1 - 6 „Predige das Wort“
1 Ich bezeuge ernstlich vor Gott und Christus Jesus, der richten wird Lebende und Tote, und bei seiner Erscheinung und seinem Reich: 2 Predige das Wort, halte darauf zu gelegener und ungelegener Zeit; überführe, weise ernstlich zurecht, ermahne mit aller Langmut und Lehre. 3 Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen werden, sondern nach ihren eigenen Begierden sich selbst Lehrer aufhäufen werden, indem es ihnen in den Ohren kitzelt; 4 und sie werden die Ohren von der Wahrheit abkehren, sich aber zu den Fabeln hinwenden. 5 Du aber sei nüchtern in allem, leide Trübsal, tu das Werk eines Evangelisten, vollführe deinen Dienst. 6 Denn ich werde schon als Trankopfer gesprengt, und die Zeit meines Abscheidens ist gekommen.
V1. In den vorhergehenden Versen hat Paulus Timotheus auf die Situation in der Christenheit hingewiesen. Es war nicht zu erwarten, dass sie sich bessern würde, eher war eine Verschlechterung zu erwarten. Nach vielen Jahrhunderten Kirchengeschichte hat sich das auch erwiesen. Doch Paulus hat Timotheus auch auf Hilfsquellen für diese schweren Zeiten hingewiesen. Das hat er auf eine Weise getan, aus der du auch für dich Nutzen ziehen kannst. Nun kann und muss Timotheus ans Werk gehen. Auf eindringliche Weise stellt er Timotheus in die Gegenwart Gottes und Jesu Christi. Diese Gegenwart war für Paulus eine Wirklichkeit. Er lebte vor dem Angesicht Gottes und Jesu Christi und nicht vor den Augen der Menschen. Darin glich er Elia, der vor König Ahab sagen konnte: „… der Gott Israels, vor dessen Angesicht ich stehe“ (1Kön 17,1). Dieses Bewusstsein will er auch Timotheus vermitteln und ebenso dir.
Die Art und Weise, wie Paulus Christus Jesus und Gott miteinander verbindet, zeigt, dass Christus Gott ist. Im Anschluss daran sagt er drei Dinge von Christus, die damit zu tun haben, dass Er Mensch geworden ist. Zuallererst wird gesagt, dass Er „richten wird Lebende und Tote“. Gott, der Vater, „hat ihm Gewalt gegeben, Gericht zu halten, weil er des Menschen Sohn ist“ (Joh 5,27). Danach wird Er sichtbar als Mensch erscheinen. Und schließlich wird Er sein Reich errichten.
Das Gericht über Lebende und Tote wird Christus zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Gelegenheiten ausführen. Die Lebenden wird Er richten, wenn Er als Mensch auf der Erde erscheinen und auf dem Thron seiner Herrlichkeit sitzen wird. Die auf der Erde lebenden Völker werden dann vor Ihm erscheinen und von Ihm gerichtet werden (Mt 25,31–46). Die Toten wird Er nach seiner 1000-jährigen Herrschaft richten, wenn Er auf dem großen weißen Thron sitzt (Off 20,11.12).
Der Ordnung halber sei noch eben auf die Reihenfolge der Ereignisse hingewiesen, die in diesem Vers genannt werden:
1. Zunächst erscheint der Herr Jesus auf der Erde,
2. dann richtet Er die Lebenden,
3. anschließend errichtet Er sein Reich und regiert 1000 Jahre,
4. danach richtet Er schließlich die Toten.
Der Vollständigkeit halber erwähne ich noch eine Gerichtssitzung, die vor den beiden genannten stattfindet: Es ist eine Gerichtssitzung direkt nach der Entrückung der Gemeinde (2Kor 5,10). Dort empfängt der Gläubige Lohn entsprechend seiner Treue, in der er dem Herrn hier auf der Erde gedient hat.
Wie gesagt, wird der Ernst des Auftrags, der zu erfüllen ist, dadurch unterstrichen, dass Paulus dies hier vor dem Angesicht der beiden göttlichen Personen und angesichts der drei kommenden Ereignisse bezeugt. Doch darin liegt auch eine große Ermutigung: Du darfst wissen, dass die schwierigen Verhältnisse enden, wenn der Herr Jesus, der jetzt noch verworfen ist, in Macht und Herrlichkeit wiederkommen wird. Der Gedanke, dass Er kommt, um Gericht auszuüben, macht dich frei von Menschen und befreit dich von Menschenfurcht.
V2. Auf dem Hintergrund von Vers 1 folgt dann in Vers 2 der Auftrag. Der Gedanke an seine Erscheinung soll dich nicht lähmen, sondern dich anspornen, umso eifriger zu sein. Wenn Christus wiederkommt, kommt Er mit seinem Lohn (Off 22,12), der am Richterstuhl festgelegt wird. Dieser Lohn muss auf der Erde verdient werden. Du empfängst ihn, wenn du unter Einsatz all deiner Kräfte mit ganzem Eifer und in völliger Hingabe an den Herrn das tust, was Er von dir erwartet. Mit entsprechenden Worten teilt Paulus Timotheus mit, was von ihm erwartet wird. Es geht um eine Sache: „Predige das Wort.“ Nachdem in den Schlussversen von Kapitel 3 das Wort Gottes als das Mittel vorgestellt wurde, durch das der Mensch Gottes zugerüstet wird, muss es nun gepredigt werden. Das ist zu allen Zeiten dringend nötig, ganz besonders aber dann, wenn die Gemeinde in Verfall geraten ist. „Predigen“ bedeutet hier „öffentlich proklamieren“, wie das ein kaiserlicher Herold tat. Die Botschaft, die verkündet werden sollte, dachte sich ein Herold nicht selbst aus. Der Botschaft eines Herolds kein Gehör zu schenken, war eine ernste Angelegenheit.
