in Einheit weitergehen.
Die Gesinnung des Herrn Jesus kommt in seiner Erniedrigung zum Ausdruck. Jede Einzelheit seines Weges hinab war für Ihn eine Erniedrigung. Er konnte nicht höher beginnen und nicht tiefer enden. Und jeden Schritt seiner Erniedrigung tat Er vollkommen freiwillig. Dazu kommt auch noch, dass der Herr Jesus nicht jedes Mal einen Schritt hinab tat und in diesem Schritt zeigte, wie sehr Er sich selbst erniedrigte. Was Er getan hat, war beständig in seinem Leben auf der Erde vorhanden. Da siehst du die Bedeutung des Wortes „zu nichts machen“ (o. entäußern). Das heißt so viel wie, Abschied zu nehmen von einem guten Ruf. Er hat sich selbst dessen entäußert, was Er als Gott besaß. Nichts davon hat Er für sein eigenes Interesse gebraucht. Als Er auf die Erde kam, war nichts von seiner göttlichen Herrlichkeit zu sehen (Jes 53,2.3). Sein Herz war von der wunderbaren Gesinnung erfüllt, die hier beschrieben wird. Sein ganzes Dasein auf der Erde war von dieser Wirklichkeit erfüllt. Jedes Wort und jede Handlung kamen daraus hervor. In einem Gläubigen wird diese Gesinnung möglicherweise mal gesehen, doch inwieweit sind wir davon erfüllt?
Die Beschreibung beginnt damit, dass Er „in Gestalt Gottes war“. Das macht deutlich, dass Er wahrhaftig Gott war. Das blieb Er auch, als Er Mensch wurde, denn Gott kann nicht aufhören, Gott zu sein. Gott hat allerdings das Recht und die Möglichkeit, sich auf eine Weise zu offenbaren, die den Umständen angemessen ist. Seine Erniedrigung ist der Beweis dafür, dass Er Gott ist, denn nur Gott hat das souveräne Recht, seine absolute Gottheit auf diese Weise zu verhüllen. Dass Er das tut, ist das Ergebnis seiner Liebe. Er blieb, auch als Er auf der Erde war, in der Gestalt Gottes. Er gab seine Gottheit nicht auf, wohl aber alle Rechte und Vorrechte, die Er auch auf der Erde hätte in Anspruch nehmen können. Dort, wo Er göttliche Kraft zeigt, geschieht das niemals für sich selbst, sondern immer für andere, und niemals in Unabhängigkeit von Gott.
Weil Er Gott war, bedeutete es für Ihn keinen Raub, Gott gleich zu sein. Er eignete sich nichts an, was nicht von Ihm selbst war. Der Herr Jesus war Gott, Er war Gott der Sohn von Ewigkeit. Er hatte eine Vor-Existenz beim Vater, bevor die Welt da war (Joh 1,1; 17,5). Er war bei dem Vater, bevor die Welt war. Was Er von Ewigkeit her war, achtete Er nicht für einen Raub im Sinne von Gewinn. Vor langer Zeit hatte die Schlange Adam vorgegaukelt, Gott gleich sein zu können. Adam hatte das nicht und versuchte, es zu rauben. Der „letzte Adam“, der Herr Jesus, war Gott. Er achtete es nicht für einen Raub, sondern machte sich zu nichts, entäußerte sich selbst. Das griechische Wort, das mit „Raub“ übersetzt ist, bezeichnet nämlich nicht nur etwas, das gestohlen werden kann; es bedeutet auch etwas Wertvolles, das man nicht gern preisgibt. Dafür musste Er den Menschen gleich werden.
V7. Er musste an seiner eigenen Schöpfung teilnehmen und in seiner eigenen Schöpfung als Knecht Dienst tun. Kann man sich einen größeren Kontrast denken? Er war der Gebieter und wurde Diener. Er, der Aufträge gab, bekam sie nun selbst. Ist es nicht eins der größten Probleme für dich und mich, auf unsere Rechte zu verzichten und dem anderen zu dienen? Der Herr Jesus tat das. Er hat sich selbst völlig zu nichts gemacht. Er ist unser Vorbild, wir können es nur von Ihm lernen.
Es ist auch von großer Bedeutung zu sehen, wie sein Knechtsein vollständig mit seinem Menschsein verwoben ist. Er hätte als Mensch auf die Erde kommen und erst später entscheiden können, Knecht zu werden. Aber Er tat das nicht. Genauso wie Er in Gestalt Gottes war und ist, was auf seine wesensmäßige und wahrhaftige Gottheit hinweist, hat Er die Gestalt eines Knechtes angenommen. Er hat nicht nur die Kleidung eines Knechtes angezogen und die Rolle eines Knechtes angenommen. Er hat sich nicht als Knecht ausgegeben, nein, Er war wesensmäßig und wahrhaftig Knecht, sowohl innerlich als äußerlich. Sein Wesen war Gehorsam, das Einzige, was das Leben eines Knechtes ausmacht.
Und es geht noch weiter: Er bleibt auch für immer Knecht (Lk 12,37), genauso wie diese vollkommene Person immer Mensch bleiben wird. Die Gestalt Gottes hat Er nicht angenommen, Er war Gott – die Gestalt eines Knechtes aber wohl, denn das wurde Er. Die Gesinnung des Dienens und der Knechtschaft ist besonders schön in der Fußwaschung in Johannes 13 zu sehen (Joh 13,1–17; Lk 22,27). Noch einmal: Er ist unser Vorbild. So wie Er zu uns gekommen ist, als Knecht, in seiner Kleidung als Knecht, so sollen auch wir einander begegnen in der Bereitschaft, einander in Demut zu dienen (1Pet 5,5). Die Kleidung eines Knechtes ziehen wir nicht so schnell an. Wir finden, dass sie uns nicht steht, wir fühlen uns darin nicht so wohl. Oder manchmal doch?
V8. Die Menschheit des Herrn Jesus wird hier betont. Er ist in Gleichheit der Menschen geworden und wurde auch äußerlich als ein Mensch erfunden. Dass Er äußerlich „wie ein Mensch erfunden“ wurde, bezieht sich nicht in erster Linie darauf, was andere Menschen in Ihm fanden, sondern was Gott in Ihm fand. Gott hat im Herrn Jesus einen Menschen gesehen, wie Er ihn sich wünschte. Er war voller Freude über alles, was äußerlich von Ihm sichtbar wurde, jede Tat, jedes Wort, seine ganze Haltung. Er gab deshalb sein Zeugnis aus dem Himmel: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe“ (Mt 3,17).
Er war der Mensch, der allem entsprach, was Gott mit dem Menschen beabsichtigt hatte. Er war wirklich Mensch, nicht Gott in einer menschlichen Hülle. Er sah nicht nur aus wie ein Mensch, Er war ihm völlig gleich (Röm 8,3), ausgenommen die Sünde (Heb 4,15). Die Menschen konnten Ihn sehen und hören, sie konnten verstehen, was Er sagte und tat. Er war (und ist noch immer) wahrhaftig Mensch mit einem menschlichen Geist und einer menschlichen Seele und einem menschlichen Körper.