Timotheus musste innerlich immer bereit sein, das Wort, also die gesamte Wahrheit, die Gott offenbart hat, weiterzugeben. Dazu musste er zu jeder Zeit bereit sein (vgl. 1Pet 3,15), ob es ihm gerade gelegen kam oder nicht, ob die Umstände nun günstig waren oder nicht. Er sollte auch überführen, also einen überzeugenden Beweis für das Verkehrte in Lehre und Leben liefern (vgl. Joh 16,8). War der Beweis gegeben, sollte er ernstlich zurechtweisen. Dieses Zurechtweisen oder An-den-Pranger-Stellen war ein öffentliches Bezeichnen, das deutlich machen sollte, wie verkehrt die betreffende Person geredet oder gehandelt hatte.
Dazu gehört Mut, aber auch die richtige Gesinnung. Wenn man gegen Böses auftritt und Warnungen ausspricht, um Böses zu verhindern, muss das mit Langmut und Selbstbeherrschung geschehen und nicht im Jähzorn. Man muss auch Belehrung damit verbinden. Sowohl beim Überführen und Zurechtweisen als auch beim Belehren muss die Lehre der Schrift angewandt werden. Das ganze Vorgehen muss von der Schrift her begründet werden können.
Es ist immer äußerst wichtig, auf der Grundlage der Schrift zu handeln. Je weiter die Zeit voranschreitet, desto wichtiger wird das. Ich hoffe, dass das auch dein inneres Anliegen ist oder noch wird. Jedenfalls liegt es nicht an Paulus, wenn das an dir vorbeigeht.
V3. Er weist auf eine Zeit hin, wo Menschen, und zwar vornehmlich Namenschristen, die gesunde Lehre nicht mehr ertragen werden. In dieser Zeit sind wir mittlerweile voll angekommen.
Erzähle Namenschristen einmal etwas von der „gesunden Lehre“, zum Beispiel über die Ehe. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie dich auslachen, als altmodisch abstempeln und deine Vorstellungen als überholt bezeichnen. Sie verwerfen damit eine Lehre, die in sich und in ihren Auswirkungen gesund ist. Sie entscheiden sich für ein freies Ausleben der Sexualität. Dass dadurch eine Krankheit wie Aids entstanden ist und sich weiter ausbreitet, wollen sie nicht begreifen. Sie veranstalten lieber jährlich einen „Aidstag“, um die Aufmerksamkeit auf das Problem zu richten, und geben Geld aus, um die Krankheit selbst in den Griff zu bekommen. Aber das Problem an der Wurzel anzufassen und in dieser Hinsicht gesund zu leben, nämlich in Übereinstimmung mit der gesunden Lehre – dafür haben sie kein Ohr.
Im Gegenteil, sie richten ihre Ohren auf solche Lehrer aus, die das sagen, was sie gern hören wollen und deren Reden ihren Ohren schmeicheln. Sie kennen etliche von solchen Leuten. An Abwechslung fehlt es nicht. Eine Gemeinde wählt oder beruft dann einen Prediger, der es schön zu bringen weiß. Der Wahrheitsgehalt ist nicht wichtig, Hauptsache, es bietet geistliche Zerstreuung und streichelt das spirituelle Empfinden. Dasselbe gilt für Menschen, die Rednern nachlaufen, weil sie so schön predigen, ohne sich dabei zu fragen, ob die Predigt wohl biblisch ist.
V4. Die Folge davon ist, dass solche Leute sich innerlich verschließen, wenn sie wirklich einmal mit der Wahrheit in Berührung kommen. Sie wollen die Wahrheit überhaupt nicht hören, sondern kehren ihre Ohren bewusst und immer wieder von der Wahrheit ab.
Die automatische Folge ist, dass sie sich dem Einfluss von Fabeln (wörtlich „Mythen“) aussetzen. Das ist schon ziemlich ironisch, wenn man daran denkt, dass moderne liberale Theologen damit beschäftigt sind, die Bibel zu „entmythologisieren“, d. h. sogenannte Mythen in der Bibel aufzuspüren, um die Bibel dadurch ihrer Kraft zu berauben. Sie stempeln die Wunder der Bibel als Mythen ab und stellen sie als Märchen hin. Doch indem sie sich von der Wahrheit abwenden, nehmen sie selbst zu Mythen Zuflucht.