Als Er auf der Erde war, fiel Er unter den Menschen nicht auf. Er lief nicht mit einem Heiligenschein herum, so dass jeder an Ihm sehen konnte, dass Er etwas Besonderes war. Als man Ihn gefangen nehmen wollte, musste Judas den Feinden auf besondere Weise zeigen, wen sie gefangen nehmen sollten (Mt 26,48). Die Menschen in seiner Umgebung haben gesehen, dass Er ermüdet war und dass Er Hunger und Durst haben konnte. Er kannte alle Schwachheiten eines Menschen. Als Mensch wurde Er zwar auf eine völlig einzigartige Weise geboren – durch seine Geburt aus Maria ist Er wahrhaftig Mensch –, doch Er wurde nicht von einem sündigen Vater gezeugt, sondern durch den Heiligen Geist (Mt 1,20; Lk 1,35). Dies ändert nichts an seiner vollkommenen und freiwilligen Erniedrigung, einer Erniedrigung, die ihr Ende noch nicht erreicht hatte. Ist es für uns nicht schwierig, unauffällig unseren Weg zu gehen? Er hätte sich mit aller Ehre umgeben können, als Er seine Schöpfung betrat. Er hätte sich Zeit seines Lebens auf der Erde mit allem, was Eindruck auf Menschen macht, umgeben können. Er entschied sich dafür, in einem verachteten, abseits gelegenen Flecken – Nazareth – bei einer unbedeutenden Familie seine Laufbahn auf der Erde zu beginnen.
Es war für Ihn eine Erniedrigung, Mensch zu werden. Es war eine Erniedrigung, als Mensch Knecht zu sein. Doch seine Erniedrigung als Mensch und Knecht war nicht genug. Er konnte sich noch tiefer erniedrigen. Deswegen ging Er noch tiefer. Er hätte nach vollbrachtem Dienst zu seinem Vater zurückkehren können. Er brauchte nicht zu sterben. Doch Er wurde gehorsam bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz. Er hat sich völlig zu nichts gemacht. Er dachte nur an andere. Er, der den Gehorsam nicht kannte, wurde gehorsam bis zum Tod. Der Herr kannte den Gehorsam nicht. Im Himmel konnte Er damit nicht vertraut gemacht werden. Dort gab Er Engeln Befehle, und sie gehorchten Ihm (Heb 1,7). Für den Herrn Jesus war das Lernen des Gehorsams etwas anders, als wenn wir lernen, gehorsam zu sein. Wir sind von Natur aus ungehorsam (Eph 5,6). Wir lernen Gehorsam durch Korrektur. Das war bei Ihm nicht so. Bei Ihm brauchte nie etwas korrigiert zu werden. Bei Ihm gab es keinen aufsässigen Willen, es gab nichts, das nicht unterwürfig war. Das Lernen des Gehorsams bedeutete für Ihn, eine Stellung einzunehmen, wo es zu gehorchen galt. Er hatte nie eine Stellung eingenommen, die Gehorsam erforderte. Das lernte Er, als Er auf die Erde kam (Heb 5,8).
Sein Gehorsam fand seinen Höhepunkt in seinem Sterben. Sein Tod war der äußerste Gehorsam, dessen Schlusspunkt. Danach konnte nichts mehr kommen. Doch seine Erniedrigung konnte noch weiter gehen und macht zugleich die Weise, wie sein Gehorsam endete, beispiellos. Es ist der Kreuzestod, die schrecklichste und verächtlichste Form, wie ein Mensch sterben kann. So richtete man nur einen ungehorsamen Sklaven hin. Du kannst dir keinen Tod vorstellen, der noch erniedrigender ist. Diesen Tod starb der vollkommene Diener. Freiwillig und mit keinem anderen Wunsch, als vollkommen gehorsam zu sein, beendete Er auf diese Weise seine Laufbahn auf der Erde. Er hat immer den niedrigsten Platz eingenommen: bei seiner Geburt in Bethlehem, während seines Lebens in seinem Umgang mit den Menschen und schließlich auch in seinem Tod. Er ließ es zu, dass Menschen, denen Er allein dienen wollte, Ihn auf die höchst unehrenhafte Weise ums Leben brachten. Er, der so hoch erhoben war, ging den Weg bis zur tiefsten Erniedrigung. Er sah von allen Rechten ab, die Ihm zu Eigen waren, sowohl im Himmel als auch auf der Erde, um seinen Feinden zu dienen. Er kam von großer Höhe hinab, freiwillig, getrieben durch die Liebe zu seinem Gott und Vater. Sollte diese große Erniedrigung dich und mich nicht bereit machen, um einen verhältnismäßig kleinen Schritt nach unten zu machen und anderen zu dienen? Diese Gesinnung geziemt sich für uns.
Lies noch einmal Philipper 2,6–8.
Frage oder Aufgabe: Überdenke noch einmal die Schritte der Erniedrigung, die der Herr Jesus gegangen ist, bete Ihn dafür an und bitte Ihn, dir zu helfen, seinem Vorbild in seiner Gesinnung zu folgen.
9 - 11 Die Erhöhung des Herrn Jesus
9 Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen gegeben, der über jeden Namen ist, 10 damit in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, 11 und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters.
V9. „... wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Lk 14,11b). Dieser Vers ist allgemein gültig, gilt aber doch wohl ganz besonders für den Herrn Jesus. Du hast im vorigen Abschnitt gesehen, auf welch beeindruckende Weise der Herr Jesus sich selbst erniedrigt hat. Ich möchte hier noch kurz auf den großen Gegensatz zwischen dem hinweisen, der auch „der letzte Adam“ genannt wird (1Kor 15,45), und dem ersten Adam. Der erste Adam wollte sich selbst erhöhen, indem er auf Satan hörte, der Eva vorgaukelte, dass der Mensch wie Gott werden könne (1Mo 3,5). Die Folge war Scham, sich vor Gott verstecken und aus dem Paradies weggeschickt werden. Was für eine Erniedrigung. „... denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden (Lk 14,11a).
Und dann haben wir noch nicht einmal über die Umstände gesprochen, unter denen der Gehorsam auf die Probe gestellt wurde. Der erste Adam befand sich in idealen Umständen, wo er gehorsam hätte sein können. Er sah um sich her überall die Güte Gottes. Der letzte Adam befand sich in den idealsten Umständen, die zum Ungehorsam hätten führen können. Überall um sich her sah Er die Sünde und die Folgen der Sünde. Jeder Gegensatz, den du zwischen dem ersten und dem letzten Adam entdeckst, vergrößert deine Bewunderung für den Herrn Jesus.
Die größte Anerkennung kommt von Gott. Er hat mit großem Wohlgefallen den Weg der Erniedrigung, den der Herr Jesus freiwillig ging, gesehen. Er kannte auch vollkommen alle Empfindungen seines Sohnes, als Er diesen Weg ging. Alles in dem Sohn war auf den Vater ausgerichtet. Hätte Gott auf eine andere Weise antworten können, als Ihn nach dieser enormen Erniedrigung über alles zu erhöhen? Der Herr Jesus hat sich selbst erniedrigt, Er hat sich nicht selbst erhöht. Auch das ist ein Gesichtspunkt, der seine Herrlichkeit als Mensch für uns wieder größer werden lässt. Niemals hat Er seine eigene Ehre gesucht (Joh 8,50). Der Vater hat seinen Sohn verherrlicht (Joh 8,54). Gott hat Ihn sogleich verherrlicht (Joh 13,32). Er hat Ihn aus den Toten auferweckt und Ihm einen Ehrenplatz zu seiner Rechten gegeben und Ihn „wegen des Leidens des Todes ... mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt“ (Heb 2,9).
Gott konnte Ihn unmöglich im Tod lassen. Er verdiente es, auferweckt zu werden, weil Er sich in allem als vollkommen erwiesen hatte. Deswegen wurde Er „aus den Toten auferweckt ... durch die Herrlichkeit des Vaters“ (Röm 6,4). Als Mensch ist Er nun durch das gerechte Handeln Gottes zur Rechten des Thrones der Majestät in den Himmeln erhöht. Als der Herr Jesus Mensch wurde und auf die Erde kam, kam Gott in seiner Liebe herab. Die Erhöhung ist demgegenüber nicht eine Frage der Liebe, sondern der Gerechtigkeit. Der Platz der höchsten Ehre und Majestät steht Ihm zu Recht zu!
In Verbindung mit dem über alles und alle erhobenen Platz hat Gott Ihm auch den „Namen gegeben, der über jeden Namen ist“. Mit diesem Namen zeigt Gott sein eigenes, persönliches Wohlgefallen an dem Menschen Jesus Christus. Über die genaue Bedeutung dieses Namens sagt Paulus nichts. Vielleicht ist dieser Name der Name, den „niemand kennt als nur er selbst“ (Off 19,12). Das würde zur Belohnung eines Siegers passen (Off 2,17). Möglicherweise ist es der Name „Herr“ in Vers 11. Es ist nicht der Name „Jesus“, denn den bekam der Herr Jesus bereits bei seiner Geburt (Mt 1,21). Es geht hier um einen Namen, den Er als der von Gott erhöhte Mensch bekommt. Da keine weiteren Hinweise zu dem Namen gegeben werden, scheint die Betonung auf der Tatsache der Namensgebung zu liegen, auf der Bedeutung des Wortes „Name“.
Der Name drückt in der Schrift das innere Wesen einer Person aus. Nun, niemand erkennt den Sohn als nur der Vater (Mt 11,27). Der Name sagt etwas über die Person. Niemand als nur Gott kennt das Wesen seines Sohnes, der als Mensch in vollkommenem Gehorsam auf der Erde lebte, während Er gleichzeitig Gott war. Das Geheimnis kann von Menschen nicht ergründet werden und wird in Ewigkeit für sie verborgen bleiben. Es kann sein, dass der Name, der Ihm von Gott gegeben wurde, damit zu tun hat, weil Er vorher nie als Mensch im Himmel war. Niemals vorher gab es einen Menschen, der dort den höchsten Platz der Ehre und des Ansehens als Lohn verliehen bekam. Mit seinem Namen ist auch Autorität verbunden. Wenn der Herr Jesus über das Versammeln in seinem Namen spricht (Mt 18,20), wird dort auch kein Name genannt. Dieser Ausdruck richtet die Aufmerksamkeit auf die Anerkennung seiner Autorität. Der Name, den Er von Gott bekommen hat, drückt aus, dass Er derjenige ist, der über alle Geschöpfe erhaben ist und dass Er über sie Autorität hat. Ein weiterer Aspekt ist, dass „Name“ mit dem Ruhm und dem Ruf einer Person zu tun hat. Die Bibel spricht manchmal über „Männer von Ruhm [oder Namen]“ (1Mo 6,4; 4Mo 16,2).
V10. Der Name des Herrn Jesus wird im Friedensreich die Erde erfüllen (Ps 8,2.10). „In dem Namen Jesu“ wird sich einmal jedes Knie beugen. Das ist eine zusätzliche Genugtuung, die Gott dem Herrn Jesus schenkt. Wenn der Name „Jesus“ ohne Zusatz von zum Beispiel „Herr“ oder „Christus“ gebraucht wird, geschieht das in der Regel zur Erinnerung daran, dass der Herr Jesus hier auf der Erde war. Es ist der Name, der an seine Erniedrigung denken lässt. Als Er auf der Erde war und für seine Umgebung als „Jesus“ bekannt war, wurde Ihm keine Ehre zuteil. Er wurde verhöhnt und misshandelt, verspottet und verworfen und schließlich ermordet. Doch einmal kommt Er zurück, dann aber nicht wieder als der niedrige Mensch. Nein, dann kommt der Herr Jesus „vom Himmel her, mit den Engeln seiner Macht, in flammendem Feuer, wenn er Vergeltung gibt denen, die Gott nicht kennen, und denen, die dem Evangelium unseres Herrn Jesus Christus nicht gehorchen“ (2Thes 1,7.8). Dann gibt es keine Möglichkeit mehr, sich freiwillig vor Ihm zu beugen, wie das jetzt immer noch möglich ist.
In Jesaja 45 liest du, dass jedes Knie sich vor dem Herrn beugen wird (Jes 45,21–23). Hier liest du, dass jedes Knie sich vor dem Herrn Jesus beugen wird. Das ist einer der vielen Beweise, dass der Herr Jesus, der Mensch gewordene Sohn Gottes, derselbe ist wie der Herr, der im Alten Testament Israel zu seinem Volk erwählte. In Jesaja betrifft es nur jedes Knie auf der Erde. Hier in Philipper wird die Sphäre der Huldigung auf den Himmel und auf den Bereich unter der Erde ausgedehnt. Kein einziges Knie wird sich dieser Ehrerweisung entziehen können.
„Jedes Knie“ betont, dass es um jedes Individuum geht. Jede Person wird sich persönlich, sehr bewusst vor Ihm beugen. Das gilt für jeden der Hohenpriester und Schriftgelehrten, die in dem Herrn einen Konkurrenten sahen, eine Bedrohung ihrer eigenen Position im Volk. Sie wollten Ihn deswegen nicht und suchten ständig eine Gelegenheit, Ihn umzubringen. Auch Judas, der Ihn überlieferte, wird seine Knie vor Ihm beugen. Pilatus wird seine Knie vor Ihm beugen. Er wusste, dass der Herr Jesus unschuldig war, überlieferte Ihn aber dennoch, dass Er gekreuzigt würde.
Wo auch immer ein Mensch sich befinden mag – jeder wird sich vor Ihm beugen. Im Himmel wird das jedes Geschöpf mit großer Zustimmung und voll Freude tun. Bis in Ewigkeit wird dort sein Lob gesungen werden. Auch auf der Erde wird jeder Ihn ehren, obwohl im Friedensreich viele Menschen das nur geheuchelt tun werden (Ps 18,45). In der Ewigkeit, wenn Gott bei den Menschen wohnt, wird auch auf der Erde alles das Lob des Herrn Jesus verkündigen. Auch unter der Erde wird jedes Wesen die Knie vor Ihm beugen. Dort, wo alle Ungläubigen sind, zusammen mit dem Teufel und seinen Handlangern, wird jeder Anwesende die Knie beugen. Sie können nicht anders, und wenn sie es zähneknirschend tun, als sich vor Ihm zu beugen, der einmal alles gegen sich hatte. Ein Beispiel für eine gezwungene Verehrung findest du im Buch Esther. Ein gewisser Haman ist darauf aus, Mordokai, der ein Vorbild vom Herrn Jesus ist, zu töten, weil Mordokai sich nicht vor ihm beugt. Als sich herausstellt, dass Mordokai das Leben des Königs gerettet hat, will der König ihn dafür ehren. Gott sorgt dafür, dass Haman gezwungen wird, das zu tun (Est 6,1–4). Genauso wird Gott dafür sorgen, dass der Herr Jesus die Ehre bekommt, die Ihm für alles, was Er getan hat, zukommt.
V11. Die gebeugten Knie jedes Wesens zeigen eine Haltung der Huldigung. Doch dabei bleibt es nicht. Auch die Zunge jedes Wesens kommt in Bewegung. Es wird laut gesagt werden, dass der einst erniedrigte Jesus „Herr“ ist. Niemand wird mehr daran zweifeln, dass Er alle Autorität in Händen hält. Jeder Zweifel daran ist dann vollständig verschwunden. Für dich, der du glaubst, ist es jetzt schon so, dass Gott Ihm „alle Gewalt ... im Himmel und auf der Erde“ gegeben hat (Mt 28,18), auch wenn du in der Welt um dich her noch nicht siehst, dass Ihm alle Dinge unterworfen sind (Heb 2,8). Indem du Ihn als „Herr“ bekennst, bist du noch eine Ausnahme. Dann nicht mehr. Dann wird man keine Gegenstimme mehr hören. Das liegt nicht daran, dass solch eine Stimme überstimmt würde, sondern es gibt sie einfach nicht mehr. „Jedes Knie“ und „jede Zunge“ lässt keine Ausnahme zu.