Alle Äußerungen moderner Denker und Prediger, die sich bei ihren Behauptungen auf die Wissenschaft berufen, tut Paulus mit einem Wort ab: Fabeln. Ein Beispiel aus jüngerer Zeit für eine Fabel oder einen Mythos ist das Buch Sakrileg – Der Da Vinci Code – ein Buch voller unsinniger religiöser Mysterien, Wahrheitsverdrehungen und lästerlicher Behauptungen über den Herrn Jesus. Dieses Buch, das auch verfilmt wurde, hat Millionen in seinen Bann gezogen. Es ist mehr als 36 Millionen Mal über den Ladentisch gegangen und in mehr als 40 Sprachen übersetzt worden. Ist es nicht schockierend, dass die Menschen sich so massiv den Fabeln zuwenden? Damit wird die Annahme des Antichrists vorbereitet, zu der es kommen wird, sobald sich dieser offenbart.
V5. Das „Du aber“ erklingt nun zum dritten Mal. Paulus warnt dich davor, dich von dieser starken antichristlichen Strömung mitreißen zu lassen. „Sei nüchtern“ in deinem Denken. Sorge dafür, dass du frei bleibst von verkehrten Einflüssen, denn die hindern dich daran, einen nüchternen und biblischen Blick für alle Dinge zu behalten. Sei nicht leichtgläubig und lass dich nicht für Ideen begeistern, die nicht in der Wahrheit begründet sind. Triff deine Entscheidungen wohlüberlegt. Überdenke alles im Gebet vor dem Herrn und befrage immer sein Wort. Sei bereit, die Konsequenzen einer solchen Lebenshaltung auf dich zu nehmen und deswegen Bedrängnis zu erleiden. Für dein Zeugnis für die Wahrheit wirst du keinen Dank ernten. Hab Mitleid mit den verlorenen Menschen und tu das Werk eines Evangelisten.
Versteck dich also nicht hinter dem Gedanken, möglicherweise nicht die Gabe eines Evangelisten zu haben. Darum geht es hier nicht. Es geht hier darum, dass du auf den Heiland hinweist, wo immer du Gelegenheit dazu hast. Timotheus hatte einen umfangreichen Dienst. Er sollte ihn in jeder Hinsicht voll erfüllen, so dass nichts ungetan blieb. Auch von dir erwartet der Herr, dass du das, was Er dir aufgetragen hat, völlig erfüllst. Dabei darfst du wissen, dass der Herr, wenn Er dir eine Aufgabe gibt, dir auch die Kraft und die Mittel dazu gibt.
V6. Paulus drängt Timotheus zu all diesen Dingen, weil er selbst bald von der Bildfläche verschwinden würde. Sein Abscheiden sollte für Timotheus ein besonderer Ansporn sein, seinen Dienst zu erfüllen. Nun müsste er ganz zur Stelle sein, doch er konnte sich dabei auf das Fundament stützen, das der Apostel gelegt hatte. Paulus vergleicht sein Abscheiden mit dem Ausgießen eines Trankopfers (Phil 2,17). Ein Trankopfer wurde dem Brandopfer, das das Hauptopfer war, hinzugefügt. Sein ganzes Leben im Dienst für den Herrn war ein Leben völliger Hingabe und in diesem Sinn ein Brandopfer.
Wo er jetzt nun davorstand abzuscheiden, sah er dies als ein Trankopfer an. Ein Trankopfer bestand aus Wein und spricht daher von Freude. Er wusste, dass er in die Freude seines Herrn eingehen würde (Mt 25,21). Das Wort „abscheiden“ bedeutet eigentlich „losgemacht werden“ (Phil 1,23) und weist darauf hin, dass eine Verbindung gelöst wird. Paulus sah nicht die Hinrichtung, sondern die Befreiung! Dass diese bevorstand, war für ihn eine Freude.
Lies noch einmal 2. Timotheus 4,1–6.
Frage oder Aufgabe: Tust du das Werk eines Evangelisten?
7 - 15 Persönliche Umstände
7 Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt; 8 fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit, die der Herr, der gerechte Richter, mir zur Vergeltung geben wird an jenem Tag; nicht allein aber mir, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieben. 9 Befleißige dich, bald zu mir zu kommen; 10 denn Demas hat mich verlassen, da er den jetzigen Zeitlauf lieb gewonnen hat, und ist nach Thessalonich gegangen, Kreszens nach Galatien, Titus nach Dalmatien. 11 Lukas ist allein bei mir. Nimm Markus und bring ihn mit dir, denn er ist mir nützlich zum Dienst. 12 Tychikus aber habe ich nach Ephesus gesandt. 13 Den Mantel, den ich in Troas bei Karpus zurückließ, bring mit, wenn du kommst, und die Bücher, besonders die Pergamente. 14 Alexander, der Schmied, hat mir viel Böses erwiesen; der Herr wird ihm vergelten nach seinen Werken. 15 Vor ihm hüte auch du dich, denn er hat unseren Worten sehr widerstanden.
V7. Paulus blickt auf seinen Dienst zurück. Da gibt es nichts, was er zu bedauern hätte. Was er in der Vergangenheit getan hat, hat nichts an Wert eingebüßt. Er spricht nicht wie ein abgekämpfter Kämpfer, der froh ist, dass er das Ziel erreicht hat. Es ist der Freudenschrei eines Siegers. Wenn er davon spricht, dass er den guten Kampf gekämpft hat, liegt die Betonung nicht auf den Beschwerden, der Anstrengung und der Entbehrung, die dieser Kampf mit sich bringt. Für ihn liegt die Betonung auf dem Vorrecht, an einem solch erhabenen Kampf teilnehmen zu dürfen. Der Kampf ist hier der Kampf eines Sportlers.