Der Herr wird diese umfangreiche und allgemeine Ehrerweisung sozusagen an Gott den Vater weitergeben. Bis in alle Ewigkeit wird alles, was der Herr Jesus getan hat und was Gott mit Ihm getan hat, zur Herrlichkeit Gottes des Vaters sein.
Weißt du noch, was der Anlass für dieses beeindruckende Beispiel war? Wir sollten sehen, was für eine Gesinnung der Herr Jesus auf der Erde hatte, eine Gesinnung, die auch wir haben sollten. Wenn du dann siehst, wie Gott das belohnt und was das entsprechende Ergebnis bis in Ewigkeit ist, ist das dann für dich nicht ein gewaltiger Ansporn, dir diese Gesinnung zu Eigen zu machen? Für mich schon und für dich zweifellos auch.
Lies noch einmal Philipper 2,9–11.
Frage oder Aufgabe: Sage Gott, dass du mit der Erhöhung des Herrn Jesus völlig einverstanden bist.
12 - 16 Lichtträger
12 Daher, meine Geliebten, wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht allein als in meiner Anwesenheit, sondern jetzt viel mehr in meiner Abwesenheit, bewirkt euer eigenes Heil mit Furcht und Zittern; 13 denn Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken, zu seinem Wohlgefallen. 14 Tut alles ohne Murren und zweifelnde Überlegungen, 15 damit ihr untadelig und lauter seid, unbescholtene Kinder Gottes inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts, unter dem ihr scheint wie Lichter in der Welt, 16 darstellend das Wort des Lebens, mir zum Ruhm auf den Tag Christi, dass ich nicht vergeblich gelaufen bin noch auch vergeblich gearbeitet habe.
V12. In den vorhergehenden Versen hast du den Herrn Jesus gesehen. Ich denke, dass es dir genauso ergangen ist wie mir: Wenn du Ihn siehst, vergisst du alles und wirst vollständig von Ihm in Beschlag genommen. Nun bringt Paulus dich wieder in die Realität des Lebens zurück. Und das ist dieselbe Realität des Lebens, worin der Herr Jesus gelebt hat. Was Paulus nun sagt, schließt daher auch an das Vorhergehende an. Deswegen beginnt er Vers 12 mit „Daher“. Er richtet sich wieder an die Gläubigen in Philippi, die er „meine Geliebten“ nennt, eine wunderschöne und vor allem auch wahrhaftige Form der Anrede. Er schmiert ihnen keinen Honig um den Mund, sondern betont die innige Liebe, die er für sie hat. Sie sind Gegenstände seiner liebevollen Fürsorge. In seiner Fürsorge für sie will er, dass sie das, was er ihnen über Christus gesagt hat, nun auch in die Praxis umsetzen. Der Gehorsam Christi diente ihnen zum Vorbild. Dem sollten sie jetzt nachfolgen. Er reizt sie dazu an, indem er auf ihren Gehorsam hinweist, den sie schon gezeigt hatten, als er bei ihnen war. Wenn man jemanden an die guten Ergebnisse erinnert, die er bereits erreicht hat, wird man ihn dazu bringen, sein Bestes zu geben.
Nun war es für die Philipper vielleicht verhältnismäßig einfach, dem Wort Gottes gehorsam zu sein, als Paulus noch bei ihnen war. Er kämpfte damals für sie. Du kennst das bestimmt. Wenn sich jemand für dich einsetzt und ein gutes Vorbild für dich ist, geht davon eine ermutigende Wirkung für dich aus. Wenn so jemand nicht mehr da ist, lauert die Gefahr, dass man einschläft. Paulus war nicht mehr bei ihnen. Jetzt mussten sie den Kampf allein führen und ihre eigene Errettung bewirken. Das konnten sie nicht mehr Paulus überlassen. Es kam jetzt auf ihren eigenen Einsatz an, das äußere Heil zu bewirken. Heil ist hier, wie überall in dem Brief, zukünftig. Es bezieht sich auf eine Situation, wo es keine Gefahren mehr gibt, die unserem Glaubensleben zusetzen können, und wo man keinen Feind mehr zu fürchten braucht. So weit ist es noch nicht, solange wir noch auf der Erde leben. Um das Ziel sicher zu erreichen, wirst du deine ganze Energie einsetzen müssen. Das Wort „bewirken“ wird für das Bearbeiten eines Ackers gebraucht. Damit wirst du nie fertig. Es gibt immer Unkraut zu jäten, zum Beispiel das Verurteilen böser Gedanken. Dieses „Bewirken“ muss mit „Furcht und Zittern“ geschehen. Das weist auf das Bewusstsein hin, dass es nicht von allein geht und dass man sich ohnmächtig fühlen kann, den Gefahren zu begegnen, die den Weg so beschwerlich machen.
Es ist also deine Verantwortung, dich dafür einzusetzen, dass du das Ziel unbeschadet erreichst. Wenn du wirklich mit dem Herrn und für Ihn lebst, wird das unbedingt dein Verlangen sein. Du wirst auch feststellen, dass du den Gefahren, die dein Leben bedrohen, nicht gewachsen bist. Du fürchtest dich und zitterst, wenn du deine eigene Kraft an den Umständen, durch die du gehst, bemisst.
V13. Doch dann bekommst du eine große Ermunterung: All das ist der Beweis dafür, dass Gott in dir wirkt. Du bist nicht dir selbst überlassen und auch nicht nur auf deine eigene Kraft angewiesen. Für die Philipper war der Apostel nicht mehr da, aber Gott war sehr wohl da (Apg 20,32). Er blieb bei ihnen und Er war es, der in ihnen wirkte. Es ist sein Wohlgefallen, Menschen an den Platz der Rettung bei Ihm selbst zu bringen. Er gibt ihnen dazu die nötige Kraft, das Ziel zu erreichen (vgl. Heb 13,21). Du siehst hier also einen sehr engen Zusammenhang zwischen deiner eigenen Verantwortung und dem Werk Gottes. Wie das genau funktioniert, ist nicht zu erklären. Eins ist sicher: Wenn du tust, was Gott dir aufträgt, gibt Er dir die Kraft, es zu vollbringen. Das gilt für jede Situation, in die du kommst.
V14. Als ein großes Hindernis auf dem Weg zur endgültigen Errettung nennt Paulus „Murren und zweifelnde Überlegungen [o. Widerspruch]“. Die Geschichte Israels, des irdischen Volkes Gottes, gibt einige Kostproben dieser Äußerungen während ihrer Wüstenreise (1Kor 10,10; 2Mo 14,11; 15,24; 16,2; 17,3; 4Mo 14,2; 16,11). Dieses Übel machte sich auch schon in den ersten Tagen der Gemeinde bemerkbar (Apg 6,1). Es schlummert in jedem von uns. Es ist das Gefühl der Unzufriedenheit und Benachteiligung, als wärest du immer derjenige, der – natürlich unverdient – die Schläge abbekommt. Du denkst, dass du immer die geringsten Arbeiten tun musst und dass du, wenn du einmal etwas Gutes getan hast, nicht die Anerkennung dafür erhältst, die du verdienst. Der Schritt von Murren zum Widerspruch ist schnell getan. Du akzeptierst das nicht länger. Über alles, was du tun sollst, wird gestritten und diskutiert. Der Rahmen für Unfrieden und Uneinigkeit ist abgesteckt. Die Gesinnung des Herrn Jesus ist völlig aus dem Blickfeld geraten, die gleiche Gesinnung untereinander ist dahin, das Heil in Gefahr. Sieh, weil Paulus das so klar durchschaut, spornt er dazu an, „alles“ ohne Murren und zweifelnde Überlegungen zu tun. Also nicht nur die Dinge, in denen du den Nutzen siehst und die nötige Anerkennung erhältst. Bei „alles“ geht es in diesem Zusammenhang um alles, was für die gleiche Gesinnung förderlich ist. Denk an das Beispiel des Herrn Jesus.
V15. Wenn man Murren und zweifelnden Überlegungen keinen Raum gibt, ist der Weg frei für alle positiven Äußerungen, die nachfolgend genannt werden und die genau das beschreiben, was Christus selbst darstellte. So sollte die Gemeinde – jedes einzelne Glied – immer handeln, in was für Umständen sie sich auch befinden mag. „Untadelig“ bedeutet, dass es nichts in deinem Leben gibt, worauf ein anderer den Finger richten könnte. Das bezieht sich mehr auf das Äußere. „Lauter“ bedeutet „unvermischt“, das bezieht sich mehr auf den Charakter, auf das Innere, darauf, nur ein Verlangen zu haben und nicht von beiden Seiten etwas haben zu wollen. An diesen beiden Kennzeichen erkennst du klar den Herrn Jesus. Es geht hier jedoch nicht um Ihn, sondern um dich.
Paulus fährt fort. Es sagt gleichsam zu den Philippern – und damit auch zu dir und mir –, dass sie „unbescholtene Kinder Gottes“ sind. „Unbescholten“ heißt nicht, dass man nichts mehr über dich sagen darf. Doch was ist der entsprechende Anlass? Du wirst hier ein „Kind Gottes“ genannt. Du bist ein Kind Gottes, weil du aus Ihm geboren bist. Du hast also seine Natur (2Pet 1,4). Die Natur Gottes ist Licht und Liebe (1Joh 1,5; 4,8.16). Das muss auch in deinem Leben sichtbar werden. Wenn etwas von deinem alten Leben sichtbar wird, bist du nicht mehr „unbescholten“. Dann haben Menschen etwas zu beanstanden, aber auch Gott hat etwas zu beanstanden.
In deinem alten Leben warst du nicht von dem „verdrehten und verkehrten Geschlecht“ zu unterscheiden. Du warst Teil eines Geschlechts, einer Art von Menschen, die darauf aus ist, andere zu schlechten Taten zu verleiten. Jetzt gehörst du nicht mehr dazu. Doch du stehst noch mittendrin. Es ist jetzt Gottes Absicht, dass du inmitten dieser Menschen als Licht scheinst. Als Kind Gottes bist du ein Lichtträger in einer Welt, die in Finsternis gehüllt ist und von jedem göttlichen Licht ausgeschlossen ist. Sie haben das wahrhaftige Licht verworfen (Joh 1,5). Gott hat in seiner Gnade nicht alles Licht aus der Welt weggenommen. Jetzt sind wir, die Kinder Gottes, das Licht der Welt (Mt 5,14).
V16. Und wie können die Menschen um dich her das Licht wahrnehmen? Wenn du das Wort des Lebens darstellst, das heißt, wenn Christus in deinem Leben gesehen wird (1Joh 1,1.2). In Johannes 1 findest du ebenfalls die besondere Verbindung von Licht und Leben (Joh 1,4).
Nachdem es Paulus um die Beziehungen der Philipper untereinander ging, spricht er nun über ihr Verhalten in der Welt. Du siehst, wie eng das eine mit dem anderen verknüpft ist. Wenn Gläubige uneinig sind, ist das eine Sache, die in der Welt nicht unbemerkt bleibt. Wir müssen uns über jede Uneinigkeit schämen. In der Tat ist es nötig, auf dem untersten Weg dem anderen so weit wie möglich entgegenzukommen. Ich lasse hier die Notwendigkeit einer Trennung unter Gläubigen im Fall von Sünde außer Betracht. Darüber sprechen andere Briefe eine deutliche Sprache. Hier geht es um meine Gesinnung, und daran darf nichts auszusetzen sein, weder von Gott noch von den Mitgläubigen und auch nicht von der Welt.
Paulus verbindet die Praxis der Philipper mit der Verantwortung, die er vor dem Richterstuhl Christi ablegen muss. Es hat ihn enorm viel gekostet, den Philippern den Herrn Jesus zu bringen und sie auf dem Weg des Glaubens zu halten. Er ist dafür „gelaufen“. Paulus verweist dabei auf eine Disziplin der olympischen Spiele. Die Teilnehmer unterwarfen sich zehn Monate lang einem harten Training und strenger Enthaltsamkeit. Er hat dafür „gearbeitet“. Das Wort deutet an, dass er geistlich und körperlich angespannt war, wodurch er stark ermüdet war. Es wird doch wohl nicht wahr sein, dass dies alles vergeblich war. Die Philipper werden es doch wohl nicht dabei belassen?! Dieser überzeugende Appell eines Mannes, der sich so für sie eingesetzt hat, kann doch nicht unbeantwortet bleiben! Es würde neben Schaden für ihre eigene Seele und Unehre für den Herrn Jesus auch große Undankbarkeit gegen ihn bedeuten, dem sie so viel zu verdanken hatten.
Lies noch einmal Philipper 2,12–16.
Frage oder Aufgabe: Was verleitet dich am schnellsten zum Murren, und wie wappnest du dich dagegen?
17 - 24 Paulus stellt seine eigenen Interessen zurück
17 Aber wenn ich auch als Trankopfer über das Opfer und den Dienst eures Glaubens gesprengt werde, so freue ich mich und freue mich mit euch allen. 18 Ebenso aber freut auch ihr euch und freut euch mit mir! 19 Ich hoffe aber in dem Herrn Jesus, Timotheus bald zu euch zu senden, damit auch ich guten Mutes sei, wenn ich eure Umstände kenne. 20 Denn ich habe keinen Gleichgesinnten, der von Herzen für das Eure besorgt sein wird; 21 denn alle suchen das Ihre, nicht das, was Jesu Christi ist. 22 Ihr kennt aber seine Bewährung, dass er, wie ein Kind dem Vater, mit mir gedient hat an dem Evangelium. 23 Diesen nun hoffe ich sofort zu senden, wenn ich überschaue, wie es um mich steht. 24 Ich vertraue aber im Herrn darauf, dass auch ich selbst bald kommen werde.
V17. Der letzte Abschnitt endete mit Ruhm, den Paulus durch den Wandel der Philipper zu haben wünschte. Du könntest jetzt denken: Sucht Paulus nicht doch ein bisschen seine eigenen Interessen? Doch von diesem Gedanken werden wir im ersten Vers dieses Abschnitts befreit. Darin geht es ihm um zwei Arten von Opfern. Er nennt sich selbst ein „Trankopfer“ und spricht von dem „Opfer“ des Glaubens der Philipper. Um zu verstehen, was er damit meint, musst du etwas von den Opfern des Alten Testaments wissen. Das Volk Israel kannte einen umfangreichen Opferdienst. Das 3. Buch Mose ist größtenteils diesen Opfern gewidmet, die das Volk bringen durfte und in einigen Fällen bringen musste. Auch in anderen Bibelbüchern kommen regelmäßig Opfer vor. Opfer gab es in verschiedenen Formen. Man konnte unterschiedliche Tiere opfern. Doch man konnte auch etwas anderes als ein Tier opfern. Ein Trankopfer zum Beispiel, mit dem sich Paulus vergleicht, ist ein Opfer, das aus Wein bestand. Der Wein wurde über das Hauptopfer ausgegossen (4Mo 15,1–12). Es war also eine Beigabe, doch zugleich ein sehr wertvolles Opfer. Wein ist ein Bild der Freude. Alle Opfer weisen auf den Herrn Jesus hin. Das Trankopfer erinnert an die Freude, mit der der Herr Jesus sich hingegeben hat. Gott will, dass wir auch daran denken, wenn wir Ihm Opfer darbringen: Das bedeutet, Ihm zu sagen, wie wir den Herrn Jesus bewundern.