Auch der „Lauf“ ist ein Ausdruck aus dem Sport. Dabei geht es um einen Wettlauf. Das Rennen ist gelaufen. Er ist völlig davon überzeugt, dass er das Ziel erreicht hat. In Apostelgeschichte 20,24 spricht er ebenfalls von einem „Lauf“ (Apg 20,24; vgl. Phil 3,13.14). Dort schaut er nach vorne, während er hier zurückblickt und sieht, dass er das Ziel, das er sich gesteckt hat, auch erreicht hat. Am Ziel angekommen, stellt er fest, dass er unterwegs über die gesamte Glaubenswahrheit gewacht und sie gegen zahllose Angriffe verteidigt hat. Von allem, was der Herr ihm anvertraut hatte, hat er nichts verloren.
V8. Jetzt bleibt ihm nur noch, die Krone in Empfang zu nehmen. Er gleicht hier dem Wettkämpfer, der gewonnen hat und jetzt zum Siegerpodest blickt, wo er den Preis in Empfang nehmen darf. Er wird ihn aus den Händen des Herrn erhalten, des vollkommen gerechten Richter, der alle seine Motive und seine Mühen völlig kennt und sie wirklich zu schätzen und würdig zu belohnen weiß. Die Belohnung besteht darin, dass der Herr Jesus öffentlich anerkennen wird, dass Paulus als ein Gerechter inmitten von so viel Ungerechtigkeit gelebt hat.
In seinem Leben hat er in der Nachfolge seines Meister wie ein Ungerechter gelitten. An „jenem Tag“, das ist der Tag, an dem der Herr Jesus auf dem Richterstuhl Platz nehmen und alles offenbar machen wird (1Kor 4,4; 2Kor 5,10). Diese großartige Aussicht hielt Paulus nicht nur aufrecht, er verlangte auch sehnsüchtig danach.
Er fügt hinzu, dass das nicht nur für ihn galt, sondern auch für dich gilt, sofern auch du die Erscheinung des Herrn Jesus liebst und sie sehnsuchtsvoll erwartest. Ist es nicht schön, zu sehen, dass Paulus auch an andere denkt, trotz seiner bedauernswerten Umstände und der Erwartung des Märtyrertodes? Bei seiner Erscheinung wird der Herr Jesus vor der Welt offenbar (vgl. Vers 1).
Es ist natürlich überwältigend, zu wissen, dass Er zuerst wiederkommen wird, um die Gemeinde zu sich zu nehmen. Doch die Welt versinkt immer mehr in Gottlosigkeit. Wenn Er erscheint, wird Er dem allen ein Ende machen, denn Er wird alle Gottlosigkeit richten. Danach wird Er seinen Plan mit der Erde ausführen, die der Ort ist, wo Er regieren wird. Was wird es eine Freude für Ihn sein, auf der Erde zu regieren, dort, wo Er verworfen und ermordet wurde und wo Er auch heute noch verworfen ist! Er nimmt dann die Erde für Gott in Besitz, damit Gott hier geehrt wird. Solltest du das nicht sehnlichst erwarten?
V9. Die Sehnsucht nach der Erscheinung des Herrn führte bei Paulus nicht dazu, dass ihm menschliche Hilfe gleichgültig wurde. Er sehnte sich danach, dass Timotheus zu ihm kam, und bat ihn, so schnell wie möglich zu ihm zu kommen und alles daranzusetzen, um sein Kommen zu ermöglichen. Er hatte das Bedürfnis, jemanden bei sich zu haben, mit dem er die Gefühle seines Herzens teilen konnte und von dem er wusste, dass er sie verstehen würde.
V10. Demas ist der erste von siebzehn Namen, die Paulus in diesem Kapitel erwähnt. Obwohl seine Tage gezählt waren, dachte er an andere. Mit Schmerz im Herzen erwähnt er Demas. Auch in zwei früheren Briefen, die er während seiner ersten Gefangenschaft schrieb, erwähnt er Demas (Kol 4,14; Phlm 1,24). Danach schien er jemand zu sein, der Paulus begleitete und ihm half. Offensichtlich war aber sein Herz nicht ungeteilt auf den Herrn gerichtet. Hier steht nicht, dass Demas nicht länger ein Christ war oder den Herrn öffentlich verworfen hatte. Aber er war in seinem Herzen nicht bereit, mit dem Apostel das Kreuz zu tragen. Er gewann die Welt lieb und sagte Paulus Lebewohl. Wenn du nicht bereit bist, den Preis von Entbehrungen und Leiden zu bezahlen, wirst du das Werk des Herrn zugunsten des jetzigen Zeitlaufs vernachlässigen.