Paulus hat das gut verstanden. Er wendet das sogar auf sein eigenes Leben an. Er wollte ein Trankopfer sein. Er wollte durch seinen Tod Gott einen zusätzlichen Anlass geben, sich zu freuen, über die Freude hinaus, die Er durch das Opfer der Philipper bereits genoss (Phil 2,17). Es war auch für Paulus eine Freude, wenn er daran dachte, dass er sein ganzes Leben gegeben hatte, um andere – zu denen auch die Philipper zählten – Gott als ein Opfer darzubringen (Röm 15,16). Der Apostel sieht ihren ganzen Glauben und wie sie ihn unterstützt hatten, als ein Opfer für Gott an. Sie stellten ihre Leiber als lebendige Opfer dar (Röm 12,1). Das bildete für ihn das Hauptopfer. Ihr Glaube zeigte sich darin, dass sie sich selbst opferten, Gott und anderen dienten. Das wertet Paulus mehr als sein Leben. Sein Märtyrertod würde darüber als ein viel kleineres Opfer ausgegossen werden (2Tim 4,6).
Paulus war nicht auf seine eigene Ehre bedacht. Sein Werk würde eine Art Ergänzung zu dem der Philipper sein. Er war mit diesem Platz zufrieden. Er konnte so sprechen, weil er nicht auf das Seine sah, sondern nur auf das der anderen (Vers 4). Er folgte dem Beispiel des Herrn Jesus, das er ihnen früher vorgestellt hatte. Auf diese Weise wurde er selbst ein Vorbild für das, wozu er die Philipper aufrief.
Wenn Paulus daran denkt, dass ihr Glaube – d. h. ihr Leben – ein Opfer für Gott ist, fließt sein Herz vor Freude über. Darum geht es ihm in seinem Leben. Er verlangt danach, diese Ergebnisse bei denen zu sehen, denen er das Evangelium gebracht hat und denen er Unterweisung geben durfte. Denn dann wird Gott geehrt und kann sich an ihnen erfreuen. Dann gibt es bei ihm auch Überfluss an Freude, wenn er an seinen Tod denkt. Er setzt alles dafür ein, dass Christus im Leben der Gläubigen zur Freude Gottes sichtbar wird. An dieser Freude nimmt er teil.
V18. Er fordert die Philipper auf, sich mit ihm zu freuen. Ihr und sein Glaube bilden eine Einheit. Ihr gemeinschaftlicher Dienst war zum Wohlgefallen für Gott, dem dieses Opfer dargebracht wurde. Wenn du dein Leben so betrachtest, dass dein Glaube mit dem Glauben der anderen verbunden ist – mit den guten gegenseitigen Auswirkungen –, wächst du über die Umstände hinaus. Du wirst wie Paulus sein, ein Mann, der allen Grund zur Traurigkeit hatte, der sich jedoch selbst freut und die anderen zur Freude aufruft.
Paulus will nicht sagen, dass ein Gläubiger ständig in Jubelstimmung sein muss. Er spricht kurze Zeit später von „Traurigkeit auf Traurigkeit“ (Vers 27). Seine Freude war also nicht eine überspannte geistliche Emotion. Er konnte sich gleichzeitig freuen und traurig sein (2Kor 6,10). Wenn er auf die Umstände sah, konnte er traurig werden. Sah er auf den Herrn, war er froh. Umstände können sich ändern, der Herr ändert sich nicht. Deswegen kann in seinem Herzen immer Freude sein und ist es nicht nötig, in Traurigkeit zu versinken.
V19. Nach den Beispielen für Hingabe, die du beim Herrn Jesus und bei Paulus gesehen hast, kommen nun noch zwei Beispiele für Hingabe: Timotheus und Epaphroditus. Zunächst Timotheus. Paulus möchte ihn zu den Philippern senden. Daran siehst du, dass seine Fürsorge für sie nicht aufhörte, obwohl er die Philipper der Fürsorge Gottes anbefohlen hatte. Das eine schließt das andere nicht aus. Du darfst auch in Liebe und Glauben alles, was dich beschäftigt, Gott übergeben. Das schließt nicht aus, dass du deine Liebe und deinen Glauben auch praktisch umsetzt. Die Sendung des Timotheus war keine impulsive Handlung, die im Gegensatz zu der Tatsache stand, dass er Gott alles übergeben hatte. Darum steht ausdrücklich dabei: „Ich hoffe aber in dem Herrn Jesus“, d. h. in Gemeinschaft mit Ihm und in Unterordnung unter Ihn. Er war davon überzeugt, dass er dabei die Zustimmung des Herrn hatte.
Die Sendung des Timotheus ist ein erneuter Beweis der Selbstlosigkeit des Apostels. Er hätte Timotheus gern bei sich behalten. Er dachte jedoch nicht an sich, sondern an die Gläubigen und an das, was sie nötig hatten. Zugleich könnte Timotheus ihm berichten, wie es um die Philipper bestellt war. Er hatte großes Interesse daran. Echte Verbundenheit gibt sich nicht mit einem groben Eindruck der Situation zufrieden, auch wenn es keinen Grund zur Besorgnis gibt. Wirkliches Interesse ist nicht flüchtig, sondern tiefschürfend und erfreut sich daran, die Besonderheiten derer zu kennen, die man liebt. Paulus hatte nicht die Sorge, dass er negative Berichte zu hören bekäme. Dafür kannte er sie zu gut. Doch es würde seinem Gemüt gut tun, wenn er alle ihre Umstände erfuhr.
V20–21. In der weiteren Erläuterung, die er bezüglich der Sendung von Timotheus gibt, erklingt ein Mollakkord. Er erklärt die Sendung seines geliebten Kindes damit, dass niemand da war, der so gesinnt war wie er. Die Wahl war auf eine einzige Person begrenzt. Alle anderen, die eventuell nach Philippi hätten gesandt werden können, hatten dafür nicht die richtige geistliche Einstellung. Timotheus war von Herzen an ihnen interessiert. Es ging ihm nicht um seine eigenen Interessen. Darin glich er dem Herrn Jesus (Verse 3.4) und auch Paulus (2Kor 12,14). Davon profitierten die Philipper, dadurch, dass er gesandt wurde. Wenn du genau liest, erkennst du, wie das Wahrnehmen der Interessen der Philipper gleichgesetzt wird mit dem Suchen der Interessen Jesu Christi. Sucht man die Interessen des anderen, dann sucht man die Interessen Christi (vgl. Mt 25,40). Ist das nicht ein großartiges Motiv, sich für andere einzusetzen?
V22. Timotheus war für die Philipper kein Unbekannter. Sie kannten ihn nicht nur aus der Entfernung. Sie wussten, dass er ein Mann mit der nötigen Erfahrung war. Er war zusammen mit Paulus im Dienst des Evangeliums erprobt. Gemeinsam mit Paulus irgendwo einen Dienst für den Herrn zu tun, ist sicherlich keine Urlaubsreise. Viele junge Menschen haben schon enthusiastisch ein Werk für den Herrn angefangen, doch sie hatten die Kosten nicht richtig überschlagen und nach kurzer oder längerer Zeit das Handtuch geworfen. Timotheus nicht. Das kam auch durch die enge Verbindung mit Paulus. Es ist herrlich, darin ein harmonisches Zusammengehen eines älteren und eines jüngeren Gläubigen zu sehen. Sie hatten noch nie von einem Generationskonflikt gehört. Den gibt es auch nicht, wenn die Herzen der Alten und der Jungen von der Gesinnung Christi erfüllt sind.
Die Treue des Timotheus kam auch aus seiner Liebe zu Paulus hervor. Ich denke, dass es auch heute einfacher ist, bei Gegenwind standhaft zu bleiben und treu weiterzumachen, wenn Liebe zu „Paulus“ da ist. Ich meine damit die Liebe zu den Briefen, die er geschrieben hat, nämlich dass man dazu die Haltung eines Kindes einnimmt. Ein Kind ist lernbegierig und handelt danach. Ein Kind diskutiert nicht und verhält sich auch nicht naseweis. Das Vater-Kind-Verhältnis verleiht der Arbeit, die getan werden muss, Inhalt und Kraft und formt das Kind.
Timotheus war so weit, dass Paulus ihn senden konnte, damit er in Philippi selbständig eine Arbeit verrichtete. Er war nicht nur selbständig, er tat es auch in der gleichen Gesinnung wie Paulus. Wenn Timotheus bei ihnen wäre, wäre das genauso, als wäre Paulus bei ihnen. Er stellte Timotheus auf eine Linie mit sich selbst.
V23–24. Paulus hat allerdings noch einen kleinen Vorbehalt, was die Sendung von Timotheus betrifft. Er möchte erst etwas mehr Klarheit über seine eigene Situation haben. Das betrifft seine Gefangenschaft. Wenn das geklärt ist, wird er Timotheus senden. Und er vertraut darauf, dass der Herr ihm die Gelegenheit geben wird, im Kielwasser von Timotheus zu ihnen zu kommen. Er sagt ihnen das schon mal, damit sie sich auf den Besuch ihres geliebten Paulus freuen können. Sein Herz sehnt sich nach ihnen, und er weiß, dass ihre Herzen sich nach ihm sehnen. Wenn Herzen zueinander verlangen, legt man das dem Herrn vor und bittet Ihn, dieses Verlangen zu erfüllen.
Lies noch einmal Philipper 2,17–24.
Frage oder Aufgabe: Woran erkennt man in diesem Abschnitt, dass Paulus dem Herrn Jesus sehr ähnlich ist?
25 - 30 „Das Werk Christi“
25 Ich habe es aber für nötig erachtet, Epaphroditus, meinen Bruder und Mitarbeiter und Mitstreiter, aber euren Abgesandten und Diener meines Bedarfs, zu euch zu senden, 26 da ihn ja sehnlich nach euch allen verlangte und er sehr beunruhigt war, weil ihr gehört hattet, dass er krank war. 27 Denn er war auch krank, dem Tod nahe; aber Gott hat sich über ihn erbarmt, nicht aber über ihn allein, sondern auch über mich, damit ich nicht Traurigkeit auf Traurigkeit hätte. 28 Ich habe ihn nun desto eiliger gesandt, damit ihr, wenn ihr ihn seht, wieder froh werdet und ich weniger betrübt sei. 29 Nehmt ihn nun auf im Herrn mit aller Freude und haltet solche in Ehren; 30 denn um des Werkes willen ist er dem Tod nahe gekommen, indem er sein Leben wagte, damit er den Mangel in eurem Dienst für mich ausfüllte.
V25. Die Liebe des Paulus zu den Philippern kann man also daran erkennen, dass er Timotheus bald senden würde. Es könnte allerdings noch etwas dauern, bis Timotheus tatsächlich abreiste. Doch gab es jemand anders, den er inzwischen senden konnte, nämlich Epaphroditus. Paulus erachtete es „für nötig“, ihn zu senden. Das heißt, dass er eine klare Veranlassung sah, ein Bedürfnis, dem entsprochen werden musste. Etwas weiter nennt er den Anlass. Zunächst aber sagt er einige Dinge über Epaphroditus. Über ihn wissen wir nicht mehr als das, was wir in diesem Brief von ihm hören, und zwar in diesem Abschnitt und in Kapitel 4 (Phil 4,18). Aus dem letzten Vers geht hervor, dass die Philipper ihre Gabe für Paulus durch Epaphroditus geschickt hatten. Sein Name bedeutet „lieblich, anziehend“. Dieser Name passt gut zu dem Bild, das wir von ihm erhalten. Die Bezeichnungen, die Paulus für ihn gebraucht, geben von diesem Gläubigen das Bild einer Person, die in allen Bereichen ihres Lebens Christ ist. Er strahlte das im Kreis der Familie Gottes aus („Bruder“); er strahlte es auch im Dienst für den Herrn in der Welt aus („Mitarbeiter“); und darüber hinaus in dem Kampf, den eine treue und überzeugte Verkündigung des Evangeliums immer mit sich bringt („Mitstreiter“). Außerdem war er ein Mann, der die Kontakte zwischen einer örtlichen Gemeinde und einem Diener an einem anderen Ort aufrechterhielt.
Paulus war kein Mann, der billige Komplimente machte. Was er von Epaphroditus sagte, zeigte, was für ein Mann er war. Bei den vorigen Beispielen könntest du noch denken: Damit kann ich mich nicht vergleichen. Ich kann mich nicht mit dem Herrn Jesus vergleichen, Er übersteigt alles und jeden. Ich kann mich auch nicht mit Paulus vergleichen. Das war so ein begnadeter Mann, der solch eine besondere Stellung hatte. Und mit Timotheus kann ich mich eigentlich auch nicht vergleichen; er hatte das große Vorrecht, in der direkten Umgebung von Paulus zu leben, um dort zu sehen, wie wirkliches Christenleben aussieht. Doch jetzt Epaphroditus. Das war jemand wie du und ich, das heißt, von ihm werden Dinge gesagt, die auch von uns gesagt werden müssten. Mit Epaphroditus wird uns also ein Spiegel vorgehalten. Wenn du denkst, dass du an die vorhergehenden Beispiele nicht heranreichst (obwohl sie doch gegeben werden, dass du dich daran orientierst), dem Beispiel von Epaphroditus kannst du sehr wohl nacheifern.
Das Erste, was von ihm gesagt wird, gilt in jedem Fall für dich. Du bist durch den Glauben an den Herrn Jesus ein „Bruder“ – oder eine „Schwester“ – all derer, die durch denselben Glauben an den Herrn Jesus Leben aus Gott haben. Es ist etwas ganz Großes, das wissen zu dürfen. Dazu gehört natürlich, dass du dich auch so benimmst. Ist es nicht herrlich, dich mit allen Kindern Gottes eins zu wissen, mit dieser einzigartigen Gemeinschaft, die zwar in der Welt, aber nicht von der Welt ist? Für Epaphroditus blieb es nicht dabei. Er zog sich nicht weltfremd mit einem Buch in den Sessel zurück, um sich dort an dem gewaltigen Segen zu ergötzen, ein „Bruder“ zu sein. Er hatte offene Augen und sah die Not in der Welt und unter den Gläubigen und den Arbeitern des Herrn. Er war auch ein „Mitarbeiter“ von Paulus in der Verkündigung des Evangeliums. Paulus nennt ihn nicht „Arbeiter“, sondern „Mitarbeiter“. Er arbeitete nicht allein vor sich hin, sondern suchte die Gemeinschaft in der Arbeit mit Paulus. Er setzte sich für das Werk des Herrn ein. Er ging dabei dem Kampf, den das mit sich brachte, nicht aus dem Weg. Das Werk des Herrn bestand für ihn nicht im Ausführen von allerlei nur angenehmen Arbeiten. Wer wirklich für den Herrn arbeitet, wird den Widerstand Satans auf alle Weise zu spüren bekommen. Das war für Paulus so, das war für Epaphroditus so, und das wird für dich auch so sein, wenn du überströmend im Werk des Herrn sein willst (1Kor 15,58). Mit solchen Menschen konnte Paulus etwas anfangen. Mit solchen Menschen kann der Herr auch heute etwas anfangen. Es ist zu befürchten, dass diese Menschen sparsam gesät sind. Dennoch wird es von uns gesagt werden können, wenn wir all dem nacheifern, was wir von Paulus über seine Lehre, seine Lebensweise und seinen Dienst im Neuen Testament finden.