Damit soll nicht direkt gesagt werden, dass Demas angefangen hatte, ein liederliches Leben zu führen, sondern dass er seine Zukunft in der Welt sah. Vielleicht hatte er einen durchaus ehrbaren Beruf gewählt, der ihn aber völlig in Beschlag nahm. Er war nach Thessalonich gereist. Dort gab es eine gesunde Gemeinde. Daran war er allerdings nicht sonderlich interessiert. Er suchte dort die Welt und nicht die Geschwister. Seine Liebe zur Welt steht in scharfem Kontrast dazu, die Erscheinung des Herrn Jesus in Vers 8 zu lieben. Darin liegt die Warnung, dich nicht von einer Liebe zum Gegenwärtigen leiten zu lassen, sondern von der Liebe zum Zukünftigen. Wenn du dich in der gegenwärtigen Zeit so richtig wohl fühlst, wirst du dich nicht nach der kommenden Zeit sehnen, wo Christus regieren wird.
Vor allem für junge Leute hat die Welt eine starke Anziehungskraft. Gerade sie warnt Johannes, nicht die Welt zu lieben noch was in der Welt ist (1Joh 2,15). Die Welt besteht nicht nur aus allerlei Formen der Zügellosigkeit, Lüste und Begierden. Es ist die Welt, so wie sie durch den Sündenfall geworden ist, in der die Menschen beschäftigt sind und leben, ohne sich um Gott zu kümmern. Das betrifft auch solche Menschen, die nur noch Arbeit kennen, um Karriere zu machen, oder Dinge zu erfinden, die die Lebensqualität verbessern. Sie bekommen viel Ansehen. Doch wenn für Gott dabei kein Platz ist, ist das Welt.
Paulus nennt noch zwei andere Personen, Kreszens und Titus. Auch sie haben ihn verlassen. Von ihnen wird aber nicht gesagt, dass sie ihn im Stich gelassen hätten. Höchstwahrscheinlich sind sie in eine andere Gegend gezogen, um dort dem Herrn zu dienen. Von Kreszens wissen wir nicht mehr, als was hier steht. Von Titus wissen wir mehr, weil Paulus ihm einen Brief geschrieben hat, der in der Bibel direkt auf den zweiten Brief an Timotheus folgt.
V11. Obwohl diese beiden ihn nicht wie Demas im Stich gelassen hatten, fühlte Paulus sich doch allein. Es war nicht nur so, dass die meisten Christen sich von ihm abgewandt hatten (2Tim 1,15), auch seine Mitarbeiter waren weggegangen. Einer war jedoch noch bei ihm: Lukas. Aus welchem Grund die anderen auch weggezogen sein mochten, Lukas hatte ihm das durch seine Anwesenheit erleichtert.
Paulus legte auch Wert darauf, dass Timotheus Markus mitbrachte. Wahrscheinlich konnte Timotheus Markus unterwegs irgendwo auflesen. Was Paulus über Markus sagt, zeigt, dass er bei Markus eine Wiederherstellung seiner Beziehung zum Herrn erkennen konnte. Markus hatte Paulus nämlich auch einmal verlassen, nachdem er Paulus zunächst begleitet hatte (Apg 12,25; 13,13). Der Preis, dem Herrn gemeinsam mit Paulus nachzufolgen, war ihm zu hoch geworden. Seine Haltung wurde sogar die Ursache für eine Entzweiung von Paulus und Barnabas (Apg 15,36–39).
Es kam jedoch ein Augenblick, wo es Markus bewusst wurde, dass er eine verkehrte Entscheidung getroffen hatte. Er entschied sich wieder für den Herrn. Dadurch wurde die gestörte Beziehung wiederhergestellt und Markus wurde wieder „nützlich zum Dienst“. Die Art und Weise, wie Paulus über ihn schreibt, lässt vermuten, dass Markus nun mit noch größerem Eifer und größerer Hingabe nützlich sein wollte. Und ist es nicht ein bewundernswerter Beweis der Gnade des Herrn, dass dieser gescheiterte Diener den Dienst des vollkommenen Dieners im Markusevangelium beschreiben durfte? Der Herr gibt einem Diener, der versagt hat, immer die Chance zu einem Neuanfang.
V12. Die drei in Vers 10 genannten Brüder verließen den Apostel aufgrund eines eigenen Entschlusses. Bei Tychikus war das anders: Er wurde vom Apostel nach Ephesus geschickt. Tychikus war ein prächtiger Bruder, „der geliebte und treue Bruder“, wie Paulus ihn nennt (Kol 4,7). Er überbrachte die Briefe, die Paulus während seiner ersten Gefangenschaft an die Epheser und Kolosser geschrieben hatte (Eph 6,21; Kol 4,7.8).
V13. Seine Bitte um den Mantel und die Bücher zeigt erneut, dass Paulus ein normaler Mensch war. Er sorgte sowohl für seinen Leib als auch für seinen Geist. Es ist ein echt menschlicher Brief von jemandem, der ebenso Mensch ist wie wir auch, mit all seinen Bedürfnissen und Wünschen. Im Gefängnis konnte es kalt sein, und da konnte er seinen Mantel gut gebrauchen. Da der Winter vor der Tür stand (Vers 21), verlangte ihn ganz besonders nach seinem Mantel.
Paulus legte auch Wert auf die Bücher und die Pergamente. Das müssen nicht notwendigerweise die inspirierten Schriften sein. Er wird um die Bücher und Pergamente (die aus Tierhäuten hergestellt waren) gebeten haben, die für ihn Wichtiges enthielten. Die sollten seinen Geist beleben. Das werden keine Romane gewesen sein, wie sie heute oft aus einer vagen Erinnerung an die Bibel voll von unbiblischen Fantasien der Autoren sind.