Epaphroditus ist darüber hinaus auch noch ein Botschafter (Gesandter). Die Gemeinde in Philippi hatte ihn mit einem Auftrag ausgesandt. Er hatte diesen Auftrag angenommen. Über seine familiäre Situation wird nichts gesagt. Wir wissen nicht, ob er verheiratet war. In jedem Fall musste er alles, was ihm vertraut war, zurücklassen und eine in jenen Tagen weite und gefährliche Reise machen. Aber er tat das, weil seine Mitgeschwister ihn darum gebeten hatten. Sein Auftrag bestand darin, Paulus, der in Rom in Gefangenschaft war, im Namen der Gläubigen in Philippi eine Gabe zu überbringen. Durch das Übergeben der Gabe war er ein „Diener des Bedarfes“ des Paulus. Mit dem Wort „Diener“ will Paulus sagen, dass er ihre Gabe als ein Opfer annahm. Es ist wirklich sehr schön, jede materielle Gabe so zu betrachten: als eine Darbringung, durch die du deine Wertschätzung für den anderen zum Ausdruck bringst.
V26. Anschließend legt Paulus noch ein großartiges Zeugnis von Epaphroditus ab, worin das Band der Liebe zwischen Epaphroditus und den Philippern besonders schön zum Ausdruck kommt. Epaphroditus war krank gewesen. Davon hatten sie in Philippi gehört. Jetzt war Epaphroditus über die Wirkung der Nachricht von seiner Krankheit besorgt. Er war so von der Liebe seiner Mitgläubigen überzeugt, dass er wusste, wie gespannt sie über den Ausgang seiner Krankheit waren. Er wollte sie daher schnell wissen lassen, wie es um ihn stand. Auch er war jemand, der nicht seine eigenen Interessen suchte, sondern nur die der anderen.
V27. Paulus nimmt kein Blatt vor den Mund. Epaphroditus war wirklich todkrank gewesen. Auch Paulus hatte sich über den Verlauf ernsthaft Sorgen gemacht. Würde er einen geschätzten Mitarbeiter verlieren? Einen Mann, der ganz für den Herrn und die Seinen lebte? Sie sind schon so dünn gesät! Dieser Gedanke fügte den vielen Traurigkeiten, die er wegen so vieler Dinge hatte, die sich in den Gemeinden abspielten, eine weitere Traurigkeit hinzu. Er spricht sogar von „Traurigkeit auf Traurigkeit“. Es war keine Traurigkeit wegen des Nutzens, den er durch den Tod von Epaphroditus verlieren würde, sondern wegen des Dienstes, den die Gemeinden dadurch verlieren würden. Die Wiederherstellung des Epaphroditus war für Paulus ein Beweis des Erbarmens Gottes, sowohl über Epaphroditus als auch über ihn selbst. Gott hatte Epaphroditus gesund gemacht, nicht Paulus, obwohl er das hätte tun können (Apg 19,11.12). Sogar der größte Heiler, den die Gemeinde je gekannt hat, überließ das Gott. Er ging nicht davon aus, dass Krankheit immer als Folge der Sünde bekämpft werden musste. Gott hat seine Absicht damit, und Paulus unterwarf sich dem (vgl. 2Tim 4,20).
V28. Er wusste also, was es bedeutete, sich um Epaphroditus zu sorgen, und er kannte auch aus Erfahrung die große Erleichterung durch die Wendung, die Gott zum Guten bewirkt hatte. Daran sollten die Philipper sich ebenfalls so schnell wie möglich erfreuen. Deshalb spornte er Epaphroditus zur Eile an, nach Philippi zu reisen. Das würde sie erfreuen und ihn weniger traurig machen.
V29. Er ermahnte die Philipper, diesen Mann ihrerseits auf eine Weise zu empfangen, die dazu passte, was er für den Herrn bedeutete. Es sollte auch nicht bei einer flüchtigen Ehrerweisung bleiben. Wir vergessen oft schnell, was jemand für den Herrn getan hat. Menschen wie Epaphroditus sollten wir als ein großes Geschenk vom Herrn betrachten. Sie sind selten, jedoch auch heute noch zu finden. Mehr noch: Auch du kannst einer sein oder werden. Wenn du solche Menschen ehrst, geschieht das, weil ihr Leben dich anspricht.
V30. Es kann nicht anders sein, als dass dann auch das Verlangen bei dir aufkommt, so zu leben. Solch ein Leben befindet sich im Bereich deiner Möglichkeiten. Es bedeutet, dein Leben nicht zu lieben bis zum Tod (Off 12,11), indem du dich völlig für das Werk Christi einsetzt. Dabei suchst du das Wohlergehen deiner Brüder. Bruderliebe ist bereit, das Leben für die Brüder hinzugeben (1Joh 3,16).
So war es bei Epaphroditus gewesen. Paulus’ Worte scheinen darauf hinzuweisen, dass seine Krankheit mit seiner Reise in Verbindung stand. Diese Reise hatte er im Auftrag der Gemeinde in Philippi gemacht. Er kam, um Paulus ihre Gabe zu bringen. Damit ergänzte er das, was am Dienst der Philipper gegenüber Paulus noch fehlte. Um das zu tun, hatte Epaphroditus sein Leben gewagt und aufs Spiel gesetzt (Ri 5,18). Dein Leben ist dein wertvollster Besitz. Wenn du das aufs Spiel setzt, heißt das, etwas zu wagen, wobei du unsicher über den Ausgang bist. Dennoch tust du es im Hinblick auf den vollen Gewinn, den es bringen kann. Das einzige Motiv, das einen zu so einem Wagnis veranlassen kann, ist die Liebe (1Joh 3,16; 1Thes 2,8).
Soeben schien es mit Epaphroditus nicht gut zu gehen. Gott hat jedoch durch seine Wiederherstellung gezeigt, wie sehr Er seinen Einsatz geschätzt hat. Es war ja ein Ausdruck der Gesinnung Christi, der niemals sich selbst suchte, sondern bis zum Tod gehorsam wurde, ja, bis zum Tod am Kreuz.
Am Dienst der Philipper scheint doch noch etwas gefehlt zu haben. Was das genau war, steht nicht dabei. Paulus tadelt das nicht. Auf eine Weise, die zum herzerwärmenden Tonfall dieses Briefes passt, sagt Paulus, dass der Dienst von Epaphroditus das Fehlende ausgefüllt hat. Von dieser Art des Ermahnens können wir viel lernen.
Lies noch einmal Philipper 2,25–30.
Frage oder Aufgabe: Willst du jemand werden, der Epaphroditus gleicht? Warum oder warum nicht? Wenn ja, was ist in deinem Fall dazu erforderlich? (Zögere nicht, andere um Rat zu fragen.)