V14. Paulus war auch nicht gleichgültig in Bezug auf das Böse, das andere ihm antaten. Da war zunächst Alexander, der Schmied. Körperlicher Kälte kann man mit einem Mantel begegnen, von diesem Mann aber ging geistliche Kälte aus, gegen die man sich nicht schützen kann. Worin das Böse bestand, das dieser Mann Paulus zugefügt hatte, lesen wir nicht. Vielleicht waren es falsche Anschuldigungen, die Paulus die Höchststrafe einbrachten. In jedem Fall war es „viel“ Böses. Trotzdem rief Paulus nicht nach Rache, sondern überließ die Vergeltung dem Herrn.
V15. Während Paulus das, was ihn selbst betraf, in die Hände des Herrn legte, warnte er Timotheus vor diesem Mann. Timotheus musste ja noch weitermachen, er stand noch mitten im Kampf. Wir müssen einander manchmal vor Menschen warnen, die dem Wort widerstehen. Er war ein gefährlicher Mann, der seine eigenen Worte für wichtiger hielt als die Worte der Schrift. Gleichzeitig werden wir dadurch geprüft, wie wir stehen und wie wir reagieren. Sie üben uns in Geduld.
Lies noch einmal 2. Timotheus 4,7–15.
Frage oder Aufgabe: Liebst du die Erscheinung des Herrn?
16 - 22 Der Beistand des Herrn und letzte Grüße
16 Bei meiner ersten Verantwortung stand mir niemand bei, sondern alle verließen mich; es werde ihnen nicht zugerechnet. 17 Der Herr aber stand mir bei und stärkte mich, damit durch mich die Predigt vollbracht würde und alle die aus den Nationen hören möchten; und ich bin gerettet worden aus dem Rachen des Löwen. 18 Der Herr wird mich retten von jedem bösen Werk und bewahren für sein himmlisches Reich; dem die Herrlichkeit sei von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. 19 Grüße Priska und Aquila und das Haus des Onesiphorus. 20 Erastus blieb in Korinth; Trophimus aber habe ich in Milet krank zurückgelassen. 21 Befleißige dich, vor dem Winter zu kommen. Es grüßt dich Eubulus und Pudens und Linus und Klaudia und die Brüder alle. 22 Der Herr Jesus Christus sei mit deinem Geist! Die Gnade sei mit euch!
V16. Diese zweite und gleichzeitig letzte Gefangenschaft von Paulus war besonders schwer. Während seiner ersten Gefangenschaft hatte er eine gewisse Freiheit, andere zu empfangen¸ auch durfte er ungehindert predigen und lehren (Apg 28,23.30.31). Nun war er allein, gefangen an einem Ort, den man nur mit Mühe finden konnte (2Tim 1,17). Als er das erste Mal verhört wurde, war niemand bei ihm, niemand, der sich für ihn eingesetzt und etwas zu seinen Gunsten gesagt hätte. Er war zwar in der Lage, sich zu verteidigen, hatte aber trotzdem das Bedürfnis nach Beistand. Doch jeder hatte Angst, mit ihm identifiziert zu werden. Das konnte sich sehr nachteilig auswirken, denn dann wussten die anderen, dass man auch solch ein Christ war. Paulus fühlte sich von ihnen ebenso im Stich gelassen wie von Demas.
Dennoch kam kein Tadel über seine Lippen. Er saß nicht verbittert da und forderte Timotheus nicht zu dem auf, was er ihm im Blick auf Alexander, den Schmied, gesagt hatte (Vers 15). Er betrachtete sie nicht als Gegner, obwohl er sie auch nicht als Mitstreiter anerkennen konnte. Dadurch dass sie ihn im Stich gelassen hatten, machten sie seine Gefangenschaft viel schwerer. Doch er folgte dem Beispiel des Herrn Jesus, der betete: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lk 23,34). Er glich darin Stephanus, der auch dem Beispiel des Herrn Jesus gefolgt war (Apg 7,60). Hier hast du Beispiele dafür, wie du in Bezug auf Menschen reagieren solltest, die dich nicht mehr kennen wollen, weil du für den Herrn Jesus einstehst.
V17. Wenn du auch manchmal das Gefühl hast, dass du, wie Paulus hier, ganz allein dastehst, bist du doch nicht allein, so wie auch Paulus nicht allein war. Der Herr will dir beistehen und dich stärken. Paulus hat das erfahren. Als alle um ihn her ihn im Stich ließen, blieb der Herr bei ihm (vgl. Apg 18,9; 23,11). Die persönliche Gegenwart des Herrn ist die besondere Erfahrung in Situationen, wo alles um dich her wegbricht, weil du dem Herrn treu bleiben willst. Er „stärkte mich“ bedeutet wörtlich: Er hat mir Kraft eingeflößt oder mir eine Kraftspritze gegeben (Phil 4,13). Wenn seine Gegenwart für dich eine lebendige Realität ist und du alles von Ihm erwartest, wirst du spüren, wie du neu gestärkt wirst (Jes 40,31).
Der Herr tut das, damit sein Werk durch seinen Diener völlig erfüllt wird. Was Paulus angeht, so bezog sich das auf sein Zeugnis vor Gericht, bis hin zum Palast des Kaisers. Er hatte sich auf den Kaiser berufen, und dahin sollte er auch gehen. Wenn er im Palast Zeugnis für den Herrn Jesus ablegen würde, stand das symbolisch für ein Zeugnis vor der gesamten westlichen Welt, deren Zentrum der kaiserliche Palast war.
Erst wenn jemand seine Aufgabe zu Ende geführt hat, kann der Herr es zulassen, dass der Feind seinen Diener tötet (vgl. Lk 22,53; Joh 7,30; 8,20). Bei seiner Bekehrung hatte der Herr Paulus angekündigt, was seine Aufgabe sein würde (Apg 9,15). Darum hatte der Herr es zugelassen, dass Paulus gefangengenommen wurde. Nun würde er den Namen des Herrn Jesus „tragen sowohl vor Nationen als Könige“. Alles, was der Feind an Bösem beabsichtigt hatte, wurde zu einem Zeugnis, damit die Großen der Welt, die anders nicht zu erreichen waren, das Wort der Wahrheit hörten. Darum ist er im Augenblick auch noch „gerettet worden aus dem Rachen des Löwen“. Das erinnert uns an Daniel in der Löwengrube (Dan 6,23). Satan, der auf Paulus wie ein brüllender Löwe losging, um ihn zu verschlingen (vgl. 1Pet 5,8), erhielt auch jetzt noch nicht die Gelegenheit dazu. Der Herr hielt ihn im Zaum und bewahrte Paulus so vor einem vorzeitigen Tod.
V18. Paulus war sich der enormen Bedrohung durch den Löwen, der ihn in seiner Wut zu zerreißen suchte, sehr wohl bewusst. Doch er blickte über den Löwen hinaus auf den Herrn. Er war sich sicher, dass der Herr ihn „von jedem bösen Werk“ retten würde, ebenso wie er ihn „aus dem Rachen des Löwen“ gerettet hatte. Satan zeigt sich jedoch nicht nur wie ein brüllender Löwe. Er kann auch wie ein Engel des Lichts auftreten (2Kor 11,14). Unter „jedem bösen Werk“ müssen wir deshalb alles verstehen, was Satan Paulus einzuflüstern versuchte, um ihn dazu zu bewegen, das zu verleugnen, was er bisher so unerschrocken festgehalten hatte. Dazu kann Satan auch die gutgemeinten Ratschläge von Menschen benutzen, die sich selbst als gute Christen betrachten, aber natürlich auch „nüchtern“ sind und die Dinge nicht so auf die Spitze treiben, wie Paulus das ihrer bescheidenen Meinung nach tat. Paulus fürchtete sich mehr vor solchen Einflüsterungen als vor dem Tod.
Er wusste, dass er aus eigener Kraft dem nicht gewachsen war, dass der Herr ihn aber davon retten und ihn bewahren würde. „Retten“ bedeutet hier „aus der Gefahrenzone holen“, und „bewahren“ bedeutet „in Sicherheit bringen“. Einerseits holte der Herr ihn also aus einem Bereich voller Gefahren heraus und brachte ihn andererseits in einen Bereich, wo er völlig sicher war. Dieser Bereich ist „sein himmlisches Reich“. In seinem starken und einfältigen Vertrauen stützte er sich bis zum Schluss auf den Herrn. Wenn er auch entschlafen würde, statt umgestaltet zu werden, freute er sich dennoch weiterhin auf die Erscheinung des Herrn. Paulus freute sich auf das himmlische Reich des Herrn Jesus. Das ist nicht dasselbe wie das „Reich der Himmel“ bei Matthäus. Das Reich der Himmel bezieht sich auf die Herrschaft des Herrn Jesus über Himmel und Erde nach himmlischen Maßstäben. Dieses Königreich hat also eine himmlische und eine irdische Seite. Mit dem himmlischen Reich ist die himmlische Seite gemeint.
Paulus freute sich darauf, mit dem Herrn Jesus wiederzukommen, wenn Er vor der Welt erscheinen würde. Dann würde er einer der Heiligen sein, in denen der Herr Jesus verherrlicht werden würde, und einer der Gläubigen, in denen der Herr Jesus bewundert werden würde (2Thes 1,10). Er wäre dann wie einer der Gerechten, die „leuchten wie die Sonne im Reich ihres Vaters“ (Mt 13,43). Dies ist eine andere Bezeichnung für das „himmlische Reich“. „Leuchten wie die Sonne“ bedeutet, „leuchten wie der Herr Jesus“, denn Er ist die Sonne (Mal 3,20). Es geht um Ihn. Während Paulus an Ihn dachte, stieg aus der kalten und stinkenden Zelle in Rom ein Lobpreis zur Ehre dessen auf, „dem die Herrlichkeit sei von Ewigkeit zu Ewigkeit“. Mit einem aus tiefstem Herzen kommenden „Amen“ (= so sei es) bekräftigt Paulus sein Vertrauen auf den Herrn und seinen Lobpreis.
V19. Paulus wünscht noch, dass Timotheus Grüße von ihm an Priska und Aquila übermittelt, die er in Korinth kennengelernt hatte und die gute Freunde von ihm waren (Apg 18,2). Dieses treue Ehepaar war nun in Ephesus. Paulus erwähnt sie mit Gefühlen besonderer Dankbarkeit, nicht nur wegen ihrer Treue im Dienst für den Herrn (Apg 18,26; 1Kor 16,19), sondern auch, weil sie sich unter Lebensgefahr für ihn eingesetzt hatten (Röm 16,3.4). Außerdem sollte Timotheus auch das Haus des Onesiphorus grüßen (2Tim 1,16).
V20. Paulus erwähnt noch zwei weitere Brüder mit Namen, um Timotheus über ihre Umstände zu informieren. Wir können voraussetzen, dass Timotheus sehr gespannt darauf war, etwas von ihnen zu hören. Auf Bitten von Paulus hatte er zusammen mit Erastus einen Dienst in Mazedonien getan (Apg 19,22). Dadurch hatte Timotheus Erastus besser kennengelernt, und so wird eine Verbindung zwischen den beiden entstanden sein. Auch bekleidete Erastus in Korinth eine hohe Funktion. Er war dort Stadtkämmerer (Röm 16,23). Vielleicht hatten seine Verpflichtungen in diesem Amt ihm nicht ermöglicht, weiter mit Paulus umherzuziehen.
Trophimus kam aus Ephesus (Apg 21,29). Er hatte Paulus von dort aus begleitet (Apg 20,4), war aber bald krank geworden. In Milet musste Paulus ihn zurücklassen, weil seine Krankheit es ihm unmöglich machte, weiter mitzureisen. Wie du siehst, hat Paulus ihn nicht mal eben schnell geheilt, obwohl er das gekonnt hätte. Er hatte die Gabe der Heilungen. Paulus und Trophimus nahmen diese Krankheit aus der Hand Gottes. Es war keine Krankheit, gegen die man sich hätte zur Wehr setzen oder etwas dergleichen hätte tun müssen. Auch gibt es kein Anzeichen dafür, dass Trophimus nicht genug Glauben gehabt hätte, um gesund zu werden.
Wenn ein Gläubiger krank wird, sollte er darin die Hand des Herrn sehen und nicht die Hand des Teufels. So nahm auch Hiob seine Unglücke und seine Krankheit nicht aus der Hand Satans, sondern aus der Hand Gottes (Hiob 2,10). Es kann sein, dass ein Gläubiger durch eigene Schuld, durch Unvorsichtigkeit, krank wird, vielleicht auch wegen einer Sünde (Jak 5,14–16). Dann ist ein Bekenntnis angebracht, und Gott kann Wiederherstellung bewirken.
Gläubige können aber auch krank werden, weil sie sich für das Werk des Herrn eingesetzt haben. So war es bei Epaphroditus (Phil 2,25–30). Der Herr Jesus macht sich eins mit seinen kranken Brüdern, so wie Er sich mit den Hungrigen, Durstigen oder Gefangenen einsmacht (Mt 25,35–40). Hier siehst du deutlich, dass Krankheit nicht automatisch mit Sünde in Verbindung gebracht werden kann. Der Herr Jesus würde sich nie mit Sünde einsmachen. Das hat Er ein für alle Mal in den drei Stunden der Finsternis am Kreuz getan. Danach hatte Er nie wieder etwas mit Sünde zu tun (ebenso wenig, wie Er vorher damit zu tun hatte). Lass dir deshalb nie von charismatischen Christen weismachen, dass Krankheit als Sünde ausgetrieben werden müsse.
V21. Paulus wollte Timotheus gern noch einmal sehen, bevor der Herr ihn zu sich rufen würde und sein irdischer Dienst beendet wäre. Dass er ihn gern vor dem Winter sehen wollte, hatte auch einen praktischen Grund, nämlich wegen seines Mantels (Vers 13). Dann richtet er Timotheus noch die Grüße von drei Männern und einer Frau aus, die Paulus besucht hatten und Timotheus ebenfalls kannten. Er bestellt Timotheus auch von ihnen Grüße, wobei keine Gefühle der Enttäuschung über die Haltung der Brüder in Rom anklingen.
V22. Er schließt seinen Brief mit einem persönlichen Wunsch für Timotheus und einem Wunsch, der allen, mit denen Timotheus zusammen war, gemeinsam galt. Es ist ergreifend, dass der Brief so endet. Er wünscht Timotheus, dass der Herr mit seinem Geist sein möge. Das wünsche ich auch für mich selbst und für dich. Das schließt in sich, dass du in deinem Leben und in deinem Dienst für Gott ständig die Gegenwart Christi, des Herrn, erfahren mögest. Lass deinen Geist nicht von der Welt und ihrem Denken in Beschlag nehmen, auch nicht, wenn du siehst, dass der Verfall in der Christenheit immer größere Ausmaße annimmt und du dagegen etwas unternehmen möchtest. Wenn wir das sehen, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns gegenseitig das Bewusstsein der Gnade zu wünschen. Doch wie groß ist das! Die Gnade überwindet jede Schwierigkeit.
Lies noch einmal 2. Timotheus 4,16–22.
Frage oder Aufgabe: Was kannst du aus der Haltung von Paulus lernen